Inhalt

LSG München, Beschluss v. 30.12.2019 – L 9 U 109/18 B PKH
Titel:

Unfallversicherung: Zwangsvollstreckung von Beitragsforderungen

Normenketten:
AO § 218
BGB § 2059
SGB X § 66 Abs. 4
ZPO § 767, § 780, § 785
Leitsätze:
1. Bei einer Zwangsvollstreckung auf der Grundlage von § 66 Abs. 4 SGB X sind unter anderem grundsätzlich statthaft: Vollstreckungsabwehrklage; Klage nach §§ 785, 780, 767 ZPO; spezifische Rechtsbehelfe gegen Erteilung der Vollstreckungsklausel. (Rn. 20)
2. Zum Wesen so genannter Forderungsbescheide. (Rn. 18)
3. Zur Frage, ob Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung Nachlassverbindlichkeiten sind (hier verneint). (Rn. 25)
Der Regelungsgehalt von Forderungsbescheiden besteht darin, zum Zweck der Zwangsvollstreckung einen Zahlungsrückstand beziehungsweise ein „Kontominus“ zu einem bestimmten Stichtag verbindlich festzustellen und die Zahlung anzuordnen; sie treffen anders als Beitragsbescheide keine Regelungen über entstandene und zu zahlende Beitragsforderungen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung, Forderungsbescheid, Nachlassverbindlichkeiten, Vollstreckungsabwehrklage, Zwangsvollstreckung, beschränkte Erbenhaftung, Nachlasserbenschulden
Vorinstanz:
SG Nürnberg, Beschluss vom 04.01.2018 – S 12 U 6031/15
Fundstelle:
BeckRS 2019, 41557

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 4. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten trägt der Kläger und Beschwerdeführer. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
1
Das Beschwerdeverfahren betrifft einen Antrag auf Prozesskostenhilfe in einem Klageverfahren, zu dem es im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens nach § 66 Abs. 4 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) gekommen ist. Gegenstand der Vollstreckung sind Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung samt Säumniszuschlägen und Kosten.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist Mitglied einer Erbengemeinschaft mit seinen drei Geschwistern in Bezug auf den Nachlass seines Vaters sowie seiner Mutter. Zu dem - anscheinend noch ungeteilten - Nachlass gehören verschiedene Waldgrundstücke. Seit langem erhebt die Beklagte und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) deswegen unter Annahme eines Unternehmens der Forstwirtschaft Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Der Beschwerdeführer wehrt sich dagegen seit jeher insbesondere mit dem Argument, die Erbengemeinschaft betreibe gerade kein Unternehmen der Forstwirtschaft. In der Angelegenheit waren beziehungsweise sind zahlreiche sozialgerichtliche Verfahren zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin anhängig.
3
Es kam auch bereits zu Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts S-Stadt vom 25.08.2015 (Gz.: 1 M 1635/15) hat der Beschwerdeführer zum Anlass genommen, beim Sozialgericht Nürnberg eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu erheben (Klageerhebung am 21.10.2015) und insoweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung eines Anwalts zu beantragen.
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Mit dem Beschluss des Amtsgerichts S-Stadt vom 25.08.2015 ist die Pfändung und Überweisung der Ansprüche des Klägers gegen seine Geschwister im Wesentlichen auf Auseinandersetzung des Erbes nach seinem Vater erfolgt; die zugrundeliegenden Ansprüche belaufen sich auf 7.980,09 EUR. Dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss liegen als Vollstreckungstitel Forderungsbescheide vom 10.02.2012, 07.09.2012, 16.05.2013 und 09.07.2014 zugrunde.
- Mit dem Bescheid vom 10.02.2012 wurde ein Forderungsbescheid vom 16.02.2009 aufgehoben. Zudem wurde zum Stichtag 09.02.2012 für das Beitragskonto der Erbengemeinschaft ein Beitragsrückstand von 3.534,89 EUR (Beiträge 2003 bis einschließlich 2010) zzgl. Mahngebühren, Säumniszuschläge und Kosten (insgesamt 4.639,39 EUR) festgestellt. Der Kläger wurde zur Begleichung innerhalb einer Woche aufgefordert.
- Mit dem Bescheid vom 07.09.2012 wurde ein Forderungsbescheid vom 16.03.2012 aufgehoben. Zudem wurde zum Stichtag 06.09.2012 für das Beitragskonto der Erbengemeinschaft ein Beitragsrückstand von 359,74 EUR (Beiträge 2011) zzgl. Mahngebühren, Säumniszuschläge und Kosten (insgesamt 392,69 EUR) festgestellt. Der Kläger wurde zur Begleichung innerhalb einer Woche aufgefordert.
- Mit dem Bescheid vom 16.05.2013 wurde zum Stichtag 16.05.2013 für das Beitragskonto der Erbengemeinschaft ein Beitragsrückstand von 493,52 EUR (Beiträge 2012) zzgl. Mahngebühren und Säumniszuschläge (insgesamt 508,27 EUR) festgestellt. Der Kläger wurde zur Begleichung innerhalb einer Woche aufgefordert.
- Mit dem Bescheid vom 09.07.2014 wurde zum Stichtag 16.06.2014 für das Beitragskonto der Erbengemeinschaft ein Beitragsrückstand von 668,69 EUR (Beiträge 2013) zzgl. Mahngebühren und Säumniszuschläge (insgesamt 684,44 EUR) festgestellt. Der Kläger wurde zur Begleichung innerhalb einer Woche aufgefordert.
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Das Sozialgericht Nürnberg hatte in ein und derselben Angelegenheit zwei Klageverfahren eingetragen (S 8 U 6031/15 und S 8 U 6033/15) Mit Beschluss vom 18.11.2015 hat es die beiden Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 8 U 6031/15 fortgeführt.
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Vor dem Sozialgericht hat der Beschwerdeführer die Beitragsveranlagung dem Grunde und der Höhe nach angegriffen. Die Beschwerdegegnerin habe für die Beitragserhebung keine Rechtsgrundlage. Die gesetzliche Unfallversicherung sei eine Arbeitnehmerversicherung. Der Arbeitgeber sei dagegen nicht versichert; er müsse sich selbst absichern. Er, der Beschwerdeführer, sei weder Unternehmer noch führe er einen forstwirtschaftlichen Betrieb; dies dürfe er auch gar nicht. Kein Mitglied der Erbengemeinschaft habe zu irgendeinem Zeitpunkt irgendwelche forstwirtschaftlichen Tätigkeiten ausgeführt oder Angestellte deswegen beschäftigt. Sämtliche Arbeiten, die mit Wald zu tun hätten, seien an gewerbliche Betriebe auf der Basis eines Werkvertrags vergeben worden. Auch Planungen und Wirtschaftsmaßnahmen seien gegen Entgelt Forstfachleuten übertragen worden. Da es keine Angestellte gebe, gebe es auch keinen Forstbetrieb. Mangels Arbeitnehmern existiere auch kein Unfallrisiko. Es handle sich vielmehr um ein Hobby. Die Erbengemeinschaft könne von vornherein nicht zu einem Beitrag veranlagt werden. Wenn überhaupt, so müsse sich die Beschwerdegegnerin an ihn persönlich halten. Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Erbengemeinschaft, wie die Zwangshypothek seien unzulässig. Die Beschwerdegegnerin betrachte zu Unrecht die Miterben als Gesamt- oder Drittschuldner; sie verwechsle die Erbengemeinschaft mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie hätte gegen jeden einzelnen Miterben anteilig vorgehen müssen, sich nicht aber an einen einzelnen Miterben wenden und auch noch dessen persönliches Eigentum (außerhalb des Nachlasses) pfänden dürfen. Zudem gehe es nicht, dass die Beklagte sich selbst einen Titel ausstelle. Seit 15.05.1998 sei er, der Kläger, nicht mehr „Eigentümer seines Erbteils“. Er habe an diesem Tag gemäß § 2033 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über seinen Erbteil verfügt und diesen erfüllungshalber per Vertrag abgetreten. Der Formmangel der notariellen Beurkundung und Grundbucheintragung sei unerheblich. Er sei auch am 15.11.2002 durch Nachholung und Beurkundung geheilt worden; insoweit hat der Beschwerdeführer auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26.05.2011 verwiesen. Beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung sei überdies, so der Beschwerdeführer weiter, nicht der Eigentümer, sondern der in der Sache Begünstigte, also der Pächter.
7
Mit Beschluss vom 04.01.2018 hat das Sozialgericht die Bewilligung von PKH abgelehnt. Es hat keine hinreichende Erfolgsaussicht des Rechtsschutzbegehrens gesehen. Der Rechtsstandpunkt des Klägers, so das Sozialgericht in der Begründung, könne keinesfalls für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden. Die von ihm vorgetragenen Einwendungen seien entweder gemäß § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert oder beträfen die Art und Weise der Vollstreckung.
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Am 09.01.2018 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss vom 04.01.2018 „sofortige Beschwerde“ erhoben. Eine Begründung zur Sache hat er nicht gegeben. Jedoch hat er die Vorsitzende der erstinstanzlich zuständigen Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
II.
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Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat den Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Anwalts zu Recht abgelehnt.
10
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die „hinreichende Erfolgsaussicht“ nicht überspannt werden. Insbesondere darf das Verfahren in der Hauptsache nicht in das PKH-Verfahren verlagert werden, so dass beispielsweise schwierige Rechtsfragen - auch schwierige Subsumtionen - keinen Platz im PKH-Verfahren haben. Derartiges muss dem Verfahren in der Hauptsache vorbehalten bleiben.
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Trotz dieses strengen Maßstabs ist hier eine hinreichende Aussicht auf Erfolg zu verneinen. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, hat der Senat keine Arbeitsschritte vornehmen müssen, die eventuell eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten könnten. Der für die Rechtsanwendung relevante Sachverhalt präsentiert sich sehr überschaubar. Insbesondere kommt es hier in keiner Weise auf die bis in die 1970er Jahre zurückreichende komplizierte Streithistorie zwischen dem Beschwerdeführer und der Beschwerdegegnerin an. Auch die rechtliche Beurteilung der Erfolgsaussicht des Klageverfahrens S 12 U 6031/15 erscheint ohne größeren Aufwand klar; rechtliche Streitfragen werden nicht berührt. Dass die hier betroffene Rechtsmaterie (Zwangsvollstreckungsrecht, Erbrecht) ein für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit eher unübliches Betätigungsfeld verkörpert, vermag daran nichts zu ändern.
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1. Die Gründe, die der Vollstreckungsabwehrklage die Aussicht auf Erfolg nehmen, liegen auf der Hand. Dabei bedarf es im Rahmen des PKH-Verfahrens keiner Festlegung, ob und inwieweit die Klage bereits unzulässig oder aber unbegründet ist.
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Nur insoweit ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben, als generell Vollstreckungsabwehrklagen auch im Rahmen der Vollstreckung belastender sozialrechtlicher Verwaltungsakte statthaft sein können. § 66 SGB X vermittelt den zuständigen Behörden zwei Optionen, wie belastende sozialrechtliche Akte zu vollstrecken sind (vgl. Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 10.02.2016 - 34 Wx 337/15, juris Rn. 14). § 66 Abs. 1 bis 3 SGB X regeln die eigentliche Verwaltungsvollstreckung, die sich nach den speziellen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes beziehungsweise der Länder richtet. Alternativ kann gemäß § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung der ZPO stattfinden. Auf diese zweite Möglichkeit hat die Beschwerdegegnerin zurückgegriffen.
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Der in § 66 Abs. 4 Satz 1 SGB X normierte Befehl zur Anwendung von Regelungen der ZPO erfasst auch § 767 ZPO. Nach § 767 Abs. 1 ZPO sind Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen. Gegenstand einer Vollstreckungsabwehrklage können also nur Einwendungen sein, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen. Die Vollstreckungsabwehrklage hat zum Ziel, die Vollstreckungsfähigkeit des titulierten Anspruchs zu beseitigen. Mit ihr wird der Wegfall des materiellen Anspruchs geltend gemacht. Jegliches Ankämpfen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung ist im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage dagegen fehl am Platz. Dafür gibt es eigene Rechtsbehelfe (§§ 766, 793 ZPO), für die nicht die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, sondern die Vollstreckungsgerichte zuständig sind.
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Anlass für die Vollstreckungsabwehrklage war der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts S-Stadt vom 25.08.2015 (Gz.: 1 M 1635/15). Somit muss davon ausgegangen werden, dass sich die Vollstreckungsabwehrklage auf die der Pfändung zugrundeliegenden Bescheide der Beschwerdegegnerin vom 10.02.2012, 07.09.2012, 16.05.2013 und 09.07.2014 bezieht, bei denen es sich allesamt um so genannte Forderungsbescheide handelt.
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Die Vollstreckungsabwehrklage wäre unzulässig, soweit gegen die vier zugrundeliegenden Forderungsbescheide als solche noch Klageverfahren anhängig wären. Denn bei diesen Klageverfahren würden nicht nur die Richtigkeit der Forderungsbescheide zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geprüft, sondern auch solche Umstände, welche die ausgewiesene Forderung nach Erlass der letzten Behördenentscheidung vermindert haben (zum Beispiel vollständige oder teilweise Erfüllung der Forderung); maßgebender Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung wäre der Schluss der mündlichen Verhandlung. In dem Umfang aber, in dem noch Abhilfe mittels regulärer Anfechtungsklage geschaffen werden kann, besteht für eine Vollstreckungsabwehrklage kein Rechtsschutzbedürfnis.
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Inwieweit hier gegen die vier Vollstreckungsbescheide tatsächlich noch Anfechtungsklagen bei Gericht anhängig sind, hat der Senat nicht prüfen müssen. Denn jedenfalls wäre der Beschwerdeführer mit sämtlichen Einwänden, die er gegen seine Zahlungspflicht erhoben hat, nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Sinn der Vollstreckungsabwehrklage ist es, Einwendungen, die erst nach Abschluss des so genannten Erkenntnisverfahrens entstanden sind und deswegen nicht bei der Entstehung des Vollstreckungstitels berücksichtigt werden konnten, Rechnung zu tragen. Eine Vollstreckungsabwehrklage ist, wenn es sich bei dem Titel um ein zivilrechtliches Endurteil handelt, nur begründet, wenn die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, nach dem Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 767 ZPO Rn. 14). Im vorliegenden Fall tritt diese zeitliche Zäsur mit dem Erlass des Forderungsbescheids ein, und wenn dieser gerichtlich angefochten wird, ebenfalls dem Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Diejenigen Einwendungen, die schon vor der zeitlichen Zäsur entstanden waren, müssen selbstredend bereits im Erkenntnisverfahren beziehungsweise hier in den Anfechtungsverfahren gegen die Forderungsbescheide eingebracht werden. Wird dies unterlassen, hat sich der Schuldner dies selbst zuzurechnen. Er kann dann nicht mehr im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens diese Versäumnis „heilen“. Jeglicher Vortrag des Beschwerdeführers, er dürfe aus sozialrechtlichen oder erbrechtlichen Gründen nicht in Anspruch genommen werden oder die Beschwerdegegnerin dürfe keine Forderungsbescheide als Vollstreckungstitel erlassen, muss vor diesem Hintergrund von der Berücksichtigung im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage ausgeschlossen bleiben. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss und sieht von einer eigenen Begründung ab. Auch mit dem Einwand, er habe seinen Erbteil auf seine Ehefrau übertragen, ist der Beschwerdeführer präkludiert. Maßgebend ist insoweit, dass der Beschwerdeführer behauptet, der Rechtsübergang sei bereits 2002 erfolgt; dass dies tatsächlich wohl erst 2016 - also erst nach Erlass der vier Forderungsbescheide - der Fall gewesen ist, spielt insoweit keine Rolle.
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An dieser Stelle sei der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass möglicherweise manche seiner Einwände nicht einmal im Erkenntnisverfahren von Belang sein können. Denn bei den vier zugrundeliegenden Bescheiden handelt es sich durchweg um Forderungsbescheide (vgl. dazu ausführlich BGH, Beschluss vom 25.02.2016 - V ZB 25/15, sowie OLG München, Beschluss vom 10.02.2016 - 34 Wx 337/15, juris Rn. 17). Deren Regelungsgehalt besteht darin, zum Zweck der Zwangsvollstreckung einen Zahlungsrückstand beziehungsweise ein „Kontominus“ zu einem bestimmten Stichtag verbindlich festzustellen und die Zahlung anzuordnen. Die vollstreckbare Ausfertigung eines Forderungsbescheids ist Vollstreckungstitel. Forderungsbescheide treffen jedoch keine Regelungen, für ein bestimmtes Jahr sei ein bestimmter Beitrag zur Unfallversicherung entstanden und zu zahlen; das übernehmen vielmehr die Beitragsbescheide im Sinn von § 168 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch. Vielmehr ähnelt der Forderungsbescheid frappierend dem Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung. Sollte es der Beschwerdeführer (beziehungsweise die Erbengemeinschaft) also versäumt haben, gegen die Beitragsbescheide mit Widerspruch und Klage vorzugehen, wäre er hinsichtlich eines späteren Forderungsbescheids mit dem Einwand ausgeschlossen, die Beiträge seien nicht oder in geringerer Höhe entstanden.
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Der Senat hat beiläufig und diffus erfahren, mittlerweile hätten Geschwister des Beschwerdeführers Zahlungen geleistet - worauf, ist hier nicht bekannt. Wären davon die Regelungsgegenstände der vier zugrundeliegenden Forderungsbescheide betroffen, wäre eine Vollstreckungsabwehrklage selbstredend angebracht und der Beschwerdeführer auch nicht mit dem Einwand der nachträglichen Erfüllung der Beitragsforderungen präkludiert. Im Rahmen des hier vorliegenden PKH-Verfahrens besteht für den Senat jedoch kein Anlass, in diese Richtung näher zu ermitteln. Denn es ist Sache des Beschwerdeführers, die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH glaubhaft zu machen. Dieser hat jedoch überhaupt nichts zu eventuellen nachträglichen Zahlungen vorgetragen. Im Beschwerdeverfahren hat er keinerlei Begründung eingereicht, sondern sich - wenig konstruktiv - darauf beschränkt, die beim Sozialgericht zuständige Kammervorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Sollten tatsächlich inzwischen Zahlungen der anderen Geschwister auf die hier in Streit stehenden Beitragsforderungen erfolgt sein, wäre die Beschwerdegegnerin aufzufordern, dies alsbald in entsprechend modifizierte Regelungen umzusetzen.
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2. Zwar hat der Beschwerdeführer ausdrücklich Vollstreckungsabwehrklage erhoben. Allerdings legt der Senat sein Rechtsschutzbegehren nicht beschränkt darauf aus. Vielmehr muss die erhobene Klage daraufhin geprüft werden, ob sie vielleicht einen anderen Rechtsbehelf als eine Vollstreckungsabwehrklage unmittelbar nach § 767 ZPO, für den nicht das Vollstreckungs-, sondern das Prozessgericht zuständig ist, beinhaltet. Nach dem konkreten Vortrag des Beschwerdeführers kommen insoweit Rechtsbehelfe gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel, aber auch eine Klage nach §§ 785, 780, 767 ZPO in Betracht. Allen denkbaren Klagen fehlt jedoch eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn des PKH-Rechts.
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a) Seit jeher rügt der Beschwerdeführer, es gehe nicht an, dass die Beschwerdegegnerin sich selbst Vollstreckungstitel verschaffe. Der Senat sieht hierbei nicht nur einen Protest gegen den Erlass von Forderungsbescheiden überhaupt, sondern auch gegen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung. Er geht davon aus, dass dem Beschwerdeführer als in Anspruch genommenen Schuldner auf der Grundlage von § 66 Abs. 4 SGB X auch spezifische Rechtsbehelfe gegen die Erteilung einer Klausel offenstehen, für die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig sind. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung von in der ZPO genannten Titeln sieht das Gesetz insoweit die Klauselerinnerung nach § 732 ZPO sowie die Klauselgegenklage nach § 768 ZPO vor. Obwohl beide Rechtsbehelfe für den Fall des Beschwerdeführers an sich nicht passen, tendiert der Senat zu der Ansicht, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis in § 66 Abs. 4 SGB X auf das Zwangsvollstreckungsrecht der ZPO den betroffenen Schuldnern auch die Möglichkeit einräumen wollte, sich spezifisch gegen eine unberechtigte Erteilung einer Vollstreckungsklausel zur Wehr zu setzen.
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Wie ein solcher Rechtsbehelf im Detail aussehen kann, bedarf an dieser Stelle indes keiner Erörterung. Jedenfalls könnte er im vorliegenden Fall keinen Erfolg haben, weil die Erteilung der Vollstreckungsklausel sehr wohl rechtens war. § 66 Abs. 4 Satz 3 SGB X räumt dem Behördenleiter oder einem Vertreter das Recht ein, eine vollstreckbare Ausfertigung zu erteilen. Wenn der Beschwerdeführer möglicherweise meint, die den Titel ausstellende Behörde dürfe sich nicht selbst auch noch eine Vollstreckungsklausel erteilen, dann übersähe er, dass auch im Rahmen der §§ 724 ff. ZPO dasjenige Gericht die Vollstreckungsklausel erteilt, welches auch das vollstreckbare Endurteil erlassen hat.
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Die Vollstreckungsklausel wurde bei allen vier Forderungsbescheiden auch materiell-rechtlich korrekt erteilt. Das Prüfprogramm der Beschwerdegegnerin war insoweit sehr begrenzt. Es musste jeweils nur geprüft werden, ob ein wirksamer Titel vorlag und die Forderungsbescheide auch vollstreckbar waren. Wirksame Titel lagen vor, weil keiner der vier Forderungsbescheide nichtig ist. Und diese waren auch vollstreckbar. Insoweit sieht der Senat von der Feststellung ab, ob und wann jeweils Bestandskraft eingetreten ist. Denn jedenfalls hätten ein eventueller Widerspruch und eine eventuelle Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung gehabt. Bei keiner der vier erteilten Vollstreckungsklauseln lag ein Fall des § 726 ZPO (so genannte titelergänzende Klausel) oder der §§ 727 ff ZPO (so genannte titelumschreibende Klausel) vor.
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b) Keine Aussicht auf Erfolg hat die vom Beschwerdeführer erhobene Klage auch unter dem Gesichtspunkt, dass dieser sich darauf beruft, er dürfe nicht mit seinem Eigenvermögen in Anspruch genommen werden. Generell ist eine entsprechende Klage in entsprechender Anwendung von §§ 785, 780, 767 ZPO vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zwar durchaus denkbar. In der Zwangsvollstreckung kann auch die beschränkte Erbenhaftung nach § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB, auf die sich der Beschwerdeführer konkret beruft, über §§ 780, 785 ZPO geltend gemacht werden.
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Allerdings ist offenkundig, dass der Beschwerdeführer nicht in den Genuss beschränkter Erbenhaftung gemäß § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB kommen kann. Denn bei den in Streit stehenden Beitragsschulden gegenüber der Beschwerdegegnerin handelt es sich nicht um reine Nachlassverbindlichkeiten, sondern um so genannte Nachlasserbenschulden (vgl. Dutta in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 1967 Rn. 5, 36). Diese sind sowohl Nachlassverbindlichkeiten als auch Eigenschulden der Erben. Der erste Umstand führt dazu, dass auch der Nachlass haftet, der zweite, dass eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, wie es sich der Beschwerdeführer wünscht, nicht möglich ist. Somit kann der Beschwerdeführer grundsätzlich als Gesamtschuldner für entstandene Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung in Anspruch genommen werden und sich dabei nicht darauf berufen, der Nachlass sei noch ungeteilt. Die Vollstreckung ist prinzipiell vielmehr auch in das Eigenvermögen des Beschwerdeführers möglich.
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Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung trägt der Beschwerdeführer als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Die Kostenfreiheit des § 183 SGG greift nicht, weil der Beschwerdeführer den Rechtsstreit als Unternehmer im Sinn des Unfallversicherungsrechts geführt hat (auch wenn er die Unternehmereigenschaft gerade bestreitet). Die Festsetzung des Streitwerts erübrigt sich, weil die hier einschlägige Gerichtsgebühr nach Nr. 7504 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht nach dem Streitwert bemessen wird. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten beider Parteien scheidet wegen § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO aus.
27
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.