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VG München, Urteil v. 06.02.2019 – M 25 K 17.2787
Titel:

Namenswiedergabe des Sachbearbeiters unter dem Ausweisungsbescheid

Normenketten:
AufenthG § 53, § 54 Abs. 1 Nr. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 3 S. 1, Art. 44 Abs. 1
VwGO § 43, § 57 Abs. 2, § 74 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Ist der angefochtene Bescheid mit der Namenswiedergabe des Sachbearbeiters und dem Kürzel "gez." versehen, reicht dies zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes aus; eine eigenhändige Unterschrift ist nicht erforderlich. (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der ordnungsgemäßen Bekanntgabe des wirksamen Bescheides beginnt die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO. (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Klagefrist, Namenswiedergabe unter Bescheid, Anfechtungsklage, Unterschrift
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.11.2019 – 10 ZB 19.378
Fundstelle:
BeckRS 2019, 4000

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung verbunden mit einer 6-jährigen Wiedereinreisesperre.
2
Der Kläger wurde am … Oktober 1993 in Tunis geboren und wuchs gemeinsam mit seinem Bruder bei seinen Eltern auf. In Tunesien hat der Kläger die Schule besucht und 2013 mit dem Abitur abgeschlossen.
3
Am ... Februar 2014 stellte der Kläger bei der deutschen Botschaft in Tunis einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke der Teilnahme an einem Intensivsprachkurs und der anschließenden Aufnahme eines Maschinenbaustudiums in Heidelberg. Ein entsprechendes Visum wurde dem Kläger erteilt. Im März 2014 kam er sodann nach Heidelberg. Der Kläger besuchte 6 Monate lang einen Deutschkurs. Den Sprachtest hat der Kläger nicht bestanden. Der Zugang zur Hochschule bzw. Universität wurde deshalb verwehrt. Daraufhin zog der Kläger für etwa 6 Monate nach Stuttgart, wo er bei einem Freund wohnte. Der Kläger lebte von Taschengeld in Höhe von 1000 EUR monatlich, welches sich auf einem tunesischen Sparkonto befand. Die Kosten für den Sprachkurs übernahmen die Eltern.
4
Im Januar 2015 kam der Kläger nach M. und konnte zunächst bei dem Onkel eines Freundes unterkommen. Zeitweise übte der Kläger kurze Nebentätigkeiten aus.
5
Auf Antrag wurde dem Kläger erstmals am ... August 2014, gültig bis zum … März 2015, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Am … März 2015 sprach der Kläger bei der Ausländerbehörde M. vor und beantragte mündlich die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, sodass ihm eine bis zum … August 2015 gültige Fiktionsbescheinigung ausgestellt wurde. Am … Juni 2015 stellte der Kläger einen schriftlichen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, welche am … Januar 2016 abgelehnt wurde.
6
Der Kläger ist ledig und verfügt über einen Bekanntenkreis, den Freunden seines Vaters, in M. Seine Eltern und sein Bruder leben weiterhin in Tunesien.
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Mit Urteil des Amtsgerichts München vom … Januar 2017 wurde der Kläger wegen Computerbetrugs in 608 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt. Hierbei entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 159.517,85 EUR. Die Entscheidung ist seit dem ... Februar 2017 rechtskräftig.
8
Der Kläger wurde in dieser Sache am … April 2016 festgenommen und befand sich sodann bis zur rechtskräftigen Verurteilung in Untersuchungshaft. Seine Haftstrafe verbüßt der Kläger zurzeit in der Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld. Das Haftende ist für den … April 2019 vorgemerkt.
9
Mit Bescheid vom … April 2017, ausweislich des Empfangsbekenntnisses am ... Mai 2017 dem Kläger zugestellt, wies die Landeshauptstadt M. den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziff. 1), lehnte die Anträge auf Verlängerung des Aufenthaltstitels vom … März 2015 und … Juni 2015 ab (Ziff. 2), befristete die Wirkung der Ausweisung unter der Bedingung, dass Straffreiheit nachgewiesen wird, auf 6 Jahre (Ziff. 3), kündigte die Abschiebung aus der Haft heraus nach erfüllten Strafanspruch des Staates und bei Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nach Tunesien oder einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat an, setzte dem Kläger für den Fall der Haftentlassung eine Ausreisefrist von 4 Wochen nach Haftentlassung und drohte für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Tunesien oder in einen anderen zur Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat an (Ziff. 4).
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Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Straffälligkeit des Klägers, insbesondere seine mit Urteil vom … Januar 2017 abgeurteilten Straftaten, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdeten. Der Kläger habe eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt. Es bestehe die Gefahr, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers nach Haftentlassung wieder verschlechtert oder der Kläger wieder auf einfache und schnelle Art und Weise an Geld kommen wolle. An der aus Sicht der Ausländerbehörde konkret bestehenden Wiederholungsgefahr ändere auch die Tatsache nichts, dass der Kläger erstmals verurteilt wurde und sich erstmals für längere Zeit in Haft befinde. Das Ausweisungsinteresse wiege beim Kläger besonders schwer, da er wegen Computerbetrugs rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren verurteilt worden sei und serienmäßig 608 Fällen Straftaten gegen das Eigentum begangen habe (§ 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Nach umfassender Abwägung überwiege das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels.
11
Der Kläger ließ hiergegen durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben mit Klageschrift von … Juni 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom … April 2017 aufzuheben.
12
Der Klägerbevollmächtigte trug mit Schriftsatz vom … September 2017 im Wesentlichen vor, dass der Bescheid der Beklagten vom … April 2017 nichtig sei, da dieser nicht handschriftlich unterschrieben wurde und dies einen formellen Mangel, welche zur Nichtigkeit des Bescheids führe, darstelle. Darüber hinaus sei die Abwägung der Beklagten zwischen dem Ausweisungs- und dem Bleibeinteresse des Klägers fehlerhaft. So sei dem Kläger unter anderem pauschal jedes Bleibeinteresse abgesprochen worden. Die Persönlichkeit des Täters und die Entwicklung seiner Lebensumstände seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
13
Mit Schriftsatz vom … Juli 2017 beantragte die Beklagte die Klage abzuweisen.
14
Die Beklagte führte im Wesentlichen aus, dass ausweislich des Empfangsbekenntnisses der streitgegenständliche Bescheid am ... Mai 2017 bekannt gegeben worden sei. Die Klagefrist endete daher am Freitag, den ... Juni 2017. Die Klage sei mit Schreiben vom … Juni 2017 und damit nicht fristgerecht erhoben worden.
15
In der mündlichen Verhandlung vom ... Februar 2019 stellte der Bevollmächtigte des Klägers den Antrag aus der Klageschrift vom … Juni 2017 mit dem Hilfsantrag,
festzustellen, dass der Bescheid vom … April 2017 nichtig ist.
16
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die Behördenakten und die zum Verfahren beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft München I (Az.: …16) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Anfechtungsklage ist bereits unzulässig, da im Zeitpunkt der Klageerhebung die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgelaufen war. Gegen die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Verwaltungsaktes bestehen keine Bedenken.
18
Ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Bl. 263) wurde der streitgegenständliche Bescheid am ... Mai 2017 ordnungsgemäß bekannt gegeben. Dem Bescheid war eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung:angefügt (§ 58 VwGO). Mithin endete die Klagefrist am Freitag, den ... Juni 2017, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, Alt. 1 BGB. Die Klage wurde per Telefax jedoch erst mit Schreiben vom … Juni 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhoben.
19
Gegen die Wirksamkeit des Bescheids im Übrigen (§ 43 VwGO) bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere steht dieser nicht entgegen, dass der Verwaltungsakt „lediglich“ mit dem Namen der Sachbearbeiterin und dem Kürzel „gez.“ und nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift versehen war.
20
Gemäß Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Ausweislich des klaren Wortlauts der Vorschrift genügt entgegen der Auffassung des Klägervertreters, der davon ausgeht, dass der Bescheid handschriftlich unterschrieben sein müsse, die Namenswiedergabe des Sachbearbeiters. Dies ist vorliegend der Fall. Der Bescheid vom … April 2017 weist nach der dem Bescheid angefügten Rechtsbehelfsbelehrung:den Namen der Sachbearbeiterin ergänzt um das Kürzel „gez.“ aus. Dies reicht nach ständiger Rechtsprechung sowie ausweislich der hierzu umfänglich existierenden Kommentarliteratur aus (BayVGH, B. v. 30.3.2011 - 6 CS 11.234 - juris Rn. 9; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, Rn. 104-105; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, Rn. 39; Schönenbroicher in Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Auflage 2014, Rn. 155 ff.). Der Hinweis des Klägervertreters auf die Entscheidung des Berliner Kammergerichts zur Frage, wann ein Urteil in einem Strafverfahren wirksam unterzeichnet ist (vgl. dazu § 275 StPO) geht fehl. Der Wortlaut des im vorliegenden Fall anwendbaren Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG ist im Hinblick auf die Frage, ob der Bescheid handschriftlich unterschrieben sein muss, eindeutig.
21
2. Der seitens des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom ... Februar 2019 gestellte Hilfsantrag, die Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, ist zwar zulässig jedoch unbegründet. Eine Nichtigkeit des Bescheids gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG liegt nicht vor. Insofern kann auf die oben gemachten Ausführungen zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes verwiesen werden. Die Namenswiedergabe reicht ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Art. 37 Abs. 3 BayVwVfG aus. Ein Fall des Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG liegt offensichtlich nicht vor. Gegen die Wirksamkeit des Bescheides bestehen mithin keinerlei rechtliche Bedenken.
22
3. Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
23
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.