Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 28.10.2019 – AN 10 K 18.01635
Titel:

Feststellungsklage auf Rechtswirksamkeit der Eintragung einer Ortsstraße in das Bestandsverzeichnis

Normenketten:
BayStrWG Art. 67 Abs. 3, Abs. 4
VwGO § 43 Abs. 1
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei einem Verkauf eines Grundstücks besteht ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Eigenschaft des Weges als öffentliche Straße (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2012 - 8 B 11.2934, BeckRS 2013, 46282). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Entscheidend ist, dass der Verlauf und der Umfang des Weges eindeutig festliegen, nämlich durch die Darstellung in einem Lageplan bzw. einer Karte (so BayVGH, B. v. 15.3.2017 -8 ZB 15.1610, BeckRS 2017, 105380) bzw. noch deutlicher durch offenkundige zusätzliche Umstände, wie topographische Merkmale (so BayVGH, U.v. 21.4.2016 - 8 B 15.129, BeckRS 2016, 47049). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsklage auf Rechtswirksamkeit der Eintragung einer Ortsstraße in das Bestandsverzeichnis, keine Nichtigkeit, da Straßenverlauf historisch und topographisch eindeutig bestimmbar, Anspruch auf Feststellung, berechtigtes Interesse, Widmung, Ortsstraße, Straßenbestandsverzeichnis, öffentlicher Weg
Fundstelle:
BeckRS 2019, 37923

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Widmung des … im Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen der Gemeinde … gemäß Blatt Nr. 160 als Gemeindestraße wirksam ist.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der durch Eintragung in das Bestandsverzeichnis erfolgten Widmung des … in der Gemeinde … Im Jahre 1963 war die Bebauung des Flurstückes … der Gemarkung … mit insgesamt vier Wohnhäusern vorgesehen. Es wurde festgestellt, dass eine Bebauung und Nutzung nur dann möglich sei, wenn das Gebiet über eine öffentliche Straße erschlossen werde. Bereits 1961 wurde seitens der Beklagten ausgeführt, dass die beabsichtigte Errichtung eines Einfamilienhauses auf der damaligen FlNr. … und … der Gemeinde … nicht möglich sei, weil das Baugrundstück an keinem öffentlichen Weg anliege und deswegen weder Straßensicherung noch Grundabtretung zu leisten sei. Der Bauherr müsse das Grundstück allerdings an das Kanalnetz anschließen.
2
In den Jahren nach 1961 wurde in der Gemeinde … ein Straßenbestandsverzeichnis nach dem BayStrWG angelegt. Dementsprechend ist auf Blatt 27 des Straßenbestandsverzeichnis vom 27. November 1964 eine Eintragung des … von Kilometer 0,000 bis Kilometer 0,200 enthalten, ausgehend von der B. und einmündend in den … Der Weg wurde mit den FlNr. …, …, … und … bezeichnet. Später wurde diese Eintragung in ein neues Straßenverzeichnis übertragen. Aus Blatt 160 des Bestandsverzeichnisses für Gemeindestraßen der Gemeinde … ergibt sich, dass mit der Nummer … der … auf einer Teilstrecke von Kilometer 0,000 bis Kilometer 0,200 eingetragen ist. Der Weg ist bezeichnet mit dem Anfangspunkt B. und dem Endpunkt einmündend in den … Als FlNr. wurden die Grundstücke … und … eingetragen.
3
In der Folge kam es in der Nachbarschaft zu Streitigkeiten über Fragen der Räum- und Streupflicht sowie der Straßenreinigung, die letztendlich in einen Streit dahingehend mündeten, ob der Weg von den Klägern noch befahren werden darf.
4
In diesem Zusammenhang entwickelte sich im Jahre 1988 zwischen den damaligen Eigentümern des … und der Gemeinde … eine Auseinandersetzung dahingehend, ob bzw. wie der … zu reparieren sei. Seitens der Gemeinde wurde damals darauf hingewiesen, dass eine Straßensanierung erst dann in Frage komme, wenn ein entsprechender Kanal eingebaut werden könne.
5
Im Jahr 2010 kauften der Kläger und seine Ehefrau das Grundstück …, FlNr. … Mit Schreiben vom Februar 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der … als öffentliche Straße gewidmet sei, selbst wenn dieser über Privatgrund verlaufen sollte. Dies habe zur Folge, dass das Grundstück …, FlNr. … der Gemarkung … durch den … erschlossen werde. Aufgrund Beschwerden der Nachbarschaft wurde der Kläger mit Schreiben der Gemeinde vom November 2012 darauf hingewiesen, dass er sich an den Reinigungsarbeiten sowie am Winterdienst für den … zu beteiligen habe.
6
Im Jahre 2013 erwarb ein Nachbar des Klägers im Rahmen eines Tauschgeschäfts Grundstücksteile des … Zum damaligen Zeitpunkt äußerte die Gemeinde Bedenken dahingehend, dass durch den Grundstückerwerb durch den Nachbarn des Klägers die Zufahrt des Klägers beeinträchtigt werden könnte. Nachdem die Nachbarn zusicherten, dass es keine Probleme geben werde, seien die Grundstücksteile ausgemessen worden. Nach übereinstimmendem Sachvortrag der Beteiligten sind diese Teile nunmehr Eigentum der Nachbarn des Klägers.
7
Erstmals im Jahr 2014 wurde die Gültigkeit der Widmung angezweifelt. Bemühungen einer Einigung zwischen den Beteiligten scheiterten letztendlich. Dies hatte zur Folge, dass der Kläger und seine Ehefrau gegen den Nachbarn auf Unterlassung von Beeinträchtigungen der Befahrbarkeit des Waldweges zum klägerischen Grundstück hin klagten. Diese Klage wurde mit Urteil des Landgerichtes … vom 30. Oktober 2015 abgewiesen. Aus den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass sich der Zufahrtsweg zum klägerischen Grundstück im Eigentum der Nachbarn befindet und dass die durch die Nachbarn verursachten Behinderung, nämlich das Öffnen ihres Gartentors, so niederschwellig sei, dass sie als unerheblich zu betrachten sei. Eine Eigentumsbeeinträchtigung hinsichtlich des Grundstückes der Kläger sei nicht erkennbar. Da der Weg u.a. aus dem Flurstück … bestehe und dieses Flurstück im Eigentum der Nachbarn stehe, bestehe auch kein Interesse an der Feststellung, dass die Kläger von der Nutzung des Weges berechtigt sind. Auch ein Notwegerecht ergebe sich nicht.
8
Mit Schriftsatz vom 8. August 2018, eingegangen bei Gericht am 20. August 2018, erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach.
9
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der … sei ins Bestandsverzeichnis der Gemeinde als Ort straße eingetragen. Durch den … würden die mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke …, …, … (das klägerische Grundstück) sowie das Grundstück … erschlossen. Auf anderen Grundstücken befänden sich noch Ferienhäuser die ebenfalls durch den … erschlossen würden. Im Jahr 2010 erwarben der Kläger und seine Ehefrau das Flurstück … und bekamen von der Gemeinde die Zusicherung mit Schreiben vom Februar 2010, dass der … als öffentlicher Weg das Grundstück erschließe. In der Folge sei der Kläger mehrfach, aber insbesondere durch das Schreiben der Beklagten vom 12. November 2012 darauf hingewiesen worden, dass er die Straßenreinigungsverordnung der Gemeinde einzuhalten habe. Ein privatrechtlicher Rechtsstreit, den der Kläger und seine Ehefrau angestrengt hätten, um Behinderungen durch die Nachbarn der Kläger abzustellen, habe damit geendet, dass das Gericht offen gelassen habe, ob die Widmung des … rechtswirksam sei. Bemühungen um eine außergerichtliche Klärung des Sachverhaltes scheiterten letztlich. Mittlerweile aber vertrete die Beklagte, entgegen ihrer früheren Auffassung, die Rechtsauffassung, dass die Widmung nicht wirksam sei. Zwar sei die Beschreibung des Weges im Bestandsverzeichnis missverständlich, doch sei entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten der Verlauf des Weges eindeutig bestimmbar. Dies ergebe sich zum einen aus den Eintragungen im Straßenbestandsverzeichnis, zum anderen auch aus der Historie heraus. So würden alte Katasterkarten den damaligen Verlauf des Weges aufzeigen. Es ergebe sich aus der Historie des Vermessungsverzeichnisses eindeutig, dass zwar die Grundstücksflächen mehrfach umbenannt, geteilt und veräußert wurden, dass aber die Wegführung immer im Wesentlichen die Gleiche geblieben sei, was durch einen Augenschein und dem Vergleich der Vermessungsverzeichnisse einfach festgestellt werden könne. Aufgrund dieses Sachverhalts habe man auch im Kaufvertrag vom 3. Januar 1929 darauf verzichtet, sich ein Wegerecht über das Vorderliegergrundstück eintragen zu lassen, weil die Erschließung des klägerischen Grundstücks schon immer über den … erfolgt sei. Jedenfalls sei in den Karten des Vermessungsamts, insbesondere im Vermessungsprotokoll vom 22. September 1953 der … in seiner heutigen Länge, Lage und Ausbreitung erkennbar. Er sei allerdings als Privatweg ausgewiesen. Dementsprechend sei das heute noch bestehende Wohnhaus des Klägers mit Baugenehmigungsbescheid des Landratsamtes … vom 14. April 1954 ohne Beschränkung genehmigt worden, woraus sich schließen lasse, dass die Erschließung wegemäßig gesichert gewesen sei. Der … sei mit einem entsprechenden Straßenschild gekennzeichnet und es werde eine Straßenlaterne unterhalten. Aus diesen Gründen sei die Widmung rechtswirksam, insbesondere auch, weil sich der Verlauf des … eindeutig feststellen lasse.
10
Die Beklagte ließ noch ausführen, dass von einer Nichtigkeit der Widmung auszugehen sei. Die Widmung leide an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei. Auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurde verwiesen. Danach sei bei Falschangabe von Flurnummern nur dann nicht von einer Nichtigkeit auszugehen, wenn Verlauf und Umfang des Weges eindeutig festlägen. Dies sei hier nicht der Fall, da nicht festzustellen sei, über welche Grundstücke der Weg verlaufe und in welchem Umfang ein Zugriff auf Privateigentum erfolge. Hinzu komme, dass der … nie in den … (jetzt: …) eingemündet habe und dies auch jetzt nicht tue. Auch die Längenangabe sei vorliegend unbehelflich.
11
Dem entgegnete der Klägervertreter in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, dass die Beklagte niemals ein Verfahren zur Entwidmung in Angriff genommen habe. Im Übrigen gebe es auch ein Verkehrsbedürfnis für eine Ortsstraße. Sowohl das klägerische Grundstück als auch alle anderen Anlieger seien unter der Anschrift „…“ geführt. Es werde darauf hingewiesen, dass der Verlauf des … in der Natur vorgegeben sei, was auch eine Folge des starken Gefälles sei. Sämtliche Anwesen am … seien bereits vor 1994 errichtet worden und nur über den Wegeverlauf, wie er auch heute noch bestehe, erschlossen. Auch die Länge von 200 m finde sich tatsächlich wieder. Dies habe die Beklagte auch stets so gesehen. Sie habe auch an einer Vielzahl von Stellen Befestigungen eingebaut. Gleichzeitig sehe sich die Beklagte auch in der Unterhaltspflicht für diesen Weg. Sie unterhalte auch eine Straßenlaterne, die zuletzt im Jahre 2019 instandgesetzt worden sei.
12
Der Kläger ließ beantragen,
1.
Es wird festgestellt, dass die Widmung des … im Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen der Gemeinde … gemäß Blatt Nr. 160 als Gemeindestraße wirksam ist.
2.
Hilfsweise wird festgestellt, dass der … als öffentliche Gemeindestraße der Gemeidne … ausgehend von der B. auf einer Länge von 200 m über die Grundstücke …, …, …, …, …, … und … gewidmet ist.
13
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
14
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, auf die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die Klage ist zulässig und bereits im Hauptantrag begründet.
16
Der Kläger hat Anspruch auf Feststellung, dass der im Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen der Gemeinde … unter Blatt Nr. 160 eingetragene … als öffentliche Gemeindestraße gewidmet ist.
17
Die Klage ist im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO zulässig, da der Kläger ein berechtigtes Feststellungsinteresse an der oben genannten Feststellung geltend machen konnte. Der Kläger ist Eigentümer des über den streitbefangenen Weg erschlossenen Grundstückes FlNr. … der Gemarkung … mit der Adresse … Dieses Grundstück hatte der Kläger im Jahr 2010 erworben und erwägt nunmehr den Verkauf, sodass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Eigenschaft des … als öffentliche Straße besteht (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2012, Az. 8 B 11.2934, juris). Im Übrigen sind diesem Rechtsstreit bereits zivilrechtliche Streitigkeiten und ein zivilrechtliches Klageverfahren vorausgegangen, weil zwischen den Beteiligten und Nachbarn des Klägers die Eigenschaft des … als öffentliche Gemeindestraße strittig ist.
18
Die Feststellungsklage ist bereits in ihrem Hauptantrag begründet. Beim … handelt es sich um einen bei Erstanlegung des Bestandsverzeichnisses der Beklagten eingetragenen Gemeindeweg (vgl. Bestandsverzeichnis für Gemeindestraßen der Gemeinde … vom 27.11.1964, Blatt Nr. 27), sodass der … als Ortsstraße der Widmungsfunktion des Art. 67 Abs. 4 BayStrWG unterliegt. Im Rahmen einer Bereinigung der Bestandsverzeichnisse wurde der … in ein neues Bestandsverzeichnis der Gemeindestraßen der Beklagten unter Blatt Nr. 160 V übertragen. Damit liegt ein gewidmeter öffentlicher Weg vor.
19
Da nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (a.a.O.) nicht die Eintragungsverfügung für die Eigenschaft einer Straße als öffentliche Straße maßgeblich ist, sondern die Eintragung in das Bestandsverzeichnis selbst, ist davon auszugehen, dass die Gemeinde den streitgegenständlichen Weg tatsächlich als öffentliche Straße hat widmen wollen. Es ist heute nicht mehr nachvollziehbar, wie der eigentliche Bekanntmachungstext lautete, da die Beklagte hinsichtlich der Widmung ausschließlich die Eintragungen ins Bestandsverzeichnis hat vorlegen können. Aus dem Bestandsverzeichnis selbst ergibt sich allerdings das Datum einer Eintragungsverfügung, nämlich der 26. November 1964. Da aber zwischenzeitlich aufgrund des Ablaufes einer Widerspruchs- und Klagefrist wie auch des Ablaufes der sog. „unverdenklichen Verjährung von 30 Jahren“ die Eintragung in das Bestandsverzeichnis unanfechtbar geworden ist, ist davon auszugehen, dass Widmung hinsichtlich des … im Sinne von Art. 67 Abs. 4 BayStrWG verfügt ist.
20
Diese Widmung ist zwar rechtswidrig, denn in das Bestandsverzeichnis ist nicht der eigentliche Verlauf des … eingetragen, der nach den Feststellungen der Beteiligten über die FlNrn. …, …, …, …, …, … und … der Gemarkung … verläuft, sondern lediglich ein Verlauf über die FlNrn. …, …, … und … (Bestandsverzeichnis aus dem Jahre 1964) bzw. lediglich über die FlNrn. … und … der Gemarkung … (Bestandsverzeichnis Blatt Nr. 160). Die Rechtswidrigkeit der Eintragungen des … als öffentliche Ortsstraße spielt aber, wie dargelegt, gemäß Art. 67 Abs. 4 BayStrWG keine Rolle, weil eine Anfechtung nach oben genannten Voraussetzungen und Fristen im Jahre 2019 nicht mehr möglich ist.
21
Dies hat zur Folge, dass auch hinsichtlich des streitbefangenen … nur noch die Rüge der Nichtigkeit durchschlagen kann (so BayVGH a.a.O.). Nichtig ist ein Verwaltungsakt und damit die Eintragung selbst nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG dann, wenn der Verwaltungsakt an einen besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung der Bayerischen Obergerichtsbarkeit die Nichtigkeit der Eintragung in ein Bestandsverzeichnis nach Art. 67 Abs. 3 BayStrWG eine besondere Ausnahme bleiben muss. Hierbei ist nur dann von Offensichtlichkeit auszugehen, wenn die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, verständigen Beobachter ohne Weiteres ersichtlich ist, dass es sich also geradezu aufdrängen muss oder dass ihr die Fehlerhaftigkeit gewissenermaßen auf die Stirn geschrieben ist (BayVGH, a.a.O., unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Da aber nach der zitierten Rechtsprechung viele der damaligen kleinen Gemeinden mit der erstmaligen Anlegung des Bestandsverzeichnisses überfordert gewesen waren, was massenhaft auftretende Mängel im Eintragungsverfahren selbst nach sich zog, hat die Rechtsprechung die Anforderungen beim Vollzug des Art. 67 BayStrWG wiederholt abgesenkt und auch einzelne Regelungen nur als Ordnungsvorschrift angesehen. Dies hat zur Folge, dass hinsichtlich der Annahme einer Nichtigkeit einer Eintragung nach Art. 67 Abs. 3 BayStrWG in aller Regel Zurückhaltung geboten sein muss (BayVGH, a.a.O.).
22
Abgesehen von Erfordernissen des Verfahrens, die mangels Existenz von Akten nicht mehr nachgeprüft werden können, lässt die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs auch bei völligem Fehlen von Flurnummern einen Beschrieb des Weges dann zu, wenn Verlauf und Umfang des Weges eindeutig festliegen. Nur bei völliger Unbestimmtheit oder Unverständlichkeit des Verwaltungsaktes ist danach von Nichtigkeit auszugehen.
23
Diese Grundsätze sind vorliegend auch auf den … anzuwenden, obwohl er im Eigentum verschiedener Privatleute steht, weil die Zurückhaltung bei der Annahme von Nichtigkeit (VGH vom 28.2.2012, Az. 8 B 11.2934, juris) auch in diesem Fall gelten muss, da nach unstreitigem Vorbringen der Beteiligten sie alle bis vor wenigen Jahren davon ausgegangen sind, dass der … eine Ortsstraße darstellt.
24
Entscheidend ist vorliegend, dass der Verlauf und der Umfang des … eindeutig festliegen, nämlich durch die Darstellung in einem Lageplan bzw. einer Karte (so BayVGH, B. v. 15.3.2017, Az. 8 ZB 15.1610, juris) bzw. noch deutlicher durch offenkundige zusätzliche Umstände, wie topographische Merkmale (so BayVGH, U.v. 21.4.2016, Az. 8 B 15.129, juris). Unstrittig ist hierbei, dass vorliegend im Bestandsverzeichnis jedenfalls nicht die korrekten Flurnummern eingetragen sind. Warum dies so ist, muss mangels vorhandener Akten offen bleiben. Allerdings hat der Kläger aus dem Staatsarchiv Vermessungsverzeichnisse aus den Jahren 1926 und 1929 mit entsprechenden Plänen sowie weitere Pläne des Vermessungsamtes aus dem Jahr 1953 vorgelegt, aus denen sich allesamt ergibt, dass im fraglichen Bereich ein Weg angelegt war. Aus den Plänen des Vermessungsamtes vom 22. September 1953 ergibt sich zudem eindeutig der Verlauf des heutigen …, der zwangsläufig, da vor Anlegung des Bestandsverzeichnisses, als Privatweg in den Plänen bezeichnet ist. Des Weiteren haben die Beteiligten diverse Lichtbilder vorgelegt, die den eindeutigen Wegeverlauf im Gelände aufzeigen. Da es sich bei diesem Gelände und ein steil abfallendes Gebiet handelt, liegt es auf der Hand, dass der heutige Verlauf des … identisch ist mit dem Verlauf des als Privatweg gekennzeichneten Weges aus den Plänen des Vermessungsamts vom 22. September 1953. Die Kammer geht somit davon aus, dass der Verlauf des … in der Topographie eindeutig bestimmbar ist.
25
Hinzu kommt, dass in den Straßenbestandsverzeichnissen, also Blatt 27 aus dem Jahre 1964 und Blatt 160 aktuell, zwar die bezeichneten Flurnummern unstrittig falsch sind, dass aber jedenfalls der Beginn des Waldweges mit „B.“ eindeutig beschrieben ist. Auch die Länge des Weges mit 200 m ist ausweislich einer Nachmessung in den vorgelegten Flurkarten der Bayerischen Vermessungsverwaltung und in den öffentlich zugänglichen Karten des Geoportals Bayern (Bayernatlas) genau die Länge, die zu Erschließung des hintersten Grundstücks … Nr. ... entspricht. Der Verlauf des … lässt sich auch aus dem im Bayernatlas gespeicherten Luftbild grob erkennen, sodass die oben genannten Voraussetzungen dafür, die Eintragung als nichtig festzustellen, vorliegend gerade nicht gegeben sind. Dies gilt umso mehr, als der Ausgangspunkt der Straße („B.“) eindeutig bestimmt ist und im Bestandsverzeichnis auch die FlNr. … der Gemarkung … eindeutig bezeichnet ist, die FlNr., die zum hinterst angeschlossenen Grundstück FlNr. … der Gemarkung … führt, also zum …, das so straßenrechtlich erschlossen wird.
26
Auch wenn der Endpunkt der Straße laut den Bestandsverzeichnissen („einmündend in den …“) bereits rein faktisch nicht stimmen kann, ist der Verlauf des …, auch ohne die entsprechende Nennung der Flurnummern im Straßenbestandsverzeichnis hinreichend bestimmt. Der … stellt daher in seinem Verlauf über die Flurnummern …, …, …, …, …, … und … eine öffentliche Ortsstraße dar, deren Eintragung in das Bestandsverzeichnis zwar rechtswidrig, aber unanfechtbar und nicht nichtig ist.
27
Diese Rechtsauffassung wird, ohne dass es darauf noch ankäme, auch durch weitere, „weiche“ Faktoren gestützt. Zum einen sind die Beteiligten selbst bis vor kurzem davon ausgegangen, dass es sich bei dem in der Topographie faktisch vorhandenen Verlauf des … um eine öffentliche Ortsstraße handelt, weil nach unwidersprochenem Sachvortrag des Klägers nicht nur die Straßenbaulast von der Gemeinde getragen worden ist, sondern im Jahr 2019 noch die seit langem vorhandene Beleuchtung des Weges ausgebessert worden war und die Beteiligten offensichtlich mehrfach darauf hingewiesen wurden, dass der … der gemeindlichen Straßenreinigungspflicht unterliegt. Gleichzeitig ist der Weg über einen Verlauf von ca. 30 bis 40 m asphaltiert und mit entsprechenden Straßenschildern versehen. Auch im Zeitpunkt des Kaufs des Grundstücks … durch den Kläger ist die Gemeinde davon ausgegangen, dass es sich beim … um einen öffentlichen Weg handelt und hat dies dem Kläger auch entsprechend schriftlich mitgeteilt.
28
Da also tatsächlicher Verlauf des Weges von seinem Anfangspunkt, nämlich der Einmündung in die B., bis zu seinem Endpunkt, nämlich bis zur Grenze des Flurstücks … eindeutig nachvollzogen werden kann, ist die Eintragung in das Bestandsverzeichnis nicht nichtig (vgl. BayVGH, U.v. 21.4.2016, Az. 8 B 15.129, juris).
29
Der Feststellungsklage war daher bereits in ihrem Hauptantrag stattzugeben und festzustellen, dass der in Blatt Nr. 160 des Bestandsverzeichnisses für Gemeindestraßen der Gemeinde … eingetragene … wirksam als Gemeindestraße gewidmet ist.
30
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 704 ff ZPO.