Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Urteil v. 13.03.2019 – BayAGH I - 1 - 17/18
Titel:

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für eine Tätigkeit als Schadensregulierer

Normenketten:
BRAO § 4, § 7, § 46 f., § 46a Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 2, § 46b Abs. 3, § 112c Abs. 1 S. 1
VwGO § 67 Abs. 4 S. 7, § 68, § 74 Abs. 1, Abs. 2, § 108 Abs. 1, § 113 Abs. 5 S. 1, § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 S. 3, § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BayAGVwGO Art. 15
VwVfG § 37 Abs. 1, § 39 Abs. 1
Leitsätze:
1. Für die gem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderlichen Befugnis des Syndikusrechtsanwalt, "nach außen verantwortlich aufzutreten", reicht ein „Vier-Augenprinzip“ oder eine Gesamtvertretung mit zweiter Unterschrift zusammen mit dem Sachbearbeiter aus. Denn in Unternehmen ist es aus Compliance-Gründen nicht unüblich vorzusehen, dass eine zweite Unterschrift im Außenverhältnis nötig ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18). Nicht ausreichend ist dagegen die alleinige Entscheidung durch einen Vorgesetzten auf Empfehlung des Sachbearbeiters (Anschluss an BGH vom 14. Januar 2019, AnwZ (Brfg) 29/17). (Rn. 28 – 30)
2. Der fachlichen Unabhängigkeit der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt (§ 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO) steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers jederzeit auf eine andere Stelle versetzt werden kann. (Rn. 41)
3. Da der Zulassungsbescheid als Syndikusrechtsanwalt das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind (vgl. BGH vom 15. Oktober 2018, AnwZ (Brfg) 68/17), sollte diese genaue Bezeichnung im Verwaltungsakt selbst - also im Bescheids- bzw. Urteilstenor - erfolgen und nicht nur in dessen Begründung. (Rn. 45 – 46)
4. Trotz § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO n.F. kommt eine rückwirkende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die Antragsunterlagen der Kammer vollständig vorliegen; vorher kann von einer „Verzögerung des Zulassungsverfahrens“ keine Rede sein. (Rn. 54)
Schlagworte:
Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Anstellungsvertrag, Bewerber, Bescheid, Arbeitszeit, Verwaltungsakt, Versicherer, Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, Syndikusrechtsanwalt, Gesamtvertretung, Compliance-Gründe
Fundstellen:
AnwBl 2019, 296
BRAK-Mitt 2019, 153
BeckRS 2019, 3537
LSK 2019, 3537
NJOZ 2020, 339

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 … wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für seine Tätigkeit als Schadenanwalt in der Gruppe … bei der … gemäß Anstellungsvertrag vom 26.9./1.10.2011 mit Nachtrag vom 04./15.03.2016 und Tätigkeitsbeschreibung vorgelegt mit Schriftsatz vom 07.05.2018 mit Wirkung ab dem 16.03.2016 als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) zuzulassen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.
V. Die Berufung wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert des Verfahrens wird auf € 50.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger wurde von der Beklagten am 13.08.2003 als Rechtsanwalt zugelassen.
2
Am 19.02.2016 beantragte er zusätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für eine Tätigkeit bei der … als „Sachbearbeiter Kraftfahrt-Haftpflichtschaden“ in der Abteilung Kraftfahrt-Schaden. Zur Begründung legte er u.a. einen Anstellungsvertrag vom 26.9./1.10.2011 und einen Nachtrag dazu vom 04./15.03.2016 mit anliegender - undatierter - „Tätigkeitsbeschreibung als Ergänzung zum Nachtrag des Anstellungsvertrags“, bei der Beklagten eingegangen am 16.03.2016, vor. Darin heißt es u.a.:
„Herr … ist seit dem 01.11.2011 in unserem Unternehmen beschäftigt. Er ist in der Gruppe …7 der Abteilung Kraftfahrt-Schaden (KS) Die Gruppe …7 bearbeitet komplexe und hochkomplexe Kraftfahrtschäden von Kunden und Unfallgeschädigten der Konzerngesellschaften … Hierzu gehören beispielsweise Schäden mit Deckungs- und/oder Haftungsstreitigkeiten und eingeschaltetem Rechtsanwalt seitens des Anspruchstellers, Schäden aus Massenunfällen, Schäden durch Verkehrsunfälle mit Ausländern. Ebenso bearbeitet die Gruppe …7 Personenschäden jedes Schweregrades der Sparte Kraftfahrt-Haftpflicht. Hierbei ist im Rahmen einer spezialisierten Bearbeitung, differenziert nach dem jeweiligen Verletzungsumfang, regelmäßig eine enge persönliche Begleitung der Kunden/Geschädigten erforderlich.“
3
Sodann erfolgt dort eine Darstellung der Tätigkeiten des Klägers in Bezug auf die einzelnen Merkmale von § 46 Abs. 3 BRAO. Der Kläger vertrete dabei mit eigener Entscheidungskompetenz die Interessen der Konzerngesellschaften nach außen. Hierzu gehörten insbesondere auch das Führen von außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen. Für die genannten Tätigkeiten habe er eine Zahlungsvollmacht ohne Weisung des Arbeitgebers bis zu einem Betrag von 20.000,- EUR je Schadenfall.
4
Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.02.2018 ab. Zur Begründung führte sie i.W. aus, die Zweifel an der Erfüllung des Kriteriums gem. § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO (Erteilung von Rechtsrat) sowie der anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses seien klägerseits nicht ausgeräumt werden. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass das Kriterium nur erfüllt sein könne, soweit der Rechtsrat dem Arbeitgeber als Mandanten des Syndikusrechtsanwalts erteilt werde. Es bleibe zumindest unklar, wem der Kläger im Rahmen der Regulierung von Schäden in welcher Art und Weise Rechtsrat erteile und welchen Umfang die Erfüllung dieses Kriteriums im Einzelnen im Verhältnis zu seiner Gesamtarbeitszeit einnehme. Auch könne durch eine Sachbearbeitung, bei der die Entscheidung über das weitere Vorgehen selbst getroffen werde, das Kriterium der Erteilung von Rechtsrat nicht erfüllt sein.
5
Gegen diesen ihm am 10.02.2018 zugestellten Bescheid erhob der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 01.03.2018, eingegangen beim Anwaltsgerichtshof am selben Tage, Klage.
6
Der Kläger meint, er habe ein schlüssiges Gesamtbild prägend anwaltlicher Tätigkeit im Sinne des 46 Abs. 3 BRAO dargelegt und nachgewiesen. Die Bedenken der Beklagten hinsichtlich des Merkmals der „Erteilung von Rechtsrat“ würden jeglicher Grundlage entbehren. Es handele sich auch dann um die Erteilung von Rechtsrat für den Arbeitgeber, wenn der anwaltliche Mitarbeiter aufgrund der ihm von Arbeitgeber erteilten Kompetenzen sich in seiner Eigenschaft selber Rechtsrat erteile, in dem er nach der Prüfung von Rechtsfragen selber über den Weg entscheide, den er für seinen Arbeitgeber gehe. Die Beklagte habe inzwischen auch mehrere Kollegen des Klägers für die exakt selbe Tätigkeit zugelassen.
7
Mit Schriftsatz vom 12.04.2018 teilte der Kläger mit, er sei zum 01.02.2018 in die Gruppe …8 derselben Abteilung Kraftfahrt-Schaden (KS) gewechselt. Dabei handele es sich lediglich um einen Bereichswechsel ohne wesentliche Tätigkeitsänderung, sodass die Aufgaben des Klägers gleich geblieben seien. Mit Schriftsatz vom 7.5.18 legte er hierzu eine neue - ebenfalls undatierte - Tätigkeitsbeschreibung vor, in der es u.a. heißt:
„Herr … ist seit dem 01.11.2011 in unserem Unternehmen beschäftigt. Er ist in der Gruppe … 8 der Abteilung Kraftfahrt-Schaden (KS) als Syndikusrechtsanwalt tätig. Herr … ist Handlungsbeauftragter. Die Abteilung Kraftfahrtschaden bearbeitet alle komplexen und hochkomplexen Kraftfahrtschäden sowohl im Haftpflicht- als auch im Kaskobereich sowie im Rahmen der Fahrerschutzdeckung aller Kunden und Unfallgeschädigten der Konzerngesellschaften …Hierzu gehören beispielsweise Schäden mit Deckungs- und/oder Haftungsstreitigkeiten und eingeschaltetem Rechtsanwalt seitens des Anspruchstellers, Schäden aus Massenunfällen, Totalentwendungen, Brand- und Elementarschäden sowie verletzten Personen. Außerdem werden im Wege der Auftragsregulierung Kraftfahrthaftpflichtschaden aufgrund von Unfällen, die sich in Deutschland ereignet haben und für die ein im europäischen Ausland zur …Gruppe gehörender Versicherer eintrittspflichtig ist, reguliert. Die Gruppe … 8 ist dabei für die vollumfängliche Abwicklung von großen Personenschäden der Sparte Kraftfahrt-Haftpflicht für den suddeutschen Bereich im Fachbereich Verkehrsrecht zuständig. …“
8
Sodann erfolgt dort wieder eine Darstellung der Tätigkeiten des Klägers in Bezug auf die einzelnen Merkmale von § 46 Abs. 3 BRAO. Der Kläger vertrete dabei mit eigener Entscheidungskompetenz die Interessen der Konzerngesellschaften nach außen. Hierzu gehörten insbesondere auch das Führen von außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen. Für die genannten Tätigkeiten habe er eine Zahlungsvollmacht ohne Weisung des Arbeitgebers nunmehr bis zu einem Betrag von 50.000,- EUR je Schadenfall.
9
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 09.02.2018 wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt den Kläger als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) gemäß §§ 46 Abs. 2, 46 a BRAO für die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit als Schadenanwalt in der … 8 bei der … aufgrund seines Antrags vom 19.2.2016 zuzulassen.
3.
hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt über den Antrag vom 19.02.2016 auf Zulassung anhand der Auffassung des AGH neu zu entscheiden.
10
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte meint, angesichts der fehlenden Bezugnahme des,,Nachtrags zum Anstellungsvertrag“ auf den Anstellungsvertrag könne zweifelhaft sein, ob die Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO vertraglich gewährleistet sei. Ein weiteres Problem ergebe sich aus der zum 01.02.2018 erfolgten Versetzung des Klägers aus der Gruppe …7 der Abteilung Kraftfahrt-Schaden (KS) in die Gruppe … 8 derselben Abteilung. Ob damit auch ein Tätigkeitswechsel i.S. von § 46b Abs. 3 BRAO verbunden sei, lasse sich anhand der vorliegenden Unterlagen kaum beurteilen.
12
Eine Erteilung von Rechtsrat habe der Kläger weiter nicht dargelegt - und zwar weder hinsichtlich seiner früheren Tätigkeit in der Abteilung …7 noch in Bezug auf seine heutige Tätigkeit in der Abteilung … 8.
13
Zweifel an der hinreichenden Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Klägers ergäben sich auch daraus, dass bei Zahlungen über 20.000 Euro aus Sicherheitsgründen das 4-Augen-Prinzip anzuwenden sei, und aus seiner jederzeitigen Versetzbarkeit auf eine Position, die den Anforderungen des § 46 Abs. 3 BRAO nicht entspreche.
14
Die Ausführungen des Klägers zur Verteilung seiner Arbeitszeit seien im Übrigen schwer nachzuvollziehen, z.T. nicht plausibel und auch widersprüchlich.
15
Mit Beschluss vom 06.03.18 wurde die Deutsche Rentenversicherung Bund zum Verfahren beigeladen. Eine schriftliche Stellungnahme hat sie nicht abgegeben.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
17
Der Senat hat den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 25.02.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
18
Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 1, Abs. 2 VwGO). Gemäß Art. 15 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
II.
19
Die Klage ist auch begründet. Die Ablehnung des vom Kläger erstrebten Verwaltungsakts - seine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach §§ 46 f. BRAO - ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erlass des von ihm begehrten Verwaltungsakts zu, da er alle Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO erfüllt:
20
Nach § 46a Abs. 1 Satz 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.
21
1. Die beiden erstgenannten Voraussetzungen sind beim Kläger offensichtlich erfüllt. Er verfügt über die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz (§ 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO) und es liegt bei ihm keiner der in § 7 BRAO genannten Gründe für eine Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vor; er ist vielmehr bereits seit dem Jahr 2003 als Rechtsanwalt zugelassen.
22
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspricht die aktuelle Tätigkeit des Klägers, wie § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO dies verlangt, auch den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO.
23
a) Da als Syndikusrechtsanwalt nur derjenige zugelassen werden kann, dessen zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den gesetzlichen Zulassungskriterien entspricht (BGH, Urteil vom 29.1.2018 - AnwZ (Brfg) 12/17) und da bei - wie vorliegend - Entscheidungen über Verpflichtungsklagen nach mündlicher Verhandlung dieser Zeitpunkt maßgeblich ist (BGH Urt. v. 9.2.2015 - AnwZ (Brfg) 16/14), stellt der Senat hierbei zunächst auf die aktuelle Tätigkeit des Klägers in der Gruppe 8 ab
24
b) Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO üben Angestellte anderer als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften - dies sind Rechtsanwälte, Patentanwälte oder rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften - ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). Eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nach § 46 Abs. 3 BRAO vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeiten im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO geprägt ist. Entscheidend ist insoweit, dass die anwaltliche Tätigkeit den Kern beziehungsweise Schwerpunkt der Tätigkeit darstellt, mithin die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des Rechtsanwalts ist und damit das Arbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird (vgl. BGH vom 2. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 34; vom 15. Oktober 2018 - AnwZ (Brfg) 20/18, juris Rn. 61 f., 79, 81 f.; jeweils mwN; BT-Drucks. 18/5201, S. 19, 29). Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO ist die fachliche Unabhängigkeit der genannten Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. Schließlich sieht § 46 Abs. 5 BRAO vor, dass sich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.
25
All das ist beim Kläger zur Überzeugung des Senats der Fall. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 108 Abs. 1 VwGO entscheidet der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die diesbezügliche Bewertung der schriftlichen Unterlagen, denen für den Nachweis maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. § 46a Abs. 3 BRAO; BGH vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, aaO Rn. 8; BT-Drucks. 18/5201, S. 34), und die Anhörung des Klägers gaben - entgegen der Auffassung der Beklagten - keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit.
26
Dass und wodurch die aktuelle Tätigkeit des Klägers in der Gruppe 8 den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht, wurde insbesondere in der mit Schriftsatz vom 07.05.2018 vorgelegten, undatierten Tätigkeitsbeschreibung ebenso ausführlich wie überzeugend dargelegt und von der Arbeitgeberin des Klägers sowie der Anhörung des Klägers vor dem Senat bestätigt. Insbesondere ist der Kläger danach bei seiner Tätigkeit als Schadensregulierer nicht richtliniengebunden (vgl. dazu zuletzt BGH vom 29.01.2019, AnwZ (Brfg) 16/18, Rz. 26 ff.) und verlangt seine Tätigkeit eine volljuristische Ausbildung mit Kenntnissen insbesondere im zivilrechtlichen Haftungs- und Versicherungsrecht, aber auch im Sozialrecht, sodass auch hier dahinstehen kann, ob eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt überhaupt eine gewisse fachliche Breite und fachliche Tiefe voraussetzt (vgl. dazu zuletzt ebenfalls BGH vom 29.01.2019, AnwZ (Brfg) 16/18, Rz. 19 ff., zu einer Sachbearbeiterin in der Abteilung Kraftfahrtschaden eines Versicherungsverein a.G.). Zu den gleichwohl fortbestehenden Bedenken der Beklagten sei ergänzend folgendes ausgeführt:
27
(1) Entgegen der Auffassung der Beklagten besitzt der Kläger auch die gem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderlichen Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“.
28
(a) Zu dieser Befugnis „nach außen verantwortlich aufzutreten“, hat der BGH inzwischen entschieden, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob der Betreffende tatsächlich nach außen auftritt, solange er nur die Befugnis dazu hat. Schon in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 18/5201, S. 29) hieß es dazu, „dass die anwaltliche Tätigkeit die (gegebenenfalls im Innenverhältnis beschränkte) Befugnis beinhalten muss, den Mandanten (Arbeitgeber) nach außen verbindlich zu vertreten“. Bereits hier war von einer Alleinvertretungsbefugnis nach außen nicht die Rede. Mit einer Gesamtvertretung oder dem Erfordernis einer zweiten Unterschrift lässt sich somit die erforderlichen Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“, nicht in Frage stellen. Die Forderung nach einer Alleinvertretungsbefugnis würde dazu führen, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur einem sehr begrenzten Personenkreis offensteht. Denn in Unternehmen ist es aus Compliance-Gründen beziehungsweise zur Wahrung des sog. Vier-Augenprinzips nicht unüblich vorzusehen, dass eine zweite Unterschrift im Außenverhältnis nötig ist (BGH, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18 zu einer „Abteilungsleiterin Personalstrategie und - controlling“).
29
Keine Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“ liegt einer weiteren Entscheidung des BGH vom selben Tage zufolge aber bei einer summenmäßigen Beschränkung der Entscheidungsbefugnis vor, wenn und soweit bei Überschreitung der Grenze die Weisung der Abteilungsleiterin einzuholen ist. Denn ein Arbeitnehmer, der an Weisungen eines Vorgesetzten gebunden ist, ist nicht eigenverantwortlich und fachlich unabhängig tätig (BGH vom 14. Januar 2019, AnwZ (Brfg) 29/17, zu einer Mitarbeiterin im Bereich „Heilwesen-Schaden“ einer Berufshaftpflichtversicherung mit Entscheidungsvollmacht bis 50.000 Euro; in Sachen oberhalb der Vollmacht hatte sie die Weisung ihrer Abteilungsleiterin einzuholen).
30
Zusammenfassend wird man diese Rspr. des BGH so verstehen müssen, dass ein „Vier-Augenprinzip“ oder Gesamtvertretung mit zweiter Unterschrift noch eine hinreichende Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“, beinhaltet, die alleinige Entscheidung durch einen Vorgesetzten - wenn auch auf Empfehlung des Sachbearbeiters - dagegen nicht mehr. Nicht zutreffend ist aber jedenfalls die Auffassung der Beklagten, es könne durch eine Sachbearbeitung, bei der die Entscheidung über das weitere Vorgehen selbst getroffen werde, das Kriterium der Erteilung von Rechtsrat nicht erfüllt sein.
31
(b) Der Kläger hat im vorliegenden Falle eine diesen Vorgaben entsprechende hinreichende Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“, zur Überzeugung des Senats nachgewiesen; daher bedarf es hierzu auch keiner weiteren Beweiserhebung mehr:
32
Der Kläger hat in seiner Anhörung vor dem Senat ebenso glaubhaft wie glaubwürdig geschildert, dass er im Grundsatz alleinentscheidungsbefugt ist:
33
Wenn der Kläger zu dem Ergebnis komme, dass die Versicherung eintreten müsse, bereite er ein Schreiben vor, in dem er die Haftung dem Grunde nach, ggf. mit einer bestimmten Quote, mitteile. Dieses Schreiben „stößt er an“, in dem er es in das EDV System eingibt. Das Schreiben enthalte dann oben rechts den Hinweis: „Es schreibt Ihnen Herr …“ und es enthalte die vorher eingescannten Unterschriften des Gruppenleiters und des Abteilungsleiters. Dieses Schreiben versende er dann sofort, ohne Rücksprache mit den Unterzeichnenden genommen zu haben. Mit den Unterzeichnenden habe er sich noch nie persönlich abgestimmt. Er entscheide ohne Rücksprache mit sonstigen Mitarbeitern, ob eine Haftung dem Grunde nach anerkannt wird. Er prüfe dann weiter, ob die Ansprüche der Höhe nach berechtigt sind, ob Unterlagen fehlen, ob die Schäden belegt sind. Sodann erstelle er einen Abfindungsvorschlag, der mit einem Begleitschreiben versandt werde.
34
Anders verhalte es sich jedoch, wenn aufgrund des erklärten Haftungseintritts Zahlungen zu leisten sind. Bei Zahlungen über 50.000,- Euro führe das System eine automatische Vorlage an den Gruppenleiter durch. Der Gruppenleiter erhalte den Vorgang auch auf Papier zur Freigabe und zum Vergleich der Kontonummer und veranlasse dann die Freigabe im EDV-System. Wieviele Fälle er habe, bei denen die Zahlung 50.000,- EUR übersteigt, könne er nicht sagen.
35
Zu 2. Spiegelstrich 2 der aktuellen Tätigkeitsbeschreibung des Klägers, in dem es heißt: „Beratung (durch Äußerung einer Empfehlung) des Vorgesetzen in allen rechtlichen Schadenangelegenheiten (siehe Punkt 1), wenn die persönliche Vollmacht von EUR 50.000,00 (pro Entscheidung) überschritten ist“, führte der Kläger auf Nachfrage aus, dass dieser Punkt insoweit unscharf formuliert sei, als dort von einer reinen Empfehlung an den Vorgesetzten die Rede sei. Tatsächlich werde es auch heute noch so gehandhabt, wie in dem Schreiben vom 17.02.2017, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18.02.2019 unter „ergänzend“ ausgeführt. Bei einer Zahlung über dieser Grenze sei aus Sicherheitsgründen das Vier-Augen-Prinzip anzuwenden. Im Übrigen bearbeite der Kläger den Schadensfall weiterhin weisungsfrei ohne weitere Zustimmungen.
36
Das deckt sich mit der Aktenlage und überzeugt auch den Senat. In der Tat findet sich in den Schreiben der Arbeitgeberin des Klägers jeweils rechts oben ein Hinweis auf den jeweiligen Sachbearbeiter (vgl. z.B. die in Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18.02.2019 vorgelegten Schreiben, nach Bl. 58 d.A.). Der Umstand, dass der Kläger eine Unterzeichnung durch vorher eingescannte Unterschriften Anderer „anstößt“, mag zivilrechtlich als ein sog. Handeln unter fremdem Namen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. A. 2019, § 164 Rz. 10) nicht unbedenklich sein, führt aber jedenfalls nicht dazu, dass der Kläger nicht eigenverantwortlich tätig wäre. Wie oben bereits ausgeführt, hat der BGH bereits entschieden, dass es nicht darauf ankommt, ob der Betreffende tatsächlich nach außen auftritt, solange er nur die Befugnis dazu hat (Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18 -, Rn. 21, juris). Im Übrigen ist für die beteiligten Verkehrskreise durch den Hinweis auf den jeweiligen Sachbearbeiter in den Schreiben wohl hinreichend deutlich erkennbar, dass dort in Wahrheit nicht die Unterzeichnenden, sondern der Sachbearbeiter unter deren Namen Erklärungen abgibt.
37
Zutreffend ist auch, dass die Arbeitgeberin des Klägers der Beklagten bereits in dem als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 18.02.2019 vorgelegten Schreiben vom 17.02.2017 zur früheren Tätigkeit des Klägers in der Gruppe …7 bestätigt hat, dass bei Zahlungen über 20.000.- € zwar auch Sicherheitsgründen das „4-Augen-Prinzip“ zur Anwendung komme, dass der Kläger den Schadensfall aber gleichwohl weiterhin weisungsfrei und ohne weitere Zustimmung bearbeite. Wie oben bereits ausgeführt, steht dieses beschränkte „4-Augen-Prinzip“ nach der Rspr. des BGH der Befugnis „nach außen verantwortlich aufzutreten“, nicht entgegen (Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18). Aus diesen Ausführungen des BGH ergibt sich zugleich, dass auch die Bedenken der Beklagten, das 4-Augen-Prinzip könne Zweifel an der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Klägers wecken, unbegründet sind.
38
Der Senat hat auch keinen Anlass anzunehmen, dass dies entgegen der Schilderung des Klägers in seiner jetzigen Tätigkeit in der Gruppe …8 anders wäre - zumal sich diese Schilderung mit derjenigen seiner Gruppenkollegin Frau … im Verfahren I -1-13/18, in dem ein entsprechendes Schreiben auch für deren Tätigkeit in der Gruppe …8 vorgelegt wurde, deckt - und sieht deshalb auch keinen Anlass für weitere Beweiserhebungen in dieser Sache. Auch der Beweisermittlungsantrag der Beklagten - um einen solchen handelt es sich mangels Angabe konkreter Beweistatsachen - war zurückzuweisen, weil der Senat die dort aufgeworfenen Fragen bereits zu seiner Überzeugung für geklärt hält.
39
(2) Da diese anwaltliche Tätigkeit des Klägers mit 90% in jedem Falle den sehr deutlichen Schwerpunkt seiner Tätigkeit darstellt, kann dahinstehen, ob es sich bei der sog. „Reservebildung“ mit weiteren 10% ebenfalls um eine anwaltliche Tätigkeit handelt.
40
(3) Soweit die Beklagte meint, angesichts der fehlenden Bezugnahme des,,Nachtrags zum Anstellungsvertrag“ auf den Anstellungsvertrag könne zweifelhaft sein, ob die Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO vertraglich gewährleistet sei, teilt der Senat diese Bedenken ebenfalls nicht. Ein,,Nachtrag zum Anstellungsvertrag“ nimmt offensichtlich auf den Anstellungsvertrag Bezug, auch wenn er dort nicht datumsmäßig oder sonst näher bezeichnet wird. Solange es nur einen Anstellungsvertrag gibt, gibt es auch kein Zuordnungsproblem. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO ist dort vertraglich gewährleistet (vgl. BGH vom 15. Oktober 2018, AnwZ (Brfg) 68/17).
41
(4) Auch die Bedenken wegen der jederzeitigen Versetzbarkeit des Klägers auf eine Position, die den Anforderungen des § 46 Abs. 3 BRAO nicht entsprecht, teilt der Senat nicht. Diese Versetzbarkeit ist Ausfluss des Direktionsrechts des Arbeitgebers; stünde sie der Annahme von Unabhängigkeit etc. entgegen, gäbe es keine Zulassung eines Arbeitnehmers als Syndikusrechtsanwalt. Allerdings hätte der Kläger dies der Beklagten unverzüglich anzuzeigen, damit diese ein Überprüfungsverfahren einleiten kann.
42
3. Die zum Schluss der mündlichen Verhandlung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit des Klägers in Gruppe …8, für die die Beklagte ihn als Syndikusrechtsanwalt zuzulassen hat, war in den Verpflichtungstenor selbst aufzunehmen.
43
a) Aus Wortlaut (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO) und Systematik des Gesetzes sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/5201) ergibt sich eindeutig, dass als Syndikusrechtsanwalt nur derjenige zugelassen werden kann, dessen zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den gesetzlichen Zulassungskriterien entspricht (BGH, Urteil vom 29.1.2018 - AnwZ (Brfg) 12/17). Daher war für die vorliegende Entscheidung auf die zum Schluss der mündlichen Verhandlung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit des Klägers in Gruppe KS-SC8 abzustellen.
44
b) Diese Tätigkeit war in den Verpflichtungstenor selbst aufzunehmen.
45
(1) Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt bezieht sich, wie sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO ergibt, auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis muss den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO genügen. Entspricht die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit diesen Anforderungen nicht oder nicht mehr, ist die Zulassung zu widerrufen. Werden nach einer Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen oder tritt innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit ein, ist auf Antrag die Zulassung auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken (§ 46b Abs. 3 BRAO).
46
Daraus folgt, dass der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind (BGH vom 15. Oktober 2018, AnwZ (Brfg) 68/17, dort bejaht für eine Bescheidsbezeichnung als „Syndikusrechtsanwältin im Fachbereich Personal Abteilung Personalbetreuung bei der Stadt M. gemäß Arbeitsvertrag vom 04.05.2001, Arbeitsvertrag vom 05.10.2001, Generalvollmacht vom 16.07.2001, Anlage vom 27.01.2016 zum Arbeitsvertrag vom 05.10.2001, Tätigkeitsbeschreibung vom 27.01.2016 und Arbeitsplatzbeschreibung vom 02.03.2015/27.01.2016“). Der Gesetzesbegründung zufolge kann eine wesentliche Tätigkeitsänderung etwa bei einem Wechsel von der Rechtsin die Personalabteilung anzunehmen sein, nicht hingegen, wenn bei einer gleichbleibend unabhängig rechtsberatenden Tätigkeit innerhalb derselben Rechtsabteilung lediglich ein anderes Rechtsgebiet bearbeitet wird (BT-Drs. 18/5201 S. 36 oben).
47
(2) Auch nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ist zwischen dem Verwaltungsakt selbst und dessen Begründung zu unterscheiden. Während gem. § 37 Abs. 1 VwVfG ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss, ist er gem. § 39 Abs. 1 VwVfG mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen der getroffenen Regelung (Verfügung, Tenor) und der Begründung des Verwaltungsaktes können die hinreichende Bestimmtheit gefährden (BeckOK VwVfG/Tiedemann, 42. Ed. 1.1.2019, VwVfG § 37 Rn. 4).
48
(3) Nachdem der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind, sollte das deshalb tunlichst - wie im Falle des BGH und entgegen einer bisher weit verbreiteten Praxis der Rechtsanwaltskammern und auch der Anwaltsgerichtshöfe - im Verwaltungsakt selbst - also im Bescheids- bzw. Urteilstenor - erfolgen und nicht nur in dessen Begründung.
49
4. Zwar stellt die frühere Tätigkeit des Klägers in Gruppe …7 keine „andere Tätigkeit“ i.S.v. § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO dar, deshalb war eine einheitliche Entscheidung möglich. Allerdings konnte die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung des Klägers als Syndikusrechtsanwalt erst ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Beklagten die Antragsunterlagen vollständig vorlagen.
50
a) Im vorliegenden Falle stammt der erste Antrag des Klägers vom 19.02.2016, aber der Nachtrag zum Anstellungsvertrag mit anliegender Tätigkeitsbeschreibung für seine Tätigkeit in Gruppe …7 der Abteilung Kraftfahrt-Schaden (KS) erst vom 04./15.03.2016; die entsprechenden Unterlagen gingen laut Verwaltungsakte erst am 16.03.2016 bei der Beklagten ein. Zum 01.02.2018 wechselte der Kläger in die Gruppe …8 derselben Abteilung Kraftfahrt-Schaden (KS) mit neuer Tätigkeitsbeschreibung, was er aber erst am 12.04.2018 dem Senat mitteilte. Bereits am 09.02.18 hatte die RAK aber seinen Antrag abgelehnt.
51
Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 09.02.18 war die Tätigkeit des Klägers in …7 somit bereits beendet, sodass der Ablehnungsbescheid insoweit im Ergebnis zutreffend wäre, wenn es sich bei der Tätigkeit in Gruppe …8 um eine „andere Tätigkeit“ i.S.v. § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO handelte. Wenn nicht, liegt eine einheitliche Tätigkeit vor und hat sich durch den bloßen Gruppenwechsel nichts geändert. Davon ist hier auszugehen:
52
Die Abteilung hat der Kläger nicht gewechselt. Er bearbeitet weiterhin komplexe und hochkomplexe Kraftfahrtschäden, jetzt allerdings mit Schwerpunkt „große Personenschäden“, was noch nicht einmal ein anderes Rechtsgebiet darstellt. Das stellt zulassungsrechtlich keine „andere Tätigkeit“ dar (vgl. BT-Drs. 18/5201 S. 36 oben). Somit war im Tenor einheitlich auf die aktuelle Tätigkeit abzustellen; durch den bloßen Gruppenwechsel hat sich nichts Wesentliches geändert.
53
b) Da die entsprechenden Unterlagen laut Verwaltungsakte aber erst am 16.03.2016 vollständig bei der Beklagten eingegangen sind, konnte ihre Verpflichtung nicht zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen; soweit der Kläger eine Zulassung mit Wirkung bereits zum 19.2.2016 beantragt hat, war die Klage daher abzuweisen.
54
Zwar bestimmt § 46a Abs. 4 Nr. 2 BRAO n.F., dass der Bewerber mit der Zulassung rückwirkend zu dem Zeitpunkt Mitglied der Rechtsanwaltskammer wird, zu dem der Antrag auf Zulassung dort eingegangen ist. Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass Syndikusrechtsanwälten aus einer etwaigen Verzögerung des berufsrechtlichen Zulassungsverfahrens keine Nachteile im Hinblick auf die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht entstehen (BT-Drs. 18/9521 S. 112). Daraus folgt aber zugleich, dass dazu die Antragsunterlagen der Kammer vollständig vorgelegt werden müssen; denn erst ab diesem Zeitpunkt kann von einer „Verzögerung des Zulassungsverfahrens“ die Rede sein.
III. Nebenentscheidungen
55
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
56
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
57
Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 2 BRAO festgesetzt. Angesichts der überdurchschnittlichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit der Sache sieht der Senat keinen Anlass für die Herabsetzung des Regelstreitwerts, auch wenn es „nur“ um eine ergänzende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt geht.
58
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben (§ 112 e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO). Der BGH hat die hier wesentlichen Rechtsfragen bereits entschieden.