Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.11.2019 – 15 CS 19.1906
Titel:

Zumutbarkeit von Biergartenlärm

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7 S. 2, § 80a Abs. 3, § 146, § 152 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
Allein das Aufstellen von Hinweistafeln, wonach der Verzehr von mitgebrachten Speisen gestattet ist, verleiht bewirtschafteten Freiflächen einer Gastwirtschaft nicht die Eigenschaft eines Biergartens im Sinne der Bayerischen Biergartenverordnung. (Rn. 63)
1. Entscheidend ist, ob die bewirtschaftete Freifläche aus objektiver Sicht nach ihrem Gesamtbild eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit besitzt und nicht als bloßer Annex zur vorhandenen Schank- und Speisewirtschaft in Erscheinung tritt. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Biergartenbegriff der Bayerischen Biergartenverordnung und deren privilegierende Regelungen sollen nicht für die gesamte Außengastronomie gelten, sondern nur für einen beschränkten Kreis von Wirtschaftsgärten. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde des Beigeladenen (unbegründet), Berücksichtigung eines nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erlassenen Änderungsbescheids im Beschwerdeverfahren, Rücksichtnahmegebot, Zumutbarkeit von Biergartenlärm, Anwendungsbereich der Bayerischen, Biergartenverordnung, Auflagen, aufschiebende Wirkung, Beschwerdeverfahren, Genehmigung, Nutzung, Tekturgenehmigung, Umweltschutz, Beschwerdebegründungsfrist, Hinweistafel, Freifläche, Biergarten, Änderungsbescheid
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 03.09.2019 – RO 7 S 19.1321
Fundstelle:
BeckRS 2019, 32446

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich als Nachbarn gegen eine vom Antragsgegner genehmigte Änderung des Biergartenbetriebs auf dem benachbarten Grundstück des vorliegend beschwerdeführenden Beigeladenen.
2
Der Beigeladene ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung H* … (Baugrundstück), auf dem u.a. ein denkmalgeschütztes Gaststättengebäude steht, das wohl seit dem 19. Jahrhundert betrieben wird. Die Antragsteller sind Eigentümer des südlich angrenzenden, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. … (Antragstellergrundstück). Die Beteiligten gehen nach Aktenlage übereinstimmend davon aus, dass beide Grundstücke innerhalb eines faktischen Dorfgebiets (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 BauNVO) liegen.
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Die vormalige Betreiberin der Gaststätte war Inhaberin einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis des Landratsamts Cham vom 23. August 2005, wonach sie 20 m² der Außenfläche als Freisitzbereich für Gäste nutzen durfte. Für die Gaststätte und den Gaststättenbetrieb auf dem Baugrundstück existieren bestandskräftige Baugenehmigungen vom 4. Februar 2014 und vom 26. Januar 2015. Im Baugenehmigungsverfahren, das zur Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 führte, legte der Beigeladene eine auf die GaStellV bezogene Stellplatzberechnung eines Architekten vom 22. Januar 2014 vor, wonach für eine Gastfläche von insgesamt 214 m² (Summe aus Gastraum, Saal, Nebenraum) ein Stellplatzbedarf von 21 Pkw-Stellplätzen bestehe und für die Wohnung im ersten Obergeschoss des Nebengebäudes ein weiterer Stellplatz erforderlich sei. Da die Flächen für den Gastgarten und den Biergarten (210 m²) in Wechselnutzung mit den Gasträumen des Gaststättengebäudes bewirtschaftet würde, müssten diese nicht gesondert für den Stellplatzbedarf berücksichtigt werden. Der bestandskräftige Baugenehmigungsbescheid vom 4. Februar 2014 enthält u.a. die Nebenbestimmung, dass der Betrieb des Biergartens und des Gastgartens in der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr nicht zulässig ist. Die mit Genehmigungsstempel versehenen Bauvorlagen umfassen für den Gaststättenbetrieb auf dem Baugrundstück einen Bewirtschaftungsumfang von 154 Sitzplätzen in verschiedenen Gasträumen im Erd- und Obergeschoss des Gaststättengebäudes. Im ebenso mit Genehmigungsstempel versehenen Außenanlagenplan sind zwei Freischankbereiche mit 100 m² im nördlichen Bereich des Baugrundstücks („Biergarten unter Linden“) sowie mit 110 m² im südwestlichen Bereich des Baugrundstück („Gastgarten“, unmittelbar angrenzend an das Antragstellergrundstück) vorgesehen. Im Außenanlageplan werden zudem auf dem gesamten Baugrundstück verteilt insgesamt 22 Pkw-Stellplätze dargestellt. Die (ebenso bestandskräftige) Tekturgenehmigung vom 26. Januar 2015 betrifft brandschutzrechtliche Detailfragen.
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Auf Antrag des Beigeladenen erteilte das Landratsamt Cham die streitgegenständliche Tekturgenehmigung vom 24. August 2017, die eine geänderte Nutzung der Außenflächen zum Gegenstand hat. Im mit Genehmigungsstempel versehenen „Außenanlagenplan - Freiflächen Biergarten“ sind nunmehr drei Biergartenbereiche dargestellt: ein 80 m² großer „Biergarten unter Linden“ mit 26 Sitzplätzen im nördlichen Bereich des Baugrundstücks, ein 110 m² großer „Biergarten“ mit 51 Sitzplätzen im südwestlichen Bereich des Baugrundstück (unmittelbar angrenzend an das Antragstellergrundstück) sowie ein 100 m² großer „Biergarten Hof“ mit 55 Sitzplätzen im mittleren Bereich des Baugrundstücks (zwischen dem eher nördlich situierten Gaststättenhauptgebäude und dem südlich an der Grenze zum Antragstellergrundstück stehenden Nebengebäude). In diesem Außenanlagenplan werden zudem auf dem gesamten Baugrundstück verteilt insgesamt 15 Pkw-Stellplätze dargestellt. Laut einer vom Architekten des Beigeladenen erstellten und mit Genehmigungsstempel versehenen „Baubeschreibung“ vom 11. Juli 2017 soll der Biergarten nach der Bayerischen Biergartenverordnung geführt werden. Es seien „Bäume und Bewuchs vorhanden mit Gartencharakter“, es sei eine „traditionelle Betriebsform“ geplant, d.h. die Möglichkeit gegeben, „dort auch die mitgebrachte, eigene Brotzeit unentgeltlich verzehren zu können“. Es seien 156 Sitzplätze im Biergarten geplant.
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Die Baugenehmigung vom 24. August 2017 erging unter Ziffer V. unter folgenden
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"Nebenbestimmungen:
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1. Die Bestimmungen und Anforderungen der Bayerischen Biergartenverordnung vom 20. April 1999 sind zu beachten.
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2. Für den Biergarten wird als Tageszeit die Zeit von 07:00 Uhr bis 23:00 Uhr festgelegt. Während der Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 07:00 Uhr ist der Betrieb des Biergartens nicht zulässig.
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3. Sämtliche Musikdarbietungen im Biergarten sind spätestens um 22:00 Uhr zu beenden.
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4. Spätestens um 22:30 Uhr ist im Biergarten die Verabreichung von Getränken und Speisen zu beenden.
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5. Im Biergarten ist durch eine Beschilderung oder auf andere Weise geeignet darauf hinzuweisen, dass der Verzehr mitgebrachter Brotzeiten bzw. Speisen unentgeltlich gestattet ist.
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6. Die Biergärten und die Gastflächen im Gebäude sind in Wechselnutzung zu betreiben. Eine gleichzeitige Nutzung ist nicht zulässig.
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7. Der Biergarten unter Linden und der Biergarten Hof dürfen - entsprechend der vorgelegten Stellplatzberechnung vom 07.08.2017 - nicht gleichzeitig genutzt werden.“
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Laut einer mit Genehmigungsstempel vom 24. August 2017 versehenen und auf Nr. 6.1 der Anlage zu § 20 GaStellV bezogenen Stellplatzberechnung vom 7. August 2017 würden unter Berücksichtigung von Wechselnutzungen (vgl. die voranstehenden Auflagen Nrn. 6. und 7.) und einer hiernach maximal gleichzeitig bewirtschafteten Fläche von 214 m² nach wie vor insgesamt 22 Kfz-Stellplätze für den Gaststättenbetrieb und die Wohnung benötigt. Auf dem Baugrundstück stünden 15 Pkw-Stellplätze zur Verfügung. Die restlichen sieben Stellplätze würden über einen Vertrag nach Art. 47 Abs. 3 Nr. 3 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) abgelöst (vgl. hierzu den in den Behördenakten befindlichen Ablösungsvertrag vom 8. August 2017 zwischen dem Beigeladenen und der Standortgemeinde mit einem angegebenen Ablösebetrag von 0,- Euro).
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In der Begründung des Baugenehmigungsbescheids, der den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde am 26. August 2017 zugestellt wurde, heißt es, dass die beantragte Biergartennutzung nach Maßgabe der Baubeschreibung vom 11. Juli 2017 die Voraussetzungen des Anwendungsbereichs der Bayerischen Biergartenverordnung erfülle. Auch nach einer Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz des Landratsamts sei die Festlegung einer Betriebszeit von 7:00 Uhr bis 23:00 Uhr vertretbar, ohne dass hierdurch öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange beeinträchtigt würden.
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Am 22. September 2017 erhoben die Antragsteller u.a. aufgrund der von der Biergartennutzung hervorgerufenen Lärmbelastung Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Regensburg (dortiges Az. RO 7 K 17.1709) mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts Cham vom 24. August 2017 aufzuheben. Der Antragsgegner legte dem Verwaltungsgericht im Klageverfahren eine fachliche Stellungnahme des Sachgebiets Technischer Umweltschutz vom 18. Januar 2018 vor. Diese kommt hinsichtlich der anlagenbezogenen Lärmbelastung unter Berücksichtigung zu prognostizierender Kommunikationsgeräusche (insofern unter Bezugnahme auf die VDI-Richtlinie 3770 „Emissionskennwerte technischer Schallquellen von Sport- und Freizeitanlagen“) sowie von Zu- und Abfahrten bezogen auf 15 auf dem Baugrundstück vorhandene Kfz-Stellplätze (insofern unter Bezugnahme auf die Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamts für Umweltschutz, 6. Aufl. 2007) zu dem Ergebnis, dass am Wohnhaus der Antragsteller tagsüber mit einem Beurteilungspegel von 55 dB(A) zu rechnen sei. Wie die Ergebnisse der Berechnung zeigten, würden die Immissionsrichtwerte der Bayerischen Biergartenverordnung für Kern-, Dorf- und Mischgebiete von 65 dB(A) zur Tageszeit am Wohnhaus der Kläger eingehalten bzw. deutlich unterschritten. Die Unterschreitungen betrügen mindestens 10 dB. In der ungünstigsten Nachtstunde würden bei einem anzunehmenden Beurteilungspegel von 54 dB(A) die Immissionsrichtwerte im Fall eines nächtlichen Betriebes der Außengastronomie nach 23:00 Uhr teils deutlich, d.h. bis zu 9 dB(A) überschritten. Die Immissionsrichtwerte für kurzzeitige Pegelspitzen von tagsüber 90 dB(A) und nachts 65 dB(A) würden am Wohnhaus der Kläger eingehalten bzw. unterschritten (insbesondere bezogen auf Türenschlagen bei Ein- und Ausparkvorgängen). Hinsichtlich der verkehrsbedingten Geräuschimmissionen auf der öffentlichen Straße würden die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für Kern-, Dorf- und Mischgebiete am Wohnhaus der Antragsteller sowohl tagsüber als auch im Nachtzeitraum hinreichend unterschritten, sodass keine unzumutbaren Belastungen durch den künftigen Straßenverkehr entstünden. Es seien daher keine organisatorischen Maßnahmen bzgl. des PKW-Verkehrs durch das Vorhaben zu treffen.
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Im Rahmen ihres am 24. Juli 2019 beim Verwaltungsgericht Regensburg gestellten Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer anhängigen Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. August 2017 trugen die Antragsteller ergänzend zu ihren Ausführungen im Klageverfahren vor, die Parksituation vor Ort sei unerträglich. Es werde auf ihrem Privatgrundstück sowie im Bereich ihres Anwesens auch auf öffentlichen Straßen „wild“ geparkt, wodurch sie mit Lärm und Abgasen belastet würden. Lärm verursachten auch Gäste, die sich auf der Straße vor dem Biergarten aufhielten und dort von Bussen abgeholt würden. Zudem werde der Biergarten entgegen den Auflagen im Genehmigungsbescheid nicht in Wechselnutzung mit dem Gasthaus betrieben. Tatsächlich würden Gasthaus und Biergarten gleichzeitig belegt, was zu zusätzlichen Belastungen führe.
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Unter dem 16. Juli 2019 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen eine weitere Tekturgenehmigung für die Benutzung der Außenflächen auf Basis unveränderter Planzeichnungen, mit der ein Parallelbetrieb aller drei Biergärtenbereiche sowie ein zeitlich paralleler Betrieb zweier Biergartenbereiche und eines bestimmten Gastzimmers im Gaststättengebäudes gestattet wurde. Diese Baugenehmigung, die den Bevollmächtigten der Antragsteller laut Empfangsbekenntnis am 22. Juli 2019 zugestellt wurde, erging unter Ziffer V. unter folgenden Nebenbestimmungen:
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„1. Die Nebenbestimmungen und Hinweise des Baugenehmigungsbescheids vom 24.08.2017 (…) sind bis auf Nr. V. 6. und 7. weiterhin einzuhalten bzw. zu beachten.
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2. Die Biergärten im Außenbereich und die Gastflächen im Gebäude sind in Wechselnutzug zu betreiben. Eine gleichzeitige Nutzung des „Biergarten“ (110²), des „Biergarten Hof“ (100 m²) und des Gastraums im Erdgeschoss (69 m²) ist entsprechend der Stellplatzberechnung vom 18.03.2019 bei geschlossenem „Biergarten unter Linden“ unter keiner weiteren Gaststättennutzung im Gebäude ebenfalls zulässig.“
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Laut einer mit Genehmigungsstempel vom 16. Juli 2019 versehenen und auf die GaStellV bezogenen Stellplatzberechnung vom 18. März 2019 würden insgesamt 30 Kfz-Stellplätze, und zwar ein Kfz-Stellplatz für die Wohnung im Obergeschoss des Nebengebäudes sowie 29 Kfz-Stellplätze für die Gaststättennutzung benötigt. Der Stellplatzbedarf für die Gaststättennutzung ergebe sich aus einer aufgrund der Vorgesehenen Wechselnutzungen maximal gleichzeitig bewirtschafteten Gastfläche von insgesamt 290 m². Auf dem Baugrundstück stünden 15 Pkw-Stellplätze zur Verfügung. Sieben Stellplätze seien bereits durch Vertrag mit der Standortgemeinde abgelöst worden, somit seien noch weitere 8 Stellplätze durch Vertrag nach Art. 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO abzulösen (vgl. insofern den in den Behördenakten befindlichen weiteren Ablösungsvertrag zwischen dem Beigeladenen und der Standortgemeinde vom 24. April 2019 mit einem angegebenen Ablösebetrag von 0,- Euro).
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In der Begründung des Bescheids, der den Bevollmächtigten der Antragsteller laut Empfangsbekenntnis am 22. Juli 2019 zugestellt wurde, wird ausgeführt, die Nebenbestimmungen hätten im Vergleich zum Genehmigungsbescheid vom 24. August 2017 angepasst werden können, da der Beigeladene über einen Stellplatzablösevertrag zusätzliche Kfz-Stellplätze nachgewiesen habe. Vor Erlass des Bescheids hatte sich das Sachgebiet Technischer Umweltschutz des Landratsamts unter dem 11. Juli 2019 zum Tekturantrag dahingehend geäußert, dass mit einer wesentlichen Änderung der Immissionen, die mit der zusätzlichen Nutzung des Innenbereichs verbunden sein können, nicht zu rechnen sei. Bei Einhaltung der Auflagen aus dem Genehmigungsbescheid vom 24. August 2017 seien daher keine erheblichen Belästigungen und somit keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu erwarten.
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Die Antragsteller ließen den neuen Bescheid in die beim Verwaltungsgericht anhängige Anfechtungsklage durch Schriftsatz vom 14. August 2019 einbeziehen und beantragten nunmehr, den Bescheid vom 24. August 2017 und den Tekturbescheid vom 16. Juli 2019 aufzuheben. Im Eilverfahren trugen sie im Anschluss unter Vorlage von Lichtbildern sowie einer CD mit Tonaufnahmen, Videos und weiteren Lichtbildern ergänzend vor, der Lärmpegel der vom Wirtshaus organisierten Veranstaltungen gehe am Anwesen der Antragsteller weit über das Maß des Erträglichen hinaus. Auch durch nächtliches Musizieren werde unzumutbarer Lärm verursacht. Die Gaststätte verursache weiterhin „wildes“ Parken im ganzen Ort. Wie die vorgelegten Lichtbilder belegten, handele es sich bei den bewirtschafteten Freiflächen des Beigeladenen um keinen „schattigen“ Biergarten im Sinne der Bayerischen Biergartenverordnung.
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Mit - den Bevollmächtigten des Beigeladenen am 5. September 2019 zugestelltem - Beschluss vom 3. September 2019 ordnete das Verwaltungsgericht Regensburg gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 24. August 2017 in der Gestalt der Baugenehmigung vom 16. Juli 2019 an. In der Begründung des Beschlusses wird ausgeführt, der Bescheid vom 16. Juli 2019 stelle eine bloße Tektur dar, die die Identität des Vorhabens nach Maßgabe der Baugenehmigung vom 24. August 2017 nicht infrage stelle. Da mit dem Eilantrag gerade die Nutzung der Freischankflächen und der hierdurch entstehende Lärm beanstandet worden sei, bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für einen entsprechenden Eilantrag, auch wenn die entsprechenden baulichen Anlagen bereits errichtet seien. Der Eilantrag sei auch begründet, weil die Anfechtungsklage der Antragsteller voraussichtlich Erfolg habe. Die Genehmigungslage sei aufgrund mehrdeutiger bzw. widersprüchlicher Angaben in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt, weil im Baugenehmigungsantrag, in der Baubeschreibung vom 11. Juli 2017 sowie in der Betreffzeile des Bescheids vom 24. August 2017 von 156 Sitzplätze die Rede sei, während in dem von der Genehmigung umfassten Außenanlageplan lediglich insgesamt 132 Sitzplätze ausgewiesen seien. Da aus der Baugenehmigung nicht widerspruchsfrei hervorgehe, ob 156 oder 132 Freiluftsitzplätze genehmigt seien und wie - im ersteren Fall - die 24 nicht im Außenanlageplan befindlichen Sitzplätze verteilt seien, bleibe daher auch hinsichtlich der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom 18. Januar 2018 unklar, ob bei einer vorzunehmenden „worst case“-Betrachtung mit 156 Freisitzplätzen die zulässigen Richtwerte auf dem Antragstellergrundstück überschritten würden. Zudem habe der Antragsgegner bei der Erteilung der Baugenehmigung weder Bezug zur immissionsschutzfachlichen Stellungnahme genommen noch konkrete einzuhaltende Immissionsrichtwerte über Auflagen festgelegt. Die bloße Vorgabe, die Bestimmungen und Anforderungen der Bayerischen Biergartenverordnung einzuhalten, sei nicht ausreichend, zumal dem Bescheid nicht zu entnehmen sei, auf welchen (richtwertbestimmenden) Gebietstyp abzustellen sei. Es sei daher unklar, welche Richtwerte vom Vorhaben zur Vermeidung von schädlichen Umwelteinwirkungen bzw. eines Verstoßes gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot einzuhalten seien. Unklar bleibe ferner nach der Genehmigungslage, ob auch die Verpflichtungen gem. § 2 Abs. 2 Unterabsatz 3 der Bayerischen Biergartenverordnung, die im Gegensatz zu anderen konkreten Vorgaben nicht ausdrücklich in den Bescheid Eingang gefunden hätten, einzuhalten seien. Eine konkrete Betriebszeit, mit der sichergestellt werden könne, dass der zurechenbare Straßenverkehr bis 23:00 Uhr abgewickelt zu sein habe, werde - was unter nachbarschutzrechtlichen Gesichtspunkten relevant sei - im Bescheid nicht festgesetzt.
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Mit seiner am 19. September 2019 erhobenen Beschwerde richtet sich der Beigeladene gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. September 2019. Er bestreitet das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller, weil die Baugenehmigungen längst umgesetzt seien. Der Beigeladene hat in der Sache zunächst mit seiner Beschwerdebegründung vom 2. Oktober 2019 vorgetragen, die von den Antragstellern geltend gemachten Lärmbelastungen seien von geringem Umfang, sodass es für sie zumutbar sei, eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Die Baugenehmigung sei nicht unbestimmt, weil aus den textlichen Angaben zu den drei Biergärten in den zeichnerischen Bauvorlagen („Außenanlageplan“) hinreichend hervorgehe, dass es insgesamt nur um 132 Sitzplätze gehe. Die weitere Angabe von 156 Sitzplätzen stelle einen Schreib- bzw. Tippfehler dar. Auch im Übrigen enthielten seine eingereichten Bauvorlagen weder Fehler noch Unstimmigkeiten. Das genehmigte Vorhaben sei gem. § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Antragsteller sei nicht gegeben. Über die Anordnung, die Anforderungen der Bayerischen Biergartenverordnung einzuhalten, sei hinreichend bestimmt worden, dass im vorliegenden Dorfgebiet ein Richtwert von tagsüber 65 dB(A) einzuhalten sei. Die Einhaltung dieses Wertes sowie der Grenzwerte der 16. BImSchV am Wohngebäude der Antragsteller seien durch die fachliche Stellungnahme des Landratsamts (Technischer Umweltschutz) vom 18. Januar 2018 bestätigt worden. Es lägen keine Lärmbeeinträchtigungen vor, die erkennbar und erheblich über das Maß dessen hinausgingen, was die Antragsteller hinzunehmen hätten.
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Der Beigeladene beantragt mit seiner Beschwerdebegründung vom 2. Oktober 2019,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 3. September 2019 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 24. August 2017 in Gestalt des Bescheids vom 16. Juli 2019 abzulehnen.
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Die Antragsteller beantragen,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und haben hierzu zunächst mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 unter nochmaligem Hinweis auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Lichtbilder zur Parksituation vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe - auch hinsichtlich des bejahten Rechtsschutzinteresses - richtig entschieden. Im Rahmen der im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden gerichtlichen Interessenbewertung sei zu berücksichtigen, dass der Biergarten im Winter nicht betrieben werde und der Beigeladene mithin ohne Einnahmeverluste bis zum nächsten Frühjahr Zeit habe, für rechtmäßige Zustände zu sorgen. Im Übrigen werde den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbestimmtheit des Genehmigungsbescheids vom 24. August 2017 in der Gestalt des Bescheids vom 16. Juli 2019 zugestimmt. Sie - die Antragsteller - seien von unzumutbaren Auswirkungen der Biergartennutzung betroffen. Im Übrigen bestünden weiterhin Zweifel daran, ob der Beigeladene die Privilegierung nach der Bayerischen Biergartenverordnung in Anspruch nehmen könne. Es seien sowohl der Gartencharakter als auch die traditionelle Betriebsform fraglich.
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Während des laufenden Beschwerdeverfahrens erließ das Landratsamt Cham einen Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019, mit dem es das genehmigte Vorhaben unter Nr. 1 des Bescheidtenors nunmehr wie folgt bezeichnete: „Sanierung des denkmalgeschützten Gasthauses A* … mit Neubau eines Nebengebäudes - Freiflächen Biergarten mit 132 Sitzplätzen“. Daneben regelt der Änderungsbescheid, unter Nr. 2 seines Tenors Folgendes:
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„Die Nebenbestimmung Nr. V/1 des Bescheids vom 16.07.2019 (…) in Verbindung mit den Nebenbestimmungen Nrn. V/1 - 5 des Bescheids vom 24.08.2017 (…) wird durch folgende Nebenbestimmungen ersetzt:
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V/1. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb der Gaststätte einschließlich der vom Fahrverkehr ausgehenden Geräusche dürfen an den nächsten Wohnhäusern im Dorfgebiet die Immissionsrichtwerte von tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten.
34
Die Nachtzeit beginnt um 22.00 Uhr und endet um 7.00 Uhr.
35
Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tag um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten (Spitzenpegelkriterium).
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V/2. Für die Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden wird als Tageszeit die Zeit von 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr festgelegt. Der Beurteilungspegel der von den Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden einschließlich der vom Fahrverkehr ausgehenden Geräusche dürfen an den nächsten Wohnhäusern im Dorfgebiet den Immissionsrichtwert von tagsüber 65 dB(A) nicht überschreiten.
37
V/3. Sämtliche Musikdarbietungen auf den Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden sind spätestens um 22:00 Uhr zu beenden.
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V/4 Spätestens um 22:30 Uhr ist auf den Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden die Verabreichung von Getränken und Speisen zu beenden.
39
V/5. Die Betriebszeit der Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden ist so zu beenden, dass der zurechenbare Straßenverkehr bis 23:00 Uhr abgewickelt ist.
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V/6. Lärmintensive Reinigungs- und Aufräumarbeiten auf den Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden sind nach 23:00 Uhr nicht zulässig.
41
V/7. Durch eine Beschilderung der Freiflächen Biergarten, Biergarten Hof und Biergarten unter den Linden ist darauf hinzuweisen, dass der Verzehr mitgebrachter Brotzeiten bzw. Speisen unentgeltlich gestattet ist.“
42
In der Begründung des Bescheids wird klargestellt, dass mit diesem die vom Verwaltungsgericht monierten Unstimmigkeiten ausgeräumt werden sollen. Ein ausreichender Lärmschutz sei im vorliegenden faktischen Dorfgebiet gesichert. Insofern nimmt der Bescheid Bezug auf eine weitere fachliche Stellungnahme des Sachgebiets Technischer Umweltschutz des Landratsamts vom 17. Oktober 2019, in der die o.g. Nebenbestimmungen zur Sicherung der Einhaltung einer mit dem Rücksichtnahmegebot zu vereinbarenden Lärmbelastung vorgeschlagen werden und in der es im Übrigen heißt, dass nach dem Ergebnis schalltechnischer Berechnungen bei Einhaltung der empfohlenen Auflagen die gesetzlich vorgeschriebenen Vorgaben eingehalten werden könnten. Aus fachtechnischer Sicht sei somit ein ausreichender Lärmschutz für die Anwohner gesichert.
43
Im Anschluss an den Erlass des neuerlichen Änderungsbescheids vom 17. Oktober 2019 hat der Beigeladene seine Beschwerdebegründung mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2019 dahingehend ergänzt, dass jedenfalls nunmehr die im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. September 2019 aufgeführten Mängel - sollten diese überhaupt bestanden haben - beseitigt worden seien. Im vorliegenden faktischen Dorfgebiet sei die Nutzung als Gastwirtschaft mit Biergartenbetrieb gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bauplanungsrechtlich zulässig. Die historische Gastwirtschaft nebst Biergarten präge seit Jahrhunderten das Ortsbild und werde seitdem von Gästen aus nah und fern besucht. Das historische Wirtshaus hebe sich nach Fläche und Höhe nicht von den übrigen im Gebiet befindlichen Anlagen ab. Infolge seiner jahrhundertealten Tradition füge es sich von jeher beanstandungslos in die Umgebung ein. Aufgrund seiner unveränderten Zweckbestimmung habe es auch keinen zusätzlichen Verkehr zur Folge, der für die Umgebung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führe und die vorhandenen Verkehrsanlagen überfordere. Ebenso gingen von dem Vorhaben keine neuen unzulässigen Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO aus. Das historische Wirtshaus habe seit jeher über zahlreiche Sitzplätze im Freien verfügt, weshalb die nähere Umgebung durch biergartentypische Lärmimmissionen geprägt sei. Zudem griffen vorliegend nicht die Grenzwerte der TA Lärm, sondern diejenigen der Bayerischen Biergartenverordnung. Eine ausreichende Bepflanzung mit Birken und Kastanien sei vorhanden, die dem Betriebsgelände einen typischen Biergartencharakter verliehen. Aufgrund des vorhandenen Baumbestands bestehe für die Gäste die Möglichkeit, einen schattigen Platz in den Biergärten zu finden. Der Biergartenbetrieb erfolge in traditioneller Betriebsform. Für die Gäste bestehe die Möglichkeit, mitgebrachte Speisen unentgeltlich im Biergarten zu verzehren. Auch bestehe konkret für den Standort eine Biergartentradition: Schon von 1962 bis 1980 sei das Wirtshaus mit Biergarten als genehmigte Schank- und Speisewirtschaft betrieben worden, wobei der Biergarten insbesondere von Wanderern, Ausflüglern, Stammtischlern, Hochzeitsgästen und Kirchweihgästen sowie anlässlich traditioneller Feiern genutzt worden sei. Auch ab 1980 sei durch die Nachfolgebetreiber die Gaststätte mit Biergarten bewirtschaftet worden. Der frühere Eigentümer und Verpächter könne bestätigen, dass schon früher ein Biergarten betrieben worden sei, bei dem Biergartengäste, Wanderer und Radler mitgebrachte Brotzeiten hätten verzehren können. Der jetzige Pächter der Gastwirtschaft versichere, dass das Wirtshaus und der Biergarten auflagengemäß genutzt würden.
44
Der Antragsgegner unterstützt - ohne eigene Antragstellung im Beschwerdeverfahren - die Beschwerde des Beigeladenen. Mit dem zwischenzeitlichen Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019 seien die vom Erstgericht gerügten Bestimmtheitsmängel behoben worden.
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Die Antragsteller ließen mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 30. Oktober 2019 mitteilen, dass die beim Verwaltungsgericht anhängige Klage in der Hauptsache nach Antragsanpassung mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2019 nunmehr darauf gerichtet sei, die Bescheide vom 24. August 2017, vom 16. Juli 2019 u n d vom 17. Oktober 2019 aufzuheben. Die Genehmigung verstoße auch in ihrer jüngsten Fassung gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
46
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
47
Da der Beigeladene den nachträglichen, erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens erlassenen Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019 nicht zum Anlass genommen hat, die Beschwerde für erledigt zu erklären oder zurückzunehmen und stattdessen beim Verwaltungsgericht einen Änderungsantrag wegen veränderter Umstände gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen, legt der Senat das Vorbringen des Beigeladenen im Schriftsatz vom 29. Oktober 2019 entsprechend § 88 VwGO dahingehend aus, dass nunmehr beantragt wird, den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 3. September 2019 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Baugenehmigung vom 24. August 2017 nunmehr in Gestalt der Bescheide vom 16. Juli 2019 u n d vom 17. Oktober 2017 abzulehnen.
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Die so zu verstehende Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Beigeladenen als Beschwerdeführer dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung der gegen die streitgegenständlichen Genehmigungen gerichteten Genehmigungsbescheide angeordnet. Hieran ändert auch der im Laufe des Verfahrens erlassene weitere Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019 nichts.
49
1. Der - fristungebundene - Eilantrag nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist vom Verwaltungsgericht zu Recht als zulässig bewertet worden. Obwohl die drei Biergartenbereiche bereits errichtet sind, entfällt hierdurch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Anordnung der der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigungen. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag des Baunachbarn nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entfällt bei einem Eilrechtsbehelf gegen die Baugenehmigung grundsätzlich mit der Fertigstellung des Rohbaus, falls sich der Baunachbar nur gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung der baulichen Anlage als solcher - also vom Baukörper selbst und nicht auch von dessen Nutzung - ausgehen (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 15 CS 19.1845 - juris Rn. 14 m.w.N.). Anders verhält es sich aber, soweit der Nachbar geltend macht, durch die Nutzung der baulichen Anlage in seinen Rechten verletzt zu werden. Eine nutzungsbezogene mögliche Rechtsverletzung kann grundsätzlich auch nach der Fertigstellung der baulichen Anlage mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung noch vorläufig unterbunden werden mit der Folge, dass das Rechtsschutzbedürfnis für den einstweiligen Rechtsschutz insoweit weiterbesteht. Das Interesse des Nachbarn ist in dieser Situation darauf gerichtet, die Aufnahme bzw. Fortsetzung der Nutzung der baulichen Anlagen bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2013 - 15 CS 12.2425 - juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 17.11.2015 - 9 CS 15.1762 - juris Rn. 19).
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2. Der Eilantrag der Antragsteller gem. § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO ist auch - weiterhin - begründet.
51
a) Der Senat teilt grundsätzlich die Bedenken des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Bestimmtheit der Baugenehmigungen vom 24. August 2017 und vom 16. Juli 2019. Denn eine Baugenehmigung verletzt Rechte des Nachbarn dann, wenn sie gerade hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und infolge des Mangels eine Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist (vgl. BayVGH, B.v 6.2.2019 - 15 CS 18.2459 - NVwZ 2019, 1136 = juris Rn. 29 m.w.N.). Selbst wenn der Einwand des Beigeladenen durchgriffe, die ursprüngliche Genehmigung in der Fassung des ersten Änderungsbescheids sei hinreichend bestimmt, weil die in der Planzeichnung angegeben (niedrigere) Sitzplatzanzahlen vorrangig und die im Antrag sowie in anderen (gestempelten) Bauvorlagen enthaltene (höhere) Sitzplatzzahl einen offensichtlichen Schreibfehler darstelle, dürfte dies vorliegend keine Rolle mehr spielen, weil die Baugenehmigung durch den jüngsten Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019 einen Inhalt bekommen hat, der jedenfalls nunmehr das vom Verwaltungsgericht monierte Bestimmtheitsminus korrigiert haben dürfte.
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b) Es ist allerdings fraglich, ob der erst während des Beschwerdeverfahrens erlassene Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019 im laufenden Beschwerdeverfahren im Rahmen der gerichtlichen Interessenabwägung bzw. der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage überhaupt Berücksichtigung finden kann. In der hier gegebenen prozessualen Situation wäre der Beigeladene ggf. gehalten gewesen, hinsichtlich der Beschwerde wegen Erledigung eine prozessbeendende Erklärung abzugeben, um stattdessen die durch den Änderungsbescheid eingetretenen veränderten Umstände beim Verwaltungsgericht (als Gericht der Hauptsache) in einem neuen Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend zu machen.
53
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der der Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren weiterhin folgt, erledigen sich zu Lasten des beigeladenen Bauherrn ergangene Eilrechtsbehelfe nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO nicht durch eine die Identität des Vorhabens wahrende Änderung oder Ergänzung der außer Vollzug gesetzten Genehmigung. In diesem Fall - wenn also durch den weiteren (nachträglichen) Bescheid (wie hier) kein „aliud“ genehmigt wurde - ist vielmehr zunächst der Beigeladene am Zug, will er sein Interesse auf vorläufige Vollziehbarkeit des Genehmigungsbescheids bis zur Entscheidung der Hauptsache durchsetzen. Da eine bloße Tektur- oder Änderungsgenehmigung (hier der Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019) nicht für sich alleine, sondern nur in Verbindung mit der ursprünglichen Genehmigung „vollzogen“ werden kann, von letzterer aber wegen der vorangegangenen Anordnung der aufschiebenden Wirkung kein Gebrauch gemacht werden darf, sind die Rechte des Nachbarn (hier der Antragsteller) noch vorläufig gewahrt, selbst wenn durch den weiteren Bescheid ein vom Verwaltungsgericht im Eilverfahren festgestellter Rechtsverstoß ausgeräumt worden sein sollte. Wenn der Bauherr nunmehr von der Genehmigung in der Fassung eines identitätswahrenden Tektur- oder Änderungsbescheids Gebrauch machen möchte, steht ihm jedenfalls die Möglichkeit offen, beim Verwaltungsgericht gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO die Änderung der für ihn negativen Eilentscheidung zu beantragen. In der Änderung der ursprünglichen Genehmigung durch den neuen Bescheid ist ein veränderter Umstand in diesem Sinn zu sehen (BayVGH, B.v. 21.2.2007 - 15 CS 07.162 - NVwZ-RR 2007, 821 = juris Rn. 15 ff.; B.v. 2.8.2007 - 1 CS 07.801 - BayVBl 2007, 758 = juris Rn. 33; B.v. 22.1.2013 - 1 CS 12.2709 - BayVBl. 2013, 671 = juris Rn. 14; B.v. 14.2.2019 - 15 CS 18.2487 - DVBl. 2019, 932 = juris Rn. 6 ff.). Auch wenn für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung unter Modifizierung von § 212a Abs. 1 BauGB angeordnet wird, der beigeladene Bauherr grundsätzlich die Wahl hat, ob er nachträgliche, also nach der erstinstanzlichen Eilentscheidung zu seinen Gunsten eingetreten Umstände über die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (§ 146 VwGO) oder über einen Änderungsantrag gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO beim Verwaltungsgericht geltend macht (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2019 a.a.O.), ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Monatsfrist für die Begründung der Beschwerde (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) gegen den dem Bevollmächtigten des Beigeladenen am 5. September 2019 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3. September 2019 im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 17. Oktober 2019 bereits abgelaufen war. Da das Beschwerdegericht gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Prüfung der (rechtzeitig) dargelegten Gründe begrenzt ist, sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der Beigeladene im vorliegenden Fall diesen nachträglichen Änderungsbescheid nicht mehr in das Beschwerdeverfahren einbeziehen kann. Denn es handelt sich insofern nicht um eine bloße im Beschwerdeverfahren auch nach Ablauf der Begründungsfrist ohne Weiteres noch berücksichtigungsfähige Vertiefung und Ergänzung der fristgerecht vorgebrachten Beschwerdegründe, sondern um ein qualitativ neues Vorbringen. Da es primär Aufgabe des Beschwerdegerichts ist, retrospektiv die Richtigkeit der angefochtenen Eilentscheidung zu überprüfen, erscheint es sachgerecht, dass der Verwaltungsgerichtshof im laufenden Beschwerdeverfahren nachträgliche Änderungen der Sach- und Rechtslage nur im Rahmen der von ihm durchzuführenden Interessenbewertung bzw. Prüfung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs zu berücksichtigen hat, sofern diese innerhalb der Begründungsfrist eingetreten und vom Beschwerdeführer in das Beschwerdeverfahren eingeführt worden sind (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2013 a.a.O. juris Rn. 17; ebenso: OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 14.10.2009 - OVG 6 S 33.09 - NVwZ-RR 2010, 275 = juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 8.6.2006 - NVwZ-RR 2006, 849/850; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2019, § 146 Rn. 13a, 13c; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 146 Rn. 19; Jeromin in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 146 Rn. 34; a.A. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29; VGH BW, B.v. 27.1.2006 - 6 S 1860/05 - NVwZ-RR 2006, 395 =juris Rn. 3 f.; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 22.10.2015 - 2 M 13/15 - juris Rn. 6; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 81 ff.; vermittelnd Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 146 Rn. 43). Der Beigeladene ist in diesem Fall nicht schutzlos, weil ihm die Möglichkeit verbleibt, die neuen Umstände im Änderungsverfahren gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geltend zu machen (s.o.). Auch die Erwägung, dass ansonsten durch Einbeziehung eines nach dem erstinstanzlichen Eilbeschluss ergangenen Tektur- / Änderungsbescheids im Beschwerdeverfahren in der Sache der Streitgegenstand des originären Eilverfahrens ohne Zutun des Antragstellers geändert werden könnte, dürfte gegen eine jedenfalls unbefristete Geltendmachung für den Beigeladenen günstiger nachträglicher Änderungen der Sach- und Rechtslage, die auf einem Ergänzungsbescheid beruhen, sprechen. Auch insofern erscheint die Geltendmachung in einem gänzlich neuen Verfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO sachgerechter.
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c) Der Senat kann die voranstehenden Problemfragen dahinstehen lassen. Es kann offenbleiben, ob der Beigeladene im Beschwerdeverfahren den Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2019 in das Beschwerdeverfahren einbeziehen konnte. Denn auch bejahendenfalls bleibt es bei der vom Verwaltungsgericht getroffenen erstinstanzlichen Eilentscheidung. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts stellt sich auch bei Berücksichtigung des neuen Bescheids im Ergebnis als richtig dar. Bei der nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung muss das Vollzugsinteresse des Beigeladenen gegenüber den Interessen der Antragsteller an der vorläufigen Verhinderung der Nutzung der Wirtsgärten / Freischankflächen auch nach der aktuellen Genehmigungslage hintanstehen. Auch für den Fall, dass sich der Beigeladene im laufenden Beschwerdeverfahren noch auf den nachträglichen Änderungsbescheid berufen können sollte und auch für den Fall, dass durch diesen ein vom Verwaltungsgericht moniertes nachbarrechtswidriges Bestimmtheitsminus korrigiert wurde [s.o. a) ], verbleiben nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage Nachbarrechtsverstöße zu Lasten der Antragsteller, die den Eilantrag der Antragsteller begründet lassen und damit zur Unbegründetheit der Beschwerde des Beigeladenen führen (zur Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Eilentscheidung als ausschlaggebendem Maßstab der Beschwerdeentscheidung vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29b m.w.N.). Die Anfechtungsklage in der Hauptsache wird voraussichtlich Erfolg haben, auch soweit sie sich nunmehr gegen die Baugenehmigungsbescheide vom 24. August 2017, vom 16. Juli 2019 u n d vom 17. Oktober 2017 richtet.
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d) Allerdings dürfte den Antragstellern kein sog. Gebietserhaltungsanspruch (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 16.9.1993 - 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 6.2.2017 - 15 ZB 16.398 - juris Rn. 9 m.w.N.; B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 4 ff.) zustehen, weil in einem faktischen Dorfgebiet, von dem alle Beteiligten ausgehen, Schank- und Speisewirtschaften (einschließlich Freischankflächen) gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO hinsichtlich der Nutzungsart grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig sind.
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e) Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage verstößt der Biergartenbetrieb in der durch die angefochtenen Baugenehmigungsbescheide gestatteten Art und Weise aber aufgrund der zu prognostizierenden Lärmbelastung auf dem Anwesen der Antragsteller gegen das vorliegend über § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO anwendbare bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, U.v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 = juris Rn. 21 m.w.N.). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 27.12.2017 - 15 CS 17.2061 - juris Rn. 26: B.v. 21.8.2018 - 15 ZB 17.1890 - juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 5.4.2019 - 15 ZB 18.1525 - BeckRS 2019, 7160 Rn. 9). Soweit - wie vorliegend - ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2019 - 15 ZB 17.2529 - juris Rn. 15 m.w.N.).
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aa) Zur Konkretisierung der Zumutbarkeitsschwelle kann vorliegend entgegen der Ansicht des Beigeladenen und des Antragsgegners nicht auf die auf § 23 Abs. 1 BImSchG gestützte Bayerische Biergarten-Verordnung vom 20. April 1999 (im Folgenden: BiergV) abgestellt werden. Für Biergärten, die dieser Verordnung unterfallen, hat der Bayerische Verordnungsgeber im Vergleich zur TA Lärm lärmschutzrechtliche Privilegierungen (vgl. Hahn, KommP BY 2015, 369/371) zugunsten des Biergartenbetriebs und zu Lasten der Nachbarschaft in Form von höheren Immissionsrichtwerten und in Form eines zeitlichen Hinausschiebens der Nachtzeit um eine Stunde reglementiert. So ist für Biergärten i.S. der Verordnung in § 2 Satz 1 BiergV die Tageszeit für den Zeitraum 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr festgesetzt, innerhalb der für den Betrieb u.a. in Dorfgebieten ein Immissionsrichtwert von 65 dB(A) gilt, während Nr. 6.4 Abs. 1 TA Lärm die Tageszeit grundsätzlich auf den Zeitraum 6:00 - 22.00 Uhr bezieht und Nr. 6.1 Abs. 1 Buchst. d TA Lärm u.a. für Dorfgebiete Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts vorsieht. § 2 Abs. 1 Satz 6 BiergV sieht vor, dass ein Zuschlag für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit nach Maßgabe von Nr. 6.5 TA Lärm [dort u.a. für Dorfgebiete um jeweils 6 dB(A) an Werktagen von 6.00 Uhr bis 7.00 Uhr und 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr sowie an Sonn- und an Feiertagen von 6.00 Uhr bis 9.00 Uhr, 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr und von 20.00 Uhr bis 22.00 Uhr] generell nicht erfolgt. Zur Sicherstellung, dass der Biergarten die Immissionsrichtwerte und die Nachtruhe i.S. von § 2 Abs. 1 BiergV einhält, reglementiert § 2 Abs. 2 BiergV, dass Musikdarbietungen spätestens um 22.00 Uhr zu beenden sind, dass spätestens um 22.30 Uhr die Verabreichung von Getränken und Speisen zu beenden und dass die Betriebszeit so zu beenden ist, dass der zurechenbare Straßenverkehr bis 23.00 Uhr abgewickelt ist.
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Der mit den Genehmigungsbescheiden vom 24. August 2017, 16. Juli 2019 und vom 17. Oktober 2019 gestattete Biergartenbetrieb des Beigeladenen ist nach der mit Genehmigungsstempel versehenen Baubeschreibung vom 11. Juli 2017 (vgl. § 3 Nr. 3, § 9 BauVorlV) sowie den zu den Genehmigungsbescheiden miterlassenen Nebenbestimmungen ersichtlich auf einen Biergartenbetrieb unter Inanspruchnahme der lärmschutzrechtlichen Privilegierungen der BiergV ausgerichtet. Die genehmigten Freischankflächen in den drei Biergartenbereichen des Beigeladenen erfüllen aber nach Ansicht des Senats nicht den Biergartenbegriff im Sinne der BiergV. Letzterer ist im Verordnungstext selbst nicht legaldefiniert. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die bayerische Staatsregierung mit dem Erlass der Verordnung hinsichtlich der Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm für die Nachbarschaft eine Privilegierung traditioneller Biergärten aus Gründen der Sozialadäquanz verfolgte (so schon zur Vorgängerverordnung vgl. BayVGH, B.v. 7.8.1997 - 22 N 95.2532 u.a. - NVwZ-RR ...199, 15/18 f.), was in der Verordnungsbegründung (vgl. GewArch. 1999, 289 f.) an verschiedenen Stellen zum Ausdruck kommt. Weiterhin ergibt sich - in der Sache hieran anknüpfend - aus der Verordnungsbegründung (und speziell zu § 1 BiergV), dass für den bayerischen Biergarten im Sinne der Verordnung vor allem zwei Merkmale ausschlaggebend sind: zum einen der G a r t e n c h a r a k t e r und zum andern die t r a d i t i o n e l l e B e t r i e b s f o r m, insbesondere die Möglichkeit, dort auch die mitgebrachte, eigene Brotzeit unentgeltlich verzehren zu können. Diesbezüglich heißt es in der amtlichen Begründung zu § 1 der Verordnung - in der Sache unter Rückgriff auf die Rechtsprechung zur Vorgängerverordnung (BayVGH, U.v. 14.2.1996 - 22 N 95.2532 u.a. - NVwZ 1996, 483/484; U.v. 8.5.1996 - 22 B 94.2282 - NVwZ 1996, 1038 = juris Rn. 15; B.v. 7.8.1997 - 22 N 95.2532 u.a. - NVwZ-RR 1999, 15/18) - wörtlich:
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„Der typische bayerische Biergarten ist eine Gaststätte bzw. der im Freien gelegene Teil einer solchen, deren Betrieb im wesentlichen auf Schönwetterperioden während der warmen Jahreszeit beschränkt ist. Das Erfordernis des Gartencharakters verlangt eine Situierung des Betriebs im Grünen, jedenfalls im Freien. Das Idealbild des Biergartens ermöglicht, unter großen Bäumen im Schatten zu sitzen. Insoweit bestehende Defizite können durch kleinere Anpflanzungen innerhalb der Anlage nur beschränkt kompensiert werden. Der Gartencharakter wird entweder durch eine auf dem Betriebsgelände selbst in erheblichem Umfang vorhandene Bepflanzung oder durch eine in der Umgebung in erheblichem Umfang vorhandene Bepflanzung bestimmt. Entscheidend ist das Gesamtbild der Anlage.
60
Ein Biergarten ist grundsätzlich eher Schank- als Speisewirtschaft. Solange keine Verpflichtung zur Abnahme besteht, steht die Verabreichung von Speisen dem Biergartenbegriff nicht entgegen.“
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Der Biergartenbegriff der Bayerischen Biergartenverordnung bezieht sich mithin nicht auf die gesamte Außengastronomie oder wesentliche Teile davon. Biergärten sind vielmehr durch ihre besondere Betriebsweise und Funktionalität von anderen Bereichen der Außengastronomie zu unterscheiden. Nur für einen beschränkten Kreis von Wirtschaftsgärten sollten nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Verordnung privilegierende Regelungen geschaffen werden (BayVGH, U.v. 8.5.1996 - 22 B 94.2282 - NVwZ 1996, 1038 = juris Rn. 14; VG München, B.v. 19.7.2002 - M 16 SE 01.4028 - juris Rn. 124). Der Ausnahmecharakter der Privilegierung ist auch daran abzumessen, dass nach Informationen der Staatsregierung im Jahr 2014 bayernweit lediglich 150 traditionelle Biergärten im Sinne der Biergartenverordnung bestanden hatten (zitiert nach Hahn, KommP BY 2015, 369/371).
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Im vorliegenden Fall dürfte es bereits am Merkmal „Gartencharakter“ fehlen. Kleinere Wirtsgartenflächen in ansonsten eher „kahler“ Umgebung, die ringsum von Straßen und / oder von Wohnbebauung gesäumt werden, können dem notwendigen Gesamtbild eines „Gartens“ selbst dann nicht entsprechen, wenn auf ihnen einige Bäume stehen. Derartige Flächen werden vielmehr von dem im Gaststättengebäude stattfindenden Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft auch dann mitgeprägt, wenn der Gastwirt im Freien den Verzehr mitgebrachter Speisen gestatten mag (BayVGH, U.v. 8.5.1996 - 22 B 94.2282 - NVwZ 1996, 1038 = juris Rn. 15; B.v. 7.8.1997 - 22 N 95.2532 u.a. - NVwZ-RR ...199, 15/18). Im vorliegenden Fall ist nach der mit Genehmigungsstempel versehenen zeichnerischen Bauvorlage zu den Außenanlagen kein zusammenhängender Biergartenkomplex vorgesehen, sondern insgesamt drei kleinere Wirtsgartenkomplexe, die um das Gaststättenhauptgebäude verteilt sind und von denen nach den vorliegenden Lichtbildern zumindest zwei eher Hof- als Gartencharakter ausweisen dürften. Zwar dürfte der in den Bauvorlagen als „Biergarten“ mit 110 m² und 51 Sitzplätzen ausgewiesene Bereich nach dem über den BayernAtlas abrufbaren Luftbild (im südwestlichen Teil des Baugrundstücks) noch eine recht dichte Baumbepflanzung aufweisen. Anderes gilt aber für die Bereiche „Biergarten Hof“ mit 100 m² und 55 Sitzplätzen (zwischen dem Gaststättengebäude und dem an der Südgrenze des Baugrundstücks gelegenen Nebengebäude) sowie „Biergarten unter Linden“ mit 80 m² und 26 Sitzplätzen (nördlicher Teil des Baugrundstücks, nördlich des Hauptgebäudes). Insbesondere die beiden zuletzt genannten Freischankbereiche hinterlassen nach den von den Antragstellern schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten sowie nach den auf der Homepage des Gaststättenbetriebs („G* …“ - „…“) abrufbaren Lichtbildern eher den Eindruck von bewirtschafteten Freiflächen (sog. Wirtsgärten), die dem innerhalb einer Ortslage gelegenen Gaststättengebäude angegliedert sind, als von Freischankflächen im Grünen. Allein die Untergliederung in drei räumlich kleinere Biergartenbereiche sowie deren Verteilung auf dem Baugrundstück und deren Lage jeweils in unmittelbarer Nähe des Gaststättengebäudes sprechen aus objektiver Sicht dafür, diese als typischen Annex des Betriebs des Gaststättengebäudes anzusehen, zumal das gesamte, innerorts gelegene Baugrundstück mit ca. 1.800 - 1.900 m² (inklusive Gaststätten- und Nebengebäude sowie Kfz-Stellplätze) außer im Süden, wo es an das Antragstellergrundstück und ein weiteres Wohngrundstück (FlNr. …*) angrenzt, von Ortsstraßen umgeben ist.
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Jedenfalls fehlt es aus Sicht des Senats am Merkmal der „traditionellen Betriebsform“. Auch insofern kommt es auf das Gesamtbild der Bewirtschaftung an. Dass hierbei der Ausschank von Bier eine prägende Rolle zu spielen hat, lässt zwar das gaststättenrechtliche Gebot der Bereithaltung nichtalkoholischer Getränke gem. § 6 GaststG unberührt, schließt aber aus, dass die Abgabe von Speisen ebenso wie im Gaststättenbetrieb mit im Vordergrund steht; das Lokal muss auch vom konkreten Typus her eher Schank- als Speisewirtschaft sein (BayVGH, B.v. 14.2.1996 - 22 N 95.2532 u.a. - NVwZ 1996, 483/484; B.v. 7.8.1997 - 22 N 95.2532 u.a. - NVwZ-RR 1999, 15/18). Allein das Aufstellen von Hinweistafeln, wonach der Verzehr von mitgebrachten Speisen gestattet ist, verleiht bewirtschafteten Freiflächen einer Gastwirtschaft nicht die Eigenschaft eines Biergartens im Sinne der BiergV (VG München, B.v. 19.7.2002 - M 16 SE 01.4028 - juris Rn. 125). Entscheidend ist, ob die bewirtschaftete Freifläche aus objektiver Sicht nach ihrem Gesamtbild eine gewisse organisatorische Eigenständigkeit besitzt und nicht als bloßer Annex zur vorhandenen Schank- und Speisewirtschaft in Erscheinung tritt (ähnlich VG Würzburg, U.v. 25.7.2002 - W 6 K 02.58 - juris Rn. 19). Für die Beurteilung der Frage, ob ein betroffener Wirtsgarten nach seinem Gesamtbild und seiner Betriebsform einem „typischen“ bayerischen Biergarten im Sinne der BiergV entspricht, kann neben der Art der Einrichtung auch das Vorhandensein einer separaten Bierzapfanlage, die Möglichkeit der Selbstbedienung im Außenbereich sowie ein Vergleich des Speisen- und Getränkeangebots im Innen- und Außenbereich der Gaststätte von Bedeutung sein (BayVGH, B.v. 10.10.2002 - 22 ZB 02.2451 - juris Rn. 2; VG Würzburg, U.v. 25.7.2002 - W 6 K 02.58 - juris Rn. 19).
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Im vorliegenden Fall ergibt sich weder aus den zeichnerischen Bauvorlagen noch aus einer Betriebsbeschreibung, dass in den streitgegenständlichen Wirtsgartenbereichen ein anderes Getränke- und / oder Speisenangebot vorgehalten wird als im Innenbereich der Gaststätte. Nach den von der Baugenehmigung umfassten Unterlagen existieren in den Freiflächenbereichen der Gaststätte auch keine eigenen Bedienungseinrichtungen für Bier bzw. für Speisen (z.B. Selbstbedienungsbereich). Der Gaststättenbetrieb auf den drei Biergartenbereichen unterscheidet sich mithin - außer dem Umstand, dass mitgebrachte Brotzeiten dort laut anzubringendem Aushang verzehrt werden dürfen - nicht wesentlich im Vergleich zum Gaststättenbetrieb im Gebäudeinneren. Die Betriebsformen der Freiflächenbewirtschaftung und der Innenbewirtschaftung existieren nach Maßgabe der Baugenehmigung (anders als z.B. bei VG Augsburg, U.v. 10.3.2005 - Au 8 K 04.976 - juris Rn. 40) nicht selbständig nebeneinander. Tatsächlich kann nach Maßgabe der Baugenehmigung - was wohl auch konzeptionell beabsichtigt ist - in allen Freischankbereichen bedient und dasselbe Getränke- und Speisenangebot wie im Gaststätteninnern offeriert werden. Bei einer solchen Betriebsform wird der im Sinne des Traditions- und Sozialadäquanzarguments auch auf einkommensschwächere Bevölkerungsschichten ausgerichteten Zielrichtung der BiergV nicht voll entsprochen. Soweit - wie im vorliegenden Fall - eine eher geringe Größe sowie die Lage der bewirtschafteten Freiflächen in unmittelbarer Nähe des Gaststättengebäude schon vom ersten optischen (kleinräumigen) Eindruck für die Zuordnung zum Gaststättenbetrieb innerhalb des Gebäudes sprechen, dürften grundsätzlich vom Gaststätteninnenbereich separierte organisatorische Versorgungseinrichtungen für den bewirtschafteten Freibereich essenziell sein, um einen traditionellen Biergarten zu kennzeichnen, d.h. diesen von der Bewirtung herkömmlicher gaststättenbezogener Wirtsgärten abzugrenzen. Hinzu kommt, dass weder über eine Betriebsbeschreibung noch über Inhalts- oder Nebenbestimmungen in den Baugenehmigungsbescheiden die Art der Möblierung der Freischankbereiche geregelt ist. Denn auch diese prägt die Betriebsform mit, wobei für die Bewirtschaftungsform eines traditionellen Biergartens i.S. der BiergV eine rustikale Möblierung (Biergartengarnituren bzw. einfache Holzbänke / Holztische) spricht. Eine aufwändig dekorierte Tischdekoration - wie sie sich z.T. in den werbewirksamen Lichtbildern auf der Homepage des Gaststättenbetriebs („G* …“ - „…“) wiederfindet (dort wohl für den nördlichen Bereich „Biergarten unter Linden“) und wie sie durch die streitgegenständlichen Baugenehmigungen nicht ausgeschlossen ist - hat jedenfalls mit einem traditionellen bayerischen Biergarten, den die BiergV im Blick hat, nichts gemein.
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Ob es der Biergartenbegriff daneben auch erfordert, dass die konkret bewirtschaftete Freifläche nach dem bisherigen Angebot des Betreibers sowie durch eine sich allmählich verfestigende allgemeine Übung der Besucher bereits auf eine gewisse Tradition als betriebener Biergarten i.S. der Biergartenverordnung zurückblicken kann (so VG Würzburg, U.v. 16.1.2012 - W 5 K 11.380 - juris Rn. 27), und ob die Freiflächenbewirtschaftung auf dem Baugrundstück tatsächlich eine entsprechende Tradition aufweisen kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
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bb) Fehlt es mithin an einem Biergarten im Sinne der BiergV, ist der Anwendungsbereich der BiergV nicht eröffnet. Entscheidend ist dann, ob das genehmigte Betriebskonzept hinsichtlich der Lärmbelastung der Antragsteller nach allgemeinen Grundsätzen den Anforderungen der Zumutbarkeit resp. des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots entspricht. Das ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu verneinen. Bei der Beurteilung der Lärmbelastungen von Wirtsgärten / Freischankflächen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Gaststättengebäudes stehen, ist umstritten, ob die TA Lärm als sog. „normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift“ (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 - 15 CE 18.2652 - juris Rn. 26 m.w.N.) gem. ihrer Nr. 1 Abs. 2 Halbs. 1 unmittelbar Anwendung findet oder ob es sich bei ihnen um „Freiluftgaststätten“ im Sinne der Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b TA Lärm handelt, für die die Geltung der Verwaltungsvorschrift an sich ausgeschlossen ist (zum Streitstand vgl. z.B. BayVGH, U.v. 25.11.2015 - 22 BV 13.1686 - GewArch. 2016, 204 = juris Rn. 58). Der Streitstand bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da im Rahmen einer einzelfallbezogen Betrachtung unter Berücksichtigung der Art und Lästigkeit der jeweiligen Schallereignisse, des hervorgerufenen Beurteilungspegels, der Dauer, Häufigkeit, Impuls-, Ton- und Informationshaltigkeit sowie des Zusammenwirkens dieser verschiedenen Faktoren eine Orientierung an der TA Lärm als antizipiertes Sachverständigengutachten möglich bleibt (vgl. im Einzelnen BayVGH, B.v. 13.10.2015 - 1 ZB 14.301 - juris Rn. 3; U.v. 25.11.2015 - 22 BV 13.1686 - GewArch 2016, 204 = juris Rn. 60; U.v. 6.9.2016 - 1 BV 15.2302 - juris Rn. 19; B.v. 27.12.2017 - 15 CS 17.2061 - juris Rn. 31; vgl. auch BVerwG, B.v. 3.8.2010 - 4 B 9.10 - ZfBR 2010, 696 = juris Rn. 3). Hiervon ausgehend bleibt festzuhalten, dass der Umweltingenieur des Landratsamts unter Einbeziehung der Kommunikationsgeräusche im Bereich der Außengastronomie und des anlagenbezogenen Parklärms in seiner (auf Schallausbreitungsberechnungen fußenden) fachlichen Stellungnahme vom 18. Januar 2018, die vom beschwerdeführenden Beigeladenen im laufenden Beschwerdeverfahren nicht infrage gestellt wurde, zum Ergebnis gekommen ist, dass am Wohnhaus der Antragsteller am Tag ein Beurteilungspegel von 55 dB(A) und im Nachtzeitraum ein solcher von 54 dB(A) zu prognostizieren sei. Hiervon ausgehend ist ein Betrieb auch in entsprechender Anwendung der TA Lärm als unzumutbar zu bewerten, wenn zugrunde gelegt wird, dass das Baugrundstück und das Antragstellergrundstück in einem faktischen Dorfgebiet liegen (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 5 BauNVO) und deshalb das betroffene Gebiet die Schutzwürdigkeit der Kategorie „Kerngebiet, Dorfgebiet, Mischgebiet“ i.S. von Nr. 6.1 Buchst. d TA Lärm genießt. Denn bei dieser gilt als nächtlicher Immissionsrichtwert 45 dB(A), wobei gem. Nr. 6.4 Abs. 1 TA Lärm - wie bei nahezu allen gängigen Regelwerken zur Lärmbeurteilung (BayVGH, U.v. 25.11.2015 - 22 BV 13.1686 - GewArch 2016, 204 = juris Rn. 81) - die Nachtzeit grundsätzlich bereits um 22:00 Uhr, und nicht erst um 23:00 Uhr beginnt. Umstände, die entsprechend Nr. 6.4 Abs. 2 TA Lärm ein Hinausschieben der Nachtzeit um eine Stunde rechtfertigen könnten, sind weder von den Beteiligten vorgetragen worden noch nach Aktenlage ersichtlich (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 25.11.2015 a.a.O. juris Rn. 87 ff., insbes. Rn. 97 ff.). Das von den streitgegenständlichen Baugenehmigungen umfasste Nutzungskonzept, wonach die Biergartenbereiche nach Maßgabe der Lärmanforderungen der BiergV bis 23.00 Uhr bewirtschaftet werden dürfen und hierbei auch tagsüber (d.h. in der Zeit von 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr) lediglich ein Immissionsrichtwert von 65 dB(A) in der Nachbarschaft (und zudem ohne jegliche Berücksichtigung von Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit entsprechend Nr. 6.5 TA Lärm) zu beachten ist, wird den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots mithin nicht gerecht.
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f) Ob unter Berücksichtigung der von den Antragstellern vorgelegten Lichtbilder zur Parksituation die angegriffenen Baugenehmigungen zur Nutzung der Wirtsgartenbereiche auch deshalb gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen, weil es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verkehrsverhältnissen im unmittelbaren Umgriff des Nachbargrundstücks kommt, weil mangels ausreichender Parkmöglichkeiten der durch das Vorhaben bewirkte Park- oder Parksuchverkehr die unmittelbaren Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder weil die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar eingeschränkt wird (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.1992 - 1 B 22.92 - NVwZ-RR 1993, 18 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 25.08.2009 - 1 CS 09.287 - juris Rn. 39; B.v. 9.5.2016 - 2 AS 16.420 - juris Rn. 7; B.v. 20.3.2018 - 15 CS 17.2523 - juris Rn. 32 ff.; B.v. 8.1.2019 - 9 CS 17.2482 - juris Rn. 20 f.; B.v. 10.10.2019 - 9 CS 19.1468 - juris Rn. 28; VGH BW, B.v. 10.1.2008 - 3 S 2773/07 - NVwZ-RR 2008, 600 = juris Rn. 13; B.v. 2.10.2019 - 3 S 1470/19 - juris Rn. 104, 114 f.; NdsOVG, B.v. 20.12.2013 - 1 ME 214/13 - NVwZ-RR 2014, 296 = juris Rn. 13; OVG NRW, B.v. 15.11.2005 - 7 B 1823/05 - NVwZ-RR 2006, 306 = juris Rn. 21 ff.; VG München, U.v. 1.12.2015 - M 1 K 15.4038 - juris Rn. 26; U.v. 25.7.2017 - M 1 K 16.5925 - juris Rn. 42; U.v. 26.2.2018 - M 8 K 16.1293 - juris Rn. 75), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
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3. Der Senat verkennt nicht, dass die in den Behördenakten abgehefteten fachlichen Ausführungen des Sachgebiets Technischer Umweltschutz des Landratsamts bei prognostizierten Beurteilungspegeln im Bereich von 54 - 55 dB(A) nahelegen, dass tagsüber (d.h. bis 22:00 Uhr) ein Betrieb aller drei zur Bewirtschaftung vorgesehenen Freiflächenbereiche (auch bei beschränkter Nutzung eines Teils des Innengasthofbereichs) bei entsprechender Anwendung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint. Dennoch hat der Senat davon abgesehen, in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. September 2019 den Eilantrag der Antragsteller nunmehr mit der Maßgabe abzulehnen, dass der Bewirtschaftungsbetrieb der drei Biergartenbereiche nach Maßgabe bestimmter gerichtlicher Auflagen zum Lärmschutz durchzuführen sei (zu dieser umstrittenen Möglichkeit des Gerichts vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2015, § 80 Rn. 112 m.w.N.). Zum einen bleibt es dem Beigeladenen unbenommen, seinen Gaststättenbetrieb unter Einschluss von zwei Biergartenbereichen auf der Grundlage der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 4. Februar 2014 in der Fassung des Bescheids vom 26. Januar 2015 auszuführen. Zum andern liegt es in der Verantwortung des Beigeladenen als Bauherrn, über eine Betriebsbeschreibung (§ 3 Nr. 3, § 9 BauVorlV) ein genehmigungsfähiges Gesamtkonzept zu erarbeiten. Dem Beigeladenen verbleiben in der gegenwärtigen kalten Jahreszeit außerhalb der Biergartensaison bis zum Frühjahr noch einige Wochen, um ein neues Betriebskonzept mit den drei nunmehr eingeplanten Wirtsgartenbereichen, das außerhalb des Anwendungsbereichs der BiergV mit den allgemeinen Anforderungen vereinbar ist, zu erarbeiten und dieses - ggf. unter Vorlage eines mit dem Betriebskonzept abgestimmten Lärmschutzgutachtens - zur erneuten Genehmigung zu stellen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass der Senat die Schlüssigkeit der Aussagen des Umweltingenieurs des Landratsamt zum bisherigen Konzept allein nach Aktenlage nicht zu beurteilen vermag, weil in den vorliegenden fachlichen Stellungnahmen wesentliche Ausgangsparameter und Berechnungsschritte nicht wie in einem typischen Lärmschutzgutachten hinreichend detailliert und für den technischen Laien nachvollziehbar aufbereitet worden sind. Insofern wäre auch zu hinterfragen, ob für die Lärmprognose - und zwar sowohl hinsichtlich des zusätzlichen Straßenverkehrs am Maßstab der 16. BImSchV als auch hinsichtlich der Beurteilung des anlagenbezogenen Zu- und Abfahrtsverkehrs (am Maßstab von Nr. 7.4 Abs. 1 letzter Satz, Abs. 2 - 4 TA Lärm vgl. BVerwG, B.v. 8.1.2013 - ZfBR 2013, 265 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 23.11.2016 - 15 CS 16.1688 - juris Rn. 29; B.v. 26.3.2018 - 12 BV 17.1765 u.a. - juris Rn. 196 ff.; OVG NRW, U.v. 9.3.2012 - 2 A 1626/10 - BauR 2012, 847 = juris Rn. 89 ff.; U.v. 5.7.2017 - 7 A 2432/15 - BauR 2017, 1661 = juris Rn. 85 ff.; vor Geltung der heutigen Nr. 7.4 der TA Lärm vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 - 4 C 5.98 - NVwZ 1999, 523 = juris Rn. 29;) - mehr als die 15 auf dem Baugrundstück vorhandenen Kfz-Stellplätze berücksichtigt werden müssen. Hierfür könnten die von den Antragstellern vorgelegten Lichtbilder zur Parksituation im öffentlichen Straßenraum sowie der Umstand sprechen, dass insgesamt 15 Kfz-Stellplätze vertraglich mit der Standortgemeinde abgelöst worden sind, mithin 15 „ordentliche“ Kfz-Stellplätze vor Ort ggf. fehlen (zumal bei einem Ablösebetrag von 0,- Euro eine kompensierende Schaffung von ordentlichen Parkmöglichkeiten im öffentlichen Straßenraum durch die Gemeinde wohl nicht zu erwarten ist).
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und folgt der Streitwertfestsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).