Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 26.02.2019 – 1 AR 13/19
Titel:

Zuständigkeitsbestimmung

Normenketten:
EGZPO § 9
FamFG § 112, § 113 Abs. 1 S. 2
ZPO § 36 Abs. 2, § 59, § 60
Leitsätze:
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für Zuständigkeitsbestimmungen gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 9 EGZPO auch in Familienstreitsachen gemäß § 112 FamFG zuständig.
2. Geschwister können vom Sozialhilfeträger wegen auf diesen übergegangenen Ansprüchen auf Elternunterhalt als Streitgenossen gemäß §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
Schlagworte:
Bestimmungsverfahren, Auskunft, eidesstattliche Versicherung, Elternunterhalt, Unterhaltsanspruch, Kinder, Streitgenossenschaft, Zuständigkeitsbestimmung
Fundstelle:
BeckRS 2019, 3095

Tenor

Für den vom Antragsteller gestellten Antrag gegen die beiden Antragsgegner wird das Amtsgericht M. als örtlich zuständig bestimmt.

Gründe

I.
1
Unter dem Datum 22. November 2018 reichte der Antragsteller beim Amtsgericht M. - Familiengericht - einen gegen die beiden Antragsgegner gerichteten Antrag ein, der auf die Erteilung von Auskünften, Vorlage von Belegen, erforderlichenfalls die eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte und Zahlung von sich aus den so erlangten Informationen ergebenden Unterhaltsbeiträgen gerichtet war. Hintergrund ist, dass der Antragsteller seinem Vortrag zufolge für den Vater der Antragsgegner als überörtlicher Sozialhilfeträger Leistungen erbringt und der Unterhaltsanspruch des Vaters gegen seine leiblichen Kinder nebst den diesen Anspruch stützenden Hilfsansprüchen auf Auskunft etc. auf den Antragssteller übergegangen sein soll. Da die beiden Antragsgegner in unterschiedlichen Gerichtsbezirken wohnen - die Antragsgegnerin zu 1) in im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts M. gelegenen O., der Antragsgegner zu 2) in im Gerichtsbezirk des Amtsgerichts W. gelegenen I. - wurde zugleich beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO i. V. m. § 113 Abs. 1 FamFG, § 112 FamFG das zuständige Gericht zu bestimmen, wobei angeregt wurde, das Amtsgericht M. als gemeinsamen Gerichtsstand zu bestimmen.
2
Nachdem das Amtsgericht M. die Akten zunächst dem Oberlandesgericht München zuleitete, gab dieses unter Verweis auf die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts das Verfahren an dieses ab. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2019 beantragte der Antragsteller daraufhin, das Bayerische Oberste Landesgericht solle über den Bestimmungsantrag entscheiden. Die Antragsgegner hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
3
1) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO und § 113 Abs. 1 FamFG, § 112 FamFG für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht, weil das zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörende Amtsgericht M. bereits mit dem Antrag in der Hauptsache befasst wurde. (Schultzky in Zöller, ZPO, 2018, § 36 Rn. 27) und die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Stuttgart) haben. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Familienstreitsache im Sinne von § 112 Nr. 1 FamFG, auf die gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Bestimmungen der Zivilprozessordnung für die Verfahren vor den Landgerichten Anwendung findet. Zu diesen zählen auch die §§ 36 und 37 ZPO. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand ergibt sich aus dem Sachvortrag des Antragstellers nicht.
4
2) Die Antragsgegner sollen als Streitgenossen in Anspruch genommen werden. Als Geschwister haften sie für den Unterhaltsanspruch ihres Vaters anteilig nach ihrer Leistungsfähigkeit (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 77. Auflage, 2018, § 1601 Rn. 5), freilich nicht gesamtschuldnerisch (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, § 1606 Rn. 5). Letzteres ist aber nicht Voraussetzung für die Annahme einer Streitgenossenschaft im Sinne von §§ 59, 60 ZPO. Die weit auszulegenden (vgl. Althammer in Zöller, ZPO, § 60 Rn. 4) Voraussetzungen des § 60 ZPO sind schon dann gegeben, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand des Rechtsstreits bilden, gleichartig sind und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen. Die verfahrensgegenständlichen Ansprüche sind gleichartig. Von einem gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund ist schon dann auszugehen, wenn ein präjudizielles Rechtsverhältnis identisch ist. Im vorliegenden Fall sind zwar die zu klärenden Fragen der Leistungsfähigkeit der Antragsgegner jeweils unterschiedlich. Die für die Bemessung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs ebenfalls zu prüfenden Fragen der Bedürftigkeit in der Person des Vaters der Antragsgegner sind aber identisch. Deshalb ist die streitgenössische Inanspruchnahme beider Antragsgegner auf Elternunterhalt in einem Rechtsstreit zulässig, ohne hierfür die Frage klären zu müssen, inwieweit sich hier die fehlende Leistungsfähigkeit eines der Antragsgegner auf die Höhe der Inanspruchnahme des andern auswirken kann (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015, XII ZB 56/14, BGHZ 206, 177 ff.). Der Umstand, dass primär vom Antragsteller nicht Zahlung begehrt wird, sondern die Ansprüche nach Maßgabe des § 254 ZPO im Wege einer Stufenklage geltend gemacht werden, spielt hierbei keine Rolle, denn die Ansprüche auf Auskunft, Vorlage von Unterlagen und gegebenenfalls die Abgabe eidesstattlicher Versicherungen stellen lediglich Hilfsmittel zur konkreten Bezeichnung des durchzusetzenden Anspruchs dar (Greger in Zöller, § 254 ZPO Rn. 4).
5
3) Als für das Verfahren zuständiges Gericht wird das Amtsgericht M. bestimmt.
6
Die Auswahl des nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu bestimmenden Gerichts hat nach Zweckmäßigkeits- und Prozesswirtschaftlichkeitsgesichtspunkten zu erfolgen (Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 29 m.w.N.). Als hierbei zu berücksichtigende Kriterien kommen die Bedeutung des Rechtsstreits für die einzelnen Streitgenossen, der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits und die Zumutbarkeit der Prozessführung für den Streitgenossen, dessen allgemeiner Gerichtsstand für die Bestimmung nicht maßgebend wird, in Betracht (Schultzky a. a. O.).
7
Die Bedeutung des Rechtsstreits ist für beide Antragsgegner identisch. Die Zumutbarkeit, den Rechtsstreit nicht in seinem allgemeinen Gerichtsstand führen zu können, ist ebenfalls identisch zu beurteilen. Im Hinblick darauf, dass der Vater der Antragsgegner in einem Seniorenzentrum in M. betreut wird und dort der anspruchsbegründende Bedarf entsteht, rechtfertigt der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits hier die Bestimmung des Amtsgerichts M. als zuständig.