Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.11.2019 – 1 NE 19.1502
Titel:

Erfolgloser Eilantrag eines Nachbarn gegen einen Bebauungsplan

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 6 Nr. 2, Abs. 7, § 2 Abs. 3
Leitsätze:
1. Zur Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren des Eigentümers eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zum Prüfungsmaßstab bei einer einstweiligen Anordnung im Normenkontrollverfahren. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur städtebaulichen Erforderlichkeit eines Bebauungsplanes (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zum Gebot der Erwägung bei der Aufstellung von Bebauungsplänen (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag eines Nachbarn, Antragsbefugnis bei räumlich begrenzter Änderungsplanung, Ermittlungsdefizit (verneint), Keine Überschreitung der Bagatellgrenze für Verkehrslärm, Verdichtung der Wohnbebauung, Gebot der Rücksichtnahme, einstweilige Anordnung, Normenkontrollantrag, Antragsbefugnis, Bebauungsplan, Planungserforderlichkeit, Abwägungsgebot, Immissionen, Verkehrslärm, Stellplatzsituation, unzumutbare Beeinträchtigungen, Rücksichtnehmegebot
Fundstelle:
BeckRS 2019, 30463

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die 29. Änderung des Bebauungsplans “ ...“, den die Antragsgegnerin am 6. November 2018 beschlossen und am 14. November 2018 bekanntgemacht hat (im Folgenden: Bebauungsplan). Der Bebauungsplan setzt für einen Bereich von ca. 6.152 m² ein Allgemeines Wohngebiet fest. In vier zum Teil verbundenen Bauräumen sind Wohnbaukörper mit bis zu drei Vollgeschossen vorgesehen, in denen maximal 39 Wohneinheiten zulässig sind. Für die nach der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin erforderlichen Stellplätze ist eine Tiefgarage geplant, darüber hinaus eine Fläche für acht oberirdische Besucherstellplätze. Die Erschließung des Bereichs erfolgt über eine Zufahrt zur R...straße im Osten des Baugebiets. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans ersetzt dieser in seinem Geltungsbereich alle bisher hierfür geltenden Fassungen des Bebauungsplans „...“. Dieser hatte für den Änderungsbereich seit 1972 in einem allgemeinen Wohngebiet sieben kleinere Hauptbaukörper mit der Geschossigkeit E + 1 festgesetzt.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks R...straße … (im Folgenden: Nachbargrundstück), das außerhalb des Geltungsbereich des streitgegenständlichen Bebauungsplans, aber innerhalb des Bebauungsplans „...“ liegt und nördlich an das Plangebiet angrenzt. Es ist mit einem Wohnhaus bebaut und liegt wegen der Hängigkeit des Geländes höher als das Plangebiet.
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Am 14. Juni 2019 stellte der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan (1 N 19.1185). Mit Schriftsatz vom 4. August 2019 beantragte er,
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die 29. Änderung des Bebauungsplans „...“ bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
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Eine Entscheidung sei zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten. Die Investorin habe die Unterlagen im Genehmigungsfreistellungsverfahren eingereicht, es müsse mit einem Baubeginn gerechnet werden. Die geplante Bebauung füge sich nicht in die vorhandene Wohnbebauung ein und sei gegenüber dem Antragsteller rücksichtlos. Die Umgebung sei durch einzelne, niedrig gehaltene Wohnhäuser geprägt, während mit dem Bebauungsplan eine massive Nachverdichtung durch eine höhere Zahl von Wohneinheiten auf geringer Fläche erfolge. Einzelne bereits im Plangebiet vorhandene Mehrfamilienhäuser befänden sich nicht in der unmittelbaren Umgebung, weshalb die geplante Bebauung den vorhandenen Rahmen sprenge. Die geplanten Baukörper seien überdimensional und wiesen talseitig riesige Wandhöhen auf. Der Antragsteller werde durch die massive Bebauung im Hauptblickfeld belastet. Die Erschließung der geplanten Bebauung sei nicht gesichert. Die bereits jetzt enge und belastete R...straße sei für den von 39 Wohneinheiten ausgelösten Verkehr nicht ausreichend. Es sei zu erwarten, dass die vorgesehenen Stellplätze nicht ausreichten und die auf der Straße parkenden Fahrzeuge die Zugänglichkeit für Rettungsfahrzeuge und Feuerwehr behindern würden. Die Antragsgegnerin habe es versäumt, die Auswirkungen der Planung mit einer Verkehrsuntersuchung zu prüfen. Auch die Folgen einer geplanten Bebauung mit einer Wohnanlage südlich des Plangebiets und eines Wohnheims für Behinderte seien nicht berücksichtigt worden. Die Bauleitplanung sei nicht erforderlich. Es handle sich um eine unzulässige Einzelfallplanung, die ausschließlich dem privaten Interesse des Investors diene. Es fehle eine schlüssige Gesamtkonzeption der Antragsgegnerin. Im für den Antragsteller geltenden Planbereich sei weiterhin nur eine Wandhöhe von 6,50 m zulässig, während im streitgegenständlichen Bebauungsplan Wandhöhen bis zu 9,50 m zugelassen würden. Die Lärmsituation sei nicht untersucht worden, es bestehe das Risiko eines deutlichen Zuwachses an Lärmimmissionen wegen des zusätzlichen Kraftfahrzeugverkehrs. Die Auswirkungen der massiven Abgrabungen auf die Hangstabilität seien nicht durch Bodengutachten geklärt. Gegebenenfalls würden Spezialtiefbaumaßnahmen notwendig und das Vorhaben sei aufgrund technischer Belange eventuell gar nicht zu verwirklichen.
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Die Antragsgegnerin beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsteller sei nicht antragsbefugt. Es fehle eine substantiierte Darlegung, dass er trotz der Lage seines Grundstücks außerhalb des Planbereichs durch den Bebauungsplan möglicherweise in einer konkreten Rechtsposition verletzt sein könne. Durch die Planung werde die Nutzungsart nicht verändert. Es handle sich um eine reine Wohnbebauung, die zum Grundstück des Antragstellers einen Abstand von über 15 m (Gebäude C) und 24 m (Gebäude D) einhalte. Die zugelassene Bebauung habe keine unzumutbare abriegelnde oder erdrückende Wirkung. Soweit er eine nicht ausreichende Erschließung rüge, sei eine Betroffenheit des Antragstellers nicht gegeben. Die R...straße sei von ausreichender Breite, um den Verkehr aus dem Bebauungsplan aufzunehmen. Die Planung entspreche dem Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit, da nur hinsichtlich des bisher unbebauten Grundstücks planerischer Handlungsbedarf bestanden habe und eine Nachverdichtung aufgrund der hohen Nachfrage von Wohnraum gewünscht sei. Ein Planungsbedürfnis für eine Nachverdichtung bestehe für die umliegenden, bereits mit Einzelhäusern bebauten Grundstücke nicht. Abwägungsmängel lägen nicht vor. Die Nachbarbelange seien bei der Verdichtung berücksichtigt worden. Die Verdichtung im Inneren des Baugebiets ermögliche größere Abstände der Gebäude zur vorhandenen Bebauung. Zu Lasten der höher gelegenen Bebauung an der R...straße trete keine unzumutbare Verschlechterung ein. Die Antragsgegnerin habe die planbedingte Zunahme des Verkehrs erkannt und abgewogen. Den Aufstellungsunterlagen sei zu entnehmen, dass bereits geplant gewesen sei, den Anschluss der R...straße an die südlich gelegene B … auszubauen, um die Ausfahrt aus dem Baugebiet zu verbessern. Mittlerweile sei hierfür der Grunderwerb erfolgt und ein Erschließungsvertrag geschlossen worden. Der durch die Intensivierung der Wohnnutzung hervorgerufene Verkehr sei nach § 12 BauNVO hinzunehmen. Parksuchverkehr werde durch die Tiefgarage mit ausreichenden Stellplätzen vermieden; die Tiefgaragenausfahrt sei straßennah festgesetzt worden.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Normaufstellungsakten und die Gerichtsakten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des Hauptsacheverfahrens verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist dann antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot allerdings nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss ein Antragsteller, der in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41; B.v. 10.2.2016 - 4 BN 37.15 - ZfBR 2016, 376). Bei einer Änderung des Bebauungsplans ist auch das Interesse des Antragstellers an der unveränderten Beibehaltung des bisher geltenden Bebauungsplans zu berücksichtigen. In diesem Fall kann auch jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestand des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung abwägungsrelevant sein (vgl. BVerwG, B.v. 18.10.2006 - 4 BN 20.06 - BauR 2007, 331). Eine Antragsbefugnis besteht dann, wenn sich aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt, dass dieses Interesse möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurde (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2009 - 1 N 09.1654 - juris Rn. 24).
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Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben ergibt sich eine Antragsbefugnis aus dem Vortrag des Antragstellers, dass er sich als Planbetroffener des Bebauungsplans „...“ gegen die durch die streitgegenständliche Änderungssatzung eintretende Nachverdichtung wendet. Die bisher für den Planbereich geltenden Festsetzungen führen zu einer tatsächlichen Begünstigung des Antragstellers, da insbesondere die Anordnung der Baukörper und deren Größe eine geringere optische Wirkung auf das Nachbargrundstück ausüben als die geplante Bebauung. Gleiches gilt für das im Vergleich zum bestehenden Bebauungsplan mit der Erhöhung der Zahl der Wohneinheiten einhergehende Störpotential durch Immissionen. Die Änderungen der bisherigen Planung, die objektiv nicht geringfügig sind und sich auf das Grundstück des Antragstellers auswirken können, gehören zum notwendigen Abwägungsmaterial (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2011 - 4 BN 22.11 - BauR 2012, 76). Soweit sich der Antragsteller auf eine abwägungsfehlerhafte Behandlung dieses Interesses beruft, macht er eine mögliche Rechtsverletzung hinreichend geltend.
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2. Der Antrag ist abzulehnen, weil der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
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Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften hat, ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, B.v. 5.7.1995 - 1 BvR 2226/94 - BVerfGE 93, 181; BayVGH, B.v. 3.1.2013 - 1 NE 12.2151 - BayVBl 2013, 406). Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung spricht hier viel dafür, dass der Normenkontrollantrag im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht erfolgreich sein wird. Durchgreifende inhaltliche Fehler des streitgegenständlichen Bebauungsplans lassen sich nicht feststellen.
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2.1 Dem Bebauungsplan mangelt es nicht an der Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind u.a. Pläne, die einer positiven städtebaulichen Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist auch verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung ist demgegenüber das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.2015 - 4 CN 8.14 - BVerwGE 153, 16; U.v. 5.5.2015 - 4 CN 4.14 - NVwZ 2015, 1537). Eine Planung, die durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen ist, darf auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2009 - 4 BN 13.09 - BauR 2010, 569). Die Grenzen der unzulässigen Gefälligkeitsplanung sind erst dann überschritten, wenn die Planung ausschließlich den Zweck hat, private Interessen zu befriedigen (vgl. BayVerfGH, E.v. 18.2.2016 - Vf.5-VII-14 - BayVBl 2017, 153).
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Nach diesen Maßgaben liegt ein Verstoß gegen das Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit der Bauleitplanung nicht vor. Bei der Planung handelt es nicht um eine bloße Gefälligkeitsplanung. Allein der Umstand, dass das Grundstück eines einzelnen Eigentümers beplant wird und dort neues Baurecht geschaffen wird, schließt die städtebauliche Erforderlichkeit nicht aus. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans dient die Planung der Nachverdichtung und Nutzung innerörtlicher Flächenressourcen (vgl. Begründung des Bebauungsplans Nr. 3.2), zielt somit auf die Verwirklichung der in § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB und § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Belange und ist daher durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Wohnbedarf durch einen einzelnen Gewerbebetrieb, wie den in der Antragserwiderung genannten Polstermöbelhersteller ausgelöst wird. Ausdrücklich hat die Antragsgegnerin zunächst auf die Befriedigung der allgemeinen Nachfrage nach Wohnungen im Großraum München verwiesen. Diese Zielsetzung wird aus der Begründung des Bebauungsplans deutlich, die darauf verweist, dass die Wohnsiedlungsentwicklung nach den Vorgaben der Regionalplanung die Deckung des Bedarfs der Bevölkerung und eine nicht unverhältnismäßige Bevölkerungszuwanderung umfassen soll (vgl. Begründung Nr. 2.2).
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Die Planung ist auch keine rein punktuelle Änderung, die die Gesamtkonzeption des Bebauungsplans „...“ in Frage stellt. Das Plangebiet setzt sich als einheitlich unbebaute Fläche von der umgebenden Bebauung ab. Es hat sich dort keine Wohnbebauung entwickelt, sondern das Gelände wurde bereits vor einer Bauleitplanung der Antragsgegnerin als Gärtnerei genutzt und diese Nutzung wurde erst vor wenigen Jahren aufgegeben. Angesichts dieser Gegebenheiten hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf verwiesen, dass für den Bereich ein Planungsbedürfnis bestand, das nicht in gleicher Weise für den bereits bebauten Umgebungsbereich feststellbar ist. Die Gemeinde kann sich im Rahmen ihres Planungsermessens auf denjenigen Bereich beschränken, in dem ein planerischer Handlungsbedarf besteht (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 - 4 BN 36.13 - BauR 2014, 57; BayVGH, U.v. 7.3.2018 - 1 N 15.625 - BayVBl 2018, 853). Soweit der Antragsteller auf das Urteil des Senats vom 26. April 2017 (1 N 14.2107 - juris) verweist, ist die dieser Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung (Planänderung für ein einzelnes Doppelhaus) mit der vorliegenden Planungssituation nicht vergleichbar.
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Weiter ist die Bauleitplanung nicht auf ein tatsächlich unmögliches Ziel gerichtet. Der Antragsteller trägt hier vor, dass das Planungskonzept aufgrund technischer Belange eventuell nicht zu verwirklichen sei. Anhaltspunkte dafür, dass die Planung wegen der Hangneigung bautechnisch nicht realisierbar sein könnte, bestehen jedoch angesichts der Abstandsverhältnisse und der bautechnischen Möglichkeiten nicht.
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2.2 Abwägungsfehler nach § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB sind im Rahmen der summarischen Prüfung nicht erkennbar. Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das setzt eine zutreffende Ermittlung und Bewertung der für die Abwägung erheblichen Belange voraus (§ 2 Abs. 3 BauGB). Von der Planung berührte schutzwürdige Eigentümerinteressen und die mit den Festsetzungen verfolgten Belange müssen im Rahmen der Abwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 - 1 BvR 1402/01 - NVwZ 2003, 727). Dabei muss das der Planung zugrundeliegende Konzept im Bebauungsplan möglichst widerspruchsfrei umgesetzt werden. Mängel bei der Ermittlung, der Bewertung oder der Gewichtung der abwägungserheblichen Belange sind beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB).
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Ein beachtliches Ermittlungs- und Bewertungsdefizit gemäß § 2 Abs. 3 BauGB hinsichtlich der wegen der Hanglage vermuteten Schwierigkeiten bei der Bauausführung ist nicht zu erkennen. Probleme, die sich aus der Realisierung eines Bebauungsplans durch Bauarbeiten ergeben, müssen schon wegen ihrer zeitlichen Begrenzung regelmäßig nicht im Bebauungsplan selbst gelöst werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.2016 - 4 BN 36.15 - juris Rn. 20).
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2.3 Die Antragsgegnerin musste zur Beurteilung des durch die Planung ausgelösten Verkehrsaufkommens und der daraus resultierenden Immissionen kein Gutachten einholen. Eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms gehört grundsätzlich zum Abwägungsmaterial. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden. Wann das der Fall ist, ist unter Einbeziehung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.2015 - 4 BN 12.15 - juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 24.5.2007 - 4 BN 16.07 u.a.- BauR 2007, 2041). Die planende Gemeinde muss nicht stets umfangreiche gutachterliche Ermittlungen anstellen, um die konkrete Größenordnung der planbedingten Lärmauswirkungen exakt zu bestimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon eine grobe Abschätzung eindeutig erkennen lässt, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausscheiden (vgl. BayVGH, U.v. 27.4.2016 - 9 N 13.1408 - juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung die Verkehrszunahme aus der Errichtung von 20 bis 30 Einzel- oder Doppelwohnhäusern bei Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse als geringfügig angesehen (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 - 4 CN 1.98 - BauR 2000, 848). In der Regel wird die Bagatellgrenze nicht überschritten sein, wenn mit der Planung nicht mehr als 200 zusätzliche Fahrzeugbewegungen pro Tag zu erwarten sein werden (vgl. BayVGH, U.v. 16.5.2017 - 15 N 15.1485 - BayVBl 2018, 307, mit Verweis auf die Rechtsprechung des HessVGH). Die hier höchstens hinzukommenden 39 Wohneinheiten ergäben bei als Erfahrungswert ansetzbaren 3,75 Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheit insgesamt 146 Fahrzeugbewegungen pro Tag. Wenn man diesen Wert im Hinblick auf die allgemeine Zunahme des motorisierten Fahrverkehrs großzügig auf 5 Fahrzeugbewegungen pro Tag für eine Wohneinheit erhöhen würde, ergäben sich maximal 195 Fahrzeugbewegungen pro Tag (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2012 - 4 BN 35.17 - juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.5.2017 a.a.O.). Nachdem der durch die Planung ausgelöste Verkehr in der R...straße nicht nur Richtung Norden abgewickelt wird, sondern in gleicher Weise ein Verkehrsabfluss nach Süden Richtung G...-Straße erfolgen kann, wird sich die Zahl der zu erwartenden zusätzlichen Fahrzeugbewegungen in den angrenzenden Straßen durch die Aufteilung weiter reduzieren. Die Antragsgegnerin hat die Möglichkeit des Verkehrsabflusses nach Norden und Süden ausdrücklich in ihre Abwägung eingestellt und ausgeführt, dass der Verkehrsabfluss durch einen Anschluss der R...straße an die B … verbessert werden soll (vgl. Niederschrift über die Sitzung des Grundstücks- und Bauausschusses vom 6.11.2018).
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2.4 Abwägungsmängel sind auch hinsichtlich der mit der Bebauung verbundenen Folgen für die Stellplatzsituation in der R...straße nicht feststellbar. Nach Nr. 0.3 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind die nach der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin notwendigen Stellplätze sowie 8 Besucherstellplätze nachzuweisen. Die Satzung über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen und deren Ablösung (Stellplatz- und Garagensatzung) der Antragsgegnerin sieht bei Wohnungen über 55 m² in Mehrfamilienhäusern zwei Stellplätze pro Wohnung vor. Damit geht sie deutlich über die Anforderung der Garagen- und Stellplatzverordnung hinaus, sodass nicht angenommen werden kann, dass die Stellplatzzahl für den durch die Bebauung ausgelösten Stellplatzbedarf nicht ausreichend ist. Die Behauptung, Versorgungsfahrzeuge würden künftig nicht mehr durchkommen, ist angesichts der bestehenden Erschließungsfunktion der Straße, den zahlreichen bereits jetzt anliegenden Wohngebäuden und des vorstehend dargestellten Umfangs des hinzukommenden Verkehrs nicht nachvollziehbar. Soweit der Antragsteller vorträgt, es sei weiterer Verkehr durch ein Wohnheim für Behinderte am Gegenhang zur E... Straße und eine Wohnbebauung im Bereich der G...Straße zu erwarten, ist die durch diese Bebauung ausgelöste Verkehrsproblematik in den diesbezüglichen Bebauungsplanverfahren zu bewältigen. Nachdem die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung im streitgegenständlichen Bauleitplanverfahren eine Verbesserung des Anschlusses an die E... Straße vorsieht, hat sie die verkehrliche Situation in diesem Bereich in den Blick genommen und Lösungswege vorgesehen.
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2.5 Auch die Kritik des Antragstellers an der geplanten Dichte der Bebauung und der Baukörpergröße zeigt keinen Abwägungsfehler auf. Mit der Schaffung zusätzlichen Wohnraums verfolgt die Antragsgegnerin einen nach § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB besonders zu berücksichtigenden Belang der Bauleitplanung. Sie hat dabei das Interesse der Nachbarschaft an der Beibehaltung der unmittelbar angrenzenden Bebauungsstruktur berücksichtigt und angesichts des Vorrangs der Innenentwicklung und bereits im Plangebiet bestehender Mehrfamilienhäuser die Verdichtung der Bebauung als vorzugswürdig erachtet (vgl. Niederschrift über die Sitzung des Grundstücks- und Bauausschusses vom 6.11.2018). Das Abwägungsgebot wird nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde wie hier in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entschieden hat. Sie ist grundsätzlich rechtlich ungebunden, sich im Rahmen der Abwägung für die Vorzugswürdigkeit eines bestimmten Belangs unter Hintansetzung eines anderen Belangs zu entscheiden (vgl. BVerwG, B.v. 15.10.2002 - 4 BN 51.02 - BauR 2004, 641). Es kommt angesichts dieses Abwägungssspielraums nicht darauf an, dass die bestehenden Mehrfamilienhäuser im Bereich des Bebauungsplans „...“ nach Auffassung des Antragstellers nicht in gleicher Weise als nachverdichteter Bereich anzusehen sind oder nicht mehr der Umgebung des Planbereichs zuzurechnen sind. Ein Gebot, dass die planende Gemeinde das nachbarliche Umfeld hinsichtlich des Nutzungsmaßes, der Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksflächen ebenso gestaltet wie die vorhandene Bebauung, gibt es nicht (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 - 15 NE 19.551 u.a - juris Rn. 39). Sie ist im Rahmen der Bauleitplanung nicht gezwungen nur eine solche Bebauung zuzulassen, die sich nach dem Maß der Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügen würde, sondern kann das Maß der Nutzung für einzelne Grundstücke unterschiedlich festsetzen (vgl. BVerwG, B.v. 24.11.2010 - 4 BN 40.10 - juris Rn. 4).
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2.6 Im Rahmen der Abwägung ist kein allgemeines bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot zu prüfen, sondern zu berücksichtigten, dass unzumutbare Beeinträchtigungen benachbarter Grundstücke vermieden werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215). Es ist nicht ersichtlich, dass es bei Umsetzung des Bebauungsplans zu einer unzumutbaren erdrückenden, abriegelnden oder einmauernden Wirkung zu Lasten der bestehenden Wohngebäude kommen könnte. Eine erdrückende Wirkung in Folge des Nutzungsmaßes eines Bauvorhabens kann nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - DVBl. 1981, 928: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - DVBl. 1986, 1271 : grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück). Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes besteht grundsätzlich dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes oder wenn die Gebäude so weit voneinander entfernt liegen, dass eine solche Wirkung ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2018 - 1 NE 18.1123 - juris Rn. 24; B.v. 8.2.2017 - 15 NE 16.2226 - juris Rn. 22). Angesichts dieser Maßgaben liegt eine abriegelnde oder gar erdrückende Wirkung des zugelassenen Baukörpers in Bezug auf die nördlich angrenzenden Anwesen fern. Aus den in den Bebauungsplan aufgenommenen Schnitten ergibt sich, dass diese Nachbaranwesen, mit Ausnahme des Gebäudes auf FlNr. …, die geplante Bebauung aufgrund der Hanglage deutlich überragen. Angesichts eines Abstandes der geplanten Gebäude zwischen 15 m bzw. 24 m zur Grundstücksgrenze ist die geplante dreigeschossige Bebauung weit davon entfernt, eine unzumutbare, bedrängende Wirkung auf diese Anwesen auszuüben. Nachdem gegenüber den südlich angrenzenden Grundstücken ebenfalls ein Abstand von mehr als 1 H eingehalten wird, fehlt weiter für diesen Bereich auch bei Berücksichtigung von Wandhöhen bis zu 9,50 m schon der Ansatz für die Annahme einer erdrückenden Wirkung. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Länge des geplanten Baukörpers, zumal die südlich liegenden Anwesen ausweislich ihrer Situierung auf dem Grundstück nach Süden orientiert sind. Soweit die geplante Bebauung auf einer Länge von weniger als 10 m nur einen Abstand von 0,5 H gegenüber der Grundstücksgrenze von FlNr. … einhält, ist mit Rücksicht auf die Regelung des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO und den hier bestehenden Gebäudeversatz zum Nachbargebäude ebenfalls keine unzumutbare Wirkung des geplanten Baukörpers auf die Nachbarbebauung anzunehmen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).