Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.10.2019 – M 12 S 18.3900
Titel:

Geltendmachung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote gegen bestandskräftige Ausweisungsverfügung

Normenketten:
AsylG § 6 S. 1, § 42 S. 1, § 71
VwGO § 88, § 123 Abs. 1, § 153 Abs. 1, § 166
ZPO § 114, § 578, § 580 Nr. 8
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 13
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Auf die Vollstreckung von Verwaltungsakten sind die Bestimmungen der §§ 167 ff. VwGO und die des 8. Buchs der ZPO auch dann nicht anwendbar, wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil bestätigt wurde. Die Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Verwaltung richten sich nach den allgemeinen Vorschriften der VwGO (Rn. 20). (redaktioneller Leitsatz)
2. Es obliegt allein dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, mit Bindungswirkung gegenüber der Ausländerbehörde das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote festzustellen. Etwaige Änderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht sind daher ggf. in einem Asylfolgeantrag geltend zu machen (Rn. 25). (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO ist aufgrund des Wortlauts und des gesetzgeberischen Willens nur inter partes zugunsten desjenigen möglich, der selbst erfolgreich vor dem EGMR geklagt hat; die Feststellung einer Konventionsverletzung in einem Parallelverfahren ist nicht ausreichend (Rn. 36). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf einstweilige Anordnung, Aussetzung der Abschiebung (Duldung), Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesamts, Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens, Prozesskostenhilfe (abgelehnt), Ausweisung, Bindungswirkung, Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote, Asylfolgeantrag, effektiver Rechtsschutz, Prozesskostenhilfe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 10.12.2019 – 10 C 19.2221, 10 CE 19.2227
Fundstelle:
BeckRS 2019, 28956

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,-- EUR festgesetzt
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird für das Klageverfahren (M 12 K 18.1585) und das Eilverfahren (M 12 S 18.3900) abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der Vollstreckung einer Ausweisungsverfügung sowie Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und Eilverfahren.
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Der Antragsteller ist ein am … geborener pakistanischer Staatsbürger und Sunnit. Er stellte am 29. September 2003 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 17. November 2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes 1990 nicht vorliegen. Der Bescheid ist laut Abschlussmitteilung des Bundesamts vom 17. Januar 2004 seit dem 6. Dezember 2003 bestandskräftig. Der Antragsteller wurde in der Folge geduldet.
3
Am 7. Februar 2008 heiratete der Antragsteller eine deutsche Staatsbürgerin. Dem Antragsteller wurde daraufhin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - erteilt.
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Der Antragsteller trat strafrechtlich in Erscheinung. Ab dem 6. Dezember 2009 befand sich der Kläger, unterbrochen durch eine 35-tägige Ersatzfreiheitsstrafe, in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Landgerichts … vom … Juni 2010 (Az.: 5 Ks 402 Js …09), rechtskräftig seit 20. September 2010, wurde der Kläger wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag die Tötung seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau zugrunde. Der Antragsteller befindet sich aufgrund dieser Verurteilung seit dem 12. November 2010 in Strafhaft. Der Ablauf von zwei Drittel der Strafe war am 21. April 2018. Die Vollstreckung wurde nach § 454b Strafprozessordnung zugunsten zweier weiterer Freiheitstrafen unterbrochen und am 12. November 2018 fortgesetzt. Die Strafzeit endet am 11. November 2022.
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Im Rahmen seiner Anhörung zur beabsichtigten Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland führte der Antragsteller mit Schreiben vom … Oktober 2010 im Wesentlichen aus, er habe große Bedenken hinsichtlich der Rückkehr nach Pakistan, weil er sich im Rahmen des Asylantrags gegen die pakistanische Regierung ausgesprochen habe. Bei der Beantragung eines Passes im Jahr 2007 sei er von einem Mitarbeiter der pakistanischen Botschaft gewarnt worden, dass ihm bei einer Rückkehr nach Pakistan wegen dieser Aussagen eine üble bis tödliche Strafe erwarte. Zudem sehe seine Familie in der Heirat seiner katholischen Ehefrau einen Abfall vom islamischen Glauben und einen Verrat an der Tradition. Mit Schreiben vom … Mai und … Oktober 2012 führte der Antragsteller nochmals aus, ihm drohe im Falle der Abschiebung nach Pakistan der Tod, da er aufgrund seiner Hochzeit mit einer deutschen Frau den Glauben gewechselt habe. Er stelle einen Antrag auf politisches Asyl und bitte darum, nicht nach Pakistan abgeschoben zu werden.
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Mit Bescheid vom 10. Dezember 2016 wurde der Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1), die Wirkungen der Ausweisung auf 10 Jahre befristet (Ziffer 2) und die Abschiebung aus der Haft heraus nach Pakistan angeordnet (Ziffer 3) bzw. für den Fall der Unmöglichkeit der Abschiebung aus der Haft heraus unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise von sieben Tagen die Abschiebung nach Pakistan angedroht (Ziffer 4). Hinsichtlich etwaiger Abschiebungshindernisse in Bezug auf Pakistan nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde ausgeführt, dass insofern die im Bescheid vom 17. November 2003 getroffene Feststellung des Bundesamts nach § 42 Satz 1 des Asylgesetzes - AsylG - bindend sei. Die Prüfung, ob Abschiebungshindernisse in Bezug auf Pakistan vorliegen, obliege dem Bundesamt. Der Antragsteller sei darauf zu verweisen, beim Bundesamt einen Folgeantrag zu stellen. Es bestehe im Fall des Folgeantrages keine Verpflichtung der Ausländerbehörde, das geäußerte Asylgesuch an das Bundesamt weiterzuleiten.
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Die gegen den Bescheid gerichtete Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. Oktober 2017 abgewiesen (Az.: M 12 K 17.130). Auf die Entscheidungsgründe wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Zu den zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse führte das Verwaltungsgericht aus, der Beklagte sei insoweit nach §§ 6, 42 Satz 1 AsylG an die Entscheidung des Bundesamts im Bescheid vom 17. November 2003 gebunden. Vom Beklagten seien daher zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nicht zu prüfen gewesen. Dem Kläger verbleibe die Möglichkeit, einen Asylfolgeantrag zu stellen. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - BayVGH - vom 31. Januar 2018 (Az.: 10 ZB 17.2550) wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Der BayVGH führte aus, dass das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen sei, dass zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote durch den Beklagten wegen § 42 Satz 1 AsylG nicht zu prüfen waren. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München ist mit diesem Beschluss seit 2. Februar 2018 rechtskräftig geworden.
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Mit Schriftsatz vom ... April 2018, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, hat die Bevollmächtigte des Antragstellers Restitutionsklage gegen das rechtskräftige Urteil erhoben (Az.: M 12 K 18.1585). Gleichzeitig beantragte sie,
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dem Kläger für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter ihrer Beiordnung zu bewilligen.
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Mit Schriftsatz vom ... August 2018, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, hat die Bevollmächtigte des Antragstellers beantragt,
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die Vollstreckung der verfahrensgegenständlichen Ausweisungsverfügung vom 15. Dezember 2016 (Az.: V/2 - …) auszusetzen.
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Mit Schriftsatz vom … August 2018, am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, beantragte die Bevollmächtigte des Antragstellers
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die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren unter ihrer Beiordnung.
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Sie führt im Wesentlichen aus, dem Antragsteller drohe in seinem Heimatstaat eine konkrete Lebensgefahr, die von den Taliban ausgehe. Entsprechend stehe Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - der Aufenthaltsbeendigung entgegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR - habe folglich eine Verletzung der EMRK festgestellt, auf der das Urteil beruhe. Es genüge, wenn die Kausalität der Verletzung der EMRK für das Urteil nicht ausgeschlossen werden könne. Die Rechtsprechung des EGMR sei allgemein auch außerhalb des Streitfalls zu beachten, die Restitutionsklage sei auch zulässig, wenn der Antragsteller nicht selbst ein einschlägiges Urteil des EGMR erstritten habe. Auch in Bezug auf bestandskräftige Entscheidungen des Bundesamts sei ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens möglich, dies sei vorliegend erfolgsversprechend, weil sich die Sachlage zu Gunsten des Antragstellers verändert habe. Wenn das Bundesamt eine dem Antragsteller günstige Entscheidung vor der gerichtlichen Entscheidung treffe, habe dies zur Folge, dass die ursprüngliche Feststellung nach § 42 AsylG ihre Wirkung verliere, wodurch die Klage im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zulässig und begründet werde. Daher sei das Gerichtsverfahren nach § 94 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - auszusetzen. Folglich habe im Verfahren M 12 K 17.130 eine Aussetzung erfolgen müssen, was nicht geschehen sei. Deswegen beruhe die Klageabweisung in diesem Verfahren auf einer Verletzung der EMRK, weil die einschlägige Rechtsprechung des EGMR außer Acht gelassen worden sei, ansonsten wäre das Gerichtsverfahren ausgesetzt worden, um die Entscheidung des Bundesamts abzuwarten. Daher sei die Restitutionsklage auch begründet, so dass die Aussetzung der Vollziehung nach § 707 Zivilprozessordnung - ZPO - bzw. nach den Grundsätzen des § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen sei. Hinsichtlich der Klagefrist führt sie aus, sie habe von der systematischen Verfolgung durch die Taliban erst durch den Antragsteller erfahren, dieser wisse dies von anderen Mithäftlingen. Da Strafgefangene selten für ihre Wahrheitsliebe bekannt seien, habe der Antragsteller bis dato keine auf gesicherter Grundlage beruhende Kenntnisse, so dass die Klagefrist nicht zu laufen begonnen habe.
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Der Beklagte hat die einschlägige Behördenakte vorgelegt und mit Schriftsatz vom 30. Juli 2018 im Klageverfahren beantragt, die Klage abzuweisen. Mit Schriftsatz vom 21. September 2018 hat er im Eilverfahren beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er führt im Wesentlichen aus, der Antrag könne keinen Erfolg haben, weil die zugrundeliegende Hauptsacheklage bereits offensichtlich unzulässig sei. Es sei weder ein zulässiger Restitutionsgrund behauptet noch die Klagefrist eingehalten worden. Es fehle wegen § 42 Satz 1 AsylG bereits am Beruhen des Urteils auf einer Verletzung der EMRK, selbst wenn für den Antragsteller ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bestehen sollte. Zudem verkenne die Bevollmächtigte des Antragstellers die Reichweite von § 153 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 Zivilprozessordnung - ZPO. Dieser sei nur gegeben, wenn der EGMR im konkreten Verfahren eine Konventionsverletzung festgestellt habe, woran es hier fehle. Soweit die Bevollmächtigte vorbringe, im Verfahren M 12 K 17.130 habe das Verfahren ausgesetzt werden müssen, um eine Entscheidung des Bundesamts abzuwarten, stehe dem die Bindungswirkung nach § 42 AsylG entgegen. Dadurch sei die Frage der zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote für das Verfahren in Bezug auf die Ausweisung nicht entscheidungserheblich und daher auch nicht vorgreiflich i.S.v. § 94 VwGO. Zudem sei die Klagefrist nach § 153 VwGO i.V.m. § 586 ZPO von einem Monat ab Kenntnis vom Restitutionsgrund und Rechtskraft des angegriffenen Urteils nicht gewahrt. Letztere sei am 2. Februar 2018 eingetreten, die Frist daher am 2. März 2018 abgelaufen. Die Bevollmächtigte des Antragstellers habe auch schon vor Rechtskraft des Urteils vorgetragen, dass der Antragsteller sich vom Islam abgewandt habe und ihm daher in Pakistan eine konkrete Lebensgefahr drohe. Dass sie erst am 27. März 2018 Kenntnis erlangt haben will, sei unglaubhaft.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (auch im Verfahren M 12 K 17.130) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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1. Der Eilantrag auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem Bescheid vom 15. Dezember 2016 hat keinen Erfolg.
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a) Das Gericht legt den Antrag des Antragstellers entsprechend seines Rechtsschutzbegehrens dahingehend aus (§ 88 VwGO), dass er die vorläufige Aussetzung der Abschiebung (Duldung) bis zur endgültigen Entscheidung über die in der Hauptsache erhobene Restitutionsklage nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 578 Abs. 1, 580 Nr. 8 ZPO im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt. Für dieses Auslegungsergebnis spricht entgegen der Antragsbegründung, die auf § 707 ZPO Bezug nimmt, dass sich der Antragsteller gegen den Vollzug des Bescheides vom 15. Dezember 2016 wendet und nicht gegen eine Vollstreckung aus dem mit der Restitutionsklage angegriffenen Urteil. Auf die Vollstreckung von Verwaltungsakten sind die Bestimmungen der §§ 167 ff. VwGO und die des 8. Buchs der ZPO auch dann nicht anwendbar, wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil bestätigt wurde. Die Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der Verwaltung richten sich nach den allgemeinen Vorschriften der VwGO (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 167 Rn. 14, 20; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 167 Rn. 1 jeweils m.w.N.).
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b) Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder wenn andere Gründe vorliegen. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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Der Antragsteller hat den für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil sich aus den vorgebrachten Gründen nicht mit der für die Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung besteht.
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Er hat nichts dahingehend vorgetragen, dass die Voraussetzungen für eine Abschiebung nach § 58 Abs. 1 AufenthG nicht vorlägen, sondern hat einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung aus zielstaatsbezogenen Gründen geltend gemacht, weil ihm in seinem Herkunftsland Pakistan Verfolgung und Tötung durch die Taliban drohe.
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Der Antragsgegner ist für die Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten im Fall eines (ehemaligen) Asylbewerbers nicht zuständig; es obliegt vielmehr allein dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit Bindungswirkung gegenüber der Ausländerbehörde (§§ 6 Satz 1, 42 Satz 1 AsylG) das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten festzustellen, §§ 5 Abs. 1, 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Etwaige Änderungen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht, die das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses begründen können, sind daher in einem Asylfolgeantrag gemäß § 71 AsylG geltend zu machen. Bis zu einer anderslautenden Entscheidung ist die Ausländerbehörde gemäß § 42 Satz 1 AsylG an die bestandskräftige frühere Entscheidung des Bundesamts gebunden (BVerwG, U.v. 27.6.2006 - 1 C 14/05 - NVwZ 2006, 1418, 1419; OVG Berlin, B.v. 10.2.1995 - 8 S 58.95 - BeckRS 1995, 12769). Eine eigene Prüfungskompetenz der Ausländerbehörde - gegebenenfalls unter Beteiligung des Bundesamts gem. § 72 Abs. 2 AufenthG - kommt vielmehr grundsätzlich nur bei Ausländern in Betracht, die zuvor kein Asylverfahren betrieben haben (BVerwG a.a.O.). Das Bundesamt hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. November 2003 festgestellt, dass keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote vorliegen. Dieser Bescheid ist in der Zwischenzeit nicht aufgehoben worden.
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Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, der eine ausnahmsweise bestehende Zuständigkeit der Ausländerbehörde begründen würde. Ein solcher könnte angenommen werden, wenn der Ausländer geltend macht, ihm drohe im Herkunftsland infolge einer allgemeinen Gefahrenlage eine extreme Gefahr für Leib und Leben, die in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach dieser Vorschrift führen müsste, das Bundesamt aber eine solche Feststellung wegen Bestehens eines vergleichbaren Schutzes durch einen Abschiebestopp-Erlass, eine sonstige Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung nicht treffen kann und darf (BVerwG a.a.O m.w.N). Eine solche Erlasslage besteht für Pakistan nicht, es ist auch keine allgemeine Gefahrenlage geltend gemacht worden, sondern vielmehr die individuelle Bedrohung des Antragstellers durch die Taliban.
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Ein solcher Ausnahmefall ist auch nicht aus Gründen effektiven Rechtsschutzes anzunehmen. Effektiver Rechtsschutz muss nicht zwangsläufig in einem einzelnen gerichtlichen Verfahren gewährt werden. Selbst wenn ein Rechtsbehelf für sich genommen nicht ausreichend ist, kann Art. 13 EMRK durch eine Kombination mehrerer Rechtsbehelfe Rechnung getragen sein; maßgeblich ist die Gesamtsituation (Meyer-Ladewig/Renger in: HK-EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 13 Rn. 9 m.w.N.). Auch Art. 19 Abs. 4 GG steht der Aufspaltung behördlicher Entscheidungsfindung mit Bindungswirkung nicht entgegen, wenn sie klar geregelt, für den Rechtsschutzsuchenden erkennbar und effektiver Rechtsschutz gegen die bindende Entscheidung gewährleistet ist (Sachs in: Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 19 Rn. 145). Dies ist hier der Fall. Es steht dem Antragsteller - worauf sowohl er als auch seine Bevollmächtigte mehrfach hingewiesen wurden - offen, beim Bundesamt ein Asylfolgeverfahren zu beantragen, um bestehende zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote feststellen zu lassen. Gegen eine ablehnende bzw. nicht rechtzeitig erfolgende Entscheidung des Bundesamts stehen dem Antragsteller die verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung, um auf eine bevorstehende Abschiebung nach Pakistan zu reagieren.
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c) Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog 2013.
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2. Da der Eilantrag nach dem Ausgeführten keinen Erfolg hat, war auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Eilverfahren abzulehnen.
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3. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren M 12 K 18.1585 war mangels hinreichender Erfolgsaussichten ebenfalls abzulehnen.
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Gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur um Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Prozesskostenhilfe ist zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolges.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist dabei der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (BayVGH, B.v. 10.4.2013 - 10 C 12.1757 - juris). Diese ist regelmäßig dann gegeben, sobald das Gesuch um Prozesskostenhilfe vollständig, einschließlich der Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, vorliegt.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt es der Klage zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Bewilligungsreife an den hinreichenden Erfolgsaussichten. Die Klage ist nach summarischer Prüfung jedenfalls unbegründet, da der allein vorgebrachte Restitutionsgrund des § 580 Nr. 8 ZPO nicht vorliegt.
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Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens kann gem. § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 578 Abs. 1 ZPO durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) und durch Restitutionsklage (§ 580 ZPO) erfolgen. Nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn der EGMR eine Verletzung der EMRK oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.
36
Die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens nach § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 8 ZPO ist nach überwiegender Auffassung in Rspr. und Literatur aufgrund des Wortlauts und des gesetzgeberischen Willens nur inter partes zugunsten desjenigen möglich, der selbst erfolgreich vor dem EGMR geklagt hat; der EGMR muss im konkreten Fall auf eine Individualbeschwerde des Restitutionsklägers hin eine Konventionsverletzung festgestellt haben. Die Feststellung einer Konventionsverletzung in einem Parallelverfahren genügt nicht (BVerwG, U.v. 22.10.2009 - 1 C 26/08 - BeckRS 2009, 40437 Rn. 17; Rudisile in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 36. Ergänzungslieferung Februar 2019, § 153 Rn. 27; W.-R. Schenke a.a.O, § 153 Rn. 8; Rennert in: Eyermann, § 153 Rn. 12a; zum wortlautgleichen § 359 Nr. 6 StPO: BVerfG, B.v. 13.2.2019 - 2 BvR 2136/17 - BeckRS 2019, 2483 Rn. 25 m.w.N.; Singelnstein in: BeckOK StPO, 34. Edition 1.7.2019, § 359 Nr. 41; Weiler in: Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl. 2017, § 359 StPO Rn. 21; a.A. etwa LG Ravensburg v. 4.9.00 - 1 Qs 169/00 - NStZ-RR 01, 115 f.).
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Dies ist hier nicht der Fall. In Bezug auf das rechtskräftig abgeschlossene Klageverfahren M 12 K 17.130 wurde durch den EGMR keine Konventionsverletzung festgestellt. Damit liegt der geltend gemachte Restitutionsgrund nicht vor.
38
Nach alledem war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für das Klageverfahren abzulehnen.