Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 07.10.2019 – W 8 S 19.50715
Titel:

Abschiebungsanordnung nach Rumänien

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 77 Abs. 2, § 80, § 83b
AsylG § 34a
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 Buchst. d
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Dublin-Verfahren, algerischer Staatsangehöriger, Abschiebungsanordnung nach Rumänien, keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Rumänien, keine zielstaats- oder inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse, Abschiebungsanordnung, Rumänien, systemische Mängel, Abschiebungshindernisse
Fundstelle:
BeckRS 2019, 23925

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist algerischer Staatsangehöriger. Er reiste am 20. August 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte ein Asylgesuch und stellte am 28. August 2019 einen förmlichen Asylantrag.
2
Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 9. September 2019 erklärten die rumänischen Behörden mit Schreiben vom 20. September 2019 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO.
3
Mit Bescheid vom 24. September 2019 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung nach Rumänien wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf neun Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
4
Am 2. Oktober 2019 erhob der Antragsteller zu Protokoll der Urkundsbeamtin im Verfahren W 8 K 19.50714 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid und beantragte im vorliegenden Verfahren:
5
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
6
Zur Antragsbegründung verwies der Antragsteller auf seine Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und brachte darüber hinaus weiter vor: Er wolle nicht nach Rumänien zurück, da er Angst davor habe, von dort direkt nach Algerien abgeschoben zu werden. In Rumänien habe er bereits eine negative Entscheidung im Asylverfahren erhalten. Unter keinen Umständen könne er zurück nach Algerien.
7
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 8 K 19.50714) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
8
Bei verständiger Würdigung des Vorbringens des Antragstellers ist der Antrag dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bundesamtsbescheides vom 24. September 2019 begehrt.
9
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO - betreffend die Abschiebungsanordnung unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids - ist zulässig, aber unbegründet.
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Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 24. September 2019 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung in Nr. 3 rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.
12
Rumänien ist gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin III-VO für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig (vgl. § 34a, § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG). Die rumänischen Behörden haben ausdrücklich ihre dahingehende Zuständigkeit bejaht.
13
Die Überstellung nach Rumänien ist auch nicht rechtlich unmöglich (vgl. § 34a AsylG). Außergewöhnliche Umstände die möglicherweise für einen Selbsteintritt gemäß § 3 Abs. 2 Dublin III-VO bzw. für eine entsprechende Pflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend weder substanziiert vorgebracht noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. OGH, U.v. 21.12.2011 - C-411/10 u.a. - NVWZ 2012, 417) nicht davon auszugehen, dass das Asylsystem Rumäniens an systemischen Mängeln leidet, aufgrund derer die dorthin rücküberstellten Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta ausgesetzt wären.
14
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im Asylsystem Rumäniens, zumal der Kläger dahingehend nicht Substanziiertes vorgebracht hat. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Rumänien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. In Rumänien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit. Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren. Das rumänische Asylverfahren, auch bei im Dublin-Verfahren rücküberstellten Personen, basiert auf den einschlägigen Richtlinien der EU und orientiert sich rechtlich und tatsächlich an den damit verbundenen europäischen Standards. Erkenntnisse über Abweichungen von rechtsstaatlichen Grundsätzen und europäischen Richtlinien im rumänischen Asylsystem sowie in der rumänischen Praxis liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Ein Asylsuchender wird in Rumänien angehört und hat bei der negativen Entscheidung einen Anspruch auf mindestens einen Rechtsbehelf. Nach Rumänien rücküberstellte Asylbewerber genießen gesetzlich festgelegte Rechte. Die Asylbewerber erhalten finanzielle Leistungen sowie Unterbringung in einer offenen Aufnahmeeinrichtung der Ausländerbehörde und Versorgung. Die Unterbringung in geschlossenen Räumlichkeiten erfolgt nur in bestimmten gesetzlich festgelegten Situationen, wenn z.B. das Risiko besteht, dass sich der Schutzsuchende dem Verfahren entzieht, oder wenn dieser die nationale Sicherheit gefährdet. Fälle unfreiwilliger Obdachlosigkeit sind nicht bekannt. Wenn das Asylverfahren noch anhängig ist, besteht die Möglichkeit nach drei Monaten auf Zugang zum rumänischen Arbeitsmarkt. Die Asylsuchenden erhalten in Rumänien auch rechtliche Beratung. Der Zugang zum Gesundheitssystem steht allen Asylsuchenden und auch den Rücküberstellten kostenlos zur Verfügung. Die Stellung von Folgeanträgen ist möglich, wenn wichtige neue Elemente vorgebracht werden. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass auch der UNHCR keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Rumänien zurück zu überstellen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Ansbach vom 5.12.2017 und an das VG Hamburg vom 3.8.2017; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Rumänien vom 14.8.2015). Im Ergebnis bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine Überstellung nach Rumänien (ebenso zuletzt etwa VG Regensburg, U.v. 17.4.2019 - RO 6 K 17.52358 - juris; VG Ansbach, U.v. 17.4.2019 - AN 17 K 18.50614 - juris; B.v. 16.4.2019 - AN 17 S 19.50331 - juris; B.v. 15.4.2019 - AN 17 S 19.50384 - juris; VG Lüneburg, U.v. 13.3.2019 - 8 B 51/19 - juris jeweils m.w.N. zur Rechtsprechung sowie zu Erkenntnissen; ferner BayVGH, B.v. 25.6.2018 - 20 ZB 18.50032 - juris).
15
Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin ermessensfehlerhaft keinen Gebrauch von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO gemacht hat.
16
Auch die Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers in Rumänien, verbunden mit einer ihm möglicherweise drohenden Abschiebung in sein Heimatland, führt nicht zu einer Zuständigkeit der Antragsgegnerin verbunden mit einer nochmaligen Prüfung seines Schutzbegehrens in Deutschland. Dem Antragsteller steht es frei, in Rumänien um Rechtschutz nachzusuchen bzw. dort einen Folgeantrag zu stellen. Dass bestandskräftig abgelehnte Asylbewerber mit ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland zu rechnen haben, ist kein hier relevanter Mangel des Asylverfahrens und auch im Übrigen nicht menschenrechtswidrig. Vielmehr ist - wie ausgeführt - davon auszugehen, dass in Rumänien ein rechtstaatliches Erst- und gegebenenfalls auch Folgeverfahren durchgeführt wird. Der Asylbewerber hat nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Dublin-Regelungen insbesondere kein Wahlrecht, sich den Mitgliedsstaat auszusuchen, in dem er sich bessere Chancen oder angenehmere Aufenthaltsbedingungen erhofft oder nach Ablehnung eines Asylantrags in einen Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedsstaat weiterzureisen, um eine weitere Prüfung seines Asylantrags mit einen für ihn günstigen Ergebnis zu erreichen. Relevant sind allein die Regelungen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates nach der Dublin III-VO.
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Schließlich sind auch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse, die die Antragsgegnerin selbst zu berücksichtigen hätte, nicht ersichtlich.
18
Im Ergebnis hat der Antragsteller keinen Anspruch, dass die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung vorläufig ausgesetzt wird.
19
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher abzulehnen.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.