Inhalt

VGH München, Beschluss v. 05.08.2019 – 8 ZB 18.60
Titel:

Erfolgreiche Verbandsklage gegen Wasserkraftanlage in den Alpen

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
WHG § 27 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 68 Abs. 3
BNatSchG § 34 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. An der Nutzung der regenerativen Energiequelle Wasserkraft zur Stromerzeugung besteht ein hohes öffentliches Interesse, dem aber kein genereller Vorrang vor den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes zukommt. Stattdessen ist der erwartete Nutzen eines Vorhabens mit den widerstreitenden Umwelt- und Naturschutzbelangen im Einzelfall abzuwägen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Bescheid nicht von der zuständigen Behörde, sondern von der Rechtsanwaltskanzlei des Vorhabenträgers in seine endgültige Fassung gebracht und hat der verantwortliche Behördenmitarbeiter die Behördenleitung zuvor darauf hingewiesen, dass er das Vorhaben für rechtlich nicht genehmigungsfähig halte, verstößt eine solche Sachbehandlung gegen das Gebot der Unparteilichkeit im Planfeststellungsverfahren. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Darlegungsanforderungen bei Mehrfachbegründung, Planfeststellung und wasserrechtliche Bewilligung für eine Wasserkraftanlage, erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets, zwingende Gründe des öffentlichen Interesses (verneint), wasserrechtliches Verschlechterungsverbot, Befreiung von einer Naturschutzgebietsverordnung, Gebot der Unparteilichkeit im Planfeststellungsverfahren
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 14.11.2017 – Au 3 K 17.197
Fundstelle:
BeckRS 2019, 17779

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. November 2017 für beide Rechtszüge auf jeweils 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger, eine anerkannte Umweltvereinigung, wendet sich gegen die Planfeststellung und Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für eine Wasserkraftanlage.
2
Mit Bescheid vom 24. März 2015 stellte das Landratsamt Oberallgäu den von der Beigeladenen vorgelegten Plan für die Herstellung eines Stauwehres an der O. und eines Umgehungsgerinnes neben dem Stauwehr fest und bewilligte das Aufstauen und Absenken des Gewässers, die Entnahme und das Ableiten von Wasser aus und das Einleiten in die O. zum Zweck der Stromerzeugung. Der Beigeladenen wurden Befreiungen von Verboten der Naturschutzgebietsverordnung „A. Hochalpen“ und der Verordnung über das Naturdenkmal „E. und A.“, eine Ausnahme wegen der Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des FFH-Gebiets in Bezug auf den Lebensraumtyp 3240 und eine Befreiung vom Tötungsverbot bezüglich des Quendel-Ameisenbläulings gewährt.
3
Anlässlich der Nachholung einer Umweltverträglichkeitsprüfung wurde der Bescheid mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2017 ergänzt.
4
Mit Urteil vom 14. November 2017 hat das Verwaltungsgericht Augsburg die o.g. Bescheide aufgehoben. Die Voraussetzungen einer Ausnahme vom wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot nach § 31 Abs. 2 WHG lägen nicht vor, weil kein übergeordnetes öffentliches Interesse an dem Vorhaben bestehe. Entsprechendes gelte für eine ausnahmsweise Zulassung trotz Unverträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets DE … „A. Hochalpen“ und für eine Befreiung von Verboten der Naturschutzgebietsverordnung „A. Hochalpen“.
5
Die Beigeladene beantragt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.
II.
6
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von der Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
7
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
8
1.1 Beruht das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts auf mehreren selbständig tragenden Gründen (Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn der Rechtsmittelführer hinsichtlich jedes dieser Begründungen einen Zulassungsgrund aufzeigt (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39.13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 2 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; BayVGH, B.v. 26.1.2018 - 6 ZB 17.956 - juris Rn. 4; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 100 und § 124a Rn. 196 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die gegenständlichen Bescheide aus drei selbständig tragenden Gründen aufgehoben. Erstens verstoße das Vorhaben gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WHG, ohne dass dies ausnahmsweise nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG unbeachtlich sei (vgl. UA Rn. 24 ff.). Zweitens führe das Vorhaben zu einer unzulässigen erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets „A. Hochalpen“, ohne dass zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses dies erforderten (vgl. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG; vgl. hierzu UA Rn. 43 ff.). Drittens verstoße das Vorhaben gegen Verbotstatbestände der Naturschutzgebietsverordnung „A. Hochalpen“ vom 16. Januar 1992; die Voraussetzung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG lägen nicht vor (vgl. UA Rn. 49 ff.).
9
1.2 Hinsichtlich der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das mit den angegriffenen Bescheiden zugelassene Vorhaben nach § 34 Abs. 1 bis 3 BNatSchG unzulässig ist, zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel auf.
10
1.2.1 Die Wertung des Verwaltungsgerichts, das Vorhaben beeinträchtige ein Erhaltungsziel des FFH-Gebiets DE … „A. Hochalpen“ in erheblicher Weise (vgl. § 34 Abs. 1 BNatSchG), greift der Zulassungsantrag nicht an. Die Beteiligten haben diesbezüglich bereits im erstinstanzlichen Verfahren unstreitig gestellt, dass durch das Vorhaben eine wesentliche Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 3240 zu erwarten wäre (vgl. Sitzungsprotokoll des VG vom 14.11.2017, S. 7).
11
1. 2.2 Dass die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Zulassung des Vorhabens nach § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht vorliegen, hat das Erstgericht mit seinen Ausführungen zu § 31 Abs. 2 WHG begründet (vgl. UA Rn. 48 und 37-42). Der Zulassungsantrag greift nicht an, dass hierfür dieselben Maßstäbe angewandt wurden (vgl. auch BVerwG, U.v. 11.8.2016 - 7 A 1.15 u.a. - BVerwGE 156, 20 = juris Rn. 165).
12
Bei der Überprüfung der Abwägungsentscheidung, ob das Vorhaben abweichend aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses (vgl. § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG) zugelassen werden kann, ist das Verwaltungsgericht im vorliegenden Einzelfall zu dem Ergebnis gelangt, dass das hohe öffentliche Interesse an der Nutzung der regenerativen Energiequelle Wasserkraft zur Stromerzeugung (vgl. BayVGH, B.v. 6.9.2016 - 8 CS 15.2510 - BayVBl 2017, 52 = juris Rn. 38) den Belangen der Gewässerökologie und des Naturschutzes nicht vorrangig ist. Soweit es in seine Wertung einbezogen hat, dass die Anlage mit einem prognostizierten Energieertrag von jährlich 9 Mio. kWh den bayernweiten Energieertrag aus Wasserkraft um (nur) 0,03% steigern könnte, zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf. Der Einwand, das Ersturteil stelle den wasser- und naturschutzrechtlichen Belangen „ausschließlich“ und „willkürlich“ die Steigerung des bayernweiten Energieertrags gegenüber, verfängt nicht.
13
Das Verwaltungsgericht hat ein überwiegendes öffentliches Interesse nicht allein deshalb verneint, weil die Wasserkraftanlage nur einen vergleichsweise geringen Beitrag zum bayerischen Energieertrag aus Wasserkraft leisten kann; auch kleinen und kleinsten Kraftwerken, die oftmals nur aufgrund öffentlicher Förderung rentabel betrieben werden können, spricht es ein übergeordnetes öffentliches Interesse nicht von vornherein ab, sondern verlangt eine „einzelfallbezogene Abwägung“ (vgl. UA Rn. 40). Die erstinstanzliche Aussage, das hier für das Vorhaben streitende öffentliche Interesse sei mit Blick auf den Energieertrag „eher untergeordnet“ (vgl. UA Rn. 42 und 48), steht in unmittelbarem Wechselbezug zum widerstreitenden Integritätsinteresse des FFH-Gebiets (vgl. auch Hösch, UPR 2010, 7/9). Das Gewicht, mit dem letzteres in die Abwägung einzustellen ist, hängt entscheidend vom Ausmaß der Beeinträchtigungen ab (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 = juris Rn. 26; U.v. 12.3.2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 = juris Rn. 154); das Verwaltungsgericht hat hierzu erhebliche Eingriffe in naturschutzrechtliche Schutztatbestände festgestellt. Soweit der Zulassungsantrag demgegenüber von einem „minimalen Eingriff“ spricht, setzt er sich mit den diesbezüglichen Einwendungen der Träger öffentlicher Belange bzw. des Wasserwirtschaftsamts (vgl. Gutachten vom 14.5.2014, S. 14 f.) nicht substanziiert auseinander, auf die das Verwaltungsgericht Bezug nimmt (vgl. UA Rn. 42). Im Übrigen hebt das Verwaltungsgericht die herausragende ökologische Bedeutung des bislang „weitgehend unberührten“ Oberlaufs der O. und den Status als Referenzgewässer hervor; soweit der Zulassungsantrag dies mit anderen, im oberen Einzugsbereich der O. genehmigten Wasserkraftanlagen widerlegen will, legt er einen anderen Maßstab („völlig unberührt“) zugrunde. Auf die Frage der Gefährdung der Koppe, die der Zulassungsantrag umfangreich bestreitet, stellt das Erstgericht diesbezüglich nicht ab (vgl. UA Rn. 37-42).
14
1.3 Auch die Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellung, wonach das Vorhaben gegen Verbotstatbestände der Naturschutzgebietsverordnung „A. Hochalpen“ vom 16. Januar 1992 verstößt, ohne dass hierfür in rechtmäßiger Weise eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erteilt werden könnte (vgl. UA Rn. 49-51), stellt der Zulassungsantrag nicht substanziiert infrage.
15
Das Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der o.g. Naturschutzgebietsverordnung ausdrücklich offengelassen, ist unzutreffend (vgl. UA Rn. 49). Im Übrigen stützt sich das Ersturteil auch diesbezüglich nicht auf die Gefährdung der Koppe (vgl. UA Rn. 49-51 und 37-42), sodass das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen (keine Durchgängigkeit, kein natürlicher Lebensraum) diesbezüglich ins Leere geht. Soweit der Zulassungsantrag die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur naturschutzrechtlichen Abwägung (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 17.1.2007 - 9 C 1.06 - BVerwGE 128, 76 = juris Rn. 20 ff.) beanstandet, weil es das öffentlichen Interesse am Ausbau der regenerativen Wasserkraft als „eher untergeordnet“ bewertet hat (vgl. hierzu auch OVG NW, B.v. 8.11.2017 - 8 A 2454/14 - juris Rn. 14), kann auf die Ausführungen unter 1.2.2 verwiesen werden.
16
1.4 Ob die Beigeladene die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts betreffend einen Verstoß des Vorhabens gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 WHG) mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hat, bedarf damit keiner abschließenden Entscheidung.
17
Der Zulassungsantrag macht hierzu geltend, das Verwaltungsgericht habe seine Bewertung „nahezu ausschließlich“ auf eine Gefährdung der Koppe gestützt und verkannt, dass das Klappenwehr der Anlage die Durchgängigkeit nicht beeinträchtige, weil es den Fischen schon unmöglich sei, die Felsstufe unterhalb des Wehrs zu überwinden. Derartige Angriffe gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen können mit dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich geltend gemacht werden (vgl. OVG NW, B.v. 21.6.2012 - 18 A 1459/11 - StAZ 2013, 61 = juris Rn. 9; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 81 ff.). Mangels Entscheidungserheblichkeit (vgl. oben 1.1) dieses Begründungsstrangs kann aber dahinstehen, ob der Zulassungsantrag die erstinstanzliche Wertung, die Verschlechterung der Gewässerqualität sei nicht nur lokal auf den ca. 100 m langen Aufstaubereich begrenzt, sondern beeinflusse größere Teile des Oberflächenwasserkörpers (vgl. UA Rn. 31; vgl. hierzu BVerwG, U.v. 9.2.2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158,1 = juris Rn. 506), substanziiert in Zweifel zieht.
18
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
19
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinn dieser Bestimmung weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sich diese also wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 - 8 ZB 10.2931 - BayVBl 2012, 147 = juris Rn. 28; B.v. 10.4.2017 - 15 ZB 16.673 - juris Rn. 42). Das ist hier nicht der Fall.
20
Bei den auftretenden Rechtsfragen handelt es sich nicht um „abgelegene, sehr spezielle gesetzliche Regelungen“, die sich bei Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz lösen ließen. Dass sich bei ihrer Anwendung Beurteilungs- und Abwägungsfragen stellen, ist in Verwaltungsstreitverfahren üblich. In tatsächlicher Hinsicht handelt es sich nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Dass diverse Gutachten eingeholt wurden und darauf aufbauend fachliche Prognosen z.B. zu den Auswirkungen des Vorhabens auf Umwelt- und Naturschutzbelange zu treffen waren, entspricht in Planfeststellungsverfahren der Normalität. Abgesehen davon erweisen sich die Fragen, ob das streitige Vorhaben (erhebliche) Auswirkungen auf die Durchgängigkeit des Gewässers für Koppen hat und ob es sich bei dem betroffenen Koppenbestand um eine natürliche Population handelt, im Hinblick auf die Nichterfüllung der Darlegungsanforderungen betreffend die weiteren, selbständig tragenden Begründungsstränge als nicht entscheidungsrelevant (vgl. oben 1.1 bis 1.3).
21
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
22
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung liegt nur dann vor, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, bisher höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt ist und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 - 8 ZB 15.2642 - juris Rn. 29; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Der Rechtsmittelführer muss daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren und darlegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) und klärungsbedürftig ist, sowie aufzeigen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 - 8 ZB 15.2642 - juris Rn. 29; B.v. 14.5.2014 - 14 ZB 13.2658 - juris Rn. 18). Daran fehlt es hier.
23
3.1 Die vom Zulassungsantrag als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage, ob eine künstlich herbeigeführte Population im Rahmen des Wasserhaushaltsgesetzes und des sonstigen Naturschutzrechts überhaupt schützenswert ist, d.h. dem Schutz der wasserrechtlichen und sonstigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegt, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat seine Wertung, dass das Vorhaben gegen § 34 Abs. 1 bis 3 BNatSchG bzw. § 67 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG i.V.m. der Verordnung über das Naturschutzgebiet „A. Hochalpen“ vom 16. Januar 1992 verstößt, nicht auf den Aspekt der Gefährdung der Population Koppe in dem Gewässer gestützt (vgl. oben 1.2 und 1.3).
24
3.2 Auch hinsichtlich der Rechtsfrage, „an welchem Maßstab bzw. welchen Maßstäben die wasserschutz- und sonstigen naturschutzrechtlichen Interessen am Interesse des Klimaschutzes und damit am Interesse an regenerativen Energien zu messen sind“, zeigt der Zulassungsantrag keinen Klärungsbedarf auf. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass an der Nutzung der regenerativen Energiequelle Wasserkraft zur Stromerzeugung ein hohes öffentliches Interesse besteht, dem aber kein genereller Vorrang vor den Belangen des Umwelt- und Naturschutzes zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 6.9.2016 - 8 CS 15.2510 - BayVBl 2017, 52 = juris Rn. 38 ff.; vgl. auch OVG NW, B.v. 27.10.2017 - 8 A 2351/14 - NuR 2018, 274 = juris Rn. 28). Stattdessen ist der erwartete Nutzen des Vorhabens mit den widerstreitenden Umwelt- und Naturschutzbelangen im Einzelfall abzuwägen (vgl. EuGH, U.v. 4.5.2016 - C-346/14 - NVwZ 2016, 1161 = juris Rn. 74; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 31 Rn. 15a). Für diese Abwägung, bei der die für das Vorhaben streitenden öffentlichen Interessen mit den betroffenen Umwelt- und Naturschutzbelangen im Wechselbezug stehen (vgl. oben 1.2.2), verbietet sich ein allgemeingültige Aussage, wie der Nutzen einer Wasserkraftanlage quantitativ zu bewerten ist. Demgemäß hat das Verwaltungsgericht ein überwiegendes öffentliches Interesse auch nicht allein deshalb verneint, weil die Wasserkraftanlage nur einen vergleichsweise geringen Beitrag zum bayerischen Energieertrag aus Wasserkraft leisten kann.
25
4. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
26
Der Kläger rügt die Verletzung der gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil das Verwaltungsgericht der Frage der - nach seiner Auffassung nicht berührten - Durchgängigkeit im Fall der Errichtung der Wasserkraftanlage sowie der Frage, wie es überhaupt zu dem festgestellten Koppenbestand im Bereich oberhalb und unterhalb der E. gekommen sei, nicht nachgegangen sei.
27
Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt u.a. die Darlegung voraus, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 30.4.2019 - 2 B 52.18 - juris Rn. 16; B.v. 25.1.2005 - 9 B 38.04 - NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 25).
28
Der Kläger hat nicht aufgezeigt, inwiefern er auf die vermisste Aufklärung hingewirkt hätte. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Der Kläger hat zu den gerügten Aufklärungsdefiziten keinen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 - 2 B 52.18 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 22.11.2018 - 4 ZB 17.1989 - NVwZ-RR 2019, 480 = juris Rn. 18).
29
Der Zulassungsantrag legt auch nicht hinreichend dar, weshalb sich dem Verwaltungsgericht ohne förmlichen Beweisantrag eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 6.9.2017 - 2 B 2.17 - juris Rn. 14). Die angeführten Aussagen im Gutachten der Arge Limnologie vom 11. Oktober 2012 („nicht heimischen Fischarten“ bzw. „zahlreiches Vorkommen durchaus überraschend“, vgl. dort S. 47, 50) sind nicht so zu interpretieren, dass es sich bei dem Koppenbestand im relevanten Gewässerabschnitt um eine „künstliche“ Population handeln muss.
30
5. Nur ergänzend und ohne dass es hierauf ankommt, ist anzumerken, dass der Senat im vorliegenden Fall bezweifelt, ob das Landratsamt überhaupt eine den § 31 Abs. 2 WHG, § 34 Abs. 3 bzw. § 67 Absatz 1 Satz 1 BNatSchG gerecht werdende Abwägung durchgeführt hat. Offenbar wurde zumindest der Bescheid vom 24. März 2015 nicht von der Fachabteilung des Landratsamts, sondern von der Rechtsanwaltskanzlei der Beigeladenen in seine endgültige Fassung gebracht (vgl. S. 42 der Verfahrensakte des Landratsamts). Vorab hatte der verantwortliche Mitarbeiter die Behördenleitung darauf hingewiesen, dass er das Vorhaben für rechtlich nicht genehmigungsfähig halte (vgl. S. 46 der Verfahrensakte). Diese Sachbehandlung durch die Behördenleitung verstößt gegen das Gebot der Unparteilichkeit im Planfeststellungsverfahren, das auch gegenüber dem Vorhabenträger besteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 = juris Rn. 81). Deshalb liegt es nahe, dass das Landratsamt hier selbst keine sachbezogene Abwägung getroffen, sondern diese unter Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dem Vorhabenträger überantwortet hat (vgl. auch Neumann/Külpmann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 74 Rn. 58 f.).
31
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Nr. 34.4 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hierbei entspricht es - im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. B.v. 15.9.2015 - 9 KSt 2.15 u.a. - NuR 2016, 127 = juris Rn. 5) - der Handhabung des Senats, den Streitwert für Verbandsklagen eines Naturschutzvereins in planfeststellungsrechtlichen Streitigkeiten in der Regel mit 30.000 Euro zu bemessen (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 - 8 ZB 15.2162 - juris Rn. 40). Umstände, die für den vorliegenden Fall die Annahme eines niedrigeren Streitwerts nahelegen, sind weder dargelegt noch erkennbar. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war deshalb entsprechend abzuändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
32
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).