Inhalt

VGH München, Beschluss v. 26.07.2019 – 10 CE 19.1304
Titel:

Unzulässiger Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mangels Rechtsschutzbedürfnis

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1, § 146 Abs. 4
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a, § 80
Leitsatz:
Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung hat das Bundesamt beim Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, sodass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (VGH München BeckRS 2014, 49104). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweilige Anordnung, Rechtsschutzbedürfnis, Bindung der Ausländerbehörde an Abschiebungsanordnung durch Bundesamt, vorrangiger einstweiliger Rechtsschutz zur Sicherung eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, Asylverfahren, Eilantrag
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 18.06.2019 – Au 6 E 19.903
Fundstelle:
BeckRS 2019, 17575

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf einstweilige Untersagung seiner Rücküberstellung nach Spanien weiterverfolgt, ist zulässig aber unbegründet. Die Ausführungen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, enthalten keine Gründe, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder auszuheben ist.
2
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg, weil der von ihm gestellte Eilantrag bereits unzulässig ist. Denn entgegen der Auffassung des Antragstellers und auch des Erstgerichts fehlt es bereits am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller sein Rechtsschutzziel nach der Systematik der hierfür maßgeblichen asylverfahrensrechtlichen Bestimmungen vorrangig und - auch im konkreten Fall - effektiv durch einen gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gerichteten Antrag auf einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) zur (vorläufigen) Sicherung seines Begehrens bzw. Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (s. § 51 VwVfG) sowohl im Hinblick auf die erfolgte Verlängerung der Überstellungsfrist als auch in Bezug des von ihm nunmehr geltend gemachten Abschiebungsverbots erreichen kann. Sein u.a. wegen eines geltend gemachten nachträglich entstandenen Abschiebungsverbots (und Duldungsgrundes nach § 60a Abs. 2 AufenthG) gestellter Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Verpflichtung des Antragsgegners (als Rechtsträger der zuständigen Ausländerbehörde) zur vorläufigen Aussetzung der Vollziehung der bereits seit 13. Juli 2018 (VG Augsburg, U.v. 4.6.2018 - Au 5 K 18.50034) rechtskräftigen Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylVfG) des Bundesamtes aus dem Bescheid vom 15. Februar 2018 ist daher letztlich unnötig und deshalb auch rechtsmissbräuchlich (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C 15.813 - juris Rn. 3 m.w.N.).
3
Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung hat das Bundesamt beim Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung und damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4; B.v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C 15.813 - juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 13.2.2019 - 11 S 401/19 - juris -Ls-; OVG NW, B.v. 2.1.2019 - 13 A 4599/18.A - juris Rn. 8; OVG RhPf, B.v. 20.7.2017 - 7 B 11085/17 - juris -Ls-; NdsOVG, B.v. 20.6.2018 - 13 PA 104/17 - juris Rn. 16). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris Rn. 12). Es versteht sich von selbst, dass der Ausländerbehörde auch keine Prüfungskompetenz hinsichtlich der durch das Bundesamt verlängerten Überstellungsfrist zukommt.
4
Demgemäß sind Rechtsstreitigkeiten in Fallkonstellationen wie der des Antragsstellers (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) gegen die Bundesrepublik Deutschland zu führen. Dabei sind die speziellen prozessualen Regelungen des § 34a Abs. 2 AsylG zu beachten. Dies ist vorliegend auch geschehen, da der Antragsteller am 14. Juni 2019 einen entsprechenden Eilantrag mit demselben Ziel beim Verwaltungsgericht gestellt hat, über den dieses mit Beschluss vom 18. Juni 2019 (Az. Au 5 E 19.50530) entschieden und den Antrag abgelehnt hat. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 80 AsylG). Die Regelung des § 80 AsylG kann der Antragsteller grundsätzlich nicht durch ein parallel gegen den Träger der Ausländerbehörde gerichteten Eilantrag umgehen.
5
Ein im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG (denkbarer) Ausnahmefall von der oben dargelegten Rechtsschutzsystematik beim Vollzug einer bestandskräftigen Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG (s. hierzu: BayVGH, B.v. 21.4.2015 - 10 CE 15.810, 10 C 15.813 - juris Rn. 6; VGH BW, B.v. 13.2.2019 - 11 S 401/19 - juris Rn. 12; OVG RhPf, B.v. 20.7.2017 - 7 B 11085/17 - juris Rn. 8; NdsOVG, B.v. 20.6.2018 - 13 PA 104/17 - juris Rn. 17) ist im Fall des Antragstellers nicht gegeben.
6
Ist somit der vom Antragsteller gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig, kommt es hier weder auf die geltend gemachte Einwände gegen die Verlängerung der Überstellungsfrist noch auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungshindernisse oder Duldungsgründe aus Art. 6 GG an.
7
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
8
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
9
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).