Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 16.05.2019 – 201 AR 812/19
Titel:

Keine Zuständigkeit des BayObLG zur Entscheidung über negativen Zuständigkeitsstreit

Normenketten:
JGG § 42 Abs. 3 S. 1 u. S. 2, § 89b, § 92 Abs. 2, § 108 Abs. 1
GVG § 121 Abs. 3 S. 1
EGGVG § 9, § 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2
Leitsatz:
Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nicht das „gemeinschaftliche obere Gericht“ im Sinne der §§ 42 Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 1 JGG.
Schlagworte:
Zuständigkeit, Zuständigkeitsstreit, Zuständigkeitskonzentration, Bayern, Bayerisches Oberstes, Landesgericht, Bundesgerichtshof, Oberlandesgericht, Oberlandesgerichtsbezirk, Jugendrichter, Jugendschöffengericht, Amtsgericht, Abgabe, Übernahme, örtlich, Aufenthalt, Aufenthaltswechsel, Jugendstrafe, Jugendstrafvollzug, Erwachsenenstrafvollzug, JVA, gemeinschaftlich oberes Gericht, örtliche Zuständigkeit, Zusändigkeitskonzentration, Strafsache
Fundstelle:
BeckRS 2019, 17482

Tenor

I. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nicht als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreites berufen.
II. Die Akten werden an das vorlegende Amtsgericht München zurückgegeben.

Gründe

1
Die Vorlage betrifft die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nach §§ 42 Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 1 JGG.
I.
2
Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat unter dem 20.11.2018 gegen den seinerzeit in anderer Sache in Jugendstrafhaft in der JVA Ebrach befindlichen Angeklagten wegen Betruges in zwei selbständigen Fällen (Tatzeit: 01.03.2016 und 02.03.2016; Tatort: Offenbach), versuchter Nötigung (Tatzeit: 02.03.2016) sowie Erschleichens von Leistungen in Tateinheit mit Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Tatzeit: 24.05.2018; Tatort: Hirschaid) Anklage zum Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Bamberg erhoben. Nach Ausnahme vom Jugendstrafvollzug gemäß § 89b JGG befindet sich der Angeklagte seit 05.12.2018 zur weiteren Haftverbüßung in der JVA Garmisch-Partenkirchen. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 19.12.2018 wurde die Anklage der Staatsanwaltschaft Bamberg vom 20.11.2018 zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Bamberg eröffnet und die Sache mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Bamberg gemäß §§ 42 Abs. 3 Satz 1, 108 Abs. 1 JGG an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - München abgegeben, nachdem der Angeklagte zwischenzeitlich im dortigen Bezirk aufenthältlich sei. Mit Beschluss vom 18.03.2019 lehnte das Amtsgericht München die Übernahme des Verfahrens unter Hinweis darauf ab, dass der Angeklagte derzeit eine Jugendstrafe in der JVA Kempten verbüße und daher unter keinem Gesichtspunkt eine Zuständigkeit bestehe. Mit Verfügung vom 26.03.2019 übermittelte das Amtsgericht Bamberg die Akten erneut an das Amtsgericht München und wies darauf hin, dass sich der Angeklagte tatsächlich seit 05.12.2018 bis voraussichtlich 26.04.2020 in der JVA Garmisch-Partenkirchen befinde und lediglich kurzfristig am 27.02.2019 für eine Hauptverhandlung vom 04.03.2019 bei dem Amtsgericht Kempten in die JVA Kempten überstellt worden sei. Im Falle weiterer Bedenken gegen die Übernahme möge das Verfahren gem. §§ 42 Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 1 JGG dem gemeinschaftlichen oberen Gericht (BayObLG) zur Entscheidung vorgelegt werden. Mit Beschluss vom 03.04.2019 erklärte sich das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - München für örtlich unzuständig und legte die Akten zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem Bayerischen Obersten Landesgericht vor. Die Akten gingen am Sitz des Gerichts in München am 30.04.2019 ein und wurden von dort an den 1. Strafsenat - Senat in Bamberg - weitergeleitet, wo sie am 13.05.2019 eingegangen sind.
II.
3
Nach §§ 42 Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 1 JGG entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht, wenn im Falle einer Abgabe nach § 42 Abs. 3 Satz 1 JGG bei dem „angegangenen“ Gericht Bedenken gegen die Übernahme bestehen. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) ist jedoch in Strafsachen nicht das „gemeinschaftliche obere Gericht“ im Sinne der angeführten Gesetzesbestimmung.
4
Mit der Wiedereinführung des BayObLG durch das Gesetz zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12.07.2018 (GVBl Nr. 13/2018, 545) hat Bayern jeweils von der Ermächtigung in §§ 9 EGGVG, 25 Abs. 2 EGGVG sowie 121 Abs. 3 Satz 1 GVG Gebrauch gemacht und dem BayObLG mit Wirkung vom 01.02.2019 auf strafrechtlichem Gebiet die Zuständigkeit für die Entscheidung über Revisionen und Rechtsbeschwerden in Straf- und Bußgeldsachen bei erstinstanzlicher Zuständigkeit der Amtsgerichte (Art. 12 Nrn. 1 und 2 AGGVG) zugewiesen, ferner die Entscheidung bei der Anfechtung von Justizverwaltungsakten nach § 23 Abs. 1 EGGVG (Art. 12 Nr. 3 AGGVG) sowie schließlich durch § 54a Satz 1 GZVJu die Entscheidung über Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern nach §§ 50 Abs. 5, 116, 138 Abs. 3 StVollzG und der Jugendkammern nach § 92 Abs. 2 JGG.
5
Hierunter fällt nicht die Bestimmung des zuständigen Gerichts. § 9 EGGVG gestattet nur die Zuweisung von Entscheidungen in Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehören. Durch diese Zuweisung wird das BayObLG nicht ein den anderen Oberlandesgerichten übergeordnetes Gericht (vgl. hierzu KK/Mayer StPO 8. Aufl. § 9 EGGVG Rn. 3; MK/Gerhold EGGVG § 9 Rn. 1), sondern steht neben diesen und tritt in den gesetzlich bestimmten Fällen lediglich an deren Stelle. Es kann nur solche Aufgaben wahrnehmen, für die nach Bundesrecht die Zuständigkeit eines Oberlandesgericht begründet ist. Nicht konzentrationsfähig ist damit die Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn die in Betracht kommenden Gerichte verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken eines Landes angehören. Denn in diesen Fällen ist nicht das Oberlandesgericht und deshalb auch nicht das Konzentrationsoberlandesgericht oder das Oberste Landesgericht zuständig, sondern der Bundesgerichtshof. Mithin fehlt dann die Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts, die nach § 9 EGGVG übertragen werden könnte (LR/Böttcher EGGVG 26. Aufl. § 9 Rn. 4 mit Hinweis auf BGHSt 11, 80; BGH bei Holtz MDR 1976, 634; BayObLGSt 1957, 165). Vorliegend ist damit auch nach Wiedereinführung des BayObLG das zuständige gemeinschaftliche obere Gericht im Sinne von § 42 Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 1 JGG der Bundesgerichtshof, weshalb der Senat nicht in eine Prüfung des Zuständigkeitsstreites eintreten kann.