Inhalt

VGH München, Beschluss v. 10.07.2019 – 19 C 19.683
Titel:

Zulassung von Asylbewerbern zum Integrationskurs

Normenkette:
AufenthG § 44
Leitsätze:
§ 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG begünstigt - nicht anders als § 44 Abs. 1 Satz 1 AufenthG - nur Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Er erfasst jedoch diejenigen Ausländer, die die weiteren in § 44 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Voraussetzungen nicht erfüllen.
1. Die Frage, ob die Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts begründet ist, beantwortet sich, solange noch keine Asylentscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ergangen ist, anhand der Gesamtschutzquote des Landes, aus dem der Asylbewerber stammt (VGH München BeckRS 2017, 105226). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Lehnt das Bundesamt einen Asylantrag hinsichtlich aller Schutzbegehren ab, liegt darin eine Einzelfallwürdigung durch die zuständige Behörde, die im Rahmen von § 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich nicht überprüft wird. In diesem Fall kann von der Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts auch dann nicht ausgegangen werden, wenn diese Erwartung nach der Gesamtschutzquote des betreffenden Landes ansonsten gerechtfertigt wäre. (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Zulassung von Asylbewerbern zum Integrationskurs, Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts, Zulassung im Rahmen verfügbarer Kursplätze, Zulassung zum Integrationskurs, Aufenthaltserwartung, Gesamtschutzquote, ablehnende Asylentscheidung, rechtmäßiger Aufenthalt, somalischer Asylbewerber
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 07.03.2019 – AN 6 K 17.2363
Fundstelle:
BeckRS 2019, 15370

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
2
Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage auf Zulassung zu einem Integrationskurs versagt.
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Der Kläger, der eine Aufenthaltsgestattung besitzt und sich (ohne entsprechende Nachweise) als somalischer Staatsangehöriger bezeichnet, ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft die Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet verneint. Auf der Homepage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werde bei somalischen Asylbewerbern von einer guten Bleibeperspektive ausgegangen. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass kein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt des Klägers zu erwarten sei. Jedenfalls könne nicht festgestellt werden, dass die Klage mutwillig sei und keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Zudem bestehe auch ein öffentliches Interesse an einer Förderung der Integration durch Absolvierung des Kurses. Ungeachtet der festgestellten guten Bleibeperspektive für somalische Staatsangehörige sei die Abschiebung nach Somalia ohnehin nicht möglich, da es an einer Flugverbindung der europäischen Staaten nach Mogadischu fehle.
4
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nach § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG nicht zu. Die entscheidungserhebliche Frage, ob bei dem Kläger „ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist“ (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG), ist vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend beantwortet worden.
5
Für diese Formulierung finden sich in der Entwurfsbegründung (BT-Drs. 18/6185, S. 1 und 48) die Umschreibungen „gute Bleibeperspektive“, „Asylbewerber, die aus einem Land mit einer hohen Anerkennungsquote kommen“ und „Asylbewerber, bei denen eine belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag besteht“.
6
Wie der Senat bereits entschieden hat (B.v. 21.2.2017 - 19 CE 16.2204 - juris Rn. 18 ff.), ist die Frage, ob die Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts begründet ist, grundsätzlich anhand der Gesamtschutzquote des Landes, aus dem der Asylbewerber kommt, zu beantworten, solange die Asylentscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge noch nicht ergangen ist. Im Fall einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes in allen Punkten liegt eine Einzelfallwürdigung der zuständigen Behörde vor, die bei der Anwendung des § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich nicht zu überprüfen ist. Von der Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts kann bei einer solchen Fallentwicklung auch dann nicht ausgegangen werden, wenn diese Erwartung sonst (generell) wegen der Gesamtschutzquote des betreffenden Landes begründet wäre.
7
Vorliegend ist am 6. Juli 2017 ein die Umstände des Einzelfalls würdigender, ablehnender Bundesamtsbescheid im Asylverfahren des Klägers ergangen. Eine hiervon abweichende Entscheidung im Verfahren auf Zulassung zum Integrationskurs ist vorliegend ausgeschlossen, da Anhaltspunkte für ein anderes Ergebnis im Asylgerichtsverfahren nicht offensichtlich sind. Somit ist vom Bundesamtsbescheid auszugehen, der auf der Grundlage der Erfahrungen aus der asylrechtlichen Entscheidungspraxis ergangen ist. Unabhängig von der aufschiebenden Wirkung der Asylklage ist daher von der Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts des Klägers i.S.d. § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG bis zum Erlass einer die indizielle Wirkung des ablehnenden Bundesamtsbescheides beseitigenden verwaltungsgerichtlichen oder behördlichen Asylentscheidung nicht auszugehen.
8
Der Kläger hat nach summarischer Prüfung auch keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs gem. § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, wonach ein Ausländer, der einen Teilnahmeanspruch nicht (oder nicht mehr) besitzt, im Rahmen verfügbarer Kursplätze zur Teilnahme zugelassen werden kann. Anders als der Wortlaut der Norm es nahelegen könnte, begünstigt diese Bestimmung nur Ausländer, die sich rechtmäßig und dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten (in der Regel ist dies in den Fällen des § 44 Abs. 1 Satz 2 AufenthG gegeben), jedoch die übrigen spezifischen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht erfüllen (insoweit gibt der Senat die im B.v. 21.2.2017 - 19 CE 16.2204 - juris Rn. 17 geäußerte Auffassung auf), also entweder einen in § 44 Abs. 1 AufenthG nicht genannten Aufenthaltstitel besitzen oder einen in § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG aufgeführten Aufenthaltstitel, der aber nicht zum ersten Mal erteilt worden ist.
9
Das Erfordernis eines Aufenthaltstitels (auch) für einen Anspruch aus § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG (früher § 44 Abs. 3 AufenthG) ergibt sich daraus, dass in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich darauf hingewiesen wird, die Norm gelte auch für Ausländer, die über einen Aufenthaltstitel aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen verfügen (BT-Drs. 15/420, S. 88). Hätte auch Ausländern ohne Aufenthaltstitel die Möglichkeit zur Teilnahme im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten nach § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eröffnet werden sollen, hätte nicht diese Klarstellung nahegelegen, sondern diejenige, dass auch Asylbewerber und Geduldete begünstigt sind. Diese Auffassung wird dadurch bestätigt, dass die Gesetzesmaterialien zur Zielgruppenerweiterung in § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ausdrücklich davon ausgehen, dass Asylbewerber sowie Geduldete bislang keinen Zugang zum Integrationskurs nach § 43 ff. AufenthG gehabt haben (BT-Drs. 18/6185, S. 27). Nach der Ergänzung des § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ergibt sich nunmehr auch aus der Systematik des Gesetzes, dass es in den Fällen des § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG eines Aufenthaltstitels bedarf.
10
Die Auffassung, dass der im Rahmen des § 44 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erforderliche Aufenthaltstitel zum dauerhaften Aufenthalt berechtigen muss (also in der Regel unter § 44 Abs. 1 Satz 2 AufenthG fällt), wird durch die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 44 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ebenfalls bestätigt, da nach der Zielgruppenerweiterung (erstmals) auch Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG, „auch wenn die Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von weniger als einem Jahr erteilt worden ist“ (BT-Drs. 18/6185, S. 49), gem. § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 AufenthG zur Teilnahme am Integrationskurs zugelassen werden können.
11
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht.
12
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).