Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 18.07.2019 – 1 AR 52/19
Titel:

Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei einer Schadensersatzklage gegen mehrere Beklagte wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage 

Normenketten:
ZPO § 12, § 13, § 17, § 29c, § 32b, § 36, § 59, § 60, § 240 S. 1
InsO § 180 Abs. 2
Leitsätze:
1. Dem für einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erforderlichen Rechtschutzbedürfnis steht bei mehreren Beklagten grundsätzlich nicht entgegen, dass über das Vermögen eines Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden und der Rechtsstreit in dem betroffenen Prozessrechtverhältnis unterbrochen worden ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Streitverfahren noch durchgeführt wird, und einer Bestimmung nach Aufnahme des Rechtsstreits der dann voraussichtlich fortgeschrittenen Verfahrensstand entgegenstehen kann mit der Folge, dass durch Zuwarten die dem Antragsteller mit § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumte Möglichkeit verloren zu gehen droht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist bei mehreren Beklagten der Rechtsstreit gegen einzelne Beklagte wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahren über deren Vermögen unterbrochen, ist es weder zweckmäßig noch prozessökonomisch, bei der Gerichtsstandbestimmung primär auf einen Gerichtsstand dieser Beklagten abzustellen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestimmungsverfahren, Falschberatung, besonderer Gerichtsstand, Gerichtsstandsbestimmung, Kapitalmarktinformation, Prospekthaftung, Insolvenzverfahren, Schadensersatz, Fondsgesellschaft, Unterbrechung, Streitgenossen
Vorinstanz:
LG Landshut vom -- – 21 O 3070/17
Fundstellen:
ZInsO 2019, 1910
NZI 2019, 732
BeckRS 2019, 15088
LSK 2019, 15088

Tenor

Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht Landshut bestimmt.

Gründe

1
Der im Bezirk des Landgerichts Kassel wohnhafte Antragsteller macht mit seiner zum Landgericht Landshut erhobenen Klage vom 4. Dezember 2017 Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb von mittelbaren Beteiligungen an zwei Fondsgesellschaften geltend.
2
Wegen seiner am 5. Dezember 2007 gezeichneten (mittelbaren) Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft (hier kurz: Fonds 1 KG) nimmt er die Beklagten zu 1) bis 3) und wegen seiner am 26. Juni 2009 gezeichneten Beteiligung am Nachfolgefonds (hier kurz: Fonds 2 KG) die Beklagten zu 1) und zu 2) sowie zu 4) jeweils als Gesamtschuldner in Anspruch. Er verlangt im Wesentlichen jeweils Rückzahlung der bereits erbrachten Einlagezahlungen und Freistellung von den mit den Beteiligungen eingegangenen Ratenzahlungsverpflichtungen.
3
Die Antragsgegnerin zu 1) war bei Klageerhebung im Bezirk des Landgerichts Mühlhausen wohnhaft. Ihr wird eine Verletzung vertraglicher Beratungspflichten vorgeworfen mit der Behauptung, sie habe den Antragsteller in den den Zeichnungen vorangegangenen Gesprächen weder anleger- noch anlagegerecht beraten. Die Beteiligungen seien zur Kapitalanlage für den sicherheitsorientierten Antragsteller ungeeignet. Die vielfältigen, in den Fondsprospekten dargestellten Risiken habe sie dem Antragsteller verschwiegen. Die Prospekte selbst habe sie ihm erst nach Unterzeichnung der Beitrittserklärungen übergeben.
4
Die Antragsgegnerin zu 2) mit Sitz im Bezirk des Landgerichts Landshut wird als (mittlerweile umfirmierte) Treuhandkommanditistin und Gründungsgesellschafterin beider Fondsgesellschaften in Anspruch genommen. Der Antragsteller meint, die Antragsgegnerin zu 2) hafte ihm wegen vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens und nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne. Ihr sei die Falschberatung zuzurechnen, da sie sich zur Erfüllung ihrer Aufklärungsverpflichtung der Antragsgegnerin zu 1) bedient habe.
5
Die Antragsgegnerinnen zu 3) bzw. zu 4) sind Komplementärin und Gründungsgesellschafterin der jeweiligen Fondsgesellschaft und im Bezirk des Landgerichts München I ansässig. Nach Meinung des Antragstellers haben auch sie jeweils für die behauptete Falschberatung einzustehen, weil sie die von ihnen geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten der Antragsgegnerin zu 1) überlassen hätten. Über das Vermögen der Antragsgegnerinnen zu 3) und zu 4) wurde mit Beschlüssen vom 17. August 2018 bzw. 25. Mai 2018 das Insolvenzverfahren eröffnet. Insoweit ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen und bisher von keiner Seite nach den Vorschriften der Insolvenzordnung aufgenommen worden.
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Die Antragsgegnerin zu 1) hat die fehlende örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Mangels behaupteter Prospektmängel greife § 32b ZPO nicht.
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Mit Schriftsatz vom 2. April 2019 hat der Kläger deshalb bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht die Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO beantragt.
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Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag an das Landgericht hat er außerdem zu Mängeln der Verkaufsprospekte vorgetragen. Die wirtschaftlichen Folgen einer Sonderkündigung bzw. Stilllegung der Beteiligung seien jeweils nicht mit der erforderlichen Klarheit dargestellt. Dem Anleger werde außerdem suggeriert, er könne seine Beteiligung nach zehn Jahren ohne größere Nachteile kündigen bzw. im Fall von Ratenzahlungen nach Einzahlung von 3.600,00 € stilllegen; tatsächlich müsse der Anleger bei beiden Beendigungsmöglichkeiten fast zwangsläufig einen sicheren Verlust in Kauf nehmen. Irreführend werde in den Fondsprospekten die der jeweiligen Komplementärin zustehende Zahlung als „erfolgsabhängige Vergütung“ bezeichnet, denn die Zahlungsverpflichtung der Fondsgesellschaft bestehe auch dann, wenn der Fonds insgesamt betrachtet Verluste erwirtschafte. Die überlange Laufzeit verbunden mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung sei sittenwidrig. Schließlich sei das im Prospekt dargestellte Geschäftskonzept unplausibel. Für diese Prospektfehler hätten die Beklagten zu 3) bzw. zu 4) als Prospektverantwortliche einzustehen. Die Antragsgegnerin zu 1) habe bei der Beratung somit irreführende Kapitalmarktinformationen verwendet. Weil die Antragsgegnerin zu 2) als Treuhänderin „Anbieterin“ der Anlagen sei, bestehe für den Rechtsstreit beim angerufenen Gericht der ausschließliche Gerichtsstand gemäß § 32b ZPO.
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Die Antragsgegnerin zu 1) hat mitgeteilt, keine Stellungnahme zum Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung abzugeben.
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Die Antragsgegnerin zu 2) hat angeregt, das Landgericht Landshut als zuständiges Gericht zu bestimmen, weil dort bereits zahlreiche Anlegerklagen zu den betroffenen Fonds anhängig seien.
11
Die Insolvenzverwalter über das Vermögen der Antragsgegnerinnen zu 3) und zu 4) haben sich für die Insolvenzschuldnerinnen im Bestimmungsverfahren geäußert. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 3) hält den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig, weil vor einer Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits zwingend das insolvenzrechtliche Feststellungsverfahren durchzuführen sei, der Antragsteller seine Forderung aber nicht zur Insolvenztabelle angemeldet habe. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Antragsgegnerin zu 4) hat sich gegen eine Bestimmung des Landgerichts Landshut ausgesprochen. Zwar liege eine Forderungsanmeldung vor; für eine etwaige Forderungsfeststellungsklage bestehe aber eine ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit gemäß § 180 InsO.
II.
12
Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Landshut als (örtlich) gemeinsam zuständiges Gericht.
13
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil die Antragsgegner jeweils ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Jena und München) haben und das zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.
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2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
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a) Der Antrag ist nicht deshalb in Richtung auf die Antragsgegnerinnen zu 3) und zu 4) unzulässig, weil der Rechtsstreit in diesem Prozessrechtsverhältnis infolge Insolvenzeröffnung gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen ist.
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Die Unterbrechung hindert die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht, denn das Bestimmungsverfahren betrifft nicht die Hauptsache selbst, sondern nur die gerichtliche Zuständigkeit für ein Hauptsacheverfahren. Insoweit hat das Bestimmungsverfahren lediglich vorbereitenden Charakter (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, NJW-RR 2014, 248 Rn. 7; v. 21. Januar 2009, Xa ARZ 273/08, juris Rn. 12; OLG Naumburg, Beschluss vom 11. Februar 2014, 1 AR 26/13, MDR 2014, 1349; BayObLG, Beschluss vom 10. September 1985, Allg Reg 38/85, BayObLGZ 1985, 314/315).
17
Das für einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 1955, II ARZ 3/55, BGHZ 19, 108, bei juris Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2002, 1Z AR 42/02, juris Rn. 4) besteht, obwohl einer wirksamen Aufnahme des Rechtsstreits durch den jeweiligen Insolvenzverwalter oder den Antragsteller als Insolvenzgläubiger derzeit entgegensteht, dass zunächst im jeweiligen Insolvenzverfahren die (Anmeldung und) Prüfung der anteiligen Schadensersatzforderung gemäß §§ 174 ff. InsO vorzunehmen ist (vgl. BGH, Urt. v. 3. Juli 2014, IX ZR 261/12, NJW-RR 2014, 1270 Rn. 9). Das Verfahren zur Gerichtsstandsbestimmung hat vorbereitenden Charakter. Konkrete Gründe für die Annahme, dass diese Vorbereitung sinnlos sei, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass eine Aufnahme des Rechtsstreits nicht nur derzeit, sondern dauerhaft ausscheide, sind nicht gegeben. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Entscheidung besteht vielmehr schon deshalb, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Streitverfahren noch durchgeführt wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Mai 1980, Allg Reg 38/80, Rpfleger 1980, 436, juris Rn. 15), und einer Bestimmung nach Aufnahme des Rechtsstreits der dann voraussichtlich fortgeschrittene Verfahrensstand entgegenstehen kann mit der Folge, dass durch Zuwarten die dem Antragsteller mit § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eingeräumte Möglichkeit verloren zu gehen droht.
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b) Eine Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Norm hinaus auch dann noch in Betracht, wenn die Antragsgegner bereits vor einem Gericht verklagt wurden und einzelne von ihnen die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben (BGH, Beschluss vom 27. November 2011, X ARZ 321/18, juris Rn. 10; Beschluss vom 23. Februar 2011, X ARZ 388/10, NJW-RR 2011, 929 Rn. 6 f.; Toussaint in BeckOK, ZPO, 32. Ed. Stand 1. März 2019, § 36 Rn. 19).
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c) Die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3) einerseits sowie zu 1), zu 2) und zu 4) andererseits sind nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen (Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 36 Rn. 28), insoweit auch schlüssigen Vortrag des Antragstellers hinsichtlich des aus der jeweiligen Kapitalanlage hergeleiteten Schadensersatzanspruchs Streitgenossen i. S. v. §§ 59, 60 ZPO.
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Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO setzt voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Der Anwendungsbereich der grundsätzlich weit auszulegenden Vorschrift ist bereits dann eröffnet, wenn die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12). Das ist hier - bezogen auf das jeweilige Anlagegeschäft - der Fall. Die jeweiligen Gesamtschuldner sollen nach dem Klagebegehren Schadensersatz wegen fehlgeschlagener Kapitalanlage leisten. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für deren Haftung (teils aufgrund eigenen, teils wegen zurechenbaren fremden Verschuldens) ist die der Zeichnung jeweils vorausgegangene Beratung. Dass weitere Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zu einzelnen Beklagten von Bedeutung sein mögen, ist unschädlich (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12); auch auf demselben Rechtsverhältnis müssen die Ansprüche nicht beruhen (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, MDR 2011, 807 Rn. 18).
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Zwar besteht keine Streitgenossenschaft aller Beklagten hinsichtlich beider Streitgegenstände. Dies macht es hier jedoch nicht erforderlich, in der Bestimmungsentscheidung zwischen den Anlagegeschäften sowie den betreffenden Beklagtengruppen zu differenzieren, denn die für die Gerichtsstandsbestimmung maßgeblichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte lassen keine rechtserheblichen Unterschiede erkennen.
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d) Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Bestimmungsverfahrens kann offenbleiben, ob der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO eröffnet ist. Eine Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet zwar grundsätzlich nicht statt, wenn für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand im Inland besteht. Aus prozessökonomischen Gründen ist eine Bestimmung allerdings dennoch geboten, wenn das Gericht des Hauptsacheverfahrens Zweifel an seiner Zuständigkeit geäußert hat (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 15).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es auch hier angezeigt, dem Antrag durch eine Bestimmung des Gerichtsstands zu entsprechen.
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aa) Das Landgericht hat aufgrund der erhobenen Zuständigkeitsrüge den Termin zur mündlichen Verhandlung abgesetzt und zu erkennen gegeben, dass es die von der Antragsgegnerin zu 1) erhobenen Einwände teilt.
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Mittlerweile hat der Antragsteller zwar seine Klagebehauptungen um angebliche Prospektfehler ergänzt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass das Landgericht deshalb von den Bedenken gegen seine Zuständigkeit Abstand genommen hätte. Zudem kann ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand für den Rechtsstreit nicht zweifelsfrei aus § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO hergeleitet werden. Die Norm begründet (unter weiteren Voraussetzungen) einen ausschließlichen Gerichtsstand für einen Schadensersatzanspruch „wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist“. Nach dem Klagevorbringen könnte es in Richtung auf die Antragsgegnerin zu 1) an dem danach erforderlichen Bezug zwischen dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch und einer öffentlichen Kapitalmarktinformation fehlen, denn die für die Investitionsentscheidungen kausalen Beratungsgespräche sollen sich gerade nicht am Prospektinhalt - auch wenn dieser fehlerhaft sein sollte -orientiert haben. Der Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist aber dann nicht begründet, wenn die Klage gegen den Anlageberater darauf gestützt wird, er habe dem Anleger die in einer öffentlichen Kapitalmarktinformation aufgeführten Risiken der Anlage verschwiegen (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013, X ARZ 320/13, WM 2013, 1643 Leitsatz 2).
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bb) Auch ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand am Erfüllungsort (§ 29 Abs. 1 ZPO) ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen.
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Schadensersatz wegen Verletzung einer auf Vertrag beruhenden primären Beratungspflicht einerseits und wegen vorvertraglichen Aufklärungsverschuldens andererseits ist jeweils an dem Ort zu erbringen, an dem die verletzte primäre Leistungspflicht bzw. die Hauptleistungspflicht zu erfüllen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ARZ 578/13, ZIP 2014, 243 Rn. 13; Urt. v. 7. November 2012, VIII ZR 108/12, BGHZ 195, 243 Rn. 14; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25 Stichworte „Schadensersatz“, „Nebenpflicht“ und „culpa in contrahendo“). Es ist nicht zu erkennen, dass am klägerseits nicht mitgeteilten Ort der Beratung, an dem die aus dem Beratungsvertrag geschuldete Hauptpflicht zu erbringen war, auch die Hauptleistungspflichten der übrigen Beklagten, nämlich die Verschaffung der (mittelbaren) Gesellschafterstellung, zu erfüllen gewesen wären.
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cc) Schließlich ergibt sich aus dem Vortrag des Antragstellers nichts für einen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand nach § 29c ZPO.
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3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand haben (§§ 12, 13, 17 ZPO).
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Der Senat bestimmt als gemeinsam zuständig das Landgericht Landshut.
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a) Bei diesem Gericht besteht ein (ausschließlicher) Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO jedenfalls für die Klage gegen die Antragsgegnerinnen zu 3) bzw. zu 4), denn diese werden als Gründungsgesellschafterinnen nicht nur nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne, sondern daneben auch wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformation in Anspruch genommen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2016, X ARZ 180/16, NJW-RR 2017, 693 Rn. 11 ff.).
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Anknüpfungspunkt für den Gerichtsstand ist allerdings nicht der Sitz der Antragsgegnerin zu 2), denn diese war entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht „Anbieterin“ der Fondsbeteiligungen. Anbieter i. S. v. § 32b ZPO ist, wer für das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen verantwortlich ist und so auch den Anlegern gegenüber auftritt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013, X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 Rn. 12; vom 30. Oktober 2008, III ZB 92/07, NJW 2009, 513 Rn. 15; Beschluss vom 30. Januar 2007, X ARZ 381/06, NJW 2007, 1364 Rn. 11). Eine solche Rolle hatte die Antragsgegnerin zu 2) weder nach dem Klagevorbringen noch nach dem Inhalt der Prospekte (Anlage K 2: Seiten 18, 32; Anlage K 3: Seiten 40, 132, 134) übernommen.
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Im Bezirk des Landgerichts Landshut befindet sich jedoch der Sitz der Fondsgesellschaften, die zugleich Emittenten der Fondsbeteiligungen sind. Emittent einer sonstigen Vermögensanlage ist nach allgemeiner Meinung derjenige, der sie erstmals auf den Markt bringt und für seine Rechnung unmittelbar oder durch Dritte öffentlich zum Erwerb anbietet (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013, X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 Rn. 10; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 32b Rn. 20; Schultzky in Zöller, ZPO, § 32b Rn. 7a). Nach den Prospekten (Anlage K 2: Seite 49; Anlage K 3: Seite 55) wurden die Beteiligungen von den Fondsgesellschaften selbst emittiert. Deren Sitz im Bezirk des Landgerichts Landshut begründet somit bei diesem Gericht den Gerichtsstand des § 32b ZPO, ohne dass es darauf ankäme, dass die Emittenten selbst nicht mitverklagt sind. Die Vorschrift begründet eine Zuständigkeitskonzentration am Sitz des Emittenten auch für Klagen gegen andere Prospektverantwortliche (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013, X ARZ 320/13, NJW-RR 2013, 1302 Rn. 24; OLG München, Beschl v. 16. Mai 2007, 31 AR 119/07, NJW-RR 2007, 1644).
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Nach dem Inhalt der Prospekte dürften zwar außerdem die Antragsgegnerinnen zu 3) bzw. zu 4) als Anbieter der Vermögensanlagen aufgetreten sein, so dass an deren Sitz der Gerichtsstand des § 32b ZPO ebenfalls eröffnet wäre. Ohne besondere Umstände, die hier nicht gegeben sind, erscheint es jedoch nicht zweckmäßig und prozessökonomisch, zur Auswahl des zuständigen Gerichts auf die Partei(en) abzustellen, gegen die der Rechtsstreit im Zeitpunkt der Bestimmung unterbrochen ist.
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Im Bezirk des ausgewählten Gerichts hat zudem die Antragsgegnerin zu 2) ihren allgemeinen Gerichtsstand. Bei diesem Gericht ist außerdem bereits eine Vielzahl von Anlegerklagen im Zusammenhang mit Beteiligungen an den auch hier betroffenen Fondsgesellschaften rechtshängig. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass den Übrigen Prozessbeteiligten ein Verhandeln vor diesem Gericht nicht zumutbar wäre.
36
b) § 180 InsO begründet keinen abweichenden ausschließlichen Gerichtsstand. Das Verfahren auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle (§ 179 Abs. 1 InsO) kann der Antragsteller nach durchgeführter Forderungsprüfung nur durch Aufnahme des in Richtung auf die Antragsgegnerinnen zu 3) und zu 4) unterbrochenen Verfahrens weiterverfolgen, § 180 Abs. 2 InsO. Eine neue Klage bei dem nach § 180 Abs. 1 InsO ausschließlich zuständigen Gericht am Sitz des Insolvenzgerichts wäre nicht statthaft.
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c) Ob in Richtung auf die Antragsgegnerin zu 1) eine Zuständigkeit des ausgewählten Gerichts bereits aus § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO besteht, bedarf keiner Entscheidung.