Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 06.03.2019 – W 10 K 18.31416
Titel:

Erfolglose Klage eines malischen Staatsangehörigen auf Feststellung eines Abschiebungsverbots

Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz:
Die allgemeine Sicherheitslage in der Region Bamako ist trotz zwischenzeitlich festzustellender Verschlechterungen nicht derart ungünstig, dass sie ein Abschiebungsverbot wegen drohender unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung begründen könnte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Mali), Abschiebungsverbote (verneint), Bedrohung durch einen Marabu, Zwangsrekrutierung von Kindern und Jugendlichen, Abschiebungsverbot, Mali, Bambara, Bamako, Sicherheitslage
Fundstelle:
BeckRS 2019, 14416

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt nach Teilrücknahme seiner Klage noch die Feststellung nationalen zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutzes.
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1. Der Kläger wurde nach eigenen Angaben am … 2001 in Bamako, Mali, geboren und ist malischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit der Bambara und muslimischen Glaubens. Er stellte am 11. August 2017, vertreten durch seinen Amtsvormund, einen auf subsidiären Schutz bzw. auf § 60 Abs. 1 AufenthG beschränkten Asylantrag.
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In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für ... (im Folgenden: Bundesamt) am 15. Mai 2018, die in der Sprache Bambara erfolgte, gab der Kläger im Wesentlichen an, er wisse nur, dass er in Mali geboren sei. Wo genau, sei ihm nicht bekannt. Seine Familie habe in Bamako gewohnt. Personalpapiere habe er nicht. Seine Mutter habe er nicht einmal kennengelernt. Sein Vater sei gestorben, als er 14 Jahre alt gewesen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er mit seinem Vater in Bamako im Stadtteil Sigroni in einem eigenen Haus gewohnt. Das Haus habe nur aus einem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer bestanden. Er habe mit der zweiten Frau seines Vaters und deren Kinder zusammengelebt. Vor der Ausreise Ausreise habe er sich noch bei seinem Bruder aufgehalten, der auch in Sigroni gewohnt habe. Bei diesem habe er jedoch nur einmal übernachtet. Die zweite Frau seines Vaters lebe heute noch mit ihren drei Kindern in der Familienwohnung. Sein Bruder lebe noch in Sigroni, aber nicht alleine, sondern zusammen mit anderen. Es sei sein älterer Bruder. Dieser Bruder habe auch für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Die Stiefmutter habe nur ihre eigenen Kinder versorgt. Es habe immer Probleme mit ihr gegeben. Nachdem sein Vater gestorben sei, habe er keine Ruhe mehr vor ihr gehabt. Sie sei immer so laut gewesen, habe Schlechtes getan gesagt. Sein Vater sei plötzlich krank geworden und dann schnell gestorben. Er sei auf der Arbeit gewesen, wo man ihm mitgeteilt habe, dass sein Vater gestorben sei. Sein Vater sei allerdings schon alt gewesen, sein genaues Alter wisse er aber nicht. Sein Herkunftsland habe er am 31. Dezember 2015 verlassen. Am 23. Mai 2017 sei er in das Bundesgebiet eingereist. Vorher habe er sich in Italien und in der Schweiz aufgehalten. Von der Schweiz aus hätten sie ihn zurück nach Italien geschickt, dann sei er noch einmal zurückgekommen und nur durch die Schweiz durchgereist. In Italien habe er nicht gut leben können, niemand habe sich um ihn gekümmert. Aus der Schweiz sei er zurückgewiesen worden, weil er keine Dokumente gehabt habe. Er habe dort Fingerabdrücke abgegeben, aber keine Asylanhörung gehabt. In Italien habe er ebenfalls keine Anhörung gehabt, es seien ihm aber Fingerabdrücke abgenommen worden. Seine Reise habe sein Bruder bezahlt. Früher habe er keinen Kontakt mehr zu seinem Bruder gehabt, weil er ihn nicht habe erreichen können. Möglicherweise habe sein Bruder Probleme mit seinem Chef gehabt, von dem er das Geld genommen habe. Aber jetzt habe der Kläger wieder Kontakt zu seinem Bruder. Falls dieser es nicht schaffe, das Geld zurückzuzahlen, müsse es der Kläger zurückzahlen. Zu seiner Stiefmutter oder den Stiefgeschwistern habe er keinen Kontakt. Er habe keine Schule besucht, jedoch den Beruf eine Schneiders gelernt. Er habe nur ein bisschen gearbeitet. Er habe wegen seiner Familie nicht mehr arbeiten können. Wegen seiner Familie habe er zu Hause geschneidert. Nachdem sein Vater gestorben sei, habe er keine Ruhe mehr gehabt. Er habe es nicht weitermachen können. Seine zweite Mutter habe ihn nicht unterstützt, alleine habe er es nicht weitermachen können. Das Schneidern habe er von seinem Chef in Sigore gelernt. Dieser hätte ihn weiter unterrichten können, wenn er nicht so viele Probleme mit der Familie gehabt hätte. Wenn man nicht aus einer guten Familie komme, habe man immer Schwierigkeiten beim Chef, so etwas zu machen. Er habe eigentlich keinen festen Lohn erhalten, sondern manchmal nur Kleingeld, wenn sie gut verdient hätten. Das Geld habe er dann immer seinem Vater gegeben. Sein Vater habe Tiere gehabt, eine Kuh und Schafe. Seine Stiefmutter sei Hausfrau. Sein Vater habe alles gemacht und sein Bruder habe ihm ab und zu geholfen. Solange er zuhause gewesen sei, habe er immer zu seinem Bruder gehen können, wenn er Hunger gehabt habe. Wie der Rest der Familie nun zurechtkomme, wisse er nicht.
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Es gebe verschiedene Gründe, weshalb er Mali verlassen habe. Ein Grund sei wegen seiner Familie, ein anderer seien das Land und seine eigenen Probleme. Die Situation sei nicht einfach gewesen. Sein Vater habe zwei Frauen gehabt. Nachdem sein Vater gestorben sei, habe er immer Schwierigkeiten von seiner zweiten Mutter bekommen. Er habe schon gewusst, dass diese ihn nicht möge. Dort, wo sie gewohnt hätten, sei auch ein alter Mann gewesen, der Voodoo betrieben habe, ein Marabu. Er habe angeboten, die Probleme der Leute „anders“ zu lösen. Sie wüssten alle, dass der alte Mann kein Guter sei, dass er schlechte Dinge tue. Der Marabu habe bei sich zu Hause eine Koran Schule betrieben. Den Kindern aber habe er kein Essen gegeben, sondern habe sie zum Betteln geschickt. Der Marabu sei gegen den Kläger gewesen und habe ihn umbringen wollen. Wenn er für seine Mutter habe Wasser holen müssen, sei er am Haus des Marabus vorbeigekommen. Dieser habe dann immer gesagt: „Wenn ich Dich kriege, dann bringe ich Dich um, damit ich richtig viel Geld kriege.“ Der Marabu sie habe auch für reiche Leute gearbeitet, wenn die Hilfe gebraucht hätten, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Auf Frage, weshalb es dem Marabu Geld einbringen sollte, den Kläger umzubringen, erklärte er nicht zu wissen, weshalb dieser das immer so gesagt habe. Er wisse aber, was er mit Kindern machen könne. Manchmal habe er gesagt, er habe eines raugeschickt zum Betteln und es sei nicht wiedergekommen. Im Haus wisse man aber schon, was wirklich geschehen sei. Man habe auch schon Kinder ohne Kopf oder ohne Arme gefunden. In Mali passiere so etwas oft.
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Hierzu ergänzte der Amtsvormund, nach seiner Kenntnis habe die Stiefmutter den Jungen loshaben wollen und den Marabu gebeten, ihn aus dem Weg zu räumen. Es seien auch zwangsweise Jungs an islamistische Gruppen, hier Boko Haram, verkauft worden.
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Der Kläger führte weiter aus, dass ihn der alte Mann jetzt schon hätte, wenn er zu Hause geblieben wäre, weil er keinen Kontakt mit seiner zweiten Mutter gehabt habe. Außerdem habe dieser viele Kontakte zu anderen Leuten gehabt, die islamische Probleme machten. Er habe nur seinem Bruder mitgeteilt, was der alte Mann gesagt habe. Seiner Mutter habe er nichts sagen brauchen, denn es sei ohnehin deren Wunsch gewesen, dass er Probleme bekomme. Sein Bruder habe gesagt, er könne nicht gegen den Marabu kämpfen, weil dieser über der Macht stehe und immer mit reichen und einflussreichen Leuten zu tun habe. Wenn der Kläger zu Hause geblieben wäre, hätte dieser ihn schon gekriegt. Er könnte sich vorstellen, dass seine zweite Mutter beim Marabu dafür bezahlt habe, dass er ihm etwas Böses antue. Sie könne ihn überhaupt nicht leiden. Er habe auch Bauchschmerzen und in Mali habe die Stiefmutter, wenn Besuch da gewesen sei, so getan, als ob sie sich um ihn kümmerte. Wenn sie allein gewesen seien, habe sie ihn mit seinen Schmerzen völlig ignoriert.
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Auf Frage gab der Amtsvormund an, dass der Kläger mehrfach wegen Gastritis behandelt worden sei und ihm zur Diagnose einer Stoffwechselerkrankung bzw. einer Lebensmittelunverträglichkeit Blut abgenommen worden sei.
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Auf Frage, wie oft ihm das mit dem Marabu passiert sei, dass dieser ihn auf bedrohliche Art und Weise angesprochen habe, erklärte der Kläger: Die seien alle zusammen gewesen, sogar mit seinem Vater, die seien alle gleich alt gewesen. Sie hätten zusammen Kaffee getrunken. Das habe erst angefangen, als sein Vater gestorben sei. Als dieser noch am Leben gewesen sei, habe er das nie gesagt. Er wisse selber auch nicht, warum dieser es so mache. Er könne es auch nicht verstehen, weil es früher nicht so gewesen sei. Mit seiner Stiefmutter sei es genauso gewesen, solange sein Vater noch gelebt habe, sei sie nett gewesen. Seitdem sein Vater tot sei, sei alles anders. Weshalb das so sei, wisse er nicht. Er habe quasi nur noch seinen Bruder gehabt. Die Stiefmutter habe zu Hause immer Schlechtes zu ihm gesagt. Sie sei immer so laut gewesen und habe geschrien, wenn er etwas habe machen sollen. Er habe sogar am linken Auge etwas wegen ihr. Die Drohungen des Marabus seien der Hauptgrund, weshalb er seine Heimat verlassen habe. Sie hörten in Mali immer Schlechtes über die Kinder, die verkauft würden. Sie schicke ihn wohin, wo er Schwierigkeiten bekomme. Es gebe Rebellen. Daneben gebe es Leute, die andere einfach wegen Geld umbrächten. Es sei dort so, dass man Leute auch einfach umbringen lassen könne. Die Leute, die er für die „Rebellen“ halte, hätten Kopfbedeckungen, damit man das Gesicht nicht sehe. Sie würden Bomben in Supermärkte und Cafés werfen. Er selbst habe das nicht miterlebt, aber auf dem Weg hierher davon gehört. In Mali werde viel geklaut und umgebracht. Auf dem Weg hierher habe er Araber gesehen, auf dem Weg durch Libyen, die Leute umbrächten. In Mali habe er jedoch niemanden von Angesicht zu Angesicht gesehen. Außerdem habe er zu Hause immer Angst vor der Polizei gehabt. Seine „Polizei“ sei sein Bruder gewesen. Zur Polizei habe er niemals gehen können, weil er Angst gehabt habe. Sie hätten Uniformen und Waffen. Bei seinem Bruder habe er nicht bleiben können, dieser sei alleine, sei nicht verheiratet und auch nicht so alt. Sein Bruder habe nur ihn und sich selbst versorgt. Dieser könne kaum alleine sein Leben bewältigen. Sein Bruder arbeite als Fahrer mit einem kleinen Bus, wie einem Taxi. Er habe immer in Bamako gelebt. Sie seien vorher irgendwo anders gewesen, aber da sei es so laut gewesen und es sei Krieg gewesen. Deshalb seien sie nach Bamako gegangen. Wann das geschehen sei, könne er nicht sagen. Zu Hause würden ihn der alte Mann und die Stiefmutter umbringen. Alten Mann und seine Stiefmutter. Er träume auch davon. Alles, was er erlebt habe, lasse ihn nicht mehr schlafen.
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Der Amtsvormund ergänzt hierzu, aus Vorgesprächen wisse er, dass die Stiefmutter sehr böse gewesen sei, den Kläger auch mit kaltem Wasser geweckt und geschlagen habe. Oft seien Jugendliche verschwunden, die elternlos gewesen seien. Das habe aber niemanden interessiert. Der Marabu habe die Kinder zum Betteln geschickt, und die hätten nicht zurückkommen dürfen, wenn sie nicht entsprechende Geldbeträge erbettelt hätten. Die Bettelplätze seien bekannt gewesen und dort seien auch Männer gewesen, die die Jugendlichen eingesammelt hätten. Der Kläger sei einmal in der Dusche von einem anderen Bewohner mit kaltem Wasser übergossen worden und habe mit Schock und Panik reagiert, habe die Trennwand zerschlagen und sei aschfahl gewesen.
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Auf Frage, ob er bei dem Marabu in der Schule gewesen sei, erklärte der Kläger, er selbst sei nicht dort gewesen. Es seien andere Kinder dort gewesen.
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Mit Bescheid vom 28. Juni 2018 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1 des Bescheides), die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 2) sowie die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG ab (Ziffer 3). Der Kläger wurde unter Androhung der Abschiebung nach Mali aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen (Ziffer 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 5). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Vorbringen des Klägers ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm asyl- oder flüchtlingsschutzrelevante Verfolgungsmaßnahmen wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals drohten. Soweit der Kläger darlege, es sei zu Schwierigkeiten mit der zweiten Frau seines Vaters gekommen, so habe er trotz mehrfacher Nachfragen ausschließlich dargelegt, dass diese „Schlechtes“ zu ihm gesagt hätte, laut gewesen sei oder ihn angeschrien habe. Auf weitere Nachfragen hierzu habe der Kläger allgemein und nicht auf sich persönlich bezogen geantwortet. Eine Verfolgungshandlung durch die Stiefmutter könne damit insgesamt nicht gesehen werden. Auch die Ausführungen zu einem Marabu, der ihm durch Voodoo schaden und ihn töten wolle, führe zu keiner anderen Bewertung. Der in Afrika seit Jahrhunderten weit verbreitete Glaube an übernatürliche Kräfte als Ausfluss der Naturreligionen, insbesondere des Fetischismus, der den Kläger auch zum Verlassen des afrikanischen Kontinents veranlasst haben wolle, entbehre jedweder materiellen Grundlage. Damit entziehe sich dieser einer objektiv im Asylverfahren bewertbaren Eingriffshandlung i.S. asylrelevanter Verfolgungsmaßnahmen bzw. eventuell bestehender Abschiebungsverbote. Vorfluchtgründe seien somit insgesamt nicht ersichtlich. Auch Nachfluchtgründe stünden dem Kläger nicht zur Seite. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen nicht vor. Vom subsidiären Schutz erfasste individuelle Gefahren seien über das bereits Bewertete hinaus weder vorgetragen worden, noch seien diese anderweitig ersichtlich. Auch eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG komme nicht in Betracht. In Teilen Malis herrsche zwar ein unterschiedlich stark ausgeprägter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Form von Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerilla-Kämpfen zwischen den Sicherheitskräften und den islamistischen Gruppen und Milizen sowie anderen oppositionellen Kräften. Insbesondere der Norden Malis sei von Kampfhandlungen verfeindeter Gruppen betroffen. Auch im Süden des Landes und in der Hauptstadt Bamako könne eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden. Der vorliegend festgestellte Grad willkürlicher Gewalt erreiche jedoch nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit im Konfliktgebiet ohne Weiteres Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden müsste. Schließlich habe der Kläger auch keine persönlichen Umstände dargetan, die die Gefahr für ihn so erhöhten, dass von individuellen konfliktbedingten Gefahren gesprochen werden könne, denn es müssten zusätzlich individuelle gefahrerhöhende Umstände zu einer Zuspitzung allgemeiner konfliktbedingter Gefahren geführt haben, welche die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr für den Kläger rechtfertigten. Als individuelle gefahrerhöhende Umstände könnten die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe oder bestimmte, besonders gefährliche Wohnumstände in Frage kommen. Der Kläger habe jedoch zu keinem Zeitpunkt dargelegt, bereits einen ernsthaften Schaden infolge des innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes erlitten zu haben bzw. unmittelbar Gefahr gelaufen zu sein, einen solchen zu erleiden. Folglich hätten sich die allgemeinen konfliktbedingten Gefahren in seiner Person nicht schutzauslösend zugespitzt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger bei Rückkehr nach Mali einer individuellen Gefahrerhöhung ausgesetzt wäre. Nationale Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in der Republik Mali führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Darüber hinaus habe auch nicht die Überzeugungsgewissheit gewinnen können, dass der Kläger bei Rückkehr einer extremen allgemeinen Gefahr ausgesetzt sei, weil er untypisch von Hilfe und Unterstützung durch im Herkunftsland verbliebene Angehörige ausgeschlossen werde. Die Familie spiele im afrikanischen Alltagsleben nach wie vor eine bedeutende Rolle. In städtischen Ballungsräumen möge zwar ihre Bedeutung im Vergleich zu ländlichen Gebieten in den Hintergrund treten, dennoch sei es auch hier die Familie, die dem Einzelnen Unterstützung und Schutz gewähre. Nach den Darstellungen des Klägers lebe sein leiblicher älterer Bruder, der berufstätig und alleinstehend sei, noch in Mali. Unter den gegebenen Umständen sei davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr von diesem aufgenommen und weiterhin unterstützt werde. Auch das notwendige Existenzminimum sei insofern gesichert, da der Kläger angegeben habe, sein Bruder gehe einer Tätigkeit als Fahrer nach. Auch unter Berücksichtigung seiner für die Ausreise ursächlichen Gründe könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger entgegen den gesellschaftlichen Verhältnissen in seinem Herkunftsland nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich allein gestellt wäre. Darüber hinaus sei es ihm möglich gewesen, sich in der Zeit von seiner Ausreise bis zur Einreise ins Bundesgebiet, mithin in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren, in den von ihm genannten Ländern zu versorgen. Weshalb ihm dies bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland nicht möglich sein sollte, sei nicht ersichtlich. Bei wertender Gesamtschau könne somit nicht von einer mangels Geldmitteln oder familiärer Unterstützung zugespitzten extremen Gefahrenlage ausgegangen werden. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liege nicht vor. Soweit sich die Klägerseite darauf berufe, dem Kläger sei mehrfach Blut entnommen worden, um eine Stoffwechselerkrankung oder Lebensmittelunverträglichkeit auszuschließen, begründe dies kein Abschiebungsverbot. Trotz Aufforderung im Rahmen der persönlichen Anhörung seien keinerlei medizinische Unterlagen zur Akte gereicht worden. Die bloße Behauptung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung reiche nicht aus. Der Kläger verfüge nach eigenem Bekunden über keinerlei familiäre oder sonstige Bindungen im Bundesgebiet, die im Rahmen der Ermessensprüfung bei der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen wären.
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Der Bescheid wurde dem Kläger am 4. Juli 2018 zugestellt.
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2. Am 17. Juli 2018 erhob der Kläger durch seinen Amtsvormund Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg mit den Anträgen:
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Juni 2018, Geschäftszeichen …, eingegangen am 4. Juli 2018, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Flüchtlingseigenschaft des Klägers anzuerkennen und festzustellen,
hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen von § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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3. Die Beklagte beantragt demgegenüber,
die Klage abzuweisen.
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4. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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5. In der mündlichen Verhandlung am 1. März 2019 nahm der Kläger die Klage zurück, soweit die Verpflichtung zur Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes bzw. des subsidiären Schutzes beantragt war. Insoweit wurde das Verfahren nach Abtrennung der zurückgenommenen Klageteile eingestellt (Aktenzeichen W 10 K19.30438).
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Des Weiteren stellte der Kläger den Antrag,
die Beklagte zu verpflichten, in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG festzustellen und den Bescheid des Bundesamts vom 28. Juni 2018 aufzuheben, soweit er dieser Feststellung entgegensteht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtssowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift vom 1. März 2019.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die das Gericht trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO), hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes hinsichtlich Malis (1.). Die Ablehnung dieses Begehrens einschließlich der Abschiebungsandrohung sowie der Befristung der Wiedereinreisesperre (2.) im Bescheid des Bundesamtes vom 28. Juni 2018 sind deshalb rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Dem Kläger steht kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG zu.
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a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Aus § 60 Abs. 5 AufenthG folgt, dass ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes besteht, wenn dem Kläger im Zielstaat der Abschiebung eine solche verbotene Behandlung mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit (real risk) droht.
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(1) Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist in Art. 3 EMRK nicht näher definiert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ist eine unmenschliche Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M. S. S., Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.; Jarass, Charta der Grundrechte, Art. 4 Rn. 9; Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.), die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen (EGMR, U.v. 11.7.2006 - Jalloh, Nr. 54810/00, NJW 2006, 3117, 3119 Rn. 67; Jarass, a.a.O.; Hailbronner, a.a.O.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Personen zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 4 AsylVfG Rn. 22 ff.). Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Misshandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um unter Art. 3 EMRK zu fallen. Die Beurteilung dieses Mindestmaßes ist relativ und hängt von allen Umständen des Einzelfalls ab, wie die Dauer der Behandlung und ihre physischen und psychischen Wirkungen und manchmal das Geschlecht, das Alter und der Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, U.v. 21.1.2011 - M. S. S., Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413, Rn. 220 ff. m.w.N.).
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(2) Im Falle des Klägers liegen zur Überzeugung des Gerichtes im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) die oben genannten Voraussetzungen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung nicht vor. Der Kläger hat als Hauptgrund seiner Ausreise aus seinem Herkunftsland eine derartige Bedrohung durch den alten Mann, einen Marabu - d.h. eine Art religiösen Führer - aus der Nachbarschaft vorgetragen. Dieser habe ihn auf Veranlassung der Stiefmutter entweder umbringen oder für eine terroristische Gruppe zwangsrekrutieren wollen. Es ist jedoch weder vom Kläger substantiiert vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Mali derartigen Gefahren (erneut) ausgesetzt wäre. Denn der Kläger ist inzwischen erwachsen und selbständig, weshalb er weder zur Zielgruppe der geschilderten Zwangsrekrutierung gehört, noch gezwungen ist, sich erneut in Abhängigkeit von seiner Stiefmutter zu begeben. Des Weiteren hat der Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm staatlicher Schutz gegen derartige Bedrohungen verweigert würde. Der Kläger hat hierzu lediglich angegeben, er fürchte sich vor der Polizei. Nach den einschlägigen Erkenntnismitteln wacht der Staat im Süden des Landes Mali über die Einhaltung der Grundrechte und wird hier auch seiner Schutzaufgabe gerecht. Repressionen durch Dritte in Form von Misshandlungen, Entführungen, Verhaftungen, psychischer Gewalt oder sonstigen willkürlichen Handlungen werden vom Staat unterbunden und unter Strafe gestellt. Sie kommen in unter staatlicher Kontrolle stehenden Landesteilen so gut wie nicht vor (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali, Stand Juni 2018, S. 12). Im Übrigen wäre der Kläger nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer landesweiten Gefahr ausgesetzt, welcher er nicht durch Ausweichen an einen anderen Ort entgehen könnte. Es besteht für ihn die Möglichkeit, in einen anderen Stadtteil von Bamako oder in eine andere Region im Süden Malis auszuweichen. In den Ausgleichgebieten im Süden bestehen effektive zivile und militärische Verwaltungsstrukturen. Mali nimmt eigene Staatsangehörige nach erfolgter Rückführung wieder auf, sie unterliegen keinen staatlichen Repressalien. Die räumliche Freizügigkeit ist gewährleistet, sodass Rückkehrer in denjenigen Landesteilen verbleiben können, in denen der Staat die Einhaltung der Grundrechte garantiert (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O., S. 12/13; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Mali, Stand 16.1.2018, S. 15). Die wirtschaftlichen und sozialen Existenzbedingungen in den Ausweichengebieten sind oft besser als in den nicht staatlich kontrollierten Teilen des Landes, wenngleich dies durch die hohe Arbeitslosigkeit relativiert wird (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht a.a.O., S. 12).
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(3) Die vom Kläger - unter Verweis auf aktuelle Presseberichterstattung - vorgetragene schlechte Sicherheitslage in Mali stellt einen Gesichtspunkt des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG dar. Diesen Klageteil hat der Kläger jedoch zurückgenommen. Soweit aus der Sicherheitslage resultierende Gefahren unter dem Aspekt des § 60 Abs. 5 AufenthG zu prüfen sind (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 48 f., 51), stehen diese einer Abschiebung jedoch nicht entgegen.
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Die allgemeine Sicherheitslage ist in der Region Bamako trotz zwischenzeitlich festzustellender Verschlechterungen nicht derart ungünstig, dass sie ein Abschiebungsverbot wegen drohender unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung begründen könnte. Die Erkenntnismittel berichten zwar von terroristischen Anschlägen auch in Bamako. Das Risiko von Attentaten besteht jederzeit landesweit, wobei zu den potentiellen Zielen von Terrorangriffen insbesondere öffentliche und touristische Einrichtungen zählen sowie große Menschenansammlungen, z.B. belebte Märkte, Einkaufszentren, öffentlicher Verkehr, kulturelle Anlässe, bekannte internationale Hotels und beliebte Restaurants (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Mali, Gesamtaktualisierung vom 16.1.2018, S. 6). In den Regionen Mopti, Timbuktu, Gao, Kidal und anderen Landesteilen kommt es immer wieder zu Anschlägen, die Tote und Verletzte fordern. So forderte ein terroristisches Attentat am 16. Juni 2017 auf ein bei Ausländern beliebtes Hotel in der Region Bamako mehrere Todesopfer und Verletzte. Am 22. November 2015 forderte ein terroristisches Attentat in einem internationalen Hotel in Bamako mehrere Todesopfer und Verletzte. Am 7. März 2015 wurde ein terroristischer Überfall auf ein bei Ausländern beliebtes Restaurant in Bamako verübt, bei welchem mehrere Personen erschossen oder verletzt wurden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O.). Auch im Süden des Landes und in der Hauptstadt Bamako kann deshalb zwar eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden. Dies genügt jedoch nicht, um die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechtsgüter des Art. 3 EMRK allein aufgrund der Anwesenheit einer Person in diesem Gebiet ohne besondere, gefahrerhöhende Merkmale anzunehmen.
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(4) Des Weiteren folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (vgl. BVerwG; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 - Nr. 26565/05, N./Vereinigtes Königreich - NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 Nr. 8319/07, Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich - NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris Rn. 17 f.).
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Die Versorgungslage in Mali stellt sich derzeit wie folgt dar:
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Seit der Krise ist die wirtschaftliche Entwicklung Malis stabil, das hohe Bevölkerungswachstum stellt aber besonders für die mehrheitlich junge malische Bevölkerung ein hohes Armutsrisiko dar (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Mali, Stand 16.1.2018, S. 16). Im Jahr 2016 belief sich das Wirtschaftswachstum auf geschätzt 5,4%, welches auf verbesserte Rahmenbedingungen wie die Verbesserung der Sicherheitslage in mehreren Landesteilen, politische Fortschritte und die daraus resultierende Wiederaufnahme der Unterstützung durch internationale Geber sowie auf günstige Wetterbedingungen zurückzuführen ist (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl a.a.O.). Die Wirtschaft in Mali ist geprägt von der Dominanz des Agrarsektors sowie der rasch zunehmenden Bedeutung des Goldbergbaus. Es besteht ein deutliches Süd-Nord-Gefälle der wirtschaftlichen Entwicklung. Südmali mit der Agglomeration Bamako - der Herkunftsregion des Klägers -, der Baumwollanbauzone und den Goldbergbaugebieten weist deutlich bessere Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung auf als die zentralen und nördlichen Landesteile. Von sehr erheblicher Bedeutung sind die Rücküberweisungen von im Ausland lebenden Personen aus Mali (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O.). Die Verringerung der Armut macht, unter anderem wegen des hohen Bevölkerungswachstums sowie institutioneller Schwächen, nur langsam Fortschritte. Mali zählt zu den ärmsten Ländern der Erde; über 50% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O.). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in den vom Staat kontrollierten Gebieten größtenteils gewährleistet. Im Zentrum des Landes sowie in der Region Menaka hat sich die humanitäre Lage jedoch in letzter Zeit deutlich verschlechtert. Den Vereinten Nationen zufolge erhöht sich die Zahl der landesweit akut unterernährten Menschen im Jahr 2018 von rund 163.000 auf rund 274.000 und die Zahl der moderat unterernährten Menschen von 470.000 auf 582.000, darunter befindet sich eine Vielzahl von Kindern. Staatliche Unterstützungsinstrumente für bedürftige Personen gibt es außerhalb der (sehr rudimentären) Kranken- und Rentenversicherung nicht. Der überwiegende Teil der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft oder von Tätigkeiten im informellen Sektor und ist selbst dabei oft abhängig von internationaler Entwicklungshilfe (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali, Stand Juni 2018, S. 15; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, a.a.O., S. 17). Die Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz im modernen Wirtschaftssektor (Industrie und Dienstleistungen) zu finden, beschränken sich weitgehend auf die Städte. Aufgrund der Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und der anhaltend hohen Zuwanderung aus dem ländlichen Raum stellt die Arbeitslosigkeit auch in den Städten ein ernstes Problem dar, wovon auch zahlreiche Hochschulabsolventen betroffen sind. Hieran konnten bislang auch staatliche Förderprogramme nur wenig ändern. Gewerkschaften engagieren sich unter anderem gegen Arbeitsplatzabbau infolge der Privatisierung staatlicher Unternehmen und für bessere Arbeitsbedingungen in den Goldminen (vgl. zum Ganzen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl a.a.O., S. 17). Im Falle akuter Krisen (beispielsweise längeren Trockenperioden oder Flutkatastrophen) ist humanitäre Hilfe aus dem Ausland zur Abwendung der Situation dringend notwendig. Rückkehrer werden jedoch durch regionale Büros der IOM sowie auf dem Gebiet tätiger Nichtregierungsorganisationen betreut (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 15).
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Das erkennende Gericht hat auch unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass dem Kläger im Anschluss an eine Rückkehr nach Mali die Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz gegebenenfalls auch ohne ein familiäres Netzwerk möglich sein wird, zumal er aus der wirtschaftlich bessergestellten Region um die Hauptstadt Bamako stand. Erforderlich und ausreichend ist insoweit, dass er durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und seiner Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, die nicht den überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 1.2.2007 - 1 C 24.06 - NVwZ 2007, 590; OVG NRW, U.v. 17.11.2008 - 11 A 4395/04.A - juris Rn. 47). Es ist nicht feststellbar, dass der Kläger in Mali eine diesen Anforderungen genügende Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nicht vorfinden bzw. nicht nutzen können wird. Er hat in Mali nach eigenen Angaben den Beruf eines Schneiders erlernt und könnte versuchen, wieder in diesem Beruf zu arbeiten. Eine Erwerbsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen ist nicht ersichtlich, insbesondere durch den vorgelegten psychologischen Befundbericht vom 22.2.2019 nicht belegt (vgl. § 60a Absatz 2c AufenthG). Von seiner Arbeitsfähigkeit ist daher auszugehen. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger Unterstützung durch seinen Bruder erhalten könnte, auch wenn der Kontakt, wie von ihm vorgetragen, zwischenzeitlich unterbrochen sein sollte. Es ist angesichts dessen nicht erkennbar, warum es dem Kläger weder möglich noch zumutbar sein sollte, nach seiner Rückkehr nach Mali gegebenenfalls auch ohne Einbindung in ein familiäres Netz Fuß zu fassen. Nicht zuletzt hat der Kläger auch als relativ junger, gesunder und auch heute noch arbeitsfähiger Mann durch seine Reise nach Europa bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann (vgl. VG München, U.v. 9.11.2018 - M 21 K 17.42545 - juris Rn. 30).
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b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenfalls nicht ersichtlich. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger insbesondere nicht aus einer extremen Gefahrenlage in Mali.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
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Mangels einer derartigen Abschiebestopp-Anordnung stellen die nach den eingeführten Erkenntnisquellen problematische Sicherheitslage in Mali sowie die unzureichende Versorgungslage allgemeine Gefahren dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen können. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Mali erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alledem BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 24.10 - BVerwGE 137, 226 = juris). Eine derart extreme Gefahrenlage liegt für den Kläger nicht vor. Insoweit kann auf die Ausführungen unter (a), (4)) verwiesen werden.
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2. Schließlich bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 1, 38 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Dasselbe gilt für die Anordnung der Wiedereinreisesperre gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG sowie die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).