Inhalt

Anwaltsgerichtshof München, Urteil v. 13.03.2019 – BayAGH I-1-13/18
Titel:

Zulassung als Syndikusrechtsanwältin - Tätigkeit als Schadenanwältin

Normenkette:
BRAO § 46
Leitsätze:
1. Eine Tätigkeit als Schadensreguliererin, welche die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhaltes sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, die Erteilung von Rechtsrat und die Gestaltung von Rechtsverhältnissen umfasst, die nicht richtliniengebunden ist (vgl. BGH BeckRS 2019, 2048 Rn. 26 ff.) und eine volljuristische Ausbildung verlangt, entspricht den Anforderungen von § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob eine Erteilung von Rechtsrat iSd § 46 Abs. 2 Nr. 3 BRAO vorliegt ist davon unabhängig, ob der Angestellte nach Prüfung des Falles sich mit seinem Vorgesetzten austauscht oder selbständig entscheidet, weil das Handeln für den Arbeitgeber nach juristischer Prüfung die Erteilung von Rechtsrat umfasst. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 BRAO), besteht auch bei einem „Vier-Augen-Prinzip“ oder bei Gesamtvertretung mit zweiter Unterschrift, dagegen nicht mehr bei alleiniger Entscheidung durch einen Vorgesetzten, wenn auch auf Empfehlung des Sachbearbeiters. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Zulassungsbescheid als Syndikusrechtsanwalt muss das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind (ebenso BGH BeckRS 2018, 27936 Rn. 9). (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Syndikusrechtsanwalt, Schadenanwalt, Schadensregulierung, Erteilung von Rechtsrat, Gesamtvertretung, Bestimmtheit
Fundstellen:
BRAK-Mitt 2019, 153
LSK 2019, 11954
BeckRS 2019, 12149

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2018, Az.: …, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für ihre Tätigkeit als Schadenanwältin bei der G. GmbH gemäß Anstellungsvertrag vom 19.07.2011/27.07.2011 mit Nachtrag und Tätigkeitsbeschreibung vom 30.03.2016/06.04.2016 mit Wirkung ab dem 02.05.2016 als Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) zuzulassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.
V. Die Berufung wird nicht zugelassen
VI. Der Streitwert des Verfahrens wird auf € 50.000,00 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die am … geborene Klägerin ist seit 16.06.2016 bei der Beklagten als Rechtsanwältin zugelassen. Laut Anstellungsvertrag vom 19./27.07.2011 wurde sie bei der G. GmbH als „Sachbearbeiterin Kraftfahrt-Haftpflicht-Großschaden in der Abteilung Kraftfahrtschaden“ eingestellt.
2
Für diese Tätigkeit beantragte sie mit Schreiben vom 27.04.2016 die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin und legte hierfür einen Nachtrag zum Anstellungsvertrag und eine Tätigkeitsbeschreibung vom 30.03/06.04.2016 vor. Danach sei die Klägerin in der Abteilung beschäftigt, die alle komplexen und hochkomplexen Kraftfahrtschäden bearbeite und dabei auch für die vollumfängliche Abwicklung von großen Personenschäden zuständig. Im Fokus stehe die juristische Korrespondenz mit den Geschädigten und deren Rechtsanwälten. Es handele sich dabei sowohl vom Sachverhalt als auch von den juristischen Problemstellungen herum sehr verschiedenartige und teilweise hochkomplexe Fälle, die eigenverantwortliches Handeln erforderten. Die Tätigkeit sei durch die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhalts sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, die Erteilung von Rechtsrat, die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen und die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten, geprägt. Für die Erteilung von Rechtsrat bereite die Klägerin bei bedeutungsvollen Großschäden alle entscheidungserheblichen Umstände und Ergebnisse in eigener Recherche für die Abstimmung mit dem anwaltlichen Vorgesetzten vor. In den anschließenden Abstimmungs- und Entscheidungsprozess bringe sie ihren Rechtsrat ein und nehme dadurch auf die Entscheidungen streitiger Rechtsfragen wesentlichen Einfluss. Darüber hinaus analysiere sie Gesetzgebungsvorhaben, Gesetzesänderungen sowie die höchstrichterliche Rechtsprechung im Hinblick auf etwaige Auswirkungen auf die tägliche Praxis und gebe diese Erkenntnisse an andere Mitarbeiter der Gesellschaft oder des Konzerns weiter.
3
Die hierzu angehörte D. erhob mit Schreiben vom 05.04.2017 Einwendungen gegen die beantragte Zulassung. Aus der Tätigkeitsbeschreibung vom 30.03.2016 ergebe sich, dass die Antragstellerin überwiegend mit einer klassisch sachbearbeitenden Tätigkeit im Bereich der Schadensregulierung betraut sei. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht durch eine anwaltliche Tätigkeit geprägt, insbesondere fehle es an der gem. § 46 Abs. 3 BRAO erforderlichen Prüfung von Rechtsfragen und Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen.
4
Daraufhin konkretisierte die Klägerin ihre Tätigkeit in weiteren Schreiben vom 16.05.2017 und 13.11.2017 dahingehend, dass die Erteilung des Rechtsrats dem Gruppen- bzw. Abteilungsleiter sowie Kollegen anderer Abteilungen gegenüber erfolge. Die Schadensregulierung werde weisungsfrei und fachlich unabhängig im Rahmen einer Vollmacht bis 50.000,00 EUR vorgenommen. Zur anwaltlichen Prägung der Tätigkeit wird ausgeführt, dass die Klägerin in der Kraftfahrt-Haftpflicht-Sparte über hochkomplexe Sach- und Personenschäden entscheide. Die rechtliche Auseinandersetzung mit geschädigten Dritten nach Gesetz und Rechtsprechung nehme mindestens 90% ihrer Tätigkeit in Anspruch.
5
Mit Bescheid vom 02.02.2018 versagte die Beklagte die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Aus den eingereichten Unterlagen ergebe sich nicht, dass die Tätigkeit die Klägerin anwaltlich geprägt werde im Sinne des § 46 Abs. 3 BRAO. Insbesondere bestünden Zweifel an der Erfüllung des Kriteriums der Erteilung von Rechtsrat nach § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO. Es sei erforderlich, dass dem Arbeitgeber als Mandanten des Syndikusrechtsanwalts Rechtsrat erteilt werde § 46 Abs. 2 BRAO. Aus der Tätigkeitsbeschreibung gehe nicht hervor, in wie weit die Tätigkeit der Klägerin von den eigenen Entscheidungen oder von der Rechtsberatung geprägt sei. Die Analyse von Gesetzgebungsvorhaben und die Schulung von Mitarbeitern ließen sich mangels Zuordnung zu konkreten Rechtsfällen nicht unter das Kriterium der Erteilung von Rechtsrat subsumieren. Nach Angabe die Klägerin nehme die Erteilung von Rechtsrat 20% ihrer Gesamttätigkeit ein. Unter den genannten Tätigkeiten befänden sich jedoch auch solche, die nicht ohne weiteres hierunter eingeordnet werden könnten. Auch wenn juristische Tätigkeiten vorgenommen würden, läge nach der Gesamtschau der dargestellten Tätigkeiten keine anwaltliche Prägung vor.
6
Gegen diesen ihr am 03.02.2018 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.02.2018, eingegangen beim Anwaltsgerichtshof am selben Tag, Klage. Sie ist der Auffassung, der Versagungsbescheid sei rechtswidrig. Die dargelegte Tätigkeit für ihre Arbeitgeberin entspreche den besonderen Zulassungsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2 - 5 BRAO. Es bestünden keine Zweifel an der Prägung der Beschäftigung durch anwaltliche Tätigkeit. Insbesondere sei das Merkmal der Erteilung von Rechtsrat nach § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO erfüllt. Es handele sich nämlich auch dann um die Erteilung von Rechtsrat für den Arbeitgeber, wenn der anwaltliche Mitarbeiter aufgrund der ihm vom Arbeitgeber erteilten Kompetenzen sich selber Rechtsrat erteile, indem er nach Prüfung von Rechtsfragen über den Weg entscheide, den er für seinen Arbeitgeber gehe. Darüber hinaus berate die Klägerin den Gruppen- und/oder Abteilungsleiter sowie Kollegen aus anderen Abteilungen zu komplexen Fragen im Bereich der Kraftfahrt-Haftpflicht. Im Rahmen der Prozessführung berate sie den Gruppenleiter hinsichtlich der Erfolgsaussichten, Prozesskostenrisiken und Prozessstrategie. Außerdem sei sie in der Fort- und Ausbildung von Mitarbeitern tätig. Da die Klägerin Rechtsfragen prüfe, in erheblichem Umfang Rechtsverhältnisse gestalte und die Arbeitgeberin nach Außen verantwortlich vertrete, ergebe sich ein schlüssiges Gesamtbild prägend anwaltlicher Tätigkeit im Sinne von § 46 Abs. 3 BRAO.
7
Die Klägerin beantragt,
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 02.02.2018 - Aktenzeichen … - wird aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) gem. §§ 46 Abs. 2, 46a BRAO für die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit bei der G. GmbH aufgrund des Antrags vom 27.04.2016 zuzulassen.
3.
hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt über den Antrag vom 27.04.2016 auf Zulassung anhand der Auffassung des AGH neu zu entscheiden.
8
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
9
Zur Begründung führt sie aus, die Klägerin habe das in § 46 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 1 BRAO enthaltene Merkmal der Rechtsberatung nicht dargelegt. Der Rechtsrat, den eine Syndikusrechtsanwältin erteile, müsse auf den Einzelfall, das heißt, das spezielle Problem des Arbeitgebers, in einer konkreten Situation gerichtet sein. Soweit die Klägerin die Beratung der Gruppen- und Abteilungsleiter sowie Kollegen anführe, werde nicht erläutert, um welche Fragen und Beratungen es sich dabei handele. Die Analyse von Gesetzgebungsvorhaben und Gesetzesänderungen sowie höchstrichterlicher Rechtsprechung betreffe nicht den Einzelfall und lasse sich nicht als Rechtsrat einordnen. Die Weitergabe von Erkenntnissen im Rahmen interner Gruppenrunden und Schulungsveranstaltungen an Kollegen sei ebenfalls nicht als Rechtsrat zu qualifizieren. Ein sich selbst erteilter Rechtsrat könne nicht als solcher für den Arbeitgeber ausgelegt werden, da er einem Dritten erteilt werden müsse. Unabhängig davon, dass die Zulassung bereits am fehlenden Merkmal der Erteilung von Rechtsrat scheitere, könne aufgrund der Angaben der Klägerin eine Prägung ihres Beschäftigungsverhältnisses durch anwaltliche Tätigkeit nicht angenommen werden. Denn die Klägerin benenne nicht konkret, welche der beschriebenen Aufgaben nicht anwaltlicher Natur seien und wie sich diese nicht anwaltlichen Aufgaben über ihre Arbeitszeit verteilten. Im Übrigen sei auch problematisch, ob eine vertraglich geregelte jederzeitige Versetzbarkeit der Klägerin auf eine Position, die den Anforderungen des § 46 Abs. 3 BRAO nicht entspreche, eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin rechtfertige.
10
Hierauf erwiderte die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.05.2018, soweit sich die Beklagte gegen die Bejahung des Merkmals der Erteilung von Rechtsrat wende, widerspreche sie ihrer eigenen Stellungnahme aus den Kammermitteilungen, wonach die Zulassung nicht deshalb verneint werden dürfe, weil derjenige, der Rechtsrat erteile, auch selbst darauf basierend eine Entscheidung treffe. Im Übrigen habe die Beklagte einem Kollegen aus der Abteilung der Klägerin für exakt die gleiche Tätigkeit die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erteilt.
11
Mit Schriftsätzen vom 14.02. und 20.02.2019 wies die Klägerin auf neueste Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sowie des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs hin, wonach es sich bei der Tätigkeit von Schadensanwälten um typische anwaltliche Tätigkeiten handele. Ferner legte sie mit Schreiben vom 18.02.2019 eine Bestätigung ihres Arbeitgebers zur Weisungsfreiheit der Tätigkeit vor.
12
Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 18.02.2019 auf die klägerseits angeführten Entscheidungen Bezug. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.01.2019 ergebe sich gerade, dass Aufgaben, die den Kompetenzrahmen des Antragstellers übersteigen, nicht zu den eigenverantwortlich ausgeübten Tätigkeiten i.S. des § 46 Abs. 3 u. 4 BRAO gehörten. Dem Vorbringen der Klägerin sei jedoch nicht zu entnehmen, in welchen Umfang und wie häufig der ihr eingeräumte Kompetenzrahmen bei ihren Aufgaben überschritten werde. Im Übrigen seien die von der Klägerin genannten Urteile des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs allesamt nicht rechtskräftig. Schließlich betont sie nochmals, dass die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Klägerin auch im Hinblick auf ihre im Anstellungsvertrag vereinbarte jederzeitige Versetzbarkeit zweifelhaft erscheine.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
14
Der Senat hat die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 25.02.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
15
Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben (§ 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 74 Abs. 1, Abs. 2 VwGO). Gemäß Art. 15 BayAGVwGO war ein Vorverfahren nach § 68 VwGO nicht durchzuführen.
II.
16
Die Klage ist auch begründet.
17
Die Ablehnung des von der Klägerin erstrebten Verwaltungsakts - ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach §§ 46 f. BRAO - ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erlass des von ihr begehrten Verwaltungsakts zu, da sie alle Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin nach § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO erfüllt.
18
Gemäß § 46 a Abs. 1 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.
19
1. Die beiden erstgenannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin gegeben. Sie verfügt über die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz (§ 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO) und es liegt bei ihr keiner der in § 7 BRAO genannten Gründe für eine Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft vor.
20
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspricht die Tätigkeit der Klägerin, wie § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO dies verlangt, auch den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO
21
a) Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO üben Angestellte anderer als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften - dies sind Rechtsanwälte, Patentanwälte oder rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften - ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). Eine anwaltliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt nach § 46 Abs. 3 BRAO vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch fachlich unabhängige und eigenverantwortliche Tätigkeiten im Sinne des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO geprägt ist. Entscheidend ist insoweit, dass die anwaltliche Tätigkeit den Kern beziehungsweise Schwerpunkt der Tätigkeit darstellt, mithin die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses qualitativ und quantitativ ganz eindeutig prägende Leistung des Rechtsanwalts ist und damit das Arbeitsverhältnis durch die anwaltliche Tätigkeit beherrscht wird. Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO ist die fachliche Unabhängigkeit der genannten Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. (BGH, Beschluss vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 21/17, juris Rn. 5; BGH, Urteil vom 02. Juli 2018 - AnwZ (Brfg) 49/17 -, Rn. 34, juris, BT-Drucks. 18/5201, S. 19, 29 f.). Gemäß § 46 Abs. 4 Satz 2 BRAO ist die fachliche Unabhängigkeit der genannten Berufsausübung des Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. Schließlich sieht § 46 Abs. 5 BRAO vor, dass sich die Befugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung und Vertretung auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt.
22
b) Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats erfüllt. Nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 108 Abs. 1 VwGO entscheidet der Senat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die diesbezügliche Bewertung der schriftlichen Unterlagen, denen für den Nachweis maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. § 46a Abs. 3 BRAO; BGH vom 12. März 2018 - AnwZ (Brfg) 15/17, a.a.O. Rn. 8; BT-Drucks. 18/5201, S. 34), und die Anhörung der Klägerin gaben - entgegen der Auffassung der Beklagten - keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln an ihrer Richtigkeit.
23
Dass und wodurch die Tätigkeit der Klägerin den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht, wurde in der Tätigkeitsbeschreibung vom 30.03.2016 ebenso ausführlich wie überzeugend dargelegt und von der Arbeitgeberin der Klägerin (Schreiben v. 08.02. und 14.02.2017) sowie der Anhörung der Klägerin vor dem Senat bestätigt. Danach gehört zu ihren Aufgaben, wie § 46 Abs. 3 BRAO es erfordert, die Prüfung von Rechtsfragen einschließlich der Aufklärung des Sachverhaltes sowie das Erarbeiten und Bewerten von Lösungsmöglichkeiten, die Erteilung von Rechtsrat sowie die Gestaltung von Rechtsverhältnissen insbesondere durch das selbständige Führen von Verhandlungen und die Verwirklichung von Rechten; sie hat auch die Befugnis, nach außen verantwortlich aufzutreten. Insbesondere ist die Klägerin danach bei ihrer Tätigkeit als Schadensreguliererin nicht richtliniengebunden (vgl. dazu zuletzt BGH vom 29.01.2019, AnwZ (Brfg) 16/18, Rz. 26 ff.) und verlangt ihre Tätigkeit eine volljuristische Ausbildung mit Kenntnissen insbesondere im zivilrechtlichen Haftungs- und Versicherungsrecht, aber auch im SozialUnterhalts- und Steuerrecht, sodass auch hier dahinstehen kann, ob eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin überhaupt eine gewisse fachliche Breite und fachliche Tiefe voraussetzt (vgl. dazu zuletzt ebenfalls BGH vom 29.01.2019, AnwZ (Brfg) 16/18, Rz. 19 ff., zu einer Sachbearbeiterin in der Abteilung Kraftfahrtschaden eines Versicherungsverein a.G.).
24
Zu den von der Beklagten gegen die beantragte Zulassung erhobenen Einwänden ist ergänzend folgendes auszuführen:
25
aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Merkmal des § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO, Erteilung von Rechtsrat, erfüllt.
26
(1) § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO setzt voraus, dass nach Klärung der Sach- und Prüfung der Gesetzeslage sowie Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten auch Rechtsrat erteilt wird. Dies bezieht sich auf den dem Mandanten (Arbeitgeber) erteilten beziehungsweise zu erteilenden Rechtsrat (Träger, in Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl., § 46 Rn. 32-33, BT-Drs. 18/5201, S. 28).
27
(2) Die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat plausibel und nachvollziehbar angegeben, dass sie nach Ermittlung des dem Schadensfall zugrundeliegenden Sachverhalts, Prüfung und Klärung damit verbundener Fragen, die nicht nur im Haftungs- und Versicherungsrecht sondern auch im SozialUnterhalts- und Steuerrecht liegen könnten, über die Deckung dem Grunde nach entscheide. Wenn sie zu dem Ergebnis gelange, dass die Versicherung eintreten müsse und der Schadensfall aus ihrer Sicht abschlussreif sei, bereite sie einen Vergleichsabschluss vor. Diesen erhalte ihr Vorgesetzter zur Kenntnisnahme (bis 500.000,- EUR Regulierung der Gruppenleiter, ab 500.000,- EUR auch der Abteilungsleiter). Damit erteilt sie ihrer Arbeitgeberin Rechtsrat. Dies ist unabhängig davon zu bejahen, ob die Klägerin nach Prüfung des Falles sich mit ihren Vorgesetzten austauscht oder selbständig entscheidet, weil das Handeln für den Arbeitgeber nach juristischer Prüfung die Erteilung von Rechtsrat umfasst (BayAGH I - 1- 19/18).
28
bb) Anders als die Beklagte meint besitzt die Klägerin auch die gem. § 46 Abs. 3 Nr. 4 BRAO erforderlichen Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“.
29
(1) Zu dieser Befugnis „nach außen verantwortlich aufzutreten“, hat der BGH inzwischen entschieden, dass es dabei nicht darauf ankommt, ob der Betreffende tatsächlich nach außen auftritt, solange er nur die Befugnis dazu hat. Schon in der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 18/5201, S. 29) hieß es dazu, „dass die anwaltliche Tätigkeit die (gegebenenfalls im Innenverhältnis beschränkte) Befugnis beinhalten muss, den Mandanten (Arbeitgeber) nach außen verbindlich zu vertreten“. Bereits hier war von einer Alleinvertretungsbefugnis nach außen nicht die Rede. Mit einer Gesamtvertretung oder dem Erfordernis einer zweiten Unterschrift lässt sich somit die erforderlichen Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“, nicht in Frage stellen. Die Forderung nach einer Alleinvertretungsbefugnis würde dazu führen, dass die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nur einem sehr begrenzten Personenkreis offensteht. Denn in Unternehmen ist es aus Compliance-Gründen beziehungsweise zur Wahrung des sog. Vier-Augenprinzips nicht unüblich vorzusehen, dass eine zweite Unterschrift im Außenverhältnis nötig ist (BGH, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18 zu einer „Abteilungsleiterin Personalstrategie und - controlling“).
30
Keine Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“ liegt einer weiteren Entscheidung des BGH vom selben Tage zufolge aber bei einer summenmäßigen Beschränkung der Entscheidungsbefugnis vor, wenn und soweit bei Überschreitung der Grenze die Weisung der Abteilungsleiterin einzuholen ist. Denn ein Arbeitnehmer, der an Weisungen eines Vorgesetzten gebunden ist, ist nicht eigenverantwortlich und fachlich unabhängig tätig (BGH vom 14. Januar 2019, AnwZ (Brfg) 29/17, zu einer Mitarbeiterin im Bereich „Heilwesen-Schaden“ einer Berufshaftpflichtversicherung mit Entscheidungsvollmacht bis 50.000 Euro; in Sachen oberhalb der Vollmacht hatte sie die Weisung ihrer Abteilungsleiterin einzuholen).
31
Zusammenfassend wird man diese Rspr. des BGH so verstehen müssen, dass ein „Vier-Augenprinzip“ oder Gesamtvertretung mit zweiter Unterschrift noch eine hinreichende Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“, beinhaltet, die alleinige Entscheidung durch einen Vorgesetzten - wenn auch auf Empfehlung des Sachbearbeiters - dagegen nicht mehr. Nicht zutreffend ist aber jedenfalls die Auffassung der Beklagten, es könne durch eine Sachbearbeitung, bei der die Entscheidung über das weitere Vorgehen selbst getroffen werde, das Kriterium der Erteilung von Rechtsrat nicht erfüllt sein.
32
(2) Die Klägerin hat im vorliegenden Falle eine diesen Vorgaben entsprechende hinreichende Befugnis, „nach außen verantwortlich aufzutreten“, zur Überzeugung des Senats nachgewiesen; daher bedarf es hierzu auch keiner weiteren Beweiserhebung mehr:
33
Die Klägerin hat in ihrer Anhörung vor dem Senat ebenso glaubhaft wie glaubwürdig geschildert, dass sie im Grundsatz alleinentscheidungsbefugt ist. Nach Prüfung des Falles, entscheide sie eigenständig über die Deckung dem Grunde nach. Die „50.000,- EUR Vollmacht“ beziehe sich auf die Auszahlungsanweisung. Lediglich aus Sicherheitsgründen sei bei Zahlungsanweisungen über 50.000,- EUR entsprechend dem Schreiben ihres Arbeitgebers vom 14.02.2017 das Vier-Augen-Prinzip anzuwenden. Es werde geprüft, ob der auszuzahlende Betrag an den richtigen Zahlungsempfänger gehe bzw. an die richtige Bankverbindung. Die Haftungsanerkennung dem Grunde nach müsse nicht vorgelegt werden, das entscheide sie eigenständig. Die von ihr verfassten Schreiben enthielten rechts oben den Hinweis Ansprechpartner: Frau P. und die Kontaktdaten. Bei der Unterschriftenzeile handele es sich um voreingescannte Unterschriften des Gruppenleiters und des Abteilungsleiters. Sie verfüge letztlich über die Freigabe.
34
Diese Angaben stehen in Einklang mit der Aktenlage und überzeugen auch den Senat. Der Umstand, dass die Klägerin eine Unterzeichnung durch vorher eingescannte Unterschriften Anderer freigibt, mag zivilrechtlich als ein sog. Handeln unter fremdem Namen (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 78. A. 2019, § 164 Rz. 10) nicht unbedenklich sein, führt aber jedenfalls nicht dazu, dass die Klägerin nicht eigenverantwortlich tätig wäre. Wie oben bereits ausgeführt, hat der BGH entschieden, dass es nicht darauf ankommt, ob der Betreffende tatsächlich nach außen auftritt, solange er nur die Befugnis dazu hat (Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18 -, Rn. 21, juris). Im Übrigen ist für die beteiligten Verkehrskreise durch den Hinweis auf den jeweiligen Sachbearbeiter in den Schreiben wohl hinreichend deutlich erkennbar, dass dort in Wahrheit nicht die Unterzeichnenden, sondern der Sachbearbeiter unter deren Namen Erklärungen abgibt.
35
Die Angaben der Klägerin decken sich auch mit denjenigen ihres Gruppenkollegen Herrn J. im Verfahren I -1-17/18, der die Vorgehensweise in gleicher Art geschildert hat Schließlich hat die Arbeitgeberin der Klägerin in ihren Schreiben vom 08.02.2017 und 14.02.2017 bestätigt, dass bei Zahlungen über 50.000.- EUR zwar aus Sicherheitsgründen das „4-Augen-Prinzip“ zur Anwendung komme, dass die Klägerin den Schadensfall aber gleichwohl weiterhin weisungsfrei und ohne weitere Zustimmung bearbeite. Wie oben ausgeführt, steht dieses beschränkte „4-Augen-Prinzip“ nach der Rspr. des BGH der Befugnis „nach außen verantwortlich aufzutreten“, nicht entgegen (Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 25/18). Aus diesen Ausführungen des BGH ergibt sich zugleich, dass auch die Bedenken der Beklagten, das 4-Augen-Prinzip könne Zweifel an der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Klägers wecken, unbegründet sind.
36
Der Senat sieht deshalb keinen Anlass für weitere Beweiserhebungen in dieser Sache. Auch der Beweisermittlungsantrag der Beklagten - um einen solchen handelt es sich mangels Angabe konkreter Beweistatsachen - war zurückzuweisen, weil der Senat die dort aufgeworfenen Fragen bereits zu seiner Überzeugung für geklärt hält.
37
cc) Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin wird auch durch ihre anwaltliche Tätigkeit geprägt.
38
Nach den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat macht der nicht-anwaltliche Bereich bestehend aus Reservebildung (geschätzter Risikoaufwand), Fortbildungsmaßnahmen und Bewertung von Grundsatzfragen ca. 20% ihrer Tätigkeit aus. Weitere 20% fallen für die Teilnahme an Sammelbesprechungen bei verschiedenen AOK’en an, im Rahmen derer komplexe Schadensfälle besprochen und verhandelt werden und die Klägerin über einem Betrag von bis zu 250.000 EUR ohne Rücksprache verfügen kann. Die oben geschilderte Bearbeitung der übrigen Schadensfälle beziffert sie mit 60%. Danach sind für die anwaltliche Tätigkeit insgesamt mindestens 80% anzusetzen, wobei der Senat offenlässt, ob es sich bei der Reservebildung ebenfalls um eine anwaltliche Tätigkeit handelt.
39
Diese Einschätzung der Klägerin erscheint plausibel und steht in Einklang mit auch von ihrer Arbeitgeberin unterschriebenen und damit als zutreffend bestätigten Tätigkeitsbeschreibungen vom 30.03./06.04.2016, 08.02.2017 und 14.02.2017 sowie der Darstellung im Schriftsatz vom 16.05.2017. Dass dort die anwaltliche Tätigkeit mit 90% beziffert wurde, steht dem nicht entgegen, da bei dieser Bemessung die von der Klägerin mit etwa 10% angesetzte Reservebildung einbezogen wurde.
40
Damit stellt die anwaltliche Tätigkeit der Klägerin den Schwerpunkt ihres Arbeitsverhältnisses dar. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht ein Anteil von 70 bis 80 Prozent der der insgesamt geleisteten Arbeit regelmäßig für die Annahme einer Prägung des Arbeitsverhältnisses durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO genannten Tätigkeiten aus (Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 29/17 -, Rn. 7, juris).
41
dd) Soweit die Beklagte meint, angesichts der fehlenden Bezugnahme des,,Nachtrags zum Anstellungsvertrag“ auf den Anstellungsvertrag könne zweifelhaft sein, ob die Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO vertraglich gewährleistet sei, teilt der Senat diese Bedenken ebenfalls nicht.
42
Ein,,Nachtrag zum Anstellungsvertrag“ nimmt offensichtlich auf den Anstellungsvertrag Bezug, auch wenn er dort nicht datumsmäßig oder sonst näher bezeichnet wird. Solange es nur einen Anstellungsvertrag gibt, gibt es auch kein Zuordnungsproblem. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO ist dort vertraglich gewährleistet (vgl. BGH vom 15. Oktober 2018, AnwZ (Brfg) 68/17).
43
ee) Auch die Bedenken wegen der jederzeitigen Versetzbarkeit der Klägerin auf eine Position, die den Anforderungen des § 46 Abs. 3 BRAO nicht entspricht, teilt der Senat nicht.
44
Diese Versetzbarkeit ist Ausfluss des Direktionsrechts des Arbeitgebers; stünde sie der Annahme von Unabhängigkeit etc. entgegen, gäbe es keine Zulassung eines Arbeitnehmers als Syndikusrechtsanwalt. Allerdings hätte die Klägerin dies der Beklagten unverzüglich anzuzeigen, damit diese ein Überprüfungsverfahren einleiten kann.
45
3. Die Tätigkeit der Klägerin, für die die Beklagte sie als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen hat, war in den Verpflichtungstenor selbst aufzunehmen.
46
a) Aus Wortlaut (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4, § 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BRAO) und Systematik des Gesetzes sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/5201) ergibt sich eindeutig, dass als Syndikusrechtsanwalt nur derjenige zugelassen werden kann, dessen zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den gesetzlichen Zulassungskriterien entspricht (BGH, Urteil vom 29.1.2018 - AnwZ (Brfg) 12/17).
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b) Diese Tätigkeit war in den Verpflichtungstenor selbst aufzunehmen.
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aa) Die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin bezieht sich, wie sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 BRAO ergibt, auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis muss den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO genügen. Entspricht die arbeitsvertragliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses oder die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit diesen Anforderungen nicht oder nicht mehr, ist die Zulassung zu widerrufen. Werden nach einer Zulassung weitere Arbeitsverhältnisse als Syndikusrechtsanwalt aufgenommen oder tritt innerhalb bereits bestehender Arbeitsverhältnisse eine wesentliche Änderung der Tätigkeit ein, ist auf Antrag die Zulassung auf die weiteren Arbeitsverhältnisse oder auf die geänderte Tätigkeit zu erstrecken (§ 46b Abs. 3 BRAO).
49
Daraus folgt, dass der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind (BGH vom 15. Oktober 2018, AnwZ (Brfg) 68/17, dort bejaht für eine Bescheidsbezeichnung als „Syndikusrechtsanwältin im Fachbereich Personal Abteilung Personalbetreuung bei der Stadt M. gemäß Arbeitsvertrag vom 04.05.2001, Arbeitsvertrag vom 05.10.2001, Generalvollmacht vom 16.07.2001, Anlage vom 27.01.2016 zum Arbeitsvertrag vom 05.10.2001, Tätigkeitsbeschreibung vom 27.01.2016 und Arbeitsplatzbeschreibung vom 02.03.2015/27.01.2016“). Der Gesetzesbegründung zufolge kann eine wesentliche Tätigkeitsänderung etwa bei einem Wechsel von der Rechtsin die Personalabteilung anzunehmen sein, nicht hingegen, wenn bei einer gleichbleibend unabhängig rechtsberatenden Tätigkeit innerhalb derselben Rechtsabteilung lediglich ein anderes Rechtsgebiet bearbeitet wird (BT-Drs. 18/5201 S. 36 oben).
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bb) Auch nach allgemeinem Verwaltungsverfahrensrecht ist zwischen dem Verwaltungsakt selbst und dessen Begründung zu unterscheiden. Während gem. § 37 Abs. 1 VwVfG ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss, ist er gem. § 39 Abs. 1 VwVfG mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen der getroffenen Regelung (Verfügung, Tenor) und der Begründung des Verwaltungsaktes können die hinreichende Bestimmtheit gefährden (BeckOK VwVfG/Tiedemann, 42. Ed. 1.1.2019, VwVfG § 37 Rn. 4).
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cc) Nachdem der Zulassungsbescheid das Arbeitsverhältnis und die von ihm umfassten Tätigkeiten, auf welche sich die Zulassung bezieht, so genau bezeichnen muss, dass nachträgliche Veränderungen, die einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung oder aber deren Widerruf erfordern, erkennbar sind, sollte das deshalb - wie im Falle des BGH und entgegen einer bisher weit verbreiteten Praxis der Rechtsanwaltskammern und auch der Anwaltsgerichtshöfe - im Verwaltungsakt selbst - also im Bescheids- bzw. Urteilstenor - erfolgen und nicht nur in dessen Begründung.
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4. Nach § 46 Abs. 4 Nr. 2 BRAO n.F konnte die Verpflichtung der Beklagten zur Zulassung der Klägerin als Syndikusrechtsanwältin rückwirkend erst ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem ihr Antrag mit den Antragsunterlagen bei der Beklagten einging, d.h. zum 02.05.2016.
III. Nebenentscheidungen
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 112 c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
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Der Streitwert wurde gemäß § 194 Abs. 1 BRAO, 52 Abs. 1 GKG festgesetzt. Angesichts der überdurchschnittlichen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit der Sache sieht der Senat keinen Anlass für die Herabsetzung des Regelstreitwerts, auch wenn es „nur“ um eine ergänzende Zulassung als Syndikusrechtsanwalt geht.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung sind nicht gegeben (§ 112 e BRAO, 124 Abs. 2 VwGO). Der BGH hat die hier wesentlichen Rechtsfragen bereits entschieden.