Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.06.2019 – 19 CE 18.1597
Titel:

Kein Anspruch auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eines sorgeberechtigten Vaters eines minderjährigen Kindes

Normenketten:
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 3 S. 1, § 28 Abs. 1 Nr. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 1a, § 60a Abs. 2 S. 1, § 81 Abs. 3, Abs. 4
GG Art. 6, Art. 19 Abs. 4
EMRK Art. 8
VwGO § 123 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Trotz der nach § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG fehlenden Fiktionswirkung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann aus Gründen der nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Effektivität des Rechtsschutzes eine Aussetzung der Abschiebung nach § 123 VwGO für die Dauer des Aufenthaltserlaubnisverfahrens erwirkt werden, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass eine ausländerrechtliche Regelung, die einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, dem möglicherweise Begünstigten zugutekommt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hinsichtlich der sich aus Art. 6 GG ergebenden aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen kommt es darauf an, ob die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt (VGH München BeckRS 2015, 49705). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der mit der vorherigen Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik begehrt, regelmäßig, insbesondere wegen wichtigen öffentlichen Sicherheitsinteressen, hinzunehmen. (vgl. VGH München BeckRS 2013, 48084). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Keine) vorläufige Aussetzung der Abschiebung, Inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, Schutzwürdigkeit der Vater-Kind-Beziehung zu Kleinkind bei Besuchskontakten, Straffälligkeit wegen Gewaltdelikt, Aufenthaltserlaubnis, Ausreise, Ermessensentscheidung, Kindeswohl, Prozesskostenhilfe, Fiktionswirkung, Visumsverfahren
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 16.07.2018 – RN 9 E 18.1009
Fundstelle:
BeckRS 2019, 12015

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,00 Euro festgesetzt.
IV. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, ein am 16. Oktober 1995 geborener malischer Staatsangehöriger, verfolgt mit der Beschwerde sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren auf vorläufige Aussetzung der Abschiebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter.
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Ein nach Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2013 betriebenes Asylverfahren ist erfolglos geblieben; der Antragsteller ist seit dem 24. Januar 2017 vollziehbar ausreisepflichtig. Dem Antragsteller wurde nachfolgend zuletzt bis zum 7. Juli 2018 eine Duldung mit der Erlaubnis zur Beschäftigung erteilt. Der Antragsteller ist Vater einer am 10. Februar 2017 geborenen deutschen Staatsangehörigen. Am 8. Juni 2018 hat der Antragsteller die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG beantragt, die mit Bescheid vom 9. Juli 2018 mit dem Verweis auf § 10 Abs. 3 AufenthG abgelehnt wurde (Klageverfahren Az. RN 9 K 18.1012).
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Den Eilantrag des Antragstellers auf Aussetzung der Abschiebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt, es liege kein Anordnungsanspruch vor, da weder ein offensichtlicher und vorläufig zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs bestehe noch die Abschiebung aus rechtlichen Gründen wegen Gefährdung der familiären Lebensgemeinschaft unmöglich sei. Der Kontakt des Antragstellers erschöpfe sich in Besuchen, eine tatsächlich gelebte familiäre Lebensgemeinschaft sei nicht hinreichend dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller trotz der großen räumlichen Distanz zu dem Kind und der Kindsmutter erhebliche Erziehungs- und Beistandsleistungen erbringe. Auffallend sei, dass der Antragsteller eine Umverteilung zum Wohnort der Tochter erst 14 Monate nach deren Geburt gestellt habe. Es sei daher nur von einer bloßen Begegnungsgemeinschaft auszugehen. Die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG seien daher nicht glaubhaft gemacht. Durch die Abschiebung werde die Verfolgung der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht unmöglich gemacht. Es sei dem Antragsteller zumutbar, das Verfahren vom Heimatland aus zu betreiben. Der Antragsteller könne sich nicht auf eine Gefährdung der familiären Lebensgemeinschaft berufen (Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK). Unter Berücksichtigung der tatsächlich ausgeübten elterlichen Verantwortung sei nicht von einem dauernden Angewiesensein des Kindes auf seinen Vater in unmittelbarer Nähe auszugehen. Der Antragsteller sei darauf zu verweisen, zur Nachholung eines Visums sich vorab um einen Termin bei der Botschaft in Mali zu kümmern.
4
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, der Antragsteller und sein Kind hätten die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG, ohne dies glaubhaft machen zu müssen. Die Belange des Kindes aus Art. 6 Abs. 1 GG seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Der Antragsteller als Vater eines deutschen Kindes habe einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Wenn ein solcher Aussetzungsanspruch bereits bei Prüfung einer Vaterschaft bestehe, dürfe der Antragsteller bei feststehender Vaterschaft nicht schlechter gestellt werden. Der Antragsteller habe zu seiner Tochter trotz der räumlichen Distanz (der Umzug der Tochter nach B. sei auf Veranlassung der Kindsmutter erfolgt) eine intensive Vater-Kind-Beziehung. Einen Antrag auf Umverteilung habe der Antragsteller unverzüglich gestellt, nachdem er von dieser Möglichkeit erfahren habe. Durch die Weigerung des Antragsgegners zur Ausstellung einer Duldung und Beschäftigungserlaubnis werde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, seine Tochter in B. zu besuchen und Unterhalt zu leisten. Die Kindsmutter lebe in einer Einrichtung für betreutes Einzelwohnen, da sie nicht in der Lage sei, ihr Leben mit dem Kind alleine zu bewältigen. Ein regelmäßiger Kontakt zum Vater sei daher umso wichtiger. Ein längerer Abbruch des Kontaktes könne fatale Folgen für das Kindeswohl haben. Es bestehe der Eindruck, dass die Kindsmutter durch das Jugendamt vom Antragsteller abgeschirmt werde. Der Antragsteller sei jedenfalls für Probleme im Kontakt zu seinem Kind dafür nicht verantwortlich. Bis zum Umzug nach B. hätte der Antragsteller mit der Kindsmutter, einer deutschen Staatsangehörigen, in der Asylunterkunft zusammengelebt. Die Versagung einer privaten Wohnsitznahme für den Antragsteller habe die entscheidende Ursache für ein Scheitern der Beziehung und den Umzug der Kindsmutter nach B. gesetzt. In der Zeit von August 2017 bis Januar 2018 hätten 13 mehrstündige Kontakte des Antragstellers zu seiner Tochter stattgefunden. Im weiteren Verlauf hätten Umgangskontakte unter Mitwirkung des Jugendamtes stattgefunden. Es bestehe eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung.
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Der Antragsteller beantragt,
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 16. Juli 2018 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Abschiebung des Antragstellers auszusetzen und
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dem Antragsteller für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Abschiebung des Antragstellers sei weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich. Der Antragsteller müsse gerade im Hinblick auf die große räumliche Distanz das Bestehen einer schützenswerten familiären Gemeinschaft glaubhaft machen. Der Antragsteller habe, obwohl er die Vaterschaft schon vor der Geburt seiner am 10. Februar 2017 geborenen Tochter anerkannt habe, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erst am 20. Februar 2018 beantragt. Kontakte zur Tochter seien nicht belegt worden. Der Antragsteller sei mit Urteil des Landgerichts L. vom 28. Januar 2019 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug stehe sowohl § 10 Abs. 3 AufenthG als auch ein Ausweisungsinteresse nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG entgegen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO seine Prüfung des Beschwerdevorbringens im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zu beschränken hat, rechtfertigen keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und folglich auch keine Aussetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen.
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Es ist kein auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung durch Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG gerichteter Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 1, 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) glaubhaft gemacht. Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens ergibt sich nicht, dass dem Antragsteller (vorläufig) eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen wäre. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein durch eine einstweilige Aussetzung der Abschiebung zu sichernder Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht besteht (1.). Ein Abschiebungshindernis wegen rechtlicher Unmöglichkeit nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ergibt sich auch nicht aus den ausländerrechtlichen Schutzwirkungen nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG (2.).
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1. Soweit der Antragsteller die Ermöglichung des Aufenthalts in Deutschland bis zum rechtskräftigen Abschluss über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug begehrt, ist nichts dafür ersichtlich, dass es im vorliegenden Fall aus Rechtsschutzgründen (Art. 19 Abs. 4 GG) ausnahmsweise geboten wäre, dem Antragsgegner die Abschiebung des Antragstellers vorläufig zu untersagen.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzgeberischen Konzeption außerhalb des Anwendungsbereichs des § 81 Abs. 3 und Abs. 4 AufenthG eine Aufenthaltsmöglichkeit für die Dauer des Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtlich nicht gewährleistet ist und der Ausländer darauf verwiesen ist, die Ansprüche auf Erteilung eines Titels vom Ausland zu verfolgen und durchzusetzen. Trotz der nach § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG fehlenden Fiktionswirkung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann aus Gründen der nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Effektivität des Rechtsschutzes eine Aussetzung der Abschiebung nach § 123 VwGO für die Dauer des Aufenthaltserlaubnisverfahrens erwirkt werden, wenn dies erforderlich ist, um sicherzustellen, dass eine ausländerrechtliche Regelung, die einen Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, dem möglicherweise Begünstigten zugutekommt (vgl. OVG NRW, B.v. 11.1.2016, 17 B 890/15 - juris Rn. 6; B.v. 19.6.2017 - 18 B 336/17 - juris; SächsOVG, B.v. 21.11.2016 - 3 B 254/16 - juris Rn. 5). Grundsätzlich kann vorläufiger Rechtsschutz zur Sicherung eines Verfahrens zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bei einer Einreise ohne das erforderliche Visum jedoch nur dann gewährt werden, wenn keine Zweifel am Anspruch auf die Titelerteilung oder der Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumsverfahrens bestehen und keine tragfähigen Ermessensgesichtspunkte ersichtlich sind, die eine Ablehnung rechtfertigen können (vgl. VGH BW, B.v. 20.9.2018 - 11 S 1973/18 - juris).
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Vorliegend steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG - ungeachtet des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen - voraussichtlich bereits die Sperrwirkung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sowie ein Ausweisungsinteresse nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung vom 28. Januar 2019 zu einem Jahr Freiheitsstrafe wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung entgegen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller zusammen mit einem Landsmann am 16. Juli 2017 im Rahmen einer nächtlichen tätlichen Auseinandersetzung den geschädigten Dritten mit Faustschlägen ins Gesicht und den Oberkörper sowie mit Tritten gegen den Oberkörper und Kopf des am Boden liegenden Geschädigten verletzte. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt die Absicht eines anzustrengenden Wiederaufnahmeverfahrens das Bestehen des Ausweisungsinteresses aufgrund der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung zu einem Jahr Freiheitsstrafe (§ 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG) derzeit nicht entfallen.
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Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnittes 5 erteilt werden. Im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels findet Satz 1 nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG keine Anwendung. Ein Anspruch i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG liegt nur vor, wenn ein strikter Rechtsanspruch besteht; ein Sollanspruch oder eine Ermessensreduzierung auf Null bei der Befugnis zu einer Ermessensentscheidung sind hingegen nicht ausreichend (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 - 1 C 16.17 - juris Rn. 27 m.w.N.).
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Ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in diesem Sinne besteht jedoch nicht. Denn es sind nicht alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG erfüllt, weil zum einen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ein Ausweisungsinteresse nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG entgegensteht und zum anderen die Voraussetzungen von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG der Einreise mit einem erforderlichen Visum nicht vorliegen. Ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist daher nicht gegeben. Auch besondere Umstände, die es im Einzelfall als unzumutbar erscheinen lassen, das Visumsverfahren nachzuholen oder solche, die ein schützenswertes Recht des Antragstellers begründen würden, sein Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom Bundesgebiet aus zu führen, und damit ggf. eine Ermessensreduzierung auf Null begründen würden, sind nicht ersichtlich (vgl. nachfolgend 2.).
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2. Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG ist nicht glaubhaft gemacht.
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Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange seine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
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Die Abschiebung des Antragstellers ist nicht deshalb aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil sie mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigen würde.
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Aus Art. 6 GG ergeben sich aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - juris Rn. 17 ff. m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16). Die Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 - juris, Rn. 87). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - juris, Rn. 12 m.w.N.).
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Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Nicht entscheidend ist, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft steht nicht entgegen, dass ein Elternteil nur ausschnittsweise am Leben teilnimmt und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen trifft. Der spezifische Erziehungsbeitrag eines Elternteils wird durch die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil nicht entbehrlich. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Es kommt jedoch darauf an, ob die vorhandenen Kontakte in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zum Kind dem auch sonst Üblichen entsprechen und auf diese Weise die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt (BayVGH, B.v. 17.12.2018 - 10 C 18.2177 - juris Rn. 19; B.v. 28.7.2015 - 10 ZB 15.858 - juris Rn. 5). Es kommt darauf an, ob zwischen dem Ausländer und seinem Kind auf Grund des gepflegten persönlichen Umgangs ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt ist (VGH BW, U.v. 20.9.2018 - 11 S 240/17 - juris Rn. 80; U.v. 5.8.2002 - 1 S 1381/01 - juris, Rn. 19). Außerdem ist angemessen zu berücksichtigen, ob im Falle einer Rückkehr des Vaters in sein Heimatland ein Abbruch des persönlichen Kontakts zu seinem Kind droht. Für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der familiären Gemeinschaft und der Zumutbarkeit einer (vorübergehenden) Trennung sowie der Möglichkeit, über Briefe, Telefonate und Besuche auch aus dem Ausland Kontakt zu halten, spielt schließlich das Alter des Kindes eine wesentliche Rolle (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2005 - 2 BvR 1001/04 - juris Rn. 37).
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Nach diesen Maßgaben entspricht das vom Antragsteller ausgeübte Umgangsrecht auch unter Berücksichtigung des Kleinkindalters der Tochter des Antragstellers nicht einem hinreichenden Maß an wahrgenommener Elternverantwortung. Der Antragsteller nimmt erst seit Juli 2017 für die im Februar 2017 geborene Tochter begleitete Umgangskontakte von wenigen Stunden alle zwei Wochen wahr. Wenngleich die konkrete Ausgestaltung des Umgangsrechts der räumlichen Distanz zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter geschuldet sein mag, nimmt der Antragsteller mit diesen Besuchskontakten kein hinreichendes Maß an Elternverantwortung für sein Kind wahr, eine maßgebliche Beteiligung an personensorgebezogenen Entscheidungen ist darin nicht zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antragsteller eine Umverteilung an den Wohnort seiner Tochter erst am 7. Juni 2018, mithin 14 Monate nach der Geburt, beantragt hat. Der Anteil des Antragstellers an der Elternverantwortung beschränkt sich auf Besuchskontakte zwei Mal im Monat, die in Begleitung der Kindsmutter stattfinden. Die Entwicklung eines Kindes wird zwar nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt; eine tatsächliche Verbundenheit zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind setzt jedoch eine zureichende Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes voraus. Begleitete Besuche von wenigen Stunden zweimal monatlich vermögen eine zureichende Partizipation am Leben des Kindes nicht zu gewährleisten. In Würdigung der tatsächlichen Ausgestaltung des Umgangsrechts erscheint das Eltern-Kind-Verhältnis des Antragstellers zu seiner Tochter nicht von einer nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt. Die durch Lichtbilder belegten Kontakte zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter sagen nichts über die tatsächliche Erbringung einer Betreuungs- und Erziehungsleistung aus. Die Stellungnahme des Jugendamts L. vom 26. Oktober 2018 gibt lediglich wieder, was der Antragsteller und die Kindsmutter vorgetragen haben. Eigene Wahrnehmungen zum Kontakt des Antragstellers zu seinem Kind finden sich darin nicht. Da eine Hausgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Kind nicht bestanden hat oder besteht, kommt einem regelmäßigen Umgang und der Erbringung von Betreuungs- und Erziehungsleistungen zur Glaubhaftmachung des Vorliegens einer Lebens- und Erziehungsgemeinschaft erhebliche Bedeutung zu. Die angegebenen Kontakte und vorgelegten Lichtbilder reichen zur Überzeugung des Senats hierfür nicht aus. Alleine aus der Vaterschaftsanerkennung und dem gemeinsamen Sorgerecht sowie begleiteten Besuchskontakten ergibt sich noch keine nach Art. 6 GG schützenswerte Beziehung. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Verwaltungsgericht bei der Würdigung der Schutzwürdigkeit der Eltern-Kind-Beziehung zutreffend auch auf die Sicht und Rechtsstellung des Kindes abgestellt. Nach Auffassung des Senats ist in Anbetracht der geringfügigen und begleiteten Umgangskontakte von wenigen Stunden zwei Mal im Monat nicht davon auszugehen, dass das Kind den fehlenden persönlichen Kontakt zu seinem Vater für einen (vorübergehenden) Zeitraum als endgültigen Verlust begreifen würde. Der Anteil des Antragstellers an der Elternverantwortung ist damit nicht so ausgestaltet, dass das Kind auf die ununterbrochene Aufrechterhaltung der Besuchskontakte zu seinem Wohl angewiesen wäre.
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Schließlich ist in Würdigung der Gesamtumstände zu berücksichtigen, dass sich der Antragsteller wegen eines Gewaltdelikts in erheblichem Umfang strafbar gemacht hat. Denn der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG überlagert die öffentlichen Interessen nicht ausnahmslos; auch gewichtige familiäre Belange setzen sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durch. Insbesondere dann, wenn die Geburt eines Kindes und die elterliche Verantwortung nicht eine „Zäsur“ in der Lebensführung des betroffenen Ausländers darstellt, die eine straffreie Lebensführung erwarten ließe, kommt ein Vorrang der gegen einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Gründe in Betracht (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris Rn. 16 und 23; B.v. 10.5.2008 - 2 BvR 588/08 - juris Rn. 11 ff. jeweils m.w.N.). Ein grundsätzlich gebotener Schutz der Familie kann im Einzelfall gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Abschiebung zurücktreten, namentlich, wenn strafrechtliche Verurteilungen wegen schwerwiegender Straftaten vorliegen und wenn die Wahrnehmung elterlicher Verantwortung für ein Kleinkind den Betroffenen nicht von der Begehung schwerwiegender Straftaten abhalten konnte, mithin ein künftig straffreies Leben nicht zu erwarten ist (vgl. Bruns in NK-AuslR, 2. Aufl. 2016, § 60a AufenthG Rn. 18). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Ausländer nicht nur gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen, sondern schwerwiegende Straftaten begangen hat und keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine grundlegende Verhaltensänderung des Ausländers gegeben sind (vgl. NdsOVG, B.v. 29.6.2010 - 8 ME 159/10 - juris Rn. 8).
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Selbst wenn man vorliegend in den Umgangskontakten des Antragstellers zu seinem Kind eine schutzwürdige Eltern-Kind-Beziehung erkennen würde, würden diese Schutzwirkungen durch die erhebliche Straffälligkeit des Antragstellers und die damit verbundene Sicherheitsgefahr für die Bundesrepublik Deutschland überlagert. Der Antragsteller ist mit Urteil des Landgerichts L. vom 28. Januar 2019 wegen gemeinschaftlich begangener, gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Er hat sich damit eines erheblichen Gewaltdelikts strafbar gemacht. Eine gemeinschaftlich begangene Körperverletzung mit Tritten gegen Kopf und Oberkörper des am Boden liegenden Opfers stellt sich als massives Gewaltdelikt dar. Mit seiner Straffälligkeit, die mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr geahndet wurde, hat der Antragsteller selbst eine Inhaftierung und damit Beendigung der Besuchskontakte zu seinem Kind in Kauf genommen. In einem solchen Fall, in welchem sich eine Straffälligkeit nicht auf Verstöße gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen beschränkt, sondern ein massives Gewaltdelikt strafrechtlich geahndet wurde, würden selbst bei Bejahung einer nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdigen Gemeinschaft die Belange der Bundesrepublik Deutschland das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte private Interesse des Ausländers an der Aufrechterhaltung einer familiären Beistands- bzw. Begegnungsgemeinschaft überwiegen.
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Darüber hinaus ist es mit der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer, dessen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG abgelehnt worden ist, weil er nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist ist, auf die Einholung dieses Visums zu verweisen (vgl. BVerfG, B.v. 17.5.2011 - 2 BvR 2625/10 - juris Rn. 14). Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die vorherige Durchführung eines Visumverfahrens wichtigen öffentlichen Sicherheitsinteressen dient (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2013 - 10 CS 12.2679 - juris). Sie soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. In Anbetracht der tatsächlichen Ausgestaltung der Umgangskontakte des Antragstellers zu seiner Tochter erscheint es zumutbar, den Antragsteller auf die Nachholung des Visumverfahrens zu verweisen und sich während dieses Zeitraums auf telefonische bzw. mediale Kontakte zu seiner Tochter zu beschränken.
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Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung gemäß §§ 166 VwGO, 114 ff. ZPO abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).