Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.05.2019 – 22 CS 18.2247
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen Schrottplatz im Gewerbegebiet - Interessenabwägung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BauNVO § 8 Abs. 1
ZPO § 266 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Genehmigung eines Vorhabens im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG liefert für die Einschätzung einer erheblichen Belästigung iSv § 8 Abs. 1 BauNVO keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Die Genehmigungsart gibt zwar Anlass, der Anlage ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotential zu unterstellen, darf aber gem. § 15 Abs. 3 BauNVO nicht allein ausschlaggebendes Kriterium für die Zulässigkeit der Anlage in einem Gewerbegebiet sein. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verfügt ein Schrottplatz als üblicherweise unter freiem Himmel betriebener Anlage über eine Einhausung, kommt bei typisierender Betrachtung ein atypisch gemindertes Störpotential in Betracht. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Da es zu einer bauplanungsrechtlich wirksamen Veränderung des Gebietscharakters eines Gewerbegebiets nicht alleine durch die einstweilige Betriebsaufnahme einer Anlage, sondern erst durch deren bestandskräftige Genehmigung kommen kann, besteht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung gegebenenfalls kein Anlass, den Betrieb der Anlage bis zur Hauptsacheentscheidung zu verhindern. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Abfallentsorgungs- und Behandlungsanlage (Schrottplatz) im Gewerbegebiet, nicht wesentlich störendes Gewerbe, typisierende Betrachtung, Interessenabwägung, vereinfachtes Genehmigungsverfahren, Gebietserhaltungsanspruch, Atypik, Einhausung, Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans, Übernahme des Rechtsstreits
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 22.10.2018 – W 4 S 18.803
Fundstelle:
BeckRS 2019, 10279

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2018 (W 4 S 18.803) wird in seinen Ziff.
I. und II. abgeändert. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Genehmigungsbescheid vom 19. April 2018 erhobenen Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der jeweiligen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller erwarb mit Kaufvertrag vom 6. Dezember 2018 von der früheren Antragstellerin ein Grundstück in einem Gewerbegebiet. Die frühere Antragstellerin (im Folgenden: Antragstellerin) hatte sich gegen die sofortige Vollziehung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Abfallentsorgungsanlage gewandt, die der Antragsgegner der Beigeladenen erteilt hat.
2
Die Beigeladene beantragte im Mai 2017 beim Landratsamt Aschaffenburg eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG für eine Anlage zum Metallrecycling und Schrotthandel (zeitweilige Lagerung, Behandlung und Umschlag metallhaltiger Abfälle). Die gegen die hierfür ursprünglich erteilte Genehmigung vom 11. Dezember 2017 angestrengten Verwaltungsstreitverfahren (W 4 K 18.39 und W 4S 18.218) wurden durch Beschluss eingestellt, nachdem das Landratsamt mit Bescheid vom 19. April 2018 eine Neugenehmigung des Vorhabens vorgenommen hatte. Das Landratsamt ordnete die sofortige Vollziehung durch Bescheid vom 19. April 2018 für die Errichtung der Anlage und durch Bescheid vom 24. Mai 2018 für den Betrieb der Anlage an.
3
Die Antragstellerin berief sich auf ihr Eigentum an einem ca. 170 m nördlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Grundstücks. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der für diesen Bereich ein Gewerbegebiet ausweist.
4
Nach der vorgelegten Betriebsbeschreibung beabsichtigt die Beigeladene, auf dem streitgegenständlichen Grundstück metallische Abfälle zu lagern und zu sortieren. Das Betriebsgelände, das eine Größe von 900 m² Hoffläche sowie 1.535 m² Hallenfläche bei einer Geländefläche von insgesamt 3.761 m² umfasst, soll in drei Betriebseinheiten aufgeteilt werden, wobei in einer Betriebseinheit die Eingangs- und Ausgangserfassung der Stoffströme (BE 100) sowie in einer weiteren, nicht abgeschlossenen Betriebseinheit die Lagerwirtschaft für Eisenabfälle und Schrotte (BE 200) erfolgt und sich in einer dritten Betriebseinheit, einer dreiseitig umschlossenen Halle, der Lager- und Behandlungsbereich für Nichteisenmetalle einschließlich größenveränderlicher Boxen und einer 3-Tonnen-Waage sowie Fahr- und Rangierbereiche (BE 300) befinden. Die Gesamtlagerkapazität soll maximal 1.495 t betragen, wovon maximal 10 t gefährliche Abfälle (Autobatterien) darstellen. Die Abfallbehandlung in der Form der Sortierung von nicht gefährlichen Abfällen soll maximal 100 t/d umfassen, wobei die Sortierung mittels Greifbagger und Stapler stattfinden soll. Eine mechanische Behandlung, etwa in Form der Zerkleinerung, ist nicht vorgesehen. In der Betriebsbeschreibung zugrunde gelegt wird ferner eine Fahrzeugverteilung von arbeitstägig maximal fünfzehn an- und abfahrenden Pkw sowie Kleintransportern und sechs Lkw An- und Abfahrten. Als Betriebszeit ist Montag bis Samstag jeweils von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr angegeben.
5
Mit Bescheid vom 19. April 2018 wurde der Beigeladenen unter Anordnung des Sofortvollzugs für die Errichtung die Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung und den Betrieb der Abfallentsorgungsanlage erteilt:
6
a) Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Eisen- oder Nichteisenschrotten mit einer Gesamtlagerkapazität von 1.495 t (Nr. 8.12.3.2 des Anh. 1 der 4. BImSchV),
7
b) Anlage zur zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Gesamtkapazität von 100 t (Nr. 8.12.2 des Anh. 1 der 4. BImSchV),
8
c) Anlage zur sonstigen Behandlung (Sortieren) von nicht gefährlichen Abfällen mit einer Durchsatzleistung von 100 t je Tag (Nr. 8.11.2.4 des Anh. 1 der 4. BImSchV).
9
Des Weiteren wurde von der Beigeladenen entsprechend Ziffer I.5 des Bescheids vom 19. April 2018 eine lärmtechnische Untersuchung vom 27. Juni 2018 vorgelegt, wonach die im streitgegenständlichen Bescheid geforderten Lärmimmissionsrichtwerte für ein Gewerbegebiet eingehalten werden.
10
Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2018 erheben, über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2018 beantragte die Antragstellerin zudem, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung wieder herzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO aufzuheben.
11
Mit Beschluss vom 22. Oktober 2018 stellte das Verwaltungsgericht Würzburg die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 19. April 2018 wieder her. Der Antrag gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO sei zulässig. Die Antragstellerin sei entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragstellerin könne sich als Eigentümerin eines im Geltungsbereich des Bebauungsplans „S.“ gelegenen Grundstücks auf die mögliche Verletzung ihres Gebietserhaltungsanspruchs berufen.
12
Die Klage der Antragstellerin werde mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben, da sich die Genehmigung des Landratsamts vom 19. April 2018 voraussichtlich als rechtswidrig erweise und die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Der Bebauungsplan setze für das Baugrundstück hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung „GE“ fest (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 2 Nr. 9, Abs. 3 Satz 1 und 2, § 8 BauNVO). Von einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes sei im vorliegenden Verfahren nicht auszugehen. Zwar machten Beklagter wie auch Beigeladene geltend, dass das Plangebiet auch von immissionsträchtigen und lärmintensiven Betrieben geprägt sei. Jedoch lägen dem Gericht keine hinreichenden Nachweise dafür vor, um beurteilen zu können, in welchem Umfang dies tatsächlich gegeben und etwa eine industrietypische Nutzung überwiegend auch genehmigt sei. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sei regelmäßig von der Wirksamkeit eines Bebauungsplans und nicht von seiner Funktionslosigkeit auszugehen, da keine Anzeichen für dessen offensichtliche Unwirksamkeit vorlägen.
13
Der Gebietserhaltungsanspruch gewähre dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der vorgegebenen zulässigen Nutzungsart abweiche. Im Rahmen eines durch einen Bebauungsplan vorgegebenen nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses solle jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der streitgegenständliche Betrieb der Beigeladenen sei ein Gewerbebetrieb, der zwar gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO als „Gewerbebetrieb aller Art“ bzw. als Lagerplatz grundsätzlich im Gewerbegebiet zulässig sein könne. Dies gelte nach § 8 Abs. 1 BauNVO aber nur, soweit es sich um einen „nicht erheblich belästigenden“ Gewerbebetrieb handle. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 11.7.2013 - 22 ZB 13.331 - juris) habe festgestellt, dass aufgrund einer typisierenden Betrachtungsweise zu beurteilen sei, ob es sich um einen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb handle. Maßgeblich sei dabei der zur Genehmigung anstehende Betrieb in seiner typischen Betriebsform und das Maß der bei funktionsgerechter Nutzung üblicherweise möglichen Störung unter Berücksichtigung der baugebietstypischen Schutzwürdigkeit. Nach § 15 Abs. 3 BauNVO sei die Frage der erheblichen Belästigung zwar nicht ausschließlich nach der verfahrensrechtlichen Einordnung durch das Bundesimmissionsschutzgesetz und die 4. BImSchV zu klären. Gleichermaßen spreche jedoch die Kategorisierung der streitgegenständlichen Anlage als ein nach § 19 BImSchG im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu behandelndes Vorhaben für ein konkretes, die Gebietsprägung möglicherweise beeinträchtigendes Störpotential. Der Betrieb der Beigeladenen sei als ein erheblich belästigender Betrieb anzusehen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die Anlage mit einer Gesamtlagerkapazität von 1.495 t Eisen- und Nichteisenschrotten deutlich über dem Schwellenwert (100 t) liege, der für die Zuordnung zur Anlage der 4. BImSchV (Nr. 8.12.3.2) maßgeblich sei. Gleiches gelte für den Schwellenwert für die Behandlung (Sortierung) von nicht gefährlichen Abfällen nach Nr. 8.11.2.4 der Anlage der 4. BImSchV. Des Weiteren handle es sich nicht um eine reine Sammelstelle, es finde vielmehr auch eine Abfallbehandlung in Form des Sortierens statt, wobei nicht nur Kleinstmengen angeliefert werden sollen. Ausweislich der Betriebsbeschreibung würden bis zu 40% Großmengen angeliefert. Soweit es sich um Eisen- und Nichteisenschrotte handle, verwirkliche sich zudem ein erhöhtes Störpotential, wenn diese auf-, ab- oder umgeladen werden. Auch derartige Vorgänge seien hier vom Betriebskonzept umfasst, auch wenn die Beigeladene darauf abstelle, dass wesentliche Abläufe innerhalb der Halle stattfänden und ansonsten eine Ablagerung in Schüttboxen stattfinde. Unbestritten kämen aber ein Bagger, ein Stapler sowie verschiedene Containersysteme (Absetzcontainer) zum Einsatz. Die Halle sei darüber hinaus nicht vollständig abgeschlossen und abschließbar. Hinzu komme ein beachtlicher An- und Abfahrverkehr durch Pkw und Lkw. Der Betrieb der Beigeladenen zeichne sich folglich nicht durch eine Atypik aus, die eine Gebietsverträglichkeit zur Folge haben könne. Eine solche Atypik sei dann anzunehmen, wenn der Betrieb nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine erheblichen Belästigungen befürchten lasse und damit seine Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt sei. Es müsse sich um ein vom branchenüblichen Erscheinungsbild abweichendes Vorhaben handeln, bei dem anzunehmen sei, dass der Betrieb diesen atypischen Charakter auch künftig behalten werde. Derartige Aspekte seien hier jedoch nicht zu erkennen. Insbesondere fänden lärm- und staubintensive Ablade- und Umschichtungsarbeiten nicht ausschließlich in einer abgeschlossenen Halle oder Einhausung statt, sondern zu wesentlichen Teilen im Freien (vgl. BE 200). Die Halle auf dem Betriebsgelände sei auch nicht völlig zu schließen sondern an einer Hallenseite vollständig geöffnet. Es würden zwar keine Zerlegearbeiten vorgenommen, dennoch fänden immissionsträchtige Arbeiten statt, die für Anlagen zur Lagerung und Sortierung von Metallabfällen geradezu typisch seien. Die streitgegenständliche Anlage weise insofern keine wesentlichen Unterscheidungspunkte auf. Hierbei habe außer Betracht zu bleiben, dass nach dem vorgelegten Lärmgutachten die maßgeblichen Lärmgrenzwerte eingehalten werden könnten, da dieser Umstand nicht geeignet sei, eine Atypik zu begründen. Vielmehr sei die Einhaltung der Lärmgrenzwerte eine Genehmigungsvoraussetzung im Sinn der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BImSchG, die für jeden zu genehmigenden Betrieb im Baugebiet gleichermaßen gelte. Als erheblich belästigender Gewerbebetrieb sei daher das genehmigte Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig. Aufgrund dessen gehe die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus.
14
Gegen diesen Beschluss legte die Beigeladene per Telefax am 26. Oktober 2018 Beschwerde ein. Sie beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2018 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin vom 14. Juni 2018 zurückzuweisen.
16
Zugleich stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2018 bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts im Beschwerdeverfahren auszusetzen.
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Die Antragstellerin beantragt demgegenüber mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2018,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
19
Zusätzlich beantragte sie, den Erlass des beantragten Hängebeschlusses abzulehnen.
20
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2018 setzte der erkennende Senat die Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2018 bis zu seiner Entscheidung im Beschwerdeverfahren aus. Die Aussetzung erfolge vor dem Hintergrund einer überschlägigen Interessenabwägung. Für das Interesse der Beigeladenen spreche deren wirtschaftliches Interesse, für das Interesse der Antragstellerin streite der von ihr geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch. Letztere sei derzeit soweit ersichtlich nicht schweren und unerträglichen Einwirkungen durch die streitgegenständliche Anlage ausgesetzt, die einen Weiterbetrieb unzumutbar erscheinen ließen.
21
Mit Schriftsatz vom 26. November 2018 (per Telefax am gleichen Tag eingegangen) begründete die Beigeladene ihre Beschwerde. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin sei unzulässig, weil es an einer Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin fehle. Derartige Rechte habe sie nicht substantiiert dargelegt. Selbst bei Annahme der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Bebauungsplans sei das Vorhaben der Beigeladenen gebietsverträglich, da der Betrieb als atypisch anzusehen und damit nicht erheblich belästigend im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO sei. Selbst bei einer möglichen Verletzung eines Gebietserhaltungsanspruchs liege jedenfalls ein offensichtlich rechtswidriger Genehmigungsbescheid nicht vor. Im Übrigen befinde sich auf dem Grundstück der Antragstellerin auch kein Betrieb der Antragstellerin mit eigenen Mitarbeitern. Dieses Grundstück sei vielmehr an eine andere Firma vermietet. Diverse Betriebe in der Nachbarschaft hätten zudem die gute Nachbarschaft mit dem Betrieb der Beigeladenen bestätigt.
22
Jedenfalls sei der Antrag der Antragstellerin aber nicht begründet. Die erteilte Genehmigung sei offensichtlich rechtmäßig. So seien von der Antragstellerin keine hinreichenden Nachweise für eine immissionsarme Prägung des Baugebiets vorgelegt worden; es sei vielmehr eine intensiv-gewerbliche/industrielle Nutzung in der Nachbarschaft vorhanden. Das Verwaltungsgericht übersehe auch, dass man sich auf einen Gebietserhaltungsanspruch nicht berufen könne, wenn das betreffende Baugebiet von seiner Fläche her so groß sei, dass sich ein Vorhaben für den Nachbarn nicht mehr als nachteilig auswirken könne. Im vorliegenden Fall gebe es keinerlei Einflüsse auf das Grundstück der Antragstellerin. In die Genehmigung aufgenommene Regelungen ließen keine nachteiligen Abweichungen oder Änderungen des Betriebes zu. Das typische Störpotential eines Schrottplatzes könne sich gerade nicht entfalten. Dieser sei hier als „Lagerplatz“ und „Gewerbebetrieb aller Art“ zulässig nach § 8 Abs. 1 BauNVO. Auch gingen vom Betrieb geringere Belästigungen als etwa von einem umliegenden Betonwerk aus. Es seien Anlagen mit höherem Störgrad in der Umgebung vorhanden. Das Verwaltungsgericht habe grundsätzlich richtig auf eine typisierende Betrachtung abgestellt, lasse aber Darlegungen zur Art der zugrunde gelegten Atypik vermissen. Es seien nämlich die konkreten Verhältnisse maßgeblich, wenn der Betrieb zu einer Branche gehöre, bei der die Bandbreite des Störgrades von nicht wesentlich störenden bis hin zum störenden oder gar zum erheblich belästigenden Betrieb reiche, wie dies bei Schrottplätzen der Fall sei. Vorliegend sei erkennbar eine positive Abweichung des Betriebstyps erkennbar. Bereits im Genehmigungsbescheid sei unter Hinweis auf die VDI-Richtlinie 4085 (Planung, Errichtung und Betrieb von Schrottplätzen) auf die nur geringe maschinelle Ausrüstung und das Fehlen von erheblich immissionsträchtigen Anlagen abgestellt worden. Vom Verwaltungsgericht sei auch nicht hinreichend gewertet worden, dass 80% des Betriebsgeländes überdacht seien, was zu einer Abschirmung führe. Es würden keine Zerkleinerungsarbeiten durchgeführt. Zusammenfassend bestehe ein überwiegendes Vollzugsinteresse der Beigeladenen. Die Immissionsgrenzwerte würden nachweislich eingehalten. Für die Beigeladene stritten wirtschaftliche Interessen, das vorgelegte Schallgutachten, die Interessen der beschäftigten Mitarbeiter und die vorliegende Gefahr eines erheblichen Image-Schadens. Die Beigeladene habe einen Kundenstamm aufgebaut, für den der Aspekt der Verlässlichkeit gerade in der vorliegenden Branche hohe Bedeutung habe. Auch bei einem Erfolg der Klage (der nicht anzunehmen sei) könne die Rechtsposition der Antragstellerin noch umfassend gewahrt werden, ohne dass bis dahin schon eine dauerhafte Beeinträchtigung der Rechtsposition der Antragstellerin hinsichtlich des Gebietserhaltungsanspruchs zu befürchten wäre.
23
Die Landesanwaltschaft Bayern hat für den Antragsgegner kein Rechtsmittel eingelegt, vertritt aber mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2018 die Auffassung, dass das Rechtsmittel der Beigeladenen begründet sei.
24
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2018 begründete die Antragstellerin ihren Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie sei Eigentümerin eines Grundstücks in ca. 170 m Entfernung von der Beigeladenen und damit in deren Einwirkungsbereich. Die Tätigkeiten der Beigeladenen seien typische Schrottplatztätigkeiten bzw. Metallhandel in großem Ausmaß. Die Bezugnahme auf das „Kleinkundengeschäft“ sei unklar und auch nicht näher definiert. Das Vorhandensein einer Plattformwaage für Lkw zeige, dass der Betrieb gerade auch für gewerbliche Kunden zugänglich sei. Das Betriebsgrundstück liege im Gewerbegebiet, „Funktionslosigkeit“ des Bebauungsplans sei nicht ersichtlich. Es werde bestritten, dass von erheblich emittierenden Betrieben eine entsprechende Prägung des Gebietes ausgehe. Die zahlreichen von der Beigeladenen vorgelegten Bestätigungen anderer Gewerbebetriebe im Plangebiet zeigten im Übrigen, dass diese offensichtlich in keiner Weise durch Lärm, Staub oder Schmutz belästigt würden. In rechtlicher Hinsicht ergebe sich die Möglichkeit der Rechtsverletzung für die Antragstellerin aus dem geltend gemachten Gebietserhaltungsanspruch. Die Genehmigung erlaube der Beigeladenen einen erheblich belästigenden Gewerbebetrieb, der nach § 8 Abs. 1 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Grundsätzlich sei bei einem Schrott- und Metallbetrieb von einer erheblichen Belästigung auszugehen. Dies gelte insbesondere wegen der genehmigten Gesamtkapazität von 1.495 t Eisen und Nichteisenschrotten, wodurch die Mengenschwellen von 100 t gemäß Ziffer 8.12.3.2 des Anh. 1 zur 4. BImSchV erheblich überschritten würden (dies gelte auch für die Behandlung gemäß Ziffer 8.11.21.4 des Anh. 1 zur 4. BImSchV). Der Betrieb sei gerade nicht nur auf das Kleinkundengeschäft und auch nicht nur auf eine bloße Annahme von Metall beschränkt. Für das Aufladen und Umladen würden vor Ort Bagger, Flurförderzeug und Containersysteme benötigt. Die Beigeladene habe nicht auf einen Volllastbetrieb vor Bestandskraft der ihr erteilten Genehmigung vertrauen dürfen. Gleiches gelte für die von der Beigeladenen vorgetragenen Image-Schäden, die im Übrigen nicht Folge der eingelegten Rechtsmittel, sondern Folge offenkundig zu forscher Werbeversprechen gewesen seien.
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Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2019 vertiefte die Beigeladene ihren Rechtsstandpunkt. Sie habe durch genaue Bezeichnung umliegender signifikant emittierender Betriebe eine eher industrielle Prägung der näheren Umgebung aufgezeigt. Die vorgelegten Bestätigungen der guten Nachbarschaft bezögen sich ganz offensichtlich nur auf solche Emissionen, die von dem Betriebsgelände der Beigeladenen ausgingen. Die Beigeladene betreibe vor Ort keinen typischen Schrottplatz. So gehöre zu einem typischen Schrottplatz insbesondere auch die Vornahme intensiver Behandlungstätigkeiten, etwa z.B. der Gebrauch einer Schrottschere oder einer hydraulischen Schrottpresse. Über solch schweres Gerät verfüge der Betriebsstandort indes nicht. Typische Schrottplätze würden auch regelmäßig im Freien betrieben, gerade eine Einhausung könne als Begründung der Atypik dienen. Es komme zudem maßgeblich nicht auf die Gesamtfläche des Betriebsgeländes, sondern auf die Größenverhältnisse derjenigen Flächen an, auf denen die eigentliche Lagerung und geringstufige Behandlung der Abfälle erfolge. Das Grundstück habe eine Gesamtgröße von 3.761 m², die Lagerung metallhaltiger Abfälle erfolge auf einer Gesamtfläche von 1.938,31 m². Die nicht überdachte Außenfläche, auf der entsprechende Lagerungen und Sortiertätigkeiten stattfänden, betrage 403 m². Die weitere zur Lagerung bestimmte Betriebsfläche sei überdacht und betrage in Summe 1.535 m². Der Anteil nicht überdachter Lagerflächen betrage damit ca. 20,8%. Umgekehrt seien ca. 79,2% der für die Lagerung vorgesehenen Flächen überdacht. Ergänzt würden die vorbezeichneten Flächen um weitere Betriebsbereiche, die allerdings nicht der Lagerung oder Behandlung von metallhaltigen Abfällen, sondern schlicht der Büronutzung (Container), als Waschplatz, der Verwiegung oder schlicht als Verkehrsfläche dienten. Sowohl die Containeranlage für die Büronutzung als auch die Legioblock-Wände dienten der weiteren Emissionsreduktion. Die Beigeladene habe damit sehr wohl die Atypik in hinreichender Weise dargelegt und glaubhaft gemacht. Die für einen Schrottplatz anderer Dimension und Behandlungsintensität typischen Störpotenziale würden durch den Betrieb der Beigeladenen jedenfalls nicht verwirklicht. Der Antrag der Antragstellerin sei unzulässig, weil sie die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe. Betrachte man zudem die tatsächlichen Nutzungen im Baugebiet, könne auf der Grundlage der teils intensiv-gewerblichen bis industriellen Prägung keineswegs ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die vorliegenden Festsetzungen des Bebauungsplanes noch wirksam seien. Der streitbefangene Betrieb sei für das Kleinkundengeschäft konzipiert worden. Die vor Ort akquirierten Schrotte sollten regelmäßig zur weiteren Verarbeitung nach Frankfurt am Main transportiert werden. Der Betrieb der Anlage müsse auch nicht nach dem Genehmigungsumfang auf das Kleinkundengeschäft beschränkt sein, um eine entsprechende Atypik aufzuweisen. Die Fokussierung auf Kleinkundengeschäft stelle vorliegend vielmehr ein spezifisches Kennzeichen der konkreten Ausgestaltung des Betriebs dar. Der Hinweis der Antragstellerin auf eine große Lkw-Plattformwaage sei bewusst übertrieben. Es handle sich tatsächlich nur um eine gewöhnliche Lkw-Waage, wie sie wahrscheinlich in jedem Speditionsbetrieb vorzufinden sei und die keine besonderen Merkmale aufweise. Für die Beurteilung der Anlage sei auch nicht ausschließlich der sog. Volllastbetrieb maßgeblich, vielmehr sei im Einzelfall auch die konkrete Betriebsweise der jeweiligen Anlage ausschlaggebend. Bei dem Betrieb der Beigeladenen handele es sich nicht um eine im förmlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG zu genehmigende Anlage, sondern um eine Anlage, für die aufgrund der entsprechenden Kennzeichnung „V“ der einzelnen Anlagenteile in Spalte C des Anhangs 1 zur 4. BImSchV lediglich ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG durchzuführen gewesen sei. Das sei vom Verwaltungsgericht nicht zutreffend gewürdigt worden.
26
Mit weiterem Schriftsatz vom 22. Januar 2019 teilte die Beigeladene mit, dass das Grundstück der Antragstellerin, auf das diese sich zur Begründung ihrer Klagebefugnis berufe, ihrer Kenntnis nach veräußert worden sei. Die Landesanwaltschaft Bayern bestätigte dies mit Schreiben vom 1. Februar 2019. Die Antragstellerin erklärte mit Schriftsatz vom 4. Februar 2019, dass sie nach wie vor Eigentümerin des besagten Grundstücks sei. Zutreffend sei, dass aktuell eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch zugunsten eines Dritten eingetragen sei. Es werde jedoch bereits angekündigt, dass der Dritte das Verfahren als möglicher Rechtsnachfolger fortführen werde. In materieller Hinsicht sei der Maschineneinsatz bei der Beigeladenen nicht auf die vorhandene Halle beschränkt und dürfte hauptsächlich außerhalb erfolgen. Auch auf typischen Schrottplätzen seien regelmäßig auch zumindest Einhausungen und Hallen vorhanden. Die vorhandene Containeranlage bzw. Legioblock-Wände stellten jedenfalls keine Lärmschutzeinhausungen dar.
27
Die Beigeladene wies unter dem 8. Februar 2019 darauf hin, dass die Antragstellerin vor dem Hintergrund der Grundstücksveräußerung jedenfalls nicht mehr glaubhaft geltend machen könne, möglicherweise in ihrem Gebietserhaltungsanspruch oder in sonstigen Nachbarrechten verletzt zu sein. Es sei nicht ersichtlich, woraus sich eine etwaige Rechtsposition des künftigen Rechtsnachfolgers auf Fortführung des hier zu entscheidenden Verwaltungsstreitverfahrens ergeben solle. Die Rechtsstellung des Rechtsnachfolgers im Prozess beurteile sich gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 265 f. ZPO. Gemäß § 265 Abs. 2 ZPO habe die Veräußerung auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger sei nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Rein vorsorglich werde jedenfalls erklärt, dass die Beigeladene eine Zustimmung zur Übernahme des Prozesses durch einen Rechtsnachfolger nicht erteilen werde. Es sei auch nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Rechtsnachfolger überhaupt gewillt sei, das Verfahren fortzuführen.
28
Mit weiterem Schriftsatz vom 6. März 2019 teilte die Beigeladene mit, dass das Landratsamt Aschaffenburg mit Schreiben vom 28. Februar 2019 der Beigeladenen bescheinigt habe, dass der in den Nebenbestimmungen zum Genehmigungsbescheid unter Ziffer 2.1.2 und 2.1.3 geforderte Nachweis über die Einhaltung eines Immissionsrichtwertes sowie der daraus resultierenden Geräuschspitzen durch Vorlage eines Gutachtens vom 10. Januar 2019 erbracht worden sei. Die Antragsgegnerin legte dieses Gutachten als Teil der Behördenakten vor. Das Gutachten beschreibt die Ergebnisse von am 5. Dezember 2018 vorgenommenen Messungen der Lärmbelastung an drei dem Anlagengrundstück nahegelegenen Immissionsorten. Die Messungen wurden als „gesteuerte Messungen“ durchgeführt, d.h. nach Definierung der häufigsten Betriebsszenarien wurden diese in Zusammenarbeit mit dem Betreiber nachgestellt.
29
Die Beigeladene informierte unter dem 16. April 2019 darüber, dass mittlerweile ein Eigentümerwechsel im Grundbuch vollzogen worden sei. Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2019 erklärte der Bevollmächtigte der Antragstellerin für den neuen Eigentümer des Grundstücks (nunmehr: Antragsteller) die Übernahme des Rechtsstreits im eigenen Namen als Hauptpartei anstelle der Antragstellerin.
30
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
31
Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 22. Oktober 2018 hat Erfolg. Die summarische Überprüfung der Erfolgsaussichten der Klage führt zu keinem klaren Ergebnis; der Senat hält die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage für offen. Die Interessenabwägung fällt in diesem Fall zugunsten der Beigeladenen aus. Der Beschluss war dementsprechend zu ändern.
32
1. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO allerdings zulässig.
33
a) Die vormalige Antragstellerin hat die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO hinreichend geltend gemacht. Ihre Darlegung ist insoweit substantiiert genug. Sie konnte sich als Eigentümerin eines im Bebauungsplangebiet gelegenen Grundstücks auf den sogenannten Gebietserhaltungsanspruch berufen, um gebietsfremde Nutzungen unabhängig von einer tatsächlichen eigenen Betroffenheit abzuwehren und einer schleichenden Umwandlung des Gebiets Einhalt zu gebieten. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 14 oben des Beschlussabdrucks) wird insoweit verwiesen. Auf eine tatsächliche unzumutbare schädliche Einwirkung der streitigen Anlage auf das Grundstück der Antragstellerin kommt es ebenso wenig an (BVerwG, B.v. 2.2.2000 - 4 B 87/99 - juris Leitsatz; OVG NRW, B.v. 17.6.2009 - 8 B 1864/08 - juris 45), wie auf die persönlichen Bewertungen anderer im Plangebiet ansässiger Gewerbetreibender. Die Frage, ob der Betrieb der Beigeladenen tatsächlich als nicht erheblich belästigend im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO angesehen werden kann, ist eine Frage der Begründetheit des Antrags.
34
b) Die im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgenommene Veräußerung und Eigentumsumschreibung des Grundstücks der vormaligen Antragstellerin hatte auf das Verfahren zunächst keinen Einfluss. Zwar leitete die Antragstellerin ihre Antragsbefugnis mit der Geltendmachung des Gebietserhaltungsanspruches aus ihrer Eigentümerstellung bezüglich ihres Grundstücks im Plangebiet her. Gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 1 und 2 ZPO bleibt eine Veräußerung aber grundsätzlich ohne Einfluss auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren (Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, 41. Update 1/19, Art. 71 Nr. 6.4.1). Da die Antragstellerin ein nachbarliches Abwehrrecht geltend macht, das sich aus ihrer dinglichen Berechtigung an ihrem Grundstück ergibt, handelt es sich bei ihrem Grundstück um ein im Sinn von § 265 Abs. 1 ZPO „streitbefangenes Grundstück“ (BayVGH, U.v. 30.10.2007 - 22 B 06.3236 - juris Rn. 24). Ein Fall des § 265 Abs. 3 ZPO ist nicht gegeben.
35
c) Mit Erklärung im Schriftsatz vom 10. Mai 2019 hat der nunmehrige Eigentümer des Grundstücks die Übernahme des Rechtsstreits im eigenen Namen als Hauptpartei anstelle der vormaligen Antragstellerin erklärt. Dieses Recht steht ihm gemäß § 173 VwGO, § 266 Abs. 1 ZPO zu. Danach ist der Rechtsnachfolger berechtigt, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen, weil über das Bestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird (hier: Gebietserhaltungsanspruch), zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist. Die Zustimmung der anderen Prozessparteien, hier der Beigeladenen, ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Der Rechtsnachfolger tritt im laufenden Prozess an die Stelle seiner Rechtsvorgängerin, ohne dass es einer gerichtlichen Entscheidung, etwa durch gesonderten Beschluss, bedarf (vergleiche Becker-Eberhard in Münchner Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 266 Rn. 18, 19). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, so dass der Grundstückserwerber seit der Prozesserklärung im Schriftsatz vom 10. Mai 2019 als (nunmehr alleiniger) Antragsteller des vorliegenden Verfahrens anzusehen ist. Dabei spielt es nach Auffassung des Senats keine Rolle, ob eine entsprechende Übernahmeerklärung auch im beim Verwaltungsgericht anhängigen Hauptsacheverfahren abgegeben wurde, denn nach § 266 Abs. 1 ZPO besteht nur eine Berechtigung, nicht aber eine Verpflichtung zur Übernahme; das Hauptsacheverfahren könnte auch zwischen den früheren Prozessparteien fortgeführt werden. Entscheidend ist nur, dass das Hauptsacheverfahren noch nicht beendet ist, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen.
36
2. Der Antrag des Antragstellers ist unbegründet. Der Senat hält die Erfolgsaussichten der erhobenen Klage in der Hauptsache für offen (a). Eine daher veranlasste Abwägung der widerstreitenden Interessen bezüglich des Sofortvollzugs fällt zugunsten der Beigeladenen aus (b).
37
a) Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die ihr erteilte Genehmigung nicht offensichtlich rechtmäßig. Ihr Betrieb hat Störpotential, das das Verwaltungsgericht zutreffend ausführlich beschrieben hat. Auch der erkennende Senat hat einige Zweifel bezüglich der Genehmigung, die ihn jedoch noch nicht veranlassen, schon aufgrund bloßer summarischer Prüfung im Eilverfahren von einer klaren Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung und damit von eindeutiger Erfolgsaussicht für die erhobene Klage auszugehen. Dabei geht der Senat wie das Verwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht von einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplans aus. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang (Seite 13 des Beschlussabdrucks) darauf hingewiesen, dass die von der Beigeladenen angeführte industrietypische Nutzung durch einzelne Betriebe im Gewerbegebiet auch entsprechend genehmigt sein müsste. Zudem wäre zu ermitteln, welchen konkreten Störgrad diese Betriebe tatsächlich aufweisen. Auch wäre zu klären, in welchem Umfang, sollten entsprechende Genehmigungen vorliegen, diese Betriebe das Gewerbegebiet prägen, so dass davon die Rede sein könnte, dass die Festsetzung als Gewerbegebiet noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (OVG NRW, U.v. 2.2.2000 - 7a D 224/98.NE - juris Rn. 25-29). Nachdem das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht den Rahmen für derartige Beweiserhebungen bietet, geht auch der Senat regelmäßig von der Wirksamkeit eines Bebauungsplans aus, solange keine offensichtlichen Anzeichen für dessen Unwirksamkeit gegeben sind. Eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans liegt im vorliegenden Fall jedenfalls nicht auf der Hand.
38
aa) Die Tatsache, dass das Vorhaben der Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG zu genehmigen ist, liefert für die Einschätzung einer erheblichen Belästigung im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO keinen hinreichenden Anhaltspunkt. Die Genehmigungsart gibt zwar Anlass, der Anlage ein konkretes, die Gebietsprägung beeinträchtigendes Störpotential zu unterstellen (BVerwG, B.v. 2.2.2000 - 4 B 87/99 - juris Rn. 10), darf aber gemäß § 15 Abs. 3 BauNVO nicht allein ausschlaggebendes Kriterium für die Zulässigkeit der Anlage im vorliegenden Gewerbegebiet sein. In der Kommentarliteratur zur Baunutzungsverordnung wird zu dieser Frage in Bezug auf § 8 BauNVO kein einheitliches Bild gezeichnet (vgl. schon BayVGH, B.v. 8.10.2013 - 22 ZB 13.1601 - juris Rn. 23 m.w.N.). Teilweise wird davon ausgegangen, dass Betriebe, die unter das vereinfachte Genehmigungsverfahren fallen, „in der Regel“ gewerbegebietsverträglich sind (vgl. etwa Schiller in Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, § 8 BauNVO Rn. 1734; Boeddinghaus, BauNVO, 6. Aufl. 2014, § 8 Rn. 6), während andere immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Betriebe grundsätzlich auf das Industriegebiet verweisen wollen (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 6 Rn. 35), es sei denn, es läge ein atypischer Fall vor.
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bb) Für die Bewertung der Zulässigkeit des Betriebs im festgesetzten Gewerbegebiet ist eine typisierende Betrachtungsweise einzunehmen. Zwar weist die Beigeladene zutreffend darauf hin, dass es eine große Bandbreite von Betriebsformen von Schrottplätzen gibt. Allerdings kann nach Auffassung des Senats schon die Betriebsform des Lagerns bei insoweit begrenzt typisierender Betrachtung für die Annahme einer erheblichen Belästigung zugrunde gelegt werden, weil wegen der Notwendigkeit des Auf-, Ab- oder Umlagerns erheblicher Lärm erzeugt wird (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2013 - 22 ZB 13.331 - juris Rn. 18, 19). Derartige Tätigkeiten unter freiem Himmel sind auch vorliegend vom Betriebskonzept der Beigeladenen umfasst und deshalb auch einer lärmgutachterlichen Bewertung zugeführt und bei der erfolgten Nachmessung nachgestellt worden. Dass die Begründung des Genehmigungsbescheides unter Nr. 5.3 unter Bezugnahme auf die VDI-Richtlinie 4085 darauf abstellt, dass vorliegend schweres Zerkleinerungsgerät nicht vorgehalten wird, kann eine Atypik bezogen auf die hier beabsichtigte Betriebsform nicht belastbar begründen, weil Atypik nicht schon bei nur mehr oder weniger großer Abweichung vom worst-case-Szenario eines Schrottplatzes angenommen werden könnte. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht auf den konkret beabsichtigten Betrieb „nach seiner Art und Betriebsweise“ abgestellt (vgl. auch OVG Bremen, B.v. 22.5.2017 - 1 LA 308/15 - juris Rn. 13).
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Als gegen eine Zulässigkeit sprechenden Umstand hat das Verwaltungsgericht bei seiner Betrachtung nachvollziehbar auf die erhebliche Gesamtlagerkapazität hingewiesen (vgl. OVG NRW, B.v. 17.6.2009 - 8 B 1864/08 - juris 31), die gerade noch ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG ermöglicht. Auf dem Betriebsgelände wird zudem nicht nur gesammelt, sondern auch lärmträchtig sortiert.
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Anders als das Verwaltungsgericht sieht der Senat allerdings auch Aspekte, die vorliegend die Annahme einer Atypik rechtfertigen könnten. In seiner Entscheidung vom 11. Juli 2013 (22 ZB 13.331 - juris Rn. 20) hat der Senat für einen Schrottplatz mit deutlich kleinerer Lagerkapazität das Vorliegen einer Atypik vor allem mit Blick darauf verneint, dass jegliche Einhausung fehlte. Er hat dabei festgestellt, dass das Störpotential solcher üblicherweise unter freiem Himmel betriebener Anlagen bei typisierender Betrachtung erst dann als atypisch gemindert angesehen werden kann, wenn die Anlage eingehaust oder eine vergleichbar wirksame Anlagenänderung erfolgt ist. Im vorliegenden Fall ist das Betriebsgelände zu einem nicht unerheblichen Teil mit einer dreiseitig umschlossenen Halle eingehaust. Die Genehmigungsbehörde hat unter Nr. 5.3.1 der Begründung des Genehmigungsbescheides in ihre Betrachtung ferner eingestellt, dass die Annahme bzw. Abholung der Abfälle in der Halle oder in dreiseitig geschlossenen Schüttboxen stattfindet, was zu einer Minimierung der Immissionen an den maßgeblichen Immissionsorten führe. Sie hat insbesondere das Vorhandensein der drei Meter hohen Betonblockwand an der südlichen und westlichen Grundstücksgrenze betont. Insbesondere diese Mauer, die abgeteilten Schüttboxen und die Halle führen zu einer erheblichen Lärmbegrenzung, die sich auch bei der Lärmmessung bestätigte, die während des Beschwerdeverfahrens vorgenommen wurde. Dass die Halle nicht völlig zu schließen ist, ändert nichts an ihrer lärmmindernden Wirkung im Vergleich zu einem typischen Lagerplatz „unter freiem Himmel“. Einen „beachtlichen An- und Abfahrtsverkehr durch PKW und LKW“ sieht der Senat vor dem Hintergrund der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Betriebsbeschreibung gerade auch im Vergleich zu den umliegenden Gewerbebetrieben (und auch im Vergleich mit den in der Rechtsprechung auffindbaren Fallgestaltungen, vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2013 - 22 ZB 13.331 - juris Rn. 3; OVG Bremen, B.v. 22.5.2017 - 1 LA 308/15 - juris Rn. 14) nicht. Besondere verhaltensbezogene Auflagen (wie etwa in BayVGH, B.v. 11.7.2013 - 22 ZB 13.331 - juris Rn. 4) oder andere besondere Einschränkungen (wie etwa im Fall von VG Düsseldorf, U.v. 7.5.2002 - 3 K 6192/01 - juris Rn. 20) waren deshalb vorliegend offenbar nicht erforderlich, um überhaupt erst eine Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens herzustellen.
42
Die vorliegende Fallgestaltung zeichnet deshalb nach Auffassung des Senats kein klares Bild, das schon jetzt eine zweifelsfreie Aussage über die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zuließe. Eine Entscheidung über die Gebietsverträglichkeit im vorliegenden Einzelfall bleibt damit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
43
b) Bei deshalb angenommenen offenen Erfolgsaussichten ist mittels einer Abwägung der jeweiligen Interessen der Prozessparteien zu entscheiden. Dabei gilt, dass der Rechtsschutzanspruch des Betroffenen umso stärker ist und umso weniger zurückstehen darf, je gewichtiger die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen Unabänderliches bewirken (vergleiche Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93). Es sind alle schutzwürdigen Interessen des Antragstellers am Suspensiveffekt zu ermitteln und in die Erwägungen einzubeziehen. Das gilt auch für die Vollzugsinteressen der Beigeladenen. Im vorliegenden Einzelfall macht der Antragsteller einen bauplanungsrechtlichen Gebietserhaltungsanspruch geltend. Das Grundstück, das ihm diese Befugnis verleiht, liegt hier in einigem Abstand zum streitgegenständlichen Vorhaben, sodass unmittelbare Beeinträchtigungen schwerer oder gar unzumutbarer Art durch den Betrieb der Beigeladenen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zu befürchten sind. Derartige Beeinträchtigungen hat die Antragstellerseite auch nicht vorgetragen. Zu einer bauplanungsrechtlich wirksamen Veränderung des Gebietscharakters des Gewerbegebiets oder zur Funktionslosigkeit des Bebauungsplans kann es nicht alleine durch die einstweilige Betriebsaufnahme des Betriebs der Beigeladenen kommen, sondern erst durch dessen bestandskräftige Genehmigung. Vor diesem Hintergrund besteht bei einer wertenden Betrachtung der Interessen des Antragstellers kein Anlass, bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Betrieb der Beigeladenen bis zur Hauptsacheentscheidung zu verhindern. Demgegenüber hat die Beigeladene eigene wirtschaftliche Interessen vorgetragen. Sie hat nicht unerhebliche eigene Investitionen in ihr Vorhaben getätigt und ist damit wirtschaftlich erhebliche Verpflichtungen eingegangen. Der Senat verkennt nicht, dass jemand, der Investitionen ohne bestandskräftige Genehmigungen vornimmt, dies grundsätzlich auf eigenes Risiko tut. Nachdem allerdings auf Antragstellerseite keine erheblichen Interessen schon gegen den einstweiligen Vollzug der Genehmigung ersichtlich sind, haben die Interessen der Beigeladenen im vorliegenden Fall den Vorrang zu erhalten. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der beim Verwaltungsgericht noch anhängigen Klage war daher insgesamt abzulehnen.
44
c) Bei der Klärung der angesprochenen Fragen wird im Hauptsacheverfahren anders als im einstweiligen Rechtsschutz auch der Frage der Wirksamkeit des Bebauungsplans vor dem Hintergrund der vorgetragenen Anwesenheit anderer möglicherweise immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtiger Betriebe im Gewerbegebiet nachzugehen sein, weil im Falle der Annahme der Gebietsunverträglichkeit des Vorhabens bei Funktionslosigkeit des Bebauungsplans eine Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 BauGB in Betracht kommt (vgl. Jarass, BImSchG, 12. Aufl. 2017, § 6 Rn. 36).
45
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei aufzuerlegen, weil die Beigeladene Anträge gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
46
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 52 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziff. 19.2, 2.2.2, und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
47
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.