Bundesweite Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss
KWMBl. I 2004 S. 187
2230.1.1.1.1-K
Bundesweite Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
für Unterricht und Kultus
vom 20. April 2004 Az.: III.5 - 5 S 4200.4.1 - 6.28 116
Als Reaktion auf das mäßige Abschneiden deutscher Schülerinnen und Schüler bei PISA 2000 beschloss die Kultusministerkonferenz (KMK) im Dezember 2001 Maßnahmen in sieben zentralen Handlungsfeldern. Zu diesen Maßnahmen zählt auch die Einführung und Umsetzung verbindlicher Bildungsstandards, wie es sie in den bei PISA erfolgreichen Staaten bereits seit längerem gibt. Am 4. Dezember 2003 hat die KMK erstmals bundesweite Bildungsstandards für die Fächer Deutsch, Mathematik sowie Englisch und Französisch (als 1. Fremdsprache) für den Mittleren Schulabschluss nach Jahrgangsstufe 10 verabschiedet. Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem einheitlichen Qualitätsniveau im deutschen Bildungswesen und damit zu mehr Bildungsgerechtigkeit.
Die Bildungsstandards benennen die Kompetenzen und Wissensbestände, die alle Schülerinnen und Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe in bestimmten Fächern erreicht haben sollen und die für die weitere schulische und berufliche Ausbildung bedeutsam sind. Die Kompetenzen werden konkret beschrieben und durch Aufgabenbeispiele veranschaulicht. Vor allem auf Drängen Bayerns wurden nicht Mindest-, sondern Regelstandards formuliert, die ein mittleres Anforderungsniveau ausweisen. Die Standards samt Aufgabenbeispielen sind auf den Internetseiten der KMK abrufbar unter www.kmk.org/schul/Bildungsstandards/bildungsstandards.htm.
Mit der Einführung der Standards vollzieht sich in der deutschen Bildungspolitik ein weiterer Schritt von der detaillierten Input-Steuerung hin zur Outcome-Steuerung. Während traditionelle Lehrpläne die Lernziele und -inhalte systematisch und in ihrer zeitlichen Reihenfolge beschreiben und den Lehrkräften Hinweise für das methodisch-didaktische Vorgehen geben (Input), lenken Bildungsstandards die Aufmerksamkeit auf langfristig aufgebaute Lernergebnisse (Outcome). Sie konzentrieren sich auf die Kernbereiche des jeweiligen Unterrichtsfaches und geben damit den Schulen größere Gestaltungsräume für ihre pädagogische Arbeit. Gleichzeitig orientieren sie sich am Auftrag der schulischen Bildung, der sich nicht auf rein Kognitives und Messbares beschränkt, sondern die Persönlichkeitsentwicklung und Orientierung ausdrücklich mit einschließt.
Durch den Beschluss der KMK vom Dezember 2003 haben sich die Länder dazu verpflichtet, die Bildungsstandards in den genannten Fächern (Deutsch, Mathematik und 1. Fremdsprache) ab dem Schuljahr 2004/2005 zu implementieren und anzuwenden. Damit sind die Standards für alle Schularten verbindlich, an denen der Mittlere Schulabschluss (nach Jahrgangsstufe 10) erworben werden kann, in Bayern also die Mittlere-Reife-Züge der Hauptschulen, die Realschulen, die Gymnasien und die Wirtschaftsschulen. Für die Wirtschaftsschulen erstrecken sich die Bildungsstandards im Fach Mathematik nur auf die Wahlpflichtfächergruppe M.
Dies hat Konsequenzen v. a. für die Lehrplanarbeit, die landesweiten Jahrgangsstufentests sowie die Lehrerfortbildung. Die Funktion der Lehrpläne wird künftig auch darin bestehen, das in den Standards abschlussbezogen formulierte Kompetenzniveau auf die jeweilige Jahrgangsstufe „herunterzubrechen “. Damit kommt der Festlegung von Grundwissen und Kernkompetenzen in den verschiedenen Anforderungsbereichen eines Faches entscheidende Bedeutung zu. Durch den Verzicht auf Detailfülle bekommen die Lehrkräfte größere inhaltliche und methodische Freiräume. Die Betonung muss dabei auf der Förderung eines aufbauenden und nachhaltigen Lernens liegen.
Der Prozess der Standardentwicklung wird fortgesetzt. Fachkommissionen, die sich aus Fachdidaktikern und Schulpraktikern aus ganz Deutschland zusammensetzen und die bei ihrer Arbeit von Wissenschaftlern begleitet werden, haben Entwürfe für den Primarbereich (Grundschule) in den Fächern Deutsch und Mathematik und den Hauptschulabschluss in den Fächern Deutsch, Mathematik und erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) vorgelegt. Entwürfe für den Mittleren Schulabschluss in den Fächern Biologie, Chemie und Physik werden folgen. Die Verabschiedung dieser Standards durch die KMK ist für Oktober 2004 (Primarbereich, Hauptschulabschluss) bzw. Dezember 2004 (Mittlerer Schulabschluss) geplant.
Standards als Maßnahme schulischer Qualitätssicherung machen nur dann Sinn, wenn ihre Einhaltung regelmäßig überprüft wird. Eben dies sieht der KMK-Beschluss vom Dezember 2003 auch vor. Die Kultusminister haben sich darauf verständigt, zu diesem Zweck eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung zu gründen. Dieses Wissenschaftliche Institut der Länder zur Qualitätssicherung soll noch im Jahr 2004 seine Arbeit aufnehmen. Seine Hauptaufgabe wird in einem kontinuierlichen länderübergreifenden Bildungsmonitoring auf der Grundlage repräsentativer Stichproben bestehen. Dazu müssen für alle in den Standards erfassten Kompetenzen empirisch abgesicherte Kompetenzstufen formuliert und geeignete Testaufgaben entwickelt werden. Eine erste Überprüfung der Standards für das Fach Mathematik soll dann im Zusammenhang mit der PISA-Studie 2006 erfolgen.
Josef Erhard
Ministerialdirektor