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LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 21.09.2022 – 4 HK O 655/21
Titel:

Unlautere E-Mail-Werbung ohne Einwilligung

Normenkette:
UWG § 3, § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3
Leitsatz:
Der Hinweis vor einer Bestellung, wonach der Nutzung der E-Mail-Adresse für die Übersendung eines Newsletters zu ähnlichen Waren oder Dienstleistungen jederzeit widersprochen werden kann, stellt keine ausdrückliche Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Umzumutbare Belästigung
Fundstellen:
MD 2022, 1222
LSK 2022, 36507
GRUR-RS 2022, 36507

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu insgesamt 2 Jahren, Ordnungshaft auch für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr E-Mails zu versenden, ohne dass der Empfänger der E-Mail seine Einwilligung in den Empfang erteilt hat, wenn dies geschieht wie mit der Versendung der E-Mail-Schreiben „Herzlich willkommen …“ vom 02.10.2020 (Anlage K 3) und/oder „Die wichtigsten …Themen - immer aktuell …“ vom 05.10.2020 (Anlage K 4).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.03.2021 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar in Ziff. 1 gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 Euro und im Übrigen gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der streitgegenständlichen Werbe-E-Mails der Beklagten.
2
Der Kläger ist ein …, zu dessen … Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Der Kläger ist nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der Lage, seine … Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen.
3
Mitglieder des Klägers sind der …, die …, 134 Unternehmen der …branche - darunter 62 Unternehmen der Branche …, 34 Hersteller und Großhändler von …, 29 Unternehmen von … und 5 … - sowie weiter 48 Unternehmen der Branche … - darunter 14 …, 25 …, 5 … und 4 … - sowie 3 …, die auch … vertreiben, und der … Die Beklagte ist ein Hersteller von persönlicher … für den gewerblichen Bereich. Ihr Online-Shop richtet sich ausschließlich an gewerbliche Abnehmer. Im Rahmen des Bestellvorgangs muss der Käufer bestätigen, als Unternehmer Bestellungen zu tätigen.
4
Vor einer online-Bestellung erhält der Kunde auf der Webseite folgenden Hinweis:
„Der Nutzung Ihrer E-Mail-Adresse für die Übersendung eines Newsletters zu ähnlichen Waren / Dienstleistungen können Sie jederzeit entweder vollständig oder für einzelne Maßnahmen widersprechen. Wenden Sie sich dazu bitte ganz einfach per E-Mail an … oder verwenden Sie den Abmelden-Link am Ende des Newsletters.“
5
Am 29.01.2020 bestellte der Klägervertreter … bei der Beklagten … Die Bestellung wurde von der Beklagten storniert. Die … wurden nicht ausgeliefert.
6
Die Beklagte versandte an den Empfänger… am 02.10.2020 die E-Mail „Herzlich willkommen bei …“ (Anlage K 3) und am 05.10.2020 die E-Mail „Die wichtigsten …-Themen - immer aktuell mit …“ (Anlage K 4). Bei beiden E-Mails handelt es sich um Werbung. Eine ausdrückliche Einwilligung für die Werbung wurde von dem Empfänger nicht erteilt.
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Mit Schreiben vom 26.10.2020 mahnte der Kläger das Versenden der E-Mails ab (Anlage K 5).
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Der Kläger vertritt die Auffassung, dass eine unzumutbare Belästigung nach § 7 Abs. 1, Abs. 2 UWG und kein Ausnahmetatbestand (§ 7 Abs. 3 UWG) vorliege. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG differenziere nicht zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden, weshalb letztere von der Vorschrift umfasst seien.
9
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr E-Mails zu versenden, ohne dass der Empfänger der E-Mail seine Einwilligung in den Empfang erteilt hat, wenn dies geschieht wie mit der Versendung der E-Mail-Schreiben „Herzlich willkommen bei …“ vom 02.10.2020 (Anlage K 3) und/oder „Die wichtigsten …-Themen - immer aktuell mit …“ vom 05.10.2020 (Anlage K 4).
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
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Die Beklagte erachtet den Sachvortrag des Klägers zur Aktivlegitimation als unzureichend. Sie meint, dass in einer Bestellung durch Unternehmen in Ansehung des auf der Webseite enthaltenen Hinweises nach der Verkehrssitte zugleich eine Einwilligung in die Informations-E-Mails liege. Die beanstandete E-Mail-Werbung sei nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG zulässig. Dadurch, dass der Besteller die Bestellung in Ansehung des Hinweises auf der Webseite abgebe, habe er ausdrücklich und nicht nur mutmaßlich eingewilligt. Die Werbung sei auch nach § 7 Abs. 3 UWG zulässig. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG würden hier vorliegen. Dass der Verkauf letztlich storniert wurde, sei unerheblich. Die beanstandeten E-Mails würden sich auf ähnliche Waren beziehen.
12
Mit Beschluss vom 27.06.2022 wurde mit Zustimmung beider Parteien das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, wurde der 15.08.2022 bestimmt. Die Parteien erklärten sich mit einer Entscheidung des Vorsitzenden anstelle der Kammer einverstanden.
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Das Gericht hat keinen Beweis erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
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I. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist sachlich und örtlich zuständig, §§ 14 Abs. 1, Abs. 2 UWG.
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II. Der Kläger ist klagebefugt, § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F., § 15a UWG.
17
Da die Beklagte einen Internetversandhandel betreibt stellen die vom Kläger als Mitglieder genannten … sowie der … und die 134 Unternehmen der … eine erhebliche Zahl von Unternehmen dar, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.
18
Es müssen sich die beiderseitigen Waren/Leistungen ihrer Art nach so gleichen oder nahe stehen, dass der Absatz des einen Unternehmens durch irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen Unternehmens beeinträchtigt werden kann, dabei kann eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit ausreichen (Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 8 UWG, Rn. 3.38). Dies ist bezüglich der genannten Mitgliedsunternehmen der Fall.
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Der Kläger hat auch eine größere Zahl von Mitgliedsunternehmen genannt, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Dabei müssen lediglich Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht in der Weise repräsentativ vertreten sein, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (Köhler, aaO, § 8 UWG, Rn. 3.42a). Dies ist hier der Fall.
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Die Beklagte ist dem substantiierten klägerischen Vortrag nicht entgegengetreten.
21
III. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Die streitgegenständlichen E-Mail-Schreiben der Beklagten vom 02.10.2020 (Anlage K 3) und 05.10.2020 (Anlage K 4) sind als unzumutbare Belästigungen zu untersagen, §§ 3, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, 8 UWG.
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1. Die beanstandete Werbung der Beklagten stellt eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.
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2. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Unter Adressaten sind dabei, wie sich aus der Verknüpfung des § 7 Abs. 2 UWG mit § 7 Abs. 1 S. 1 UWG und aus dem systematischen Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ergibt, alle Marktteilnehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG gemeint, also sowohl Verbraucher als auch sonstige Marktteilnehmer (Köhler, aaO, § 7 UWG, Rn. 179). Der hier vorliegende Besteller, …, ist somit tauglicher Adressat.
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3. Eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten in das Zusenden von Werbung liegt nicht vor.
25
An das Vorliegen einer solchen Einwilligung sind strenge Anforderungen zu stellen (Köhler, aaO, § 7, Rn. 185). Es muss eine aktive Einwilligung erfolgen. Ein Stillschweigen, bereits angekreuzte Häkchen oder Untätigbleiben reicht nicht aus (Köhler, aaO, § 7 UWG, Rn. 149e).
26
Der Hinweis der Beklagten vor der Bestellung „Der Nutzung Ihrer E-Mail-Adresse für die Übersendung eines Newsletters zu ähnlichen Waren / Dienstleistungen können Sie jederzeit entweder vollständig oder für einzelne Maßnahmen widersprechen“ stellt keine aktive Einwilligung und damit keine ausdrückliche Einwilligung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Vielmehr handelt es sich um die Regelung einer Widerspruchsmöglichkeit, die die Berechtigung zur Werbung mit elektronischer Post unterstellt, ohne die erforderliche ausdrückliche Einwilligung zu erwähnen.
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Ein Vertragsschluss ohne diese Regelung ist nicht vorgesehen. Damit liegt auch keine vorformulierte Einwilligungserklärung in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vor (BGH GRUR 2017, 748).
28
Das Verwenden von E-Mails mit unerbetener Werbung, bei denen ein Widerspruch erforderlich ist, um eine weitere Zusendung zu unterbinden, führte bereits nach der bisherigen Rechtsprechung zu einer nicht unerheblichen Belästigung (vgl. BGH GRUR 2017, 748).
29
4. Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 UWG ist nicht einschlägig.
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a) § 7 Abs. 3 UWG regelt, dass eine unzumutbare Belästigung nicht anzunehmen ist, wenn ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Es muss nach der Bestellung zu einem Verkauf gekommen sein (Köhler, aaO, § 7 UWG, Rn. 204a). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Ein Verkauf kam unstreitig nicht zustande. Die Bestellung wurde storniert.
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b) Die Ausnahmevorschrift greift aber auch deswegen nicht, weil die Beklagte die E-Mail-Adresse nicht zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet hat, § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die beworbene Ware muss dem gleichen oder ähnlichen erkennbaren oder doch typischen Verwendungszweck oder Bedarf des Kunden entsprechen (Köhler, aaO, § 7 UWG, Rn. 205). Vom Normzweck erscheint es vertretbar, Werbung auch für funktionell zugehörige Waren, wie Zubehör und Ergänzung, zuzulassen (Köhler, aaO, § 7 UWG, Rn. 205). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Bestellt wurden … Der Newsletter der Beklagten vom 02.10.2020 (Anlage K 3) umfasst auch Werbung für … Der Newsletter vom 5.10.2020 (Anlage K 4) bewirbt ebenfalls das gesamte Produktsortiment und enthält darüber hinaus Informationen zu Dienstleistungen der Beklagten, wie z.B. Informationen zum … und Schulungsangebote zur Aus- und Weiterbildung rund um … Nach alledem stellen die beanstandeten Werbe-E-Mails eine unzumutbare Belästigung dar.
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5. Die Beklagte ist als Verantwortliche der streitgegenständlichen Werbe-E-Mails passivlegitimiert.
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6. Eine Wiederholungsgefahr ist durch die bereits vorliegenden Verletzungshandlungen indiziert.
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IV. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F., § 13 Abs. 3 UWG n.F. Da der Kläger als Wirtschaftsverband gehalten ist, die erste Abmahnung ohne anwaltliche Hilfe vorzunehmen, steht ihm wegen der hierdurch entstandenen Eigenkosten ein Erstattungsanspruch zu (BGH GRUR 91, 550; Köhler, aaO, § 13 UWG, Rn. 132). Die geltend gemachte Abmahnkostenpauschale in Höhe von 232,00 Euro ergibt sich aus der Kostenermittlung für Abmahnungen im Jahr 2019. Der Zinsanspruch basiert auf §§ 286, 288, 291 BGB. Die Klage wurde am 09.03.2021 zugestellt.
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V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.