Inhalt

LG München I, Endurteil v. 24.11.2022 – 33 O 4349/22
Titel:

Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer im Fahrzeugbereich bekannten Marke

Normenketten:
BGB § 683 S. 1, § 670, § 677
UMV Art. 9 Abs. 3, Abs. 2 lit. b und c, Art. 14 lit. c, Art. 15 Abs. 1, Art. 129 Abs. 2
Leitsatz:
Eine Erschöpfung des Markenrechts scheidet aus, wenn die vom Verletzer verwendete Bezeichnung derart abgewandelt wird, dass sie nicht mehr der Form des Inverkehrbringens durch den Markeninhaber entspricht. Die Wirkung der Erschöpfung beschränkt sich auf das konkrete Zeichen in der Form, in welcher es von dem Markeninhaber beim Inverkehrbringen verwendet wurde. Selbst geringfügige Änderungen des Zeichens sind daher unzulässig. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Marke, Unterscheidungskraft, Verwechslungsgefahr, Abmahnkosten, Kennzeichnungskraft, Rechtsanwaltskosten, Dienstleistungen, Zeichen, Genehmigung, Ware, Abmahnung, Logo, Gutachten, Vollmacht, unerlaubte Handlung, Waren oder Dienstleistungen, Art und Weise
Fundstelle:
GRUR-RS 2022, 34857

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.734,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 06.05.2022 zu zahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten wegen einer behaupteten Markenrechtsverletzung.
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Die Klägerin ist eine deutsche Automobilherstellerin. Sie ist Inhaberin der Unionsmarke Nr. ..., „BMW“, mit Priorität vom 01.04.1996. Es besteht Schutz in Klasse 12 für Kraftfahrzeuge und deren Teile (Anlage K 1). Nach der von der Klägerin als Anlage 2 vorgelegten Interbrand-Studie „Best Global Brands 2020“ handelt es sich bei „BMW“ um eine der wertvollsten und bekanntesten Marken.
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Zudem ist die Klägerin Inhaberin der Wort-/Bildunionsmarke Nr. („M“ Logo)
und der Unionswortmarke Nr. ... („M“), Anlage K 3, welche Schutz u.a. für Fahrzeuge in Klasse 12 gewähren.
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Das „M“ Logo und „M“ gehören neben den Marken „BMW“, „MINI“ und „Rolls-Royce“ zu den Kernmarken der Klägerin (vgl. Anlage K 4). Die Klägerin nutzt das „M“ Logo bzw. „M“ als Dachmarke ihrer „M“ Markenfamilie seit Jahrzehnten intensiv auf zahlreichen Fahrzeugen und in fahrzeugbezogenen Angeboten, die sich grob in die drei Hauptgruppen „M“ Ausstattung, „M“ Sportwagenserie und „M“ Performance Automobile einteilen lassen. Die Produktionszahlen der Fahrzeuge mit „M“ Ausstattung, die serienmäßig mit dem „M“ Logo u.a. an den vorderen Seitenwänden gekennzeichnet sind, sind seit Jahren hoch und steigen ständig (vgl. zu den Produktionszahlen in den Jahren 1997 bis 2019: S. 5 der Klageschrift vom 12.04.2022, Bl. 5 d.A.). Danach hatten im Jahr 2019 78.653 Stück der von der Klägerin für den deutschen Markt produzierten und abgesetzten BMW-Serienfahrzeuge eine „M“-Ausstattung und waren serienmäßig mit dem „M“-Logo gekennzeichnet. Nach einem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach beträgt die Bekanntheit des „M“ Logos 48 % im allgemeinen Verkehr (Anlage K 5).
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Der Beklagte bot über seinen Online-Shop www.p.-autoteile.de einen Kühlergrill - wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es sich um ein Einzelstück handelte - unter der Bezeichnung „Kühlergrill Nieren Satz M-Look Doppelsteg schwarz glänzend BMW 3er E46 Baujahr 2001-05“ wie nachfolgend abgebildet an:
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Bezüglich der Einzelheiten des Angebots und der Produktbeschreibung wird auf die Anlage K 6 Bezug genommen.
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Die Klägerin selbst bietet keinen Kühlergrill „M-Look“ an.
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Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mahnten den Beklagten im Namen der Klägerin aufgrund der aus ihrer Sicht bestehenden Markenrechtsverletzung mit Schreiben vom 07.02.2022 ab (Anlage K 7). Der Beklagte wies die Forderungen der Klägerin mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2022 u.a. wegen fehlender Vorlage einer Vollmacht zurück (Anlage B 1). Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandten mit Schreiben vom 17.02.2022 (Anlage B 2) daraufhin eine Vollmacht (Anlage B 3), unterzeichnet mit „i.V. Dr. A. Fr.“ und „i.V. Dr. H. Bu.“. Daraufhin gab der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 21.02.2022 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unterlassungserklärung im Namen des Beklagten ab, und wies die Forderungen mangels Vorlage einer Vollmacht erneut ab (Anlagen K 8 und B 4). Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 10.03.2022 wurde die Unterlassungsklärung des Beklagten ergänzt (Anlage B 5). Die Kosten der Abmahnung bezahlte der Beklagte nicht.
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Die Klägerin trägt vor, die Abmahnung sei berechtigt gewesen, da die Benutzung der beanstandeten Bezeichnung eine klare Verletzung der Klagemarken darstelle.
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Die Klägerin ist der Auffassung, ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Abmahnkosten folge aus § 14 Abs. 6 MarkenG und darüber hinaus verschuldensunabhängig nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 S. 1 i.V.m. § 670 BGB.
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Es liege Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne vor, Art. 9 Abs. 2 b) UMV. Der Beklagte dürfe nicht die bekannten Marken der Klägerin einfach in seine Produktbezeichnung integrieren. Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Zeichenbestandteile „M-Look“ bzw. „BMW“ unzweifelhaft mit der Klägerin verbinden. Der BGH nehme bei Bekanntheit eines Zeichenbestandteils (hier: „BMW“, „M3“, „M5“ bzw. „M6“) allgemein eine selbstständig kennzeichnende Stellung an (BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 102 - Sparkassen-Rot/Santander-Rot). Abgesehen davon ergebe sich die selbstständig kennzeichnende Stellung auch unabhängig von der Bekanntheit der Zeichenbestandteile „M-Look“ bzw. „BMW“ aus den Kennzeichnungsgewohnheiten im Fahrzeugbereich (vgl. BGH GRUR 2021, 724 Rn. 32 - PEARL/PURE PEARL).
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Überdies liege Rufausbeutung nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV vor. Der Beklagte nutze die besondere Werbekraft der berühmten Klagemarken aus, indem er sich durch deren Benutzung in der Produktbezeichnung in den Bereich der Sogwirkung der berühmten Klagemarken begebe, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren, Art. 9 Abs. 2 c) UMV. Der Beklagte könne sich auch nicht auf Art. 14 Abs. 1 c) UMV berufen, da nur die schonendste Bezugnahme auf die Herstellermarke gedeckt sei. Ein Anbieter von Zubehör- und Ersatzteilen sei auf ein Minimum an Markenverwendung beschränkt. Jede Verwendung der Marken „M“ Logo bzw. „M“ und „BMW“, die über einen notwendigen Kompatibilitätsbezug hinausgingen, würde die Klägerin nicht hinreichend schonen und würde daher gegen die anständigen Gepflogenheiten im Gewerbe und Handel i.S.v. Art. 14 Abs. 2 UMV verstoßen. Der Beklagte könne sich ferner nicht auf Art. 15 Abs. 1 UMV berufen. Trotz mehrfacher Aufforderung habe der Beklagte nicht den geringsten Anhaltspunkt für das Vorliegen von Originalware genannt. Der Beklagte trage aber die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, es handele sich um originale und erschöpfte BMW-Produkte. Abgesehen davon umfasse die Wirkung der Erschöpfung keine eigenen „Markenkreationen“ wie „M-Look“, Art. 15 Abs. 2 UMV. Es sei das ureigene Recht der Klägerin, die Identität ihrer Marken zu definieren. Die Klägerin müsse es nicht hinnehmen, dass Händler willkürlich neue Versionen von „M“ Marken im Markt platzieren würden.
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Der angesetzte Streitwert von 400.000,- Euro entspreche der Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere dem hohen Bekanntheitsgrad der Klagemarken.
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Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 4.734,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Der Beklagte beantrag:
Klageabweisung.
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Der Beklagte trägt vor, es sei alles getan worden, um einer Verwechslungsgefahr vorzubeugen. So sei in dem streitgegenständlichen Angebot darauf hingewiesen worden, für welche Modelle der Kühlergrill passe und klar gemacht worden, dass der Artikel nicht von BMW verkauft werde. Es sei auch nicht angegeben worden, dass es sich um ein Originalteil handele. Daneben bestreitet der Beklagte, dass es sich bei dem Kühlergrill um kein Originalteil der Klägerin gehandelt habe.
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Der Beklagte behauptet weiter, der angebotene Kühlergrill sei eine Ausnahme zu seinem Sortimentsangebot gewesen. Er handele fast ausschließlich mit Fahrzeugteilen der Marke Opel und überwiegend für Oldtimerfahrzeuge. Die streitgegenständliche Annonce stamme aus dem Jahr 2019. Es sei lediglich versäumt worden, diese zu löschen.
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Ein Verzugsschaden für die Bayerischen M2. W. AG könne aufgrund der bereits mit Schreiben der Beklagtenvertreter vom 21.02.2022 und 10.03.2022 für den Beklagten abgegebenen Erklärungen auch nicht mehr geben und geltend gemacht werden.
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Der Beklagte bestreitet, dass der Klägerin ein Schaden durch den Beklagten entstanden sei, indem der Beklagte im Jahr 2019 einen Kühlergrill für 59,90 € zum Verkauf angeboten hat und die Annonce erst im Jahr 2022 gelöscht wurde. Der Beklagte bestreitet weiter, dass die Klägerin die streitgegenständigen Kosten der anwaltlichen Vertretung bezahlt habe. Zahlungsansprüche würden daher vollständig entfallen. Es sei weder vorgetragen, wann noch auf welche Art und Weise die Zahlung erfolgt seien.
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Der Verkauf von einem Kühlergrill im Jahr 2019 für 59,90 € sei auch völlig ohne Belang, weshalb seitens des Beklagten auch bestritten werde, dass für Abmahnkosten Rechtsanwaltskosten über der Mittelgebühr in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 400.000 € geltend gemacht werden könnten. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche bestreite der Beklagte daher dem Grunde und der Höhe nach vollständig. Die streitgegenständige Sache habe für die Klägerin auch keinerlei Bedeutung.
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Der Beklagte ist der Auffassung, das angerufene Gericht sei weder örtlich noch aufgrund des Gegenstandswertes sachlich zuständig, da es vorliegend nur um Kosten der KL. Anwälte gehe. Mangels Vollmacht dürften die KL. Rechtsanwälte keine Klage für die Klägerin führen. Auch bestehe mangels Vollmacht zum Zeitpunkt des Tätigwerdens unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz der seitens der Prozessbevollmächtigten tatsächlich ohne wirksame Vollmacht geltend gemachten Rechtsanwaltskosten. So hätten die Klägervertreter auch bei Klageerhebung keine wirksame Originalvollmacht vorgelegt. Eine Genehmigung sei rechtlich nicht möglich. Die von den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 17.02.2022 vorgelegte Vollmacht, datierend auf den 17.02.2022 sei unterzeichnet mit „i.V. Dr. A. Fr. und i.V. Dr. H. Bu. für die Bayerische M2. W. AG“, wobei beide Unterzeichner nicht Mitglieder des Vorstandes seien und auch keine Originalvollmacht vorgelegt hätten (Anlage B 3). Der Beklagte bestreitet auch die Bevollmächtigung der unterzeichnenden Dr. F. und Dr. B. durch den Vorstand.
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Auch die von der Klägerin angesetzte 1,5 Gebühr und der Gegenstandwert seien unzutreffend. Hier müsse eine Auskunft der Rechtsanwaltskammer eingeholt werden.
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Die Klägerin erwidert, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin sei Prozessvollmacht gemäß der Anlage K 10 wirksam erteilt worden. Die Unterzeichner Dr. F. und Dr. B. seien auf dem hier einschlägigen Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes für die Klägerin vertretungsbefugt gewesen (vgl. die „Bestätigung“ vom 24.06.2022, unterzeichnet von den Prokuristen R. D. und Dr. J. V., Anlage K 11, sowie für deren Prokura: Handelsregisterauszug, Anlage K 12). Die formlose Bevollmächtigung zur Abmahnung sei am 04.02.2022 erfolgt. Nur rein vorsorglich hätten die Prokuristen R. D. und Dr. J. V. die Abmahnung und die Prozessführung mit Schreiben auch noch genehmigt (Anlage K 11). Die Abmahnkosten seien auch bezahlt worden.
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Es komme bereits nicht darauf an, ob es sich bei dem angebotenen Kühlergrill um ein Originalteil - wie nicht - gehandelt habe. Der Beklagte habe vorliegend mit der angegriffenen Produktkennzeichnung die Markenabwandlung „M-Look“ kreiert. Solche neuen Versionen von „M“ Marken müsse die Klägerin nicht hinnehmen. Die Klägerin würde daneben unstreitig keinen Kühlergrill „M-Look“ anbieten. Bezeichnenderweise trage der Beklagte auf S. 2 Abs. 3 der Klageerwiderung selbst vor, dass der Artikel nicht von BMW verkauft werde.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es auf die Begleitumstände im Angebot nicht an. Das Markenrecht schütze gegen abstrakte Verwechslungen. Der Streitwert liege am unteren Rande des angemessenen, berücksichtige man den massiven Verletzungsfaktor durch das Internetangebot und die Bekanntheit der zugrunde liegenden Klagemarken „M“ und „BMW“.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze samt Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 22.09.2022 (Bl. 51/53 d.A.) Bezug genommen.
27
Mit Beschluss vom 12.05.2022 ist der Rechtsstreit gemäß § 348a Abs. 1 ZPO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden (Bl. 20/22 d. A.). Mit Schriftsatz vom 25.05.2022 wurde seitens der Klägervertreter eine Prozessvollmacht im Original bei Gericht eingereicht (Anlage K 10).

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
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A. Die Klage ist zulässig.
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I. Das angerufene Gericht ist gemäß Art. 125 Abs. 1 international, gemäß § 32 ZPO i.V.m. Art. 129 Abs. 3 UMV örtlich (vgl. OLG München GRUR-RR 2013, 388 - Kleine Partysonne) und gem. § 140 MarkenG sachlich zuständig. Soweit der Beklagte der Auffassung ist, dass eine Zuständigkeit ausscheide, weil die Prozessbevollmächtigten von der Klägerin nicht bevollmächtigt gewesen seien und es daher allein um „Kosten der Prozessbevollmächtigten“ selbst ginge, kann dem schon bereits deswegen nicht gefolgt werden, da es zur Begründung der Zuständigkeit nach § 32 ZPO genügt, wenn der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt (vgl. BGH, NJW 2010, 1752, Rn. 8). Dies ist durch die schlüssige Darlegung der markenrechtlichen Verletzung im Internet und des darauf gestützten streitgegenständlichen Schadensersatzanspruchs der Fall.
31
II. Gegen die Wirksamkeit der von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten und von dem Beklagten gem. § 88 Abs. 1 ZPO gerügten Prozessvollmacht bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken. Soweit der Beklagte die Nichtvorlage einer Originalvollmacht gem. § 80 ZPO rügt (Bl. 17 d.A.), ist die Klägerin dem durch Vorlage der Anlage K 10 nachgekommen. Soweit der Beklagte weiter die Bevollmächtigung der die Vollmacht unterzeichnenden Personen durch die Klägerin bestreitet, ist dies angesichts der Regelung des § 89 Abs. 2 ZPO unbehelflich. Denn spätestens mit der als Anlage K 11 vorgelegten Bestätigung vom 24.06.2022 durch die Prokuristen der Klägerin Herr Diener und Herr Dr. Volmer wurde die Prozessführung der Prozessbevollmächtigten jedenfalls nachträglich genehmigt. Die Vertretungsmacht der genehmigenden Prokuristen geht aus dem als Anlage K 12 vorgelegten Handelsregisterauszug hervor. Ein etwaiger Mangel der Vollmacht wäre daher entsprechend § 184 Abs. 1 BGB rückwirkend geheilt worden (vgl. BGHZ 92, 137, 140).
32
Der Beklagte hat zwar in der mündlichen Verhandlung auch die nachträgliche Bevollmächtigung der Klägervertreter bestritten (Bl. 52 d.A.), nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zuvor jedenfalls noch von einer nachträglichen Vollmachtserteilung durch die Bestätigung vom 24.06.2022 auszugehen schien (vgl. Schriftsatz vom 14.07.2022, Bl. 42 d.A.). Das pauschale Bestreiten geht jedoch ins Leere. Die Klägerin hat die Anlage K 11 im Original vorgelegt, welche eine Bestätigung der Vollmachtserteilung sowie eine nachträgliche Genehmigung durch zwei Prokuristen der Klägerin enthält. Weder wurde die Echtheit der Urkunde seitens des Beklagten bestritten noch wurden sonstige Gründe dargetan, die gegen die Wirksamkeit der Genehmigung sprechen. Zweifel an der Authentizität der Anlage K 11 bestehen im Übrigen nicht. Auf die Frage, ob die Unterzeichner der Prozessvollmacht in Anlage K 10 bereits bei Klageerhebung ihrerseits bevollmächtigt waren, kam es mithin nicht an. Eine diesbezügliche Beweisaufnahme hatte daher nicht zu erfolgen.
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B. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 4.734,50 EUR aus §§ 683 S. 1, 670, 677 BGB, Art. 129 Abs. 2 UMV.
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I. Die Abmahnung war nicht etwa deswegen unwirksam, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten diese wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen hat. Denn die Vorschrift des § 174 S. 1 BGB ist auf die wettbewerbsrechtliche Abmahnung nicht anwendbar, wenn die Abmahnung mit einem Angebot zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrags verbunden ist (BGH, GRUR 2010, 1120 - Vollmachtsnachweis). Dies war ausweislich des als Anlage K 7 vorgelegten Abmahnschreibens, welches den Entwurf einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und damit das Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Vertrags beinhaltete, vorliegend der Fall.
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Es kann auch dahinstehen, ob die Prozessbevollmächtigen der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Abmahnung bevollmächtigt waren. Der Beklagte bestreitet dies. Jedenfalls wurde die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten spätestens durch die Genehmigung (Anlage K 11) rückwirkend wirksam nach § 177 BGB. Da Abmahnung und Angebot auf Abschluss des Unterwerfungsvertrags untrennbar miteinander verbunden sind, greift § 180 BGB vorliegend nicht. Es besteht keine Veranlassung, die einheitliche Erklärung des Gläubigers in eine geschäftsähnliche Handlung (Abmahnung) und ein Vertragsangebot (Angebot auf Abschluss eines Unterwerfungsvertrags) aufzuspalten (BGH a.a.O.).
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II. Die mit Schreiben vom 07.02.2022 (Anlage K 7) erfolgte Abmahnung war berechtigt, denn sie war erforderlich, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, die Gläubigerin ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (vgl. BGH GRUR 2010, 354 - Kräutertee).
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III. Die Abmahnung war in vollem Umfang begründet. Der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bestand nach Art. 9 Abs. 3, Abs. 2 b) UMV, soweit die Klägerin die Nutzung des Zeichens „BMW“ in dem streitgegenständlichen Angebot beanstandet (im Einzelnen: Ziff. 5). Soweit die Klägerin die Verwendung des Zeichens „M-Look“ beanstandet, folgte der Unterlassungsanspruch jedenfalls aus Art. 9 Abs. 3, Abs. 2 c) UMV (siehe hierzu unten unter Ziff. 6). Die Wiederholungsgefahr wurde erst durch Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt.
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1. Der Beklagte hat die beanstandeten Zeichen „BMW“ und „M-Look“ im geschäftlichen Verkehr, nämlich im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht im privaten Bereich (vgl. BGH GRUR 2016, 810 Rdn. 20 - profitbricks.es), verwendet, indem er als gewerblicher Verkäufer das streitgegenständliche Angebot in seinem Online-Shop www.psautoteile.de einstellte.
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2. Die Klägerin ist als Inhaberin der Klagemarken auch aktivlegitimiert.
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3. Der Beklagte hat die beanstandeten Zeichen markenmäßig benutzt. Eine markenmäßige Benutzung setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Waren- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer dient. Maßgeblich ist insoweit die Sicht der jeweils angesprochenen Verkehrskreise (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 132 m.w.N.). Nur wenn das Zeichen zweifelsfrei nicht in diesem Sinne als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird, ist ein markenmäßiger Gebrauch zu verneinen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage, § 14 Rdnr. 143 ff.; BGH, GRUR 2019, 522 Rn. 26 - SAM).
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Der erkennende Einzelrichter kann dabei das Verständnis des angesprochenen Verkehrs selbst feststellen, weil er als normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher und als Autofahrer zumindest potenzieller Käufer von Autozubehör Teil des angesprochenen Verkehrs ist bzw. auf Grund seiner ständigen Befassung mit Kennzeichen- und Wettbewerbsstreitsachen in der Lage ist, das Verkehrsverständnis anhand seiner Erfahrungen selbst zu beurteilen (st. Rspr., vgl. nur OLG München GRUR-RR 2016, 270 - Klosterseer).
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Aus Sicht des angesprochenen Verkehrs, nämlich eines Durchschnittsverbrauchers, wird die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung in der Artikelüberschrift eines Verkaufsangebots in einem Online-Shop für Autoteile als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der angebotenen Ware verstanden. Denn der Durchschnittsverbraucher ist aufgrund der Kennzeichnungsgewohnheiten bei Internetangeboten daran gewöhnt, in der Überschrift eines Produktangebots Hinweise auf die betriebliche Herkunft bzw. den Hersteller der angebotenen Waren zu erhalten.
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4. Die Nutzung der beanstandeten Zeichen erfolgte auch ohne Zustimmung der Klägerin. Vorliegend hat der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. BGH GRUR 2000, 879 f. - stüssy I, vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2012, 626 S2. 26 - CONVERSE, m.w.N.) bereits nicht vorgetragen, dass die Klägerin ihre Zustimmung erteilt hat. Auch soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass es sich bei dem angebotenen Kühlergrill um Originalware der Klägerin gehandelt habe, was für eine Zustimmung der Klägerin sprechen würde, hat der Beklagte entsprechende Umstände nicht darzulegen vermocht.
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Zwar hat er zwar behauptet, dass die streitgegenständliche Ware ein Originalteil der Klägerin gewesen sei, wobei er teilweise widersprüchlich hierzu vorträgt, er habe in dem streitgegenständlichen Angebot nie behauptet, dass es sich um ein solches handeln würde. Grundsätzlich muss der Beklagte aber den Nachweis führen, dass es sich nicht um Produktfälschungen handelt, weil hier regelmäßig die Zustimmung des Markeninhabers i.S. von § 14 Abs. 2 MarkenG und Art. 9 Abs. 2 UMV fehlt. Den Markeninhaber, der eine Produktfälschung behauptet, trifft dabei regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast, weil er ohne Weiteres Aufklärung darüber leisten kann, auf Grund welcher Anhaltspunkte oder Umstände vom Vorliegen von Produktfälschungen auszugehen ist. Dem ist die Klägerin jedenfalls im Grundsatz nachgekommen, indem sie dargelegt hat, dass sie keinen Kühlergrill „M-Look“ anbiete. Demgegenüber hat Beklagte auch nach Hinweis des Gerichts lediglich vorgetragen, dass es sich nach Auskunft der Ehefrau des Beklagten, welche die Buchhaltung und das Lager des Beklagten führe, um ein Originalteil von BMW gehandelt haben soll. Soweit mit der Behauptung der Eigenschaft von Originalware eine Zustimmung der Klägerin geltend gemacht werden soll, wäre es aber für einen entsprechenden substantiierten und dem Beweis zugänglichen Vortrag notwendig gewesen, dass der Beklagte die Herkunft der streitgegenständlichen Ware einschließlich einer lückenlosen Lieferkette bis zum Hersteller offengelegt. Dies hat der Beklagte bereits nicht getan, ohne dass es auf die Frage, welche Kenntnisse die angebotene Zeugin hierzu überhaupt haben kann, ankäme.
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5. Zwischen der beanstandeten Bezeichnung „Kühlergrill Nieren Satz M-Look Doppelsteg schwarz glänzend BMW 3er E46 Baujahr 2001-05“ und der Klagemarke „BMW“ besteht jedenfalls Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne.
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Die Frage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur BGH GRUR 2019, 173 Rz. 17 - combit/Commit).
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a) Hinsichtlich der Unionsmarke Nr. 000091835 „BMW“ ist für die hier maßgeblichen Warenklasse jedenfalls von einer mindestens durchschnittlichen originären Kennzeichnungskraft auszugehen. Ob die Klagemarke darüber hinaus über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, kann dahinstehen, da aufgrund hoher Zeichenähnlichkeit und Warenidentität (hierzu sogleich) bereits bei lediglich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft von Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen auszugehen ist.
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b) Es liegt Warenidentität vor: Die beanstandete Bezeichnung wurde von dem Beklagten für ein einen Kühlergrill als Autozubehörteil und damit für Waren, die identisch sind zu jenen, für welche die Klagemarke Schutz genießt, verwendet.
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c) Zwischen der Klagemarke „BMW“ und der beanstandeten Bezeichnung besteht zumindest eine hochgradige Zeichenähnlichkeit. Dabei kommt dem beanstandeten Zeichen „BMW“ in dem Gesamtzeichen „Kühlergrill Nieren Satz M-Look Doppelsteg schwarz glänzend BMW 3er E46 Baujahr 2001-05“ eine prägende Stellung zu, weil die weiteren Bestandteile „Kühlergrill“, „Nieren“, „Satz“, „Doppelsteg“, „schwarz“, „glänzend“ „3er E46“ und „Baujahr 2001-05“ rein beschreibend sind für die Produktart und das -aussehen bzw. das zugehörige Modell.
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d) Infolge der zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft, der hohen Zeichenähnlichkeit und der Warenidentität ist eine Verwechslungsgefahr im kennzeichenrechtlichen Sinne anzunehmen.
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6. Durch die Verwendung des Zeichens „M-Look“ in dem streitgegenständlichen Angebot nutzt der Beklagte die Wertschätzung und Unterscheidungskraft der bekannten Klagemarken (im Folgenden:
M-Marken) Nr.... (Bild) und Nr. ... („M“) ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise aus, Art. 9 Abs. 2 c) UMV.
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a) Bei der Wort-/Bildunionsmarke Nr.  ...  (Bild) und der Unionswortmarke Nr. ... („M“), handelt es sich um bekannte Marken im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV. Das Merkmal „bekannt“ setzte nach der Rechtsprechung des EuGH einen gewissen Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum voraus, der als erreicht anzusehen ist, wenn die Unionsmarke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch diese Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen ist (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 17 - Iron & Smith/Unilever). In territorialer Hinsicht ist die Voraussetzung der Bekanntheit als erfüllt anzusehen, wenn die Unionsmarke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls unter anderem dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann (EuGH GRUR 2015, 1002, 1003 Rn. 19 - Iron & Smith/Unilever).
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Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin nutzt diese die M-Marken seit Jahrzehnten intensiv in mehreren Baureihen, wobei die Produktionszahlen seit 1997 auf hohem Niveau steigen. Danach soll beispielsweise im Jahr 2019 jedes dritte BMW-Serienfahrzeug serienmäßig über eine „M“ Ausstattung verfügt haben. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten des Instituts für Demoskopie Allensbach (Anlage K 5) beträgt die Bekanntheit des „M“ Logos 48 % im allgemeinen Verkehr. Der Beklagte hat dies nicht in Zweifel gezogen.
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Danach rechtfertigen es die hohen Umsatzzahlen in Deutschland als bedeutendem Absatzmarkt für Fahrzeuge und als dem Sitz der Klägerin sowie die unbestritten hohe Bekanntheit bei den angesprochenen Verkehrskreisen von der Bekanntheit der M-Marken der Klägerin auszugehen.
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b) Für den Bekanntheitsschutz nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kommt es weiter darauf an, ob die Benutzung des angegriffenen Zeichens eine gedankliche Verknüpfung zu der bekannten Marke nahelegt und es zu den dort näher spezifizierten Beeinträchtigungen der bekannten Marke kommt. Daneben bedarf es nicht der gesonderten Feststellung, dass in eine der geschützten Markenfunktionen der bekannten Marke eingegriffen wird (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering/Hacker, MarkenG, 13. Auflage, § 14 Rn. 135 mit Verweis auf BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn. 36 - ÖKO-TEST I). Erforderlich ist aber eine Benutzung des Zeichens für Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2020, 401, 404 Rn, 32 ff. - ÖKO-TEST I).
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Die Frage, ob die Unterscheidungskraft einer Marke in unlauterer Weise ausgenutzt wird, ist anhand einer umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, zu denen das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der Unterscheidungskraft der Marke, der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen sowie die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der Grad ihrer Nähe gehören. Von der Ausnutzung der Unterscheidungskraft einer bekannten Marke ist auszugehen, wenn ein Dritter durch Verwendung eines Zeichens, das einer bekannten Marke ähnlich ist, versucht, sich in den Bereich der Sogwirkung dieser Marke zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen ohne jede finanzielle Gegenleistung und ohne eigene Anstrengungen zu profitieren oder auf andere Weise an der Aufmerksamkeit teilzuhaben, die mit der Verwendung eines der bekannten Marke ähnlichen Zeichens verbunden ist (EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 49 - L’Oréal; BGH GRUR 2015, 1114 Rn. 38 - Springender Pudel).
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In die vorzunehmende Abwägung ist auch der Freistellungstatbestand des Art. 14 UMV einzustellen, dem grundsätzlich keine eigenständige Bedeutung gegenüber dem Schutz bekannter Marken zukommt. Die Wertungen des Art. 14 UMV - insbesondere die Frage, ob die Benutzung der Marke gegen die guten Sitten verstößt - kommen im Tatbestand des Art. 9 UMV bei der Prüfung zum Tragen, ob Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt werden (vgl. zu § 23 MarkenG BGH GRUR 2019, 165 Tz. 22 - keine-vorwerkvertretung).
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c) Vorliegend verwendet der Beklagte mit dem Zeichen „M-Look“ ein zu den M-Marken klanglich und auch schriftbildlich ähnliches Zeichen. Auch der durch einen Bindestrich angefügte rein beschreibende englische Begriff „-look“ als Hinweis auf Aussehen/Design der Ware kann eine gedankliche Verknüpfung mit den M-Marken der Klägerin nicht verhindern und verstärkt sogar nochmals die Bedeutung des vorangestellten Zeichens „M“, indem auf die damit verbundene Verkehrserwartung anpreisend Bezug genommen wird. Daneben sind auch die weiteren, in der beanstandeten Produktbezeichnung genutzten Zusätze - mit Ausnahme des Zeichens „BMW“ - rein beschreibend. Die Verwendung des beanstandeten Zeichens erfolgt außerdem in der Produktbezeichnung und damit an einer Stelle, an der der Verkehr üblicherweise Hinweise auf die betriebliche Herkunft erwartet. Auch ist zu berücksichtigen, dass das angebotene Produkt identisch ist zu Waren, für welche die Klagemarken Schutz genießen. Schließlich wird die bereits entstandene gedankliche Verknüpfung zu den „M“-Marken der Klägerin noch weiter durch die Verbindung mit dem anschließend genutzten und eine Verwechslungsgefahr begründenden Zeichen „BMW“ verstärkt.
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Damit nutzt der Beklagte die Unterscheidungskraft der Klagemarken dadurch aus, indem er die Aufmerksamkeit, die mit den bekannten Marken Nr.  ...  (Bild) und Nr. ... („M“) der Klägerin verbunden ist, dazu verwendet, auf die von ihm angebotene identische Ware hinzuweisen. Es besteht auch keine anzuerkennende Notwendigkeit, die M-Marken der Klägerin zur Beschreibung der angebotenen Ware in diesem Zusammenhang zu nutzen.
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7. Die Nutzung der beanstandeten Zeichen, insbesondere des Zeichens „BMW“, erfolgte auch nicht lediglich als Hinweis auf die Bestimmung der Ware, etwa als Zubehör oder Ersatzteil, im Sinne des Art. 14 c) UMV. Das Zeichen wurde in der hier beanstandeten Bezeichnung bereits markenmäßig und nicht als bloßer Hinweis auf die Eignung der angebotenen Ware verwendet (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 23 Rn. 132). Insbesondere erblickt der angesprochene Verkehr in der konkreten Verwendung der klägerischen Marke einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware (siehe oben unter II.3.). So fehlt in der beanstandeten Produktüberschrift jegliche Kenntlichmachung des beanstandeten Zeichens als bloße Bestimmungsangabe („passend für“).
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8. Soweit der Beklagte sich durch die Behauptung, bei dem angebotenen Produkt habe es sich Originalware gehandelt, auf Erschöpfung beruft, kann dem nicht gefolgt werden.
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a) Nach Art. 15 Abs. 1 UMV hat der Inhaber einer Marke zwar nicht das Recht, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Handelt es sich bei den in Rede stehenden Waren um Produktfälschungen, scheidet eine Erschöpfung jedoch von vornherein aus, da diese weder durch den Markeninhaber selbst noch mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht worden sind (BeckOK UMV/Müller, 26. Ed. 15.2.2022, UMV Art. 15 Rn. 15). Vorliegend hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. zur Beweislast: BGH GRUR 2012, 626 S2. 26 - CONVERSE, m.w.N.) - wie bereits oben unter Ziffer 2 d) bereits festgestellt - jedoch nicht darzulegen vermocht, dass es sich bei dem angebotenen Kühlergrill um Originalware der Klägerin handelte. Insbesondere fehlt belastbarer Vortrag zur konkreten Herkunft der angebotenen Ware einschließlich einer lückenlosen Lieferkette bis zum Hersteller. Solcher Vortrag wäre aber insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der angebotenen Ware nach bestrittenem Vortrag des Beklagten um ein Einzelteil gehandelt haben soll, zu erwarten gewesen.
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b) Im Übrigen schiede eine Erschöpfung vorliegend auch aus, weil die von dem Beklagten verwendete Bezeichnung derart abgewandelt worden wäre, dass sie nicht mehr der Form des Inverkehrbringens durch die Klägerin - eine solche unterstellt - entspräche. Denn die Klägerin hat unbestritten vorgebracht, dass sie gar kein Produkt mit der Bezeichnung „M-Look“ vertreibe. Die Wirkung der Erschöpfung beschränkt sich jedoch auf das konkrete Zeichen in der Form, in welcher es von dem Markeninhaber beim Inverkehrbringen verwendet wurde. Selbst geringfügige Änderungen des Zeichens sind daher unzulässig (Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, Rn. 72).
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9. Bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung bestand auch eine entsprechende Wiederholungsgefahr für den abgemahnten Unterlassungsanspruch.
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IV. Der Anspruch ist auch in der geltend gemachten Höhe begründet. Die Klägerin kann Ersatz der ihr tatsächlich entstandenen und erforderlichen Aufwendungen verlangen. Dazu gehören die durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstandenen Gebühren und Auslagen. Der Ansatz eines Gegenstandswert von 400.000,00 EUR ist angesichts der Verletzung von mehreren langjährig eingetragenen und umfassend genutzten Unionsmarken im Internet nicht zu beanstanden. Auch eine auf 1,5 erhöhte Geschäftsgebühr ist bei der Komplexität von Markenrechtsstreitigkeiten nicht überhöht.
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V. Der zunächst bestehende Freistellungsanspruch der Klägerin hat sich nach fruchtlosem Ablauf der von dieser mit Ablehnungsandrohung gesetzten Frist zur Zahlung (Anlage K 7), spätestens aber mit dem Klageabweisungsantrag in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. BGH GRUR 2013, 925 - VOODOO). Auf die - von dem Beklagten bestrittene - tatsächliche Bezahlung der Anwaltskosten kam es daher nicht an. Soweit die Klägerin für die erfolgte Bezahlung der Rechtsanwaltsgebühren Beweis angeboten hat, war eine entsprechende Beweisaufnahme daher mangels Erheblichkeit nicht erforderlich. Denn die Entstehung der geltend gemachten Forderung hat der Beklagte bereits nicht bestritten.
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VI. Der zuerkannte Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 288 Abs. 1, 291 BGB begründet.
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C. Die in dem Termin zur mündlichen Verhandlung beklagtenseits beantragte Schriftsatzfrist war gem. § 283 ZPO nicht zu gewähren, da das Vorbringen der Klägerin weder neu noch entscheidungserheblich war (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 283 Rn. 5). Auch eine Frist zur Stellungnahme nach § 139 Abs. 5 ZPO war nicht zu gewähren, da das Gericht den Beklagten bereits schriftlich mit Verfügung vom 25.05.2022 (Bl. 26/27 d.A.) unter Hinweis auf BGH-Converse darauf hingewiesen hatte, dass ihn für das Vorliegen von Originalware die Beweislast trifft. Insofern war spätestens in der mündlichen Verhandlung eine entsprechende Äußerung zu erwarten, § 282 Abs. 1 ZPO. Im Übrigen kam es nach der hier vertretenen Auffassung schon nicht auf das Vorliegen von Originalware an (siehe oben unter Ziff. III.8.b).
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D. Soweit der nachgereichte Schriftsatz des Beklagten vom 26.10.2022 anderes als bloße Rechtsausführungen oder solchen Vortrag enthält, der sich auf von Amts wegen zu prüfende Umstände bezieht, waren diese gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rdnr. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rdnr. 4 und 5).
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E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.