Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 17.06.2022 – 3 W 4186/21
Titel:

Verstoß gegen Unterlassungstitel bei - nach dem äußeren Bild - Fortführung der untersagten Handlung

Normenkette:
ZPO § 890 Abs. 1
Leitsatz:
Den Unterlassungsschuldner trifft im Vollstreckungsverfahren eine sekundäre Darlegungslast, wenn nach dem äußerlichen Bild das untersagte Verhalten fortgesetzt wird und damit der Tatbestand eines Verstoßes erfüllt zu sein scheint, so dass er aufzuzeigen muss, wie er aktuell vorgeht, und in diesem Rahmen ggf. auch, was er unternommen hat, um dem Unterlassungsgebot Rechnung zu tragen.
Schlagwort:
Ordnungsgeld
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 06.10.2021 – 4 HK O 3308/18
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 07.08.2019 – 4 HKO 3308/18
Fundstellen:
MD 2022, 1186
WRP 2022, 1431
GRUR-RS 2022, 24899
LSK 2022, 24899
GRUR 2022, 1700

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Oktober 2021, Az. 4 HK O 3308/18, wird zurückgewiesen.
II. Die Vollstreckungsschuldnerin und Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Die Vollstreckungsschuldnerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungspflicht.
2
Der Senat hat der Vollstreckungsschuldnerin mit vorläufig vollstreckbarem Endurteil vom 11. Mai 2021 ordnungsmittelbewehrt untersagt, Bibliotheken mit Zeitschriftexemplaren zu beliefern, die sie zuvor bei Verlagen zu Konditionen erworben hat, die lediglich eine Vermietung als Lesezirkel-Exemplare vorsehen, ohne diese Exemplare nach Erscheinen des Folgehefts wieder abzuholen, es sei denn, diese sind im Einzelfall dort aktuell nicht vorhanden oder ein längeres Belassen in den Bibliotheken wurde der Beklagten von den Verlagen ausdrücklich gestattet. Der Senat hatte in tatsächlicher Hinsicht nach Beweisaufnahme festgestellt, dass die Beklagte und nunmehrige Vollstreckungsschuldnerin die von ihr als Lesezirkel-Exemplare bezogenen Zeitschriften in Bibliotheken über Monate bis Jahre hinweg belässt und sie erst zurücknimmt, wenn die jeweiligen Bibliotheksmitarbeiterinnen Zeit und Gelegenheit gefunden haben, die Zeitschriften (zumeist jahrgangsweise) auszusondern und bereitzustellen. Dies widersprach nach der rechtlichen Bewertung des Senats den Belieferungsbedingungen, die den Beschaffungsvorgängen zugrunde lagen, weil diese u.a. eine (grundsätzlich mehrfache) Vermietung der Zeitschriften und eine Pflicht zur regelmäßigen Abholung vorsahen; der Senat nahm daher an, dass eine auch im Verhältnis zum Kläger relevante wettbewerbswidrige Täuschung der Bezugsquellen durch die Beklagte erfolgte. Die Entscheidung, die der Beklagten und Vollstreckungsschuldnerin am selben Tag zugestellt wurde, ist zwischenzeitlich infolge Verwerfung der von ihr eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig.
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Der Vollstreckungsgläubiger beantragte mit Schriftsatz vom 17. Juni 2022 beim Landgericht Nürnberg-Fürth die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von mindestens 10.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft. Die Vollstreckungsschuldnerin habe ihre Geschäftspraxis nicht geändert, was sich daran zeige, dass in den Bibliotheken H-Stadt, M-Stadt, O-Stadt, K-Stadt, W-Stadt und L-Stadt am Main weiterhin Zeitschriften, die der Vollstreckungsschuldnerin offensichtlich als Lesezirkel-Exemplare geliefert worden seien, jahrgangsweise auslägen. Entsprechendes ergebe sich auch aus den OPAC-Katalogen der Bibliotheken. Der Vollstreckungsgläubiger hat in seinen Schriftsätzen vom 10. August 2021 und vom 9. September 2021 vorgebracht, die Vollstreckungsschuldnerin setzte ihr Verhalten weiter fort, und entsprechende Ausdrucke aus den OPAC vom 10. August 2021 vorgelegt.
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Im angegriffenen Beschluss vom 6. Oktober 2021, der Vollstreckungsschuldnerin am Folgetag zugestellt, hat das Landgericht gegen die Vollstreckungsschuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 €, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft für je 500,00 €, festgesetzt. Die Vollstreckungsschuldnerin habe ihrer Verpflichtung seit dem 11. Mai 2021 nachkommen und dies bis spätestens zum 10. August 2021 umsetzen müssen. Die Vollstreckungsschuldnerin habe nicht vorgetragen, dass die Verlage ihr ein längeres Belassen gestattet hätten. Die vorgelegte E-Mail-Korrespondenz vom 28. April 2021 weise keinen Bezug zum vorliegenden Ordnungsmittelantrag auf; ebenso sei nicht erkennbar, was das Vorhandensein der Zeitschriften am 10. August 2021 mit dem Verleihzyklus der Verlage zu tun habe. Unter Berücksichtigung der Schwere der fortgesetzten Zuwiderhandlung und des Umstands, dass sich die Vollstreckungsschuldnerin nicht veranlasst sehe, die Zeitschriften wieder abzuholen, sei ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 € geboten.
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Hiergegen wendet sich die Vollstreckungsschuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21. Oktober 2021, der das Landgericht nach Abwarten mit Beschluss vom 16. November 2021 nicht abgeholfen hat; sie erstrebt eine Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses. In ihrer Beschwerdebegründung vom 19. November 2021 bestreitet sie, dass die in den OPAC-Listen der Bibliotheken als vorhanden aufgeführten Zeitschriften von ihr geliefert worden seien. Ausgelieferte Zeitschriften würden von ihr regelmäßig abgeholt und die Verlage hätten keinerlei Probleme damit, dass die Vollstreckungsschuldnerin sie dort längere Zeit belasse. Die Vollstreckungsschuldnerin verweist ferner auf die Äußerung der Frau S3 vom 28. April 2016, aus der entsprechendes hervorgehe; die zugrundeliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts sei daher auch unzutreffend.
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Der Senat hat unter dem 21. Dezember 2021 seine Bewertung der Sach- und Rechtslage einschließlich der Darlegungslast mitgeteilt und nach weiteren schriftsätzlichen Äußerungen der Parteien am 22. März 2022 einen Beweisbeschluss erlassen, in dem er seinen Rechtsstandpunkt auf Basis der zwischenzeitlich eingereichten Erklärungen abgegeben hat. Die Vollstreckungsschuldnerin hat mit Schriftsatz vom 12. April 2022 Erklärungen des Geschäftsführers der Print & Digitale Medien, Verband Deutscher Zeitungsverleger e.V., des anwaltlichen Vertreters des Verbandes deutscher Lesezirkel e.V. sowie der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V. (IVW) vorgelegt, denen zufolge die genannten Personenvereinigungen keine Einwände und Bedenken dagegen besitzen, dass im Lesezirkel vermietete Presseprodukte für eine Zeit von bis zu 8 Monaten in den Bibliotheken verbleiben dürfen. Ferner hat die Vollstreckungsschuldnerin unter dem 7. Juni 2022 vorgebracht, dass der Verlag „Der Spiegel“ sowie die B. V1. KG (B. M. GROUP) vor und nach Erlass des Urteils vom 11. Mai 2021 damit einverstanden gewesen seien, dass die Vollstreckungsschuldnerin in Absprache mit den Bibliotheken so verfährt.
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Im Übrigen wird auf die im Beschwerderechtszug eingereichten Schriftsätze sowie die schriftlichen Zeugenaussagen gem. § 377 Abs. 3 ZPO Bezug genommen.
II.
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Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene, Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vollstreckungsschuldnerin bis Anfang Oktober 2021 gegen die im Endurteil des Senats vom 11. Mai 2021 auferlegte Unterlassungspflicht in schuldhafter Weise verstoßen hat. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gem. § 890 Abs. 1 ZPO erfolgte daher zu Recht; auch die Höhe begegnet keinen Bedenken.
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1. Die Zwangsvollstreckung wegen Pflichten zur Unterlassung erfolgt gem. § 890 ZPO durch das Prozessgericht des ersten Rechtszugs, indem es Ordnungsmittel (Ordnungsgeld mit ersatzweiser Ordnungshaft oder primäre Ordnungshaft) festsetzt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth war daher zuständig und hat das zutreffende Vollstreckungsmittel gewählt.
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a) Das Landgericht hat in der angegriffenen Entscheidung weiter ausgeführt, dass die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlagen, insbesondere ein vollstreckbarer Titel gegeben ist und der Vollstreckungsschuldnerin zugestellt war, und für diesen eine „einfache“ Vollstreckungsklausel erteilt war, welche nicht zugestellt werden musste. Hiergegen erinnert die Beschwerdeführerin nichts mehr, weshalb der Senat zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen von einer erneuten Darstellung absieht. Zu ergänzen ist lediglich, dass die Ordnungsmittel bereits im Urteil angedroht worden sind (§ 890 Abs. 2 ZPO).
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Das Senatsurteil vom 11. Mai 2021 ist auch nicht aufgehoben worden, weshalb die Vollstreckung in jedem Fall weiter möglich ist.
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b) Entgegen dem Vorbringen der Vollstreckungsschuldnerin im Schriftsatz vom 7. Juni 2022 ist der Ordnungsmittelantrag auch nicht mangels Bestimmtheit unzulässig. Der Antrag auf Verhängung von Ordnungsmitteln muss zwar die Zuwiderhandlung des Schuldners konkret bezeichnen und eine Begründung enthalten, um dem Gericht die Prüfung der Voraussetzungen zu ermöglichen (Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 890 Rn. 7). Diese Voraussetzungen erfüllte der Ordnungsmittelantrag des Vollstreckungsgläubigers vom 17. Juni 2021, weil er konkret Bibliotheken und Zeitschriften benannte, für die in den dort ebenfalls angegebenen Zeiträumen verbotswidrige Belieferungen erfolgt sein sollten. Die nachfolgenden Erklärungen des Vollstreckungsgläubigers, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihr Verhalten fortsetze, ließen zweifelsfrei erkennen, dass ebenfalls diese Bibliotheken und Zeitschriften betroffen sein sollten und der gesamte jeweils verstrichene Zeitraum einbezogen werden sollte. Eine Aufnahme dieser Daten in den Verbotsantrag war dagegen nicht erforderlich. Auch die landgerichtliche Entscheidung musste lediglich erkennen lassen, welche Verhaltensweisen und Zeiträume Gegenstand seiner Entscheidung und der Ahndung waren, dies aber nicht im Tenor zum Ausdruck bringen (vgl. Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 890 Rn. 59 ff., nach dem lediglich der Adressat des Ordnungsmittels sowie Art und Höhe desselben angegeben sein müssen).
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c) Ein Defizit mag lediglich insoweit zu erkennen sein, als der angegriffene landgerichtliche Beschluss vom 6. Oktober 2021 nicht angibt, dass die ersatzweise vorgesehene Ordnungshaft nicht gegen die Vollstreckungsschuldnerin als solche, sondern gegen deren Geschäftsführer als ihrem gesetzlichen Vertreter und verantwortlichen Organ zu vollziehen wäre (zu letzterem statt aller Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 890 Rn. 60; MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2020, ZPO § 890 Rn. 37). Mangels Erwähnung dieses Umstands im Tenor wird die grundsätzlich für erforderlich gehaltene namentliche Benennung des organschaftlichen Vertreters (Musielak/Voit/Lackmann, 19. Aufl. 2022, ZPO § 890 Rn. 12) auch nicht dadurch entbehrlich, dass dessen Name im Rubrum aufgeführt ist (dazu OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. September 2002, 3 U 2621/02, MDR 2003, 293). Dementsprechend wurde dem Geschäftsführer als Person auch nicht das insoweit erforderliche (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.3.2016 - 4 W 61/15, I-4 W 17/16, NJW-RR 2016, 1082 (1083); Regenfus, JZ 2021, 1027, 1034) rechtliche Gehör gewährt, um diesem z.B. den Einwand zu ermöglichen, es gebe noch andere Geschäftsführer und diese seien für den konkreten Verstoß verantwortlich, was Voraussetzung für die Ordnungsmittelvollstreckung gegen einen konkreten organschaftlichen Vertreter ist (vgl. zum Ganzen auch BGH, Urteil vom 16. Mai 1991 - I ZR 218/89, NJW 1992, 749 (750)).
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Hierdurch wird die Vollstreckungsschuldnerin jedoch nicht beschwert. Gegen eine juristische Person kann Haft naturgemäß nicht vollzogen werden. Die mangelnde Konkretisierung und Anhörung könnte lediglich dazu führen, dass bei Nichtbeibringlichkeit des Ordnungsgeldes die Ersatzordnungshaft nicht ohne Weiteres gegen den/einen Geschäftsführer der Vollstreckungsschuldnerin vollzogen werden könnte. Von der Gefahr einer derzeit unzulässigen Vollstreckung der Ersatzordnungshaft wäre allerdings alleine der im Beschlussrubrum erwähnte Geschäftsführer betroffen, der jedoch weder selbst Beschwerde eingelegt hat noch erkennbar durch den Prozessbevollmächtigten der Vollstreckungsschuldnerin vertreten wird. Für die Vollstreckungsschuldnerin selbst ergeben sich demgegenüber keinerlei unmittelbaren oder mittelbaren Nachteile.
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2. Maßgeblich für den Erfolg der Beschwerde ist in der Sache, ob die Vollstreckungsschuldnerin dem ordnungsmittelbewehrten Verbot im Zeitraum bis zur landgerichtlichen Entscheidung am 6. Oktober 2021 schuldhaft zuwidergehandelt hat.
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Der Charakter der Ordnungsmittel als repressives Instrument zur ahndenden Reaktion auf vorangegangene Zuwiderhandlungen bringt mit sich, dass Gegenstand einer Ordnungsmittelentscheidung nur das Verhalten in einem vorangegangenen Zeitraum sein kann. Der Rechtsbehelf der Beschwerde ist grundsätzlich als Instrument zur Kontrolle der vorangegangenen Entscheidungen ausgestaltet. Hieraus folgt, dass mögliche Zuwiderhandlungen im Laufe des Beschwerdeverfahrens grundsätzlich unbeachtlich sind; sie könnten allenfalls Gegenstand eines gesonderten Ordnungsmittelverfahrens sein.
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Demgegenüber ist differenziert zu beurteilen, ob (insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, in dem einzelne Verstöße eine natürliche Handlungseinheit bilden) die maßgebliche Zeitspanne durch den Ordnungsmittelantrag (oder dessen Bekanntwerden für den Schuldner) oder die Entscheidung über diesen begrenzt wird. Insoweit wird der Zustellung eines Ordnungsmittelantrags teils eine Zäsurwirkung beigemessen, weil sie dem Vollstreckungsschuldner Anlass gebe, selbstkritisch zu überprüfen, ob sein Verhalten dem titulierten Anspruch gerecht werde (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - I ZB 99/19, GRUR 2021, 767, Rn. 27, 29; Scholz, in: Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavanti, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Auflage 2022, Abschnitt H Rn. 1256). Im vorliegenden Verfahren ist jedoch maßgeblich, dass der Vollstreckungsgläubiger durch seine entsprechenden Ausführungen in den nachfolgenden Schriftsätzen, die Vollstreckungsschuldnerin setze ihr Verhalten unverändert fort, zu erkennen gegeben hat, dass er sein Ahndungsbegehren auch auf das Verhalten der Vollstreckungsschuldnerin in der Zeit nach der Antragstellung stützen will. Hierdurch hat er faktisch seinen Ordnungsmittelantrag erweitert und vom Gericht auch die Ahnung bzw. Einbeziehung von Zuwiderhandlungen begehrt, die zeitlich nach dem ursprünglichen Ordnungsmittelantrag erfolgt sind. Dementsprechend hat das Landgericht, wie dessen im Sachbericht wiedergegebene Ausführungen belegen, auch den gesamten Zeitraum bis zu seiner Entscheidung beurteilt und in dieser berücksichtigt. Zäsurwirkung kam daher im Ergebnis lediglich der Zustellung des Ordnungsmittelbeschlusses vom 6. Oktober 2021 zu (zu dieser Zäsurwirkung Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 890 Rn. 50; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. April 2016, 6 W 13/16, GRUR-RR 2017, 166; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 6. Juni 1995 - 6 W 30/95 u. 6 W 38/95, NJW 1995, 2567).
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Relevant ist damit, ob die Vollstreckungsschuldnerin in der Zeit vom 11. Mai 2021, als die vorläufig vollstreckbare Entscheidung des Senats für sie durch Zustellung beachtlich wurde, und dem 6. Oktober 2021 gegen das ausgesprochene Verbot verstoßen hat.
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Später eingetretene Ereignisse, die das Verhalten rechtmäßig werden lassen, können demgegenüber eine zurückliegende tatbestandliche Zuwiderhandlung nicht entfallen lassen und aufgrund des repressiven Charakters auch grundsätzlich nicht dazu führen, dass ein Bestrafungsbedürfnis nicht mehr gegeben wäre. Möglich ist lediglich, dass im Laufe des Beschwerderechtszugs neu zutage getretene oder vorgebrachte Erkenntnisse die Bewertung, dass im maßgeblichen Zeitraum eine Zuwiderhandlung erfolgt ist, in Frage stellen; insoweit gilt die allgemeine Regel, dass die Beurteilung, ob ein Verstoß gegeben war, auf Grundlage des Sach- und Streitstands im Moment der gerichtlichen Entscheidung zu treffen ist.
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3. Auf Grundlage des Vorbringens der Parteien und der durchgeführten Beweisaufnahme steht für den Senat fest, dass die Vollstreckungsschuldnerin gerade das Verhalten, das der Senat in seinem Urteil vom 11. Mai 2201 als wettbewerbswidrig qualifiziert und ihr deshalb verboten hat, ohne erkennbare Änderung fortgesetzt hat.
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a) Die Vollstreckungsschuldnerin hat nicht aufgezeigt, dass und wie sie ihr Verhalten, was die Handhabung der Belieferung von Bibliotheken mit Lesezirkel-Exemplaren von Zeitschriften betrifft, nach dem 11. Mai 2021 geändert habe. Insbesondere hat sie nicht konkret vorgetragen, dass ihre Mitarbeiter nunmehr bei der Anlieferung neuer Zeitschriften die Rückgabe zuvor ausgelieferter Exemplare einfordern, sofern diese nicht gerade ausgeliehen sind, und nicht lediglich bereit sind, Hefte gesammelt entgegenzunehmen, sofern sie von den Bibliotheken, u.U. nach erheblichen Zeiträumen, zur Rücknahme zur Verfügung gestellt werden. Sie behauptet lediglich allgemein, dass die Lesezirkel-Exemplare regelmäßig abgeholt würden, ohne das Zeitintervall zu präzisieren oder darzustellen, wie sie sich um eine Rückgabe bemühe.
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Ungeachtet der Frage, ob es insoweit einer Beweisaufnahme bedurfte oder bereits kein beachtliches Vorbringen gegeben war, haben die Zeuginnen und Zeugen durchwegs Sachverhalte bekundet, die nur den Schluss zulassen, dass die Vollstreckungsschuldnerin nicht auf eine zeitnahe Abholung hingewirkt hat, also nicht dafür Sorge getragen hat, dass Hefte grundsätzlich dann in ihren unmittelbaren Besitz zurückgelangen, wenn das Folgeheft erscheint und ausgeliefert wird. So hat die Zeugin M1, was die Stadtbücherei W-Stadt angeht, zwar keine Angaben mehr dazu machen können, welche Zeitschriften exakt am 1. Juni 2021 auslagen, jedoch klar ausgeführt, dass die gelieferten Hefte nicht jeweils nach Erscheinen der Folgehefte abgeholt wurden und dies auch noch im April 2022 nicht erfolgte. Sie wusste umgekehrt nichts davon, dass die Vollstreckungsschuldnerin Hefte nach Erscheinen des Folgehefts abhole. Die Zeugin B3 hat erklärt, dass in der Stadtbücherei K-Stadt am 1. Juni 2021 u.a. Hefte der Zeitschrift „Brigitte“, „Schöner wohnen“ und „Der Spiegel“ ausgelegen haben, welche nach Erscheinen der Folgehefte nicht abgeholt wurden; eine Abholung erfolge der Zeugin zufolge erst, wenn eine große Menge an Ausgaben zusammengekommen ist. Für die Stadtbibliothek H-Stadt hat die Zeugin H1 ausgeführt, dass dort die Zeitschriften „Alpin“, „Brigitte“ und „P.M.“ auslagen; sie konnte zwar nicht nachzuvollziehen, ob zu den im Beweisbeschluss genannten Zeitpunkten komplette Jahrgänge vorhanden waren, gab jedoch an, dass die Hefte nach Erscheinen der Folgehefte nicht sofort abgeholt wurden und dass die Vollstreckungsschuldnerin nicht auf eine schnelle Rückgabe hinwirkt. Die Zeugin W. hat für die Handhabung bei der Stadtbibliothek M-Stadt u.a. ausgeführt, die Vollstreckungsschuldnerin weise darauf hin, dass die Zeitschriften regelmäßig zurückzugeben seien, was bedeute, dass in der Regel einmal im Jahr ein gesamter Jahrgang zurückgegeben wird. Dementsprechend seien im Juni 2021 u.a. sämtliche 2021 erschienenen Hefte von „Brigitte“ und „Guido“ ausgelegen, Der Zeuge C1 schließlich hat seine Bekundungen bei den Besuchen in H-Stadt, M-Stadt, O-Stadt, W-Stadt und L-Stadt am Main am 31. Mai, 1. Juni bzw. 21. Juni 2021 sowie am 4. und 5. Januar 2022 geschildert, wo er jeweils mehrere Hefte einschließlich kompletter Jahrgänge der im Beweisbeschluss genannten Zeitschriften vorgefunden habe, welche jeweils Lesezirkelumschläge aufwiesen.
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Der Senat hat keinen Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Angaben der Zeuginnen und des Zeugen. Die Bibliotheksmitarbeiterinnen sind bei staatlichen Stellen angestellt und haben keinerlei Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits; den Trägern der Bibliotheken dürfte aus fiskalischen Gründen sogar tendenziell daran gelegen sein, dass die Belieferungspraxis der Vollstreckungsschuldnerin fortgeführt werden kann. Die Bibliotheksmitarbeiterinnen haben in der Vernehmung im Rahmen des Berufungsverfahrens durch den Senatsberichterstatter als beauftragten Richter einen zuverlässigen Eindruck gemacht. Die Angaben des Zeugen C1, mag dieser auch geschäftlich für den Vollstreckungsgläubiger tätig sein, decken sich mit den Angaben der Zeuginnen, sodass auch hier keine Bedenken hinsichtlich Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit bestehen.
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Die Zeugenangaben sprechen damit eindeutig dafür, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihre vorangegangene und vom Senat als wettbewerbswidrig eingeordnete Praxis im oben genannten Zeitraum unverändert fortgesetzt hat. Sie wartet weiterhin ab, bis die Bibliotheken Hefte in größeren Mengen zurückzugeben bereit sind, bemüht sich aber nicht aktiv, die einzelnen Hefte immer dann zurückzuerhalten, wenn das Folgeheft erscheint, wie es bei einer Absicht zu einer Vermietung und Weitervermietung typisch wäre. Soweit die Zeugin W2 von einer entsprechenden Anweisung der Vollstreckungsschuldnerin berichtet hat, meinte „regelmäßig“ entweder einen wesentlich längeren Zeitraum als das Erscheinen des Folgehefts oder wurde von der Vollstreckungsschuldnerin faktisch nichts unternommen, um die Einhaltung der Anweisung umzusetzen.
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b) Davon, dass die in den Bibliotheken vorhandenen Zeitschriften von dritter Seite geliefert wurden, kann der Senat aufgrund der Angaben der Zeuginnen und des Zeugen demgegenüber nicht ausgehen.
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Die Zeugin M1 hat ausdrücklich angegeben, dass die Vollstreckungsschuldnerin das einzige Lesezirkel-Unternehmen ist, welches die Stadtbücherei W-Stadt beliefert. Die Zeuginnen H1 und W2 haben in ihren Erklärungen explizit den Namen der Vollstreckungsschuldnerin genannt und umgekehrt nicht erkennen lassen, dass auch andere Lesezirkel-Unternehmen Zeitschriften an sie liefern. Für Letzteres sind auch keine anderweitigen Anhaltspunkte zutage getreten. Dies lässt den zuverlässigen Schluss zu, dass die vom Zeugen C1 in H-Stadt, M-Stadt und W-Stadt vorgefundenen Hefte solche sein müssen, die von der Vollstreckungsschuldnerin geliefert und nicht zeitnah abgeholt wurden. Der Senat hat bereits in seiner Verfügung vom 21. Dezember 2021 angekündigt, dass er entsprechende Schlussfolgerungen ziehen werde.
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Die Tatsache, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihre Praxis in keiner Weise geändert und gleichzeitig bestritten hat, dass die vorhandenen Exemplare von ihr stammen, ist unter dem Aspekt der Wahrheitspflicht als äußerst befremdlich zu bezeichnen. Der Vollstreckungsschuldnerin musste bewusst und bekannt sein, dass die dort vorgefundenen und im OPAC verzeichneten Zeitschriften jedenfalls von ihr stammen konnten, weil sie wusste, dass sie diese noch nicht abgeholt hatte, und auch keine Anhaltspunkte hatte, dass auch andere Lesezirkel-Unternehmen diese Bibliotheken mit denselben Titeln belieferten.
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Darüber hinaus sind diese Befunde geeignet, dem Senat die Überzeugung zu verschaffen, dass auch in K-Stadt, O-Stadt und L-Stadt am Main die Belieferung durch die Vollstreckungsschuldnerin erfolgt ist. Die Vollstreckungsschuldnerin hat, was im Erkenntnisverfahren unstreitig war, diese Bibliotheken in der jüngeren Vergangenheit beliefert; sie hat umgekehrt nicht mitgeteilt, dass die Verträge beendet worden seien. Die theoretische Möglichkeit, dass hier zusätzlich ein Dritter geliefert hat, ist nicht geeignet, der Bildung einer entsprechenden Überzeugung entgegenzustehen, noch würde dies einen Verstoß entfallen lassen, wenn nicht - wie nicht - die Vollstreckungsschuldnerin wenigstens versucht hätte, die von ihr gelieferten Exemplare zeitnah zurückzunehmen.
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c) Aufgrund des Vorbringens des Vollstreckungsgläubigers und der Angaben der Zeuginnen und Zeugen kann der Senat davon ausgehen, dass die beschriebene Praxis jedenfalls bis in den Herbst 2021 andauerte und damit auch noch mehrere Monate nach Zustellung der Senatsentscheidung vom 11. Mai 2021. Der Senat teilt insoweit zwar nicht den vom Vollstreckungsgläubiger eingenommenen Standpunkt, dass das gerichtliche Urteil auch die Rücknahme bereits vor Urteilsverkündung ausgelieferter Zeitschriften gebietet, da der Unterlassungstenor verbal an die Auslieferung anknüpft, wenn nicht eine entsprechende Rückholpraxis damit verbunden wird. Insoweit könnte das objektive Vorhandensein von so bezogenen Zeitschriften in einem Zeitraum von wenigen Wochen nach dem Mai 2021 möglicherweise noch nicht einen Verstoß bedeuten, zumal einige der Zeitschriftentitel nur monatlich erscheinen.
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Es steht aber aufgrund der wiedergegebenen Angaben fest, dass auch noch in den Sommer- und Herbstmonaten (und sogar noch Anfang 2022) zahlreiche Vorauflagen von Zeitschriften ausgelegen haben, was bedeutet, dass auch nach Beachtlichwerden der Senatsentscheidung ausgelieferte Hefte nicht alsbald zurückgenommen wurden und dies auch nicht von der Vollstreckungsschuldnerin in der gebotenen Weise versucht wurde.
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Das Landgericht hat schließlich der Vollstreckungsschuldnerin eine Frist zur Umsetzung des Senatsurteils zugebilligt, indem es ausgeführt und darauf abgestellt hat, sie habe ab 10. August die Verpflichtungen aus dem Urteil vom 11. Mai 2021 beachten müssen. Ein Zeitraum von drei Monaten ist nach Lage der Dinge in jedem Fall als ausreichend anzusehen.
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d) Der Senat muss auch davon ausgehen, dass die Belieferung der Vollstreckungsschuldnerin hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Zeitschriftentitel auf Vertragsbedingungen für Lesezirkel-Vertriebe beruht, die inhaltlich denen entsprechen, die Grundlage seiner Entscheidung vom 11. Mai 2021 waren. Eine relevante Änderung von Verhältnissen, die für das Vorliegen eines Verstoßes der angenommenen Art maßgeblich sind, ist damit nicht eingetreten.
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aa) Die Vollstreckungsschuldnerin hat zwar unter dem 12. Januar 2022 vortragen lassen, der „dpv Verlag“ und dessen Bedingungen existierten nicht mehr. Der Vollstreckungsgläubiger hat insoweit ausgeführt, die DMV Der M. GmbH & Co. KG nehme als Gemeinschaftsunternehmen zweier großer Medienhäuser, darunter von Gruner + Jahr (die allgemeinkundig i.S.v. § 291 ZPO wiederum u.a. Brigitte, Guido, Geo, Captal und P.M. herausgeben) u.a. die Aufgaben der DPV D. P. GmbH ab dem 1. Februar 2022 wahr, dies aber dahin ergänzt, dass die DMV in die laufenden Geschäftsbeziehungen eingetreten sei. Für den Senat besteht aufgrund der Bezugnahme auf Anlage T 1 zunächst kein Zweifel, dass die von der Vollstreckungsschuldnerin als dpv bezeichnete Gesellschaft die DPV D. P. GmbH meint. Die Vollstreckungsschuldnerin hat sodann unter dem 11. März 2022 vorgebracht, der dpv habe seine gesamte Vertriebsdienstleister-Tätigkeit (hervorgehoben durch Unterstreichung) vollständig eingestellt, doch sei unzutreffend, dass diese Vertriebsdienstleister-Tätigkeit vollständig und allein von der DMV übernommen wurde. Sie hat hierzu darauf hingewiesen, dass die Titel der Motor Presse Stuttgart nicht übergegangen seien.
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bb) Wie im Beschluss vom 22. März 2022 dargestellt, obliegt der Vollstreckungsschuldnerin in der vorliegenden Konstellation, darzulegen, aufgrund welcher Konditionen sie Zeitschriftenexemplare, die zum Vertrieb im Lesezirkel-Modell vorgesehen sind, bezieht. Auch wenn grundsätzlich der Vollstreckungsgläubiger die Darlegungs- und Beweislast für Umstände trägt, aus denen sich ein Verstoß ergibt (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - I ZR 46/08, MMR 2011, 808, Rn. 18 m.w.N.), ist anerkannt, dass den Vollstreckungsschuldner, eine sekundäre Darlegungslast treffen kann, wenn dem Vollstreckungsgläubiger die maßgeblichen Umstände nicht zugänglich und dem Vollstreckungsschuldner nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 - I ZR 46/08, MMR 2011, 808, Rn. 21; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 25. Juni 2018 - 6 W 9/18, GRUR-RR 2018, 387, Rn. 24). Zu einer solchen sekundären Darlegungslast kommt es insbesondere dann, wenn nach dem äußerlichen Bild das untersagte Verhalten fortgesetzt wird und damit der Tatbestand eines Verstoßes erfüllt zu sein scheint, dies aber mangels näheren Einblicks des Gläubigers und eines lediglich pauschalen Bestreitens durch den Vollstreckungsschuldner nicht sicher beantwortet werden kann. Es liegt dann am Vollstreckungsschuldner, aufzuzeigen, wie er aktuell vorgeht, und in diesem Rahmen ggf. auch, was er unternommen hat, um dem Unterlassungsgebot Rechnung zu tragen, und zu erklären, wie sich dennoch ein entsprechendes Bild ergeben kann. Teils wird unter solchen Umständen sogar weitergehend eine Beweiserleichterung hinsichtlich des objektiven Tatbestands und des Verschuldens angenommen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss von 25. Juni 2018 - 6 W 9/18, GRUR-RR 2018, 387, Rn. 23).
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cc) Eine solche Situation ist vorliegend gegeben. Die Vollstreckungsschuldnerin beliefert weiter Bibliotheken mit Zeitschriften-Exemplaren, die lesezirkeltypische Mappen aufweisen, und zwar auch mit solchen Zeitschriftentiteln, für die der Senat zuvor festgestellt hat, dass die Lesezirkel-Konditionen eine Dauervermietung nach Belieben des Mieters an sich nicht gestatten.
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dd) Umgekehrt lassen die Ausführungen der Vollstreckungsschuldnerin dazu, was sich durch die Einstellung der Tätigkeit des DPV D. P. GmbH und die Übernahme von Funktionen durch den DMV - D. M. GmbH & Co. KG im Hinblick auf die Beschaffungskonditionen ergeben hat, vieles im Dunkeln. Wenn, wie die Vollstreckungsschuldnerin hervorgehoben hat, die DMV - D. M. GmbH & Co. KG ausschließlich die „vertriebliche Betreuung“ bzw. „Vertriebsdienstleister-Tätigkeit“ übernommen hat, liegt jedenfalls nicht fern, dass die maßgeblichen Bezugsverträge fortbestehen. Dafür, dass sich einhergehend mit der Übernahme von Funktionen das Konzept des Lesezirkel-Vertriebs in einem zentralen Punkt geändert habe, ist nichts aufgezeigt oder ersichtlich. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass die Vollstreckungsschuldnerin keinerlei Bedingungen für Lesezirkel-Exemplare mehr unterliege; insoweit hat der Vollstreckungsgläubiger bis zuletzt ausgeführt, die Verlage verlangten die Auslieferung in entsprechenden Umschlägen und eine Rückholung. Dies gilt umso mehr vor dem vom Vollstreckungsgläubiger wiederholt in Erinnerung gerufenen pressekartellrechtlichen Hintergrund, ferner deswegen, weil bei einer Auflösung der Unterschiede in den Regularien bei Heften zum Abonnement- und Einzelverkauf einerseits und Lesezirkel-Exemplaren andererseits grundsätzlich das Risiko einer Preisspaltung entsteht. Die Einlassungen der darlegungsbelasteten Vollstreckungsschuldnerin sind daher nicht geeignet, nachvollziehbar aufzuzeigen, dass sich die Belieferungsbedingungen in dem vom Senat als maßgeblich angesehenen Punkt - Verpflichtung zu einer Vermietung, deren Mietzeit nicht im Belieben der Mieter steht - geändert hätten.
37
Insoweit liegt im Ergebnis dieselbe Situation vor wie nach den Behauptungen des Vollstreckungsgläubigers, der DMV - D. M. GmbH & Co. KG sei als Nachfolgeorganisation in die Vertragsbedingungen des DPV eingestiegen, sodass äquipollentes Vorbringen gegeben ist. Die Vollstreckungsschuldnerin hat demgegenüber nicht aufgezeigt, dass entsprechende Bindungen weder gegenüber dem dpv noch der DMV - D. M. GmbH & Co. KG bestehen. Auf diese Bewertung hat der Senat bereits hingewiesen, ohne dass relevante Ausführungen der Vollstreckungsschuldnerin erfolgt wären.
38
ee) Der Hinweis der Vollstreckungsschuldnerin darauf, dass die Zeitschriftentitel der Motor Presse Stuttgart nicht zum DMV übergewechselt sind, stellt eine Kontinuität der Belieferungsbeziehungen für die Titel, hinsichtlich der der DMV an die Stelle des dpv getreten ist, nicht in Frage. Entscheidend ist alleine, ob hinsichtlich der Zeitschriftentitel, für die nun der DMV - D. M. GmbH & Co. KG vertriebliche Aufgaben übernimmt, von einer Fortgeltung (jedenfalls in der Sache) ausgegangen werden kann, was aus den genannten Gründen der Fall ist. Ob die Kontinuität hinsichtlich sämtlicher Zeitschriftentitel gegeben ist, ist demgegenüber irrelevant.
39
4. Die von der Vollstreckungsschuldnerin zuletzt im Schriftsatz vom 7. Juni 2022 vorgebrachten Umstände führen auch nicht dazu, dass ihr Verhalten im maßgeblichen Zeitraum als zulässig anzusehen ist. Weder wird vorgetragen, dass bei der Auslieferung der Hefte oder spätestens bei Erscheinen des Folgehefts eine schriftliche oder sonst ausdrückliche Gestattung durch die Verlage vorlag, noch ist die Behauptung, die Verlage wären einverstanden gewesen, geeignet, die Wettbewerbswidrigkeit entfallen zu lassen.
40
a) Der Erklärung der beim dpv tätigen Frau J. S3 vom 28. April 2016 kann der Senat von vornherein keine Relevanz beimessen.
41
Der vom Senat bereits in seiner Entscheidung im Erkenntnisverfahren zugrunde gelegten Erklärung des Geschäftsführers des dpv M. G1 aus dem Jahr 2020, der schriftlich ausgeführt hat, dass diese Gesellschaft eine Belieferung und Abholung „grundsätzlich im Wochenturnus“ erwartet und eine Praxis, bei der ganze Jahresbestände bei den Kunden verbleiben und/oder diese eigenmächtig bestimmen können, wie viele Ausgaben sie länger behält und wann sie diese zurückgeben (von ihm plastisch als „quasi wie ein Eigentümer“ beschrieben), als Verstoß gegen seine Bedingungen gesehen werde, kommt in jeder Hinsicht die größere Bedeutung als der Erklärung der nachgeordneten Mitarbeiterin zu.
42
Unabhängig davon ist die beantwortende Äußerung vom 28. April 2016, auch unter Berücksichtigung der Fragestellung, denkbar unkonkret. Frau S3 gibt lediglich an, dass der Verleihzyklus im Ermessen des Lesezirkels liegt und entscheidend u.a. die Rückholung nach Ablauf der Mietzeit ist. Ob die Antwortende damals eine Vorstellung davon hatte, dass Zeitschriften quasi auf unbestimmte Zeit bei den Bibliotheken belassen werden und es in deren Gutdünken liegt, wann sie die Exemplare zurückgeben möchten, lässt sich weder der Antwort noch der Fragestellung andeutungsweise entnehmen. Gerade wegen dieser Unsicherheiten hat der Senat in seinem Endurteil vom 11. Mai 2021 eine ausdrückliche Erklärung der jeweiligen Verlage, dass sie mit der beschriebenen Praxis der Vollstreckungsschuldnerin einverstanden sind, gefordert.
43
b) Die Erklärungen der Frau K. G2 für den B1. Verlag sind, wie der Senat bereits im Beweisbeschluss vom März 2022 angemerkt hat, für das vorliegende Verfahren ohne jegliche Relevanz, weil der Senat zugrunde legen muss, dass die Zeitschriften, auf die der Ordnungsmittelantrag und die Ordnungsmittelfestsetzung gestützt sind, nicht von diesem Verlag herausgegeben und ausgeliefert wurden.
44
Die Vollstreckungsschuldnerin ist dem entsprechenden substantiierten Einwand des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegengetreten. Auch aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt sich zweifelsfrei, dass die Zeitschriften, auf die der Vollstreckungsgläubiger seinen Ordnungsmittelantrag stützt, nicht vom B1. Verlag herausgegeben werden. Entsprechende Gestattungen oder Einverständnisse dieses Verlags wären daher vorliegend ohne jegliche Relevanz.
45
c) Mit dem Einwand, die Bedingungen des dpv-Verlags sähen nicht vor, dass die Abholung grundsätzlich nach 7 Tagen oder in Anlehnung an das Erscheinen des Folgehefts zu erfolgen habe, kann die Vollstreckungsschuldnerin nicht mehr gehört werden, weil sie damit die Entscheidung im Erkenntnisverfahren infrage stellt, welche aber im Vollstreckungsverfahren als bindend zugrundezulegen ist. Das Gericht ist insoweit auch nicht befugt, dieselben Bedingungswerke ohne Hinzutreten neuerer Umstände nicht mehr in dem Sinne auszulegen und zu verstehen, dass eine Vermietung erwartet werde, die in jeder Hinsicht einer solchen entspricht und bei der die Überlassungsdauer vom Belieben des Mieters abhängt. Abgesehen davon hätte der Senat auch keinen Anlass, von seiner Rechtsauffassung in diesem Punkt abzukehren. Die Behauptung der Vollstreckungsschuldnerin, es seien keine Beanstandungen erfolgt, sieht der Senat weiter als irrelevant an, weil nicht aufgezeigt ist, dass den maßgeblichen Personen auf Seiten der Verlage oder Vertriebsorganisationen der Sachverhalt detailliert bekannt geworden ist.
46
d) Soweit die Vollstreckungsschuldnerin mit Schriftsatz vom 12. April 2022 Erklärungen und Korrespondenz vorgelegt hat, belegen diese bereits nicht ein entsprechendes Einverständnis der Verlage für die Vergangenheit, insbesondere für den oben als maßgeblich dargestellten Zeitraum. Sie können allenfalls dazu geführt haben, dass die im Senatsurteil vom 11. Mai 2021 verlangte ausdrückliche Gestattung nunmehr, d.h. mit ex nunc-Wirkung seit ihrer Erklärung, gegeben ist. Der Senat teilt insoweit die vom Vollstreckungsgläubiger im Schriftsatz vom 29. April 2022 vertretene Sichtweise.
47
So erklärt der Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. in seiner E-Mail vom 28. März 2022 gegenüber dem Gesellschafter und Geschäftsführer eines anderen Lesezirkel-Unternehmens, dass nichts dagegen spreche, die Verweildauer zu Anfangszeiten zu „verlängern“, was eine Änderung gegenüber dem bisherigen Status impliziert. Ebenso ist im Schreiben der Rechtsanwälte L1, D1 & M2, namens des Verbands deutscher Lesezirkel e.V. vom 12. April 2022 davon die Rede, dass man beauftragt sei, „eine Änderung der LZ-Bedingungen herbeizuführen“, was gleichfalls eine Änderung für die Zukunft bedeutet. Unterstrichen wird dieses Verständnis dadurch, dass sich diesem Schreiben zufolge die angesprochenen Verlage aufgrund der Gepflogenheiten (und wohl auch der möglichen Auswirkungen auf die Einstufung der Reichweiten der Werbeträger) nicht in der Lage sahen, eine entsprechende Änderung ohne Rücksprache mit dem IVW e.V. vorzunehmen, und diesem gegenüber im Schreiben vom 17. März 2022 mit entsprechenden Argumenten für die Sachgerechtigkeit der vorgeschlagenen Lösung werben mussten. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. ging somit noch Anfang 2022 davon aus, dass eine Gestattung erst noch erteilt werden müsse.
48
Auch im Übrigen lässt die zuletzt vorgelegte Korrespondenz nicht sicher erkennen, dass eine Irreführung, wie sie der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Mai 2021 angenommen hat, im o.g. Zeitraum nicht gegeben war. Insbesondere steht nicht fest, dass den Verlagen die Handhabung der Vollstreckungsschuldnerin vollständig bekannt war und von ihnen gebilligt wurde. Eine entsprechend aussagekräftige Äußerung eines Verlags oder einer Vereinigung von solchen, dass man bereits damals informiert war, findet sich darin nicht.
49
Auf die weitere, im Schreiben der Rechtsanwälte L1, D1 & M2 vom 12. April 2022 selbst thematisierte Frage, ob eine Information des Dachverbands der Zeitschriftenverlage ausreichen würde, um eine Täuschung der einzelnen Verlage auszuschließen, oder es hierzu der (dort ebenfalls erstrebten) Einzelinformation bedarf, kommt es mithin gegenwärtig nicht mehr entscheidend an.
50
e) Dem im Schriftsatz vom 7. Juni 2022 unter Beweis gestellten Umstand, dass die Verlagsgruppe B. sowohl vor dem 11. Mai 2021 wie auch danach damit einverstanden gewesen sei, dass Lesezirkel-Exemplare von Zeitschriften auch länger (nämlich grundsätzlich auch für eine Dauer von 6-8 Monaten und auch darüber hinaus) in Bibliotheken verbleiben dürften, soweit dies konkret mündlich oder schriftlich vereinbart oder einvernehmlich zwischen dem Lesezirkelunternehmen und den jeweiligen Bibliotheken (“Probleme“ ist offenbar ein Schreibfehler) gehandhabt werde, war aus mehreren Gründen ebenfalls nicht nachzugehen.
51
aa) Grundlage der Zwangsvollstreckung ist die im Erkenntnisverfahren ergangene Entscheidung; ein Rückgriff auf das materielle Recht ist grundsätzlich nicht mehr möglich. Der Einwand, die Verlage, die der Vollstreckungsschuldnerin die Zeitschriften als Lesezirkel-Exemplare überlassen, hätten dies vor und nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Erkenntnisverfahren auch dann getan, wenn sie von der Geschäftspraxis der Vollstreckungsschuldnerin gewusst hätten, ist der Vollstreckungsschuldnerin aufgrund der Bindungswirkung der im Erkenntnisverfahren ergangenen Entscheidung versperrt. Weder ist das (fehlende) Einverständnis Teil des im Entscheidungsausspruch auferlegten Verbots noch nimmt dieses dem Verstoß den Charakter eines kerngleichen Verhaltens. Auch wenn daher im Ordnungsmittelverfahren bei der Prüfung der Frage, ob eine schuldhafte Zuwiderhandlung vorliegt, eine Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse zu berücksichtigen ist (MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl. 2020, ZPO § 890 Rn. 11), und der Vollstreckungsschuldner grundsätzlich nicht in den Mitteln beschränkt ist, die aus dem auferlegten Verbot herausführen, hat dies nicht zur Folge, dass der Vollstreckungsschuldner erfolgreich vorbringen kann, aufgrund einer gegenwärtigen wie früheren Situation fehle ein Tatbestandsmerkmal für den zugesprochenen Anspruch, weil sich das Gericht dann in Widerspruch zu seiner Subsumtion im vorangegangenen Erkenntnisverfahren setzen müsste. Die Sachlage hat sich nämlich insoweit gegenüber derjenigen, aufgrund der das Verbot auferlegt wurde, in keiner Weise verändert, was bedeutet, dass dem Verbot nicht entsprochen wurde. Insoweit ist ein Vorbringen, die Verhältnisse hätten sich in einem bestimmten Punkt geändert, anders zu behandeln als ein Vorbringen, die Umstände lägen jetzt wie damals nicht so, dass ein Verstoß gegeben ist.
52
bb) Überdies würde der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch, den der Senat in seinem Endurteil zugrunde gelegt hat, noch nicht dadurch entfallen, dass für die konkreten Verlage die Belassungsdauer unerheblich war und ist. Das in § 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 UWG enthaltene Erfordernis, dass der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer die geschäftliche Handlung andernfalls nicht getroffen hätte, soll sicherstellen, dass ein Unterlassungsanspruch nur bei wettbewerblicher Relevanz des Verhaltens gegeben ist, weil nur dann Interessen der Mitbewerber, der Allgemeinheit u.Ä. tangiert sind (vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, 40. Aufl. 2022, UWG § 5 Rn. 1.171; Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl.7 2021, UWG § 5 Rn. 331, 344). Das für die Täuschungseignung maßgeblich Verkehrsverhalten ist jedoch einheitlich für die gesamte Personengruppe zu ermitteln, an die sich die geschäftliche Handlung richtet (Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 346). Die wettbewerbliche Relevanz ist daher wie die Irreführungsgefahr als Rechtsfrage einzuordnen (Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, 5. Aufl. 2021, UWG § 5 Rn. 1433); sie ist auch nicht danach zu beurteilen, ob die Umstände für die konkreten Geschäftspartner bei ihrer geschäftlichen Entscheidung Bedeutung besaßen, wenn nur anzunehmen ist, dass eine hinreichend große Zahl von Personen in einer solchen Situation ihnen Bedeutung beimisst. Für die Frage der Irreführung ist es mithin nicht von entscheidender Bedeutung, ob die unrichtige Angabe die wirtschaftliche Entschließung des anderen tatsächlich beeinflusst (vgl. Ohly/Sosnitza/Sosnitza, 7. Aufl. 2016, UWG § 5 Rn. 212). Insoweit ist der Senat davon ausgegangen, dass das Verschweigen des Umstands, dass Zeitschriften über Monate hinweg beim Mieter belassen und erst zurückgenommen werden, wenn dieser sie bereitstellt, denjenigen zu täuschen geeignet ist, der Zeitschriften zum Zwecke der Vermietung (insbesondere, wenn eine wiederholte Vermietung intendiert ist) verkauft, weil die beschriebene Geschäftspraxis nicht mit dem typischen Fall einer Vermietung in Einklang steht. Hieran hält der Senat uneingeschränkt fest.
53
cc) Nur ergänzend weist der Senat daher darauf hin, dass das Vorbringen auch aus einem anderen Grund unerheblich sein dürfte. In das Wissen des Zeugen D1 werden entsprechende Äußerungen der Verlage „Der S.“ (R. A. GmbH & Co. KG) und auch der B. V1. KG (B. M. GROUP) gestellt. Die Zeitschriften, wegen derer die Vollstreckungschuldnerin antragsgemäß mit dem Ordnungsmittel belegt wurde, werden jedoch offenkundig vom Verlagshaus G. + Jahr (Brigitte, Brigitte Woman, Guido, Eltern, Geo, Capital, Schöner Wohnen) bzw. dem O. V2. GmbH (alpin) herausgegeben, also einer anderen Person. Der Senat sieht davon ab, der Vollstreckungsschuldnerin in der gebotenen Form vor Annahme eines entsprechenden allgemeinkundigen Wissens i.S.v. § 291 ZPO Gelegenheit zur Äußerung zu geben, weil es hierauf aufgrund der zuvor genannten Aspekte nicht mehr entscheidend ankommt.
54
dd) In das Wissen des Zeugen S4 wurde nur gestellt, dass die IVW hinsichtlich sämtlicher Verlage mit einer Belassungszeit von 6-8 Monaten einverstanden ist. Entscheidend ist aber, dass die jeweiligen Verlage zugestimmt haben, sodass allein die Zustimmung der IVW, dass die Verlage eine solche Zustimmung abgeben, keine entscheidende Bedeutung besitzt.
55
5. Dem Beweisangebot, den Prokuristen der Vollstreckungsschuldnerin Horner zu vernehmen, hatte der Senat nicht nachzugehen. Die in sein Wissen gestellten Umstände sind, wie der Senat bereits im Erkenntnisverfahren hinsichtlich gleichlautender Beweisangebote erörtert und im Beweisbeschluss ausgeführt hat, substanzlos vorgetragen. Insbesondere hat die Vollstreckungsschuldnerin weder vorgetragen, wann entsprechende Abholungen unternommen worden sein sollen, noch aufgrund welcher Umstände und Informationen genau eine Täuschung auszuschließen gewesen sein soll. Eine Vernehmung wäre daher ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gewesen. Davon, dass die Vollstreckungsschuldnerin die an Bibliotheken ausgelieferten Zeitschriften überhaupt zurücknimmt und dann entweder weitervermietet oder entsorgt, geht der Senat aus, sodass auch dem entsprechenden Beweisangebot im Schriftsatz vom 7. Juni 2022 nicht zu entsprechen ist.
56
Aus demselben Grund waren die Bibliotheksmitarbeiterinnen nicht ergänzend zu befragen. Der Senat entnimmt ihren Erklärungen durchaus, dass die Vollstreckungsschuldnerin die Zeitschriften (irgendwann) abholt, und hat dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
57
6. Umstände, die das erforderliche Verschulden der Vollstreckungsschuldnerin entfallen lassen könnten, sind nicht erkennbar. Darlegungs- und beweisbelastet wäre die Vollstreckungsschuldnerin (statt vieler Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Auflage 2021, § 890 Rn. 54). Die Vollstreckungsschuldnerin hat, indem sie keine Anstalten unternommen hat, dem Senatsurteil zu entsprechen, jedenfalls fahrlässig, wohl sogar vorsätzlich, gehandelt.
58
7. Auch die Höhe des verhängten Ordnungsgeldes begegnet keinen Bedenken.
59
a) Der Senat blendet dabei die Hefte des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ aus, um offen lassen zu können, ob die Äußerungen des Verlags „Der Spiegel“ vom 14. Januar 2021 (richtig wohl: 2022) im Sinne des Vertreters der Vollstreckungsschuldnerin dahin zu verstehen sind, dass die im Senatsurteil vom 11. Mai 2021 dargestellte Vermietungspraxis gebilligt werde. Um allen denkbaren Eventualitäten Rechnung zu tragen und eine Fortsetzung der Beweisaufnahme entbehrlich zu machen, nimmt der Senat ferner die Zeitschrift „outdoor“ heraus, da diese, wie sich Anlage T1 entnehmen lässt, gerade von der Motor Presse Stuttgart herausgegeben bzw. vertrieben wird, die den Wechsel zum DMV nicht vollzogen hat.
60
b) Selbst bei Nichtberücksichtigung dieser Sachverhalte ist jedoch ein Ordnungsgeld i.H.v. 10.000,00 € gerechtfertigt.
61
aa) Die Vollstreckungsschuldnerin hat ihre Unterlassungsverpflichtung bei der Belieferung der Stadtbücherei Hammelburg hinsichtlich der Zeitschriften „P.M.“, „Alpin“ und „Brigitte“ verletzt, ebenso bei der Belieferung der Stadtbücherei Marktheidenfeld hinsichtlich der Zeitschriften „Brigitte“ und „Guido“, bei der Belieferung der Stadtbücherei Ochsenfurt hinsichtlich der Zeitschrift „Brigitte“, bei der Belieferung der Stadtbücherei Kitzingen mit den Zeitschriften „Schöner wohnen“ und „Brigitte“, bei der Belieferung der Stadtbücherei Würzburg im Hinblick auf die Zeitschriften „Eltern“ und „Brigitte Woman“ sowie bei der Belieferung der Stadtbücherei Lohr hinsichtlich der Zeitschriften „Brigitte“, „Capital“, „GEO“ und „Schöner wohnen“. Die Zeitschrift „Brigitte“ erscheint dabei zweiwöchentlich, die übrigen genannten Zeitschriften erscheinen monatlich. Es ergeben sich somit eine insgesamt nicht unerhebliche Zahl von betroffenen Bibliotheken und Zeitschriften und erst recht von zahlreichen Einzelzuwiderhandlungen.
62
bb) Bei Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit wird für alle von ihr erfassten Verstöße ein einheitliches Ordnungsgeld festgesetzt. Dieses Ordnungsgeld übersteigt den für den Einzelverstoß festzusetzenden Betrag und ist geringer als die Summe, die für alle Einzelverstöße zu verhängen gewesen wäre (Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 890 ZPO, Rn. 20; Scholz, in: Danckwerts/Papenhausen/Scholz/Tavanti, Wettbewerbsprozessrecht, 2. Auflage 2022, Abschnitt H Rn. 1257).
63
cc) Das Landgericht hat auch zutreffend zum Nachteil der Vollstreckungsschuldnerin berücksichtigt, dass diese keinerlei Bemühungen an den Tag gelegt hat, ihr Verhalten an dem jedenfalls vorläufig vollstreckbaren Urteil auszurichten, sei es, indem die Belieferungspraxis modifiziert wurde, sei es, indem an die Verlage unter Offenlegung des Sachverhalts und Bitte um Gestattung herangetreten wurde, wie es später der Fall war. Die vom Landgericht eingeräumte Übergangsfrist bis 10. August 2021, somit von 3 Monaten, ist nach Lage der Dinge als ausreichend anzusehen. Auch nach ihrem Ablauf vergingen aber bis zum 5. Oktober 2021 rund 8 Wochen, sodass auch bei Ausblendung des vorangegangenen Zeitraums eine große Zahl von Einzelzuwiderhandlungen gegeben war.
64
dd) Das Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 € ist damit der Anzahl und dem Gewicht der Verstöße im genannten Zeitraum, auch bei Berücksichtigung einer Übergangsfrist, angemessen.
65
8. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Da die Gerichtsgebühren pauschal erhoben werden (KV Nr. 2121 zum GKG), war eine Streitwertfestsetzung nicht veranlasst.