Inhalt

OLG München, Urteil v. 17.06.2021 – 29 U 22/20
Titel:

Zeitraum der Umsetzung einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungsverpflichtung

Normenkette:
BGB § 121 Abs. 1, § 242, § 271 Abs. 1, § 339 S. 2
Leitsätze:
1. Wenn eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung ohne Hinweis auf einen bestimmten Zeitpunkt abgegeben wird, so ist die Leistung gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort zu erfüllen. Es gilt ein anderer Maßstab als bei § 121 Abs. 1 BGB („ohne schuldhaftes Zögern“), welcher die Berücksichtigung subjektiver Umstände erlaubt und zum Beispiel eine angemessene Überlegungsfrist zubilligt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Unterlassungsschuldner kann allerdings eine gewisse Überlegungs- und Vorbereitungszeit zuzubilligen sein, wenn der Unterlassungsgläubiger ihm im Wege des Vergleichs zugebilligt hat, die Äußerungen so zu formulieren, dass die Gefahr etwaiger Fehlverständnisse ausgeschlossen wird (im vorliegenden Fall: dass kein Eindruck einer absoluten Vorzugswürdigkeit der vom Beklagten verwendeten Behandlungsmethode gegenüber anderen herkömmlichen Behandlungsmethoden entsteht). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Leistungszeit
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 05.12.2019 – 41 O 2337/19
Fundstellen:
GRUR-RS 2021, 47469
LSK 2021, 47469
GRUR-RR 2022, 283

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 05.12.2019, Az. 41 O 2337/19, abgeändert und wie folgt gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention in beiden Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. der Nebenintervenient vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

I.
1
Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um Vertragsstrafenansprüche aus einem gerichtlichen Vergleich sowie außergerichtliche Kosten.
2
Der Kläger ist die berufsständische Selbstverwaltungskörperschaft der Zahnärzte in N. Der Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis in D.
3
In einem vorangegangenen Verfahren vor dem Landgericht Landshut (Az. 41 O 3178/18) schlossen die Parteien am 21.03.2019, einem Donnerstag, im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Vergleich (Anlage K 1), der wie folgt lautete:
„1. Der Beklagte verpflichtet sich zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits, zukünftig nicht mehr wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder diese Behauptungen aufrecht zu erhalten:
a) Raucher, ältere und Risikopatienten mit Osteoporose, Parodontose und Blutverdünnung seien bisher kaum behandelbar gewesen;
b) Raucher, ältere und Risikopatienten mit Osteoporose, Parodontose und Blutverdünnung könnten nunmehr mit dem von ihm verwendeten Implantatsystem erfolgreich behandelt werden;
c) durch die von ihm praktizierte Behandlungsmethode seien Infektionen und Periimplantitis ausgeschlossen;
soweit damit der Eindruck einer absoluten Vorzugswürdigkeit der vom Beklagten verwendeten Behandlungsmethode gegenüber anderen herkömmlichen Behandlungsmethoden erweckt wird.
Es bleibt dem Beklagten unbenommen, darauf hinzuweisen, dass es mehrere Behandlungsmethoden gibt, die für den Patienten mit unterschiedlichen Vorzügen und Risiken behaftet sind. Er wird aber gegenüber Verbrauchern nicht mehr ausschließlich Vorteile und Vorzüge der von ihm angewendeten Behandlungsmethode der minimalinvasiven Implantologie darstellen.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung verpflichtet sich der Beklagte gegenüber der Klägerin zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,- €.
3. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.“
4
Im damaligen Verfahren wurde der Beklagte vom jetzigen Streithelfer anwaltlich vertreten, bei dem zufällig eine Namensgleichheit mit dem jetzigen Klägervertreter besteht.
5
Am Tag nach dem Vergleichsschluss, am Freitag, den 22.03.2019, übersandte der Beklagte dem Unternehmen i. das seine Internetseite betreute, die als Anlage B 4 vorgelegte E-Mail. Darin äußerte der Beklagte, man müsse sich „nach einer neuerlichen Gerichtsverhandlung demnächst mal zusammensetzen und die Homepage durchforsten“, um die vom Vergleich erfassten Formulierungen zu entfernen und gegebenenfalls einen Passus hinzuzufügen. Als Termin schlug er den Dienstag der Folgewoche vor, er könne aber gegebenenfalls auch am Nachmittag des 22.03.2019. Am Montag der Folgewoche, dem 25.03.2019, regte der Nebenintervenient in der als Anlage B 6 vorgelegten E-Mail gegenüber dem Beklagten an, am nächsten oder übernächsten Tag zu telefonieren, um die Webseite entsprechend dem Vergleich zu bereinigen und zu optimieren.
6
Ebenfalls am Montag, den 25.03.2019, monierte der Kläger in dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreiben, dass auf der Internetseite des Beklagten die zu unterlassenden Äußerungen weiterhin vorhanden seien, und machte eine Vertragsstrafe in Höhe von € 42.000,00 geltend. Ab dem 27.03.2019 war die Internetseite des Beklagten offline. Am gleichen Tag wurde das Protokoll vom 21.03.2019 vom Landgericht versandt.
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Der Kläger ist der Auffassung, er könne die vereinbarte Vertragsstrafe für insgesamt sieben auf der Internetseite des Beklagten weiter vorhandene, aber sofort zu unterlassende Äußerungen geltend machen.
8
Der Beklagte ist der Auffassung, die Vertragsstrafe sei schon nicht verwirkt, weil er seine Internetseite mit den Äußerungen rechtzeitig vom Netz genommen habe. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe sei rechtsmissbräuchlich, weshalb ihm der Kläger die zur Abwehr erforderlichen außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe.
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Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung einer Vertragsstrafe von € 42.000,00 und außergerichtlicher Kosten des Klägers von € 1.706,94 jeweils nebst Zinsen durch Endurteil vom 05.12.2019, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, in Höhe von € 3.000,00 bzw. € 334,75 zuzüglich Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die auf Zahlung außergerichtlicher Kosten des Beklagten ebenfalls in Höhe von € 1.706,94 nebst Zinsen gerichtete Widerklage hat es vollständig abgewiesen.
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Der Beklagte greift das Urteil im Umfang seiner Beschwer mit der Berufung an. Der Kläger legt im Umfang seiner Beschwer Anschlussberufung ein.
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Der Beklagte macht mit seiner Berufung geltend, das Handeln des Klägers sei entgegen der Auffassung des Landgerichts rechtsmissbräuchlich gewesen, weil es vorwiegend dazu gedient habe, Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen, zumal die Vertragsstrafe postwendend nach Abgabe der Unterlassungserklärung geltend gemacht worden sei. Dem Schuldner sei gewissermaßen die Luft abgeschnitten worden.
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Es habe dem Wortlaut des geschlossenen Vergleiches nach keine sofortige Pflicht zur Unterlassung bestanden, da dort von einer zukünftigen Verpflichtung die Rede sei. Diesbezüglich wäre es Sache des Klägers gewesen, eine konkrete kurze Frist zu vereinbaren, wenn er Entsprechendes hätte durchsetzen können. Eine sofortige Abschaltung oder eine unüblich kurze Frist von zwei Tagen könne nicht erwartet werden, zumal dies schon technisch gar nicht möglich sei. Eine sofortige Umsetzung habe auch deshalb nicht erfolgen müssen, weil der Vergleich erst protokolliert und zugestellt habe werden müssen.
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Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte seinen Dienstleister dazu aufgefordert habe, die Internetseite vollständig vom Netz zu nehmen. Entscheidend sei nur, ob er unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern die beanstandeten Äußerungen entfernt habe.
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Auch aufgrund der Beratung durch den Streithelfer (Anlage B 6) habe der Beklagte davon ausgehen dürfen, dass nur eine baldige, künftige bzw. zeitnahe Anpassung der Homepage geschuldet gewesen sei. Eine sofortige Unterlassung sei niemals Thema gewesen.
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Diesbezüglich sei auch zu beachten, dass die vertragliche Unterlassungsverpflichtung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auszulegen sei, nach denen eine sofortige Unterlassung ebenfalls nicht vereinbart worden sei. Es missachte die Rechtsnatur eines Vergleichs, der ein gegenseitiges Nachgeben voraussetze, wenn nicht nur eine zukünftige bzw. unverzügliche sondern eine sofortige Unterlassungspflicht angenommen werde. Dies stellte keine einvernehmliche Konfliktlösung, sondern eine mit dem Vergleichsgedanken nicht vereinbare Möglichkeit, die Gegenseite zu schikanieren und maßlos unter Druck zu setzen, dar.
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Auch würden die Grundsätze des Zwangsvollstreckungsrechts durch eine sofortige Unterlassungspflicht missachtet, da hierfür eine Zustellung des protokollierten Vergleichs erforderlich gewesen wäre. Daraus ergebe sich, dass dem Beklagten zumindest so lange hätte Zeit gegeben werden müssen, bis das Protokoll zugestellt gewesen sei. Es sei befremdlich, dass das Landgericht das Protokoll erst am 27.03.2019 ausgefertigt und versandt habe, dem Beklagten jedoch nicht mindestens den gleichen Zeitraum zugestehe.
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Das Landgericht habe auch den Motivationscharakter einer Vertragsstrafe und die Berufsfreiheit des Beklagten missachtet, zumal die Außendarstellung auf der Webseite auf die Förderung seines beruflichen Erfolgs gerichtet gewesen sei. Zudem habe es die Aufgaben einer Zahnärztekammer missachtet, die die berufliche Tätigkeit der Zahnärzte nicht nur zu überwachen, sondern auch zu unterstützen habe.
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Schließlich liege - wie auch vom Landgericht angenommen - allenfalls ein einziger Verstoß vor, nicht sieben Verstöße, da der Beklagte nur eine einzige Beseitigungshandlung unterlassen habe. Die ausgeurteilte Vertragsstrafe von € 3.000,00 sei jedenfalls der Höhe nach unangemessen, weil der Beklagte nicht innerhalb von Minuten nach Beendigung der mündlichen Verhandlung die Homepage habe abschalten lassen können. Da sich der Beklagte „lebenslänglich“ zur Unterlassung der drei angegriffenen Aussagen verpflichtet habe, sei eine Vertragsbindung von noch etwa 25 Jahren, also mehr als 9000 Tagen anzunehmen. Eine angebliche Fristüberschreitung von drei Tagen könne bei dieser zeitlichen Dauer allenfalls mit € 30,00 bzw. mit € 14,00 zu Buche schlagen.
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Der Kläger macht mit seiner Anschlussberufung geltend, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft von nur einem Verstoß ausgegangen. Dies widerspreche der Regelung im Vergleich, da dieser konkret für jeden Einzelfall eine Vertragsstrafe von € 6.000,00 bestimmt habe. Das Landgericht schließe zu Unrecht vom unveränderten Aufrechterhalten der Homepage auf eine natürliche Handlungseinheit. Tatsächlich hätten aber sieben Zuwiderhandlungen gegen den Vergleich vorgelegen. Auch seien die drei voneinander abgrenzbaren Einzelaussagen geeignet, jeweils für sich eine Vertragsstrafe von € 6.000,00 auszulösen.
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Die vom Landgericht zuerkannte reduzierte Vertragsstrafe von insgesamt nur € 3.000,00 lasse das Interesse des Klägers an der Durchsetzung der vom Beklagten übernommenen Verpflichtung außer Acht, dem als berufsaufsichtlicher Körperschaft des öffentlichen Rechts daran gelegen sei, die unzulässigen Heilungsversprechen des Beklagten zu unterbinden. Der Kläger sei insoweit auch nicht gehalten gewesen, sich ausschließlich berufsrechtlicher Maßnahmen zu bedienen, zumal diese nicht die dauerhafte Beseitigung von Wettbewerbsverstößen zum Gegenstand hätten.
21
Auch die Überlegung des Landgerichts, der Beklagte habe sich ausweislich der E-Mail an seinen Internetdienstleister (Anlage B 4) grundsätzlich rechtstreu verhalten wollen, sei nicht tragfähig, da es dem Beklagten unbenommen gewesen wäre, die Webseite unverzüglich stillzulegen, um die Vertragsstrafe zu vermeiden. Er habe insoweit der Pflicht unterlegen, auf seinen Dienstleister als Dritten einzuwirken. Die E-Mail habe aber keine Aufforderung zu sofortigem Handeln enthalten.
22
Der Beklagte beantragt,
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 5.12.2019 Az. 41 O 2337/19 wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
23
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
24
Der Kläger beantragt weiter im Wege der Anschlussberufung,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten und Berufungskläger zur Bezahlung weiterer € 39.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Juli 2019 sowie weiterer € 1.372,19 vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3. Juli 2019 zu verurteilen.
25
Der Beklagte beantragt,
Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.
26
Zur Ergänzung wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2021 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

II.
27
Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig. Die Berufung ist begründet, die Anschlussberufung dagegen unbegründet.
28
1. Die Berufung des Beklagten ist begründet.
29
Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe aus § 339 Satz 2 BGB in Verbindung mit dem gerichtlichen Vergleich vom 21.03.2019 (Anlage K 1) zu. Vorgerichtliche Kosten kann der Kläger vom Beklagten ebenfalls nicht ersetzt verlangen.
30
a) Der Beklagte hat die Vertragsstrafe entsprechend dem gerichtlichen Vergleich vom 21.03.2019 nicht im Sinne von § 339 Satz 2 BGB verwirkt.
31
Die Leistungszeit für den der vermeintlichen Vertragsstrafe zugrundeliegenden vertraglichen Unterlassungsanspruch richtete sich - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - nach der Vorschrift des § 271 Abs. 1 BGB.
32
aa) Nach § 271 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger eine Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen - wie sie ein Unterlassungsvertrag darstellt (vgl. BGHZ 130, 288, 293 - Kurze Verjährungsfrist) - ist insoweit bei Unterlassungspflichten der Beginn der Dauerverpflichtung maßgeblich. Das Merkmal „sofort“ ist im Rahmen von § 271 Abs. 1 BGB objektiv zu verstehen. Das bedeutet, dass der Schuldner so schnell leisten muss, wie ihm dies nach objektiven Maßstäben - unter Berücksichtigung einer etwa notwendigen Vorbereitung - möglich ist. Es gilt ein anderer Maßstab als bei § 121 Abs. 1 BGB („ohne schuldhaftes Zögern“), welcher die Berücksichtigung subjektiver Umstände erlaubt und z.B. eine angemessene Überlegungsfrist zubilligt. Solches kann der zu sofortiger Leistung verpflichtete Schuldner nicht in Anspruch nehmen. Für das Merkmal „sofort“ gelten lediglich die sich aus § 242 BGB ergebenden Schranken. So braucht der Schuldner z.B. nicht zur Unzeit, etwa nachts, zu leisten (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl., § 271, Rn. 33-35). Faktische Vorbereitungshandlungen, wie etwa die Verladung der zu liefernden Ware, die Beschaffung der zur Herstellung des geschuldeten Werks erforderlichen Materialien oder die formgerechte Abgabe der zu errichtenden Erklärungen, hindern nicht die sofortige Erfüllung, sofern sie ihrerseits zügig und nach objektivem Maßstab so schnell als möglich erledigt werden (BeckOGK/Krafka, 1.4.2021, BGB, § 271, Rn. 17).
33
bb) Nach diesen Maßstäben hatte der Beklagte weder am Montag, den 25.03.2019, noch am Mittwoch, den 27.03.2019, als die Webseite vom Netz ging, die Vertragsstrafe verwirkt, weil zu diesem Zeitpunkt die im Vergleich übernommene Verpflichtung noch nicht nach § 271 Abs. 1 BGB fällig war.
34
(1) Der Vergleich vom 21.03.2019 (Anlage K 1) enthielt keine ausdrückliche Bestimmung über die Leistungszeit für den Unterlassungsanspruch im Sinne von § 271 Abs. 1 BGB. Soweit der Beklagte darauf abheben möchte, dass in Ziffer 1. des Vergleichs klargestellt werde, dass die Verpflichtung „zukünftig“ gelte, liegt hierin keine entsprechende Bestimmung. Mit dieser Regelung wird lediglich der Charakter des vertraglichen Unterlassungsanspruchs betont, der in die Zukunft gerichtet ist und aufgrund seines künftig eingreifenden Regelungsgehalts die Wiederholungsgefahr für den gesetzlichen Unterlassungsanspruch entfallen lässt. Eine Bestimmung der Leistungszeit dergestalt, dass die Fälligkeit des Unterlassungsanspruchs in die Zukunft verschoben werden soll, lässt sich der Formulierung schon deshalb nicht entnehmen, weil kein bestimmter oder bestimmbarer Zeitpunkt in der Zukunft benannt ist, zu dem die Fälligkeit eintreten soll, wie dies bei einer vertraglich vereinbarten, vom Unterlassungsgläubiger zugebilligten Aufbrauchfrist zu erwarten wäre. Ein über die Beschreibung des Unterlassungsanspruchs hinausgehender Inhalt des Vergleichs, der eine Bestimmung der Leistungszeit zum Gegenstand hat, lässt sich dessen Ziffer 1. nicht entnehmen.
35
(2) Auch aus den Umständen aufgrund einer Auslegung des Vergleichs nach §§ 133, 157 BGB ist keine Leistungszeit im Sinne von § 271 Abs. 1 BGB zu entnehmen.
36
Die Bestimmung einer Leistungszeit anhand der Umstände eröffnet keine weitere Rechtsquelle, sondern ist als ausdrücklicher und mithin unnötiger Hinweis auf die sorgfältig anhand der Besonderheiten des Einzelfalls vorzunehmende ergänzende Auslegung der Vereinbarungen der Beteiligten zu verstehen. Dabei handelt es sich um Situationen, bei denen die Leistungszeit aufgrund des Inhalts und der Natur des Schuldverhältnisses unmittelbar einleuchtend sind, wie z.B. wenn ein Kunde im Selbstbedienungsladen Waren zum Mitnehmen aussucht oder an der Abendkasse Theaterkarten erwirbt (MüKoBGB/Krüger, 8. Aufl., § 271, Rn. 31; BeckOGK/Krafka, 1.4.2021, BGB, § 271, Rn. 65).
37
Derartige sich unmittelbar aus Inhalt oder Natur des Schuldverhältnisses ergebende und ohne weiteres einleuchtende Umstände liegen bei der vergleichsweisen Verpflichtung hinsichtlich der Äußerungen auf der Praxiswebseite nicht vor, da es sich nicht aufdrängt oder ohne weiteres einleuchtet, dass aufgrund der Art oder des Inhalts der übernommenen Verpflichtung die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfolgen hat.
38
(3) Damit war die Leistung im Sinne von § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig, wobei im konkreten Fall faktische Vorbereitungshandlungen erforderlich waren, aufgrund derer nicht von einer Fälligkeit der Verpflichtung bereits am Montag, den 25.03.2019, oder am Mittwoch, den 27.03.2019, auszugehen war.
39
Die Besonderheit bei der vergleichsweisen Verpflichtung hinsichtlich der Äußerungen auf der Praxiswebseite des Beklagten liegt darin, dass ihm vom Kläger außer der Möglichkeit zu einem schlichten Unterlassen, das durch ein sofortiges Offline-Stellen der Seite zu bewerkstelligen gewesen wäre, ausdrücklich auch die Möglichkeit zugebilligt wurde, die Äußerungen so zu formulieren, dass kein Eindruck einer absoluten Vorzugswürdigkeit der vom Beklagten verwendeten Behandlungsmethode gegenüber anderen herkömmlichen Behandlungsmethoden erweckt wird. Hierbei war der Beklagte grundsätzlich bei der Gestaltung der Formulierungen frei („soweit damit der Eindruck einer absoluten Vorzugswürdigkeit … erweckt wird.“), konnte aber auch im Einvernehmen mit dem Kläger einen zusätzlichen Hinweis aufnehmen, dass es mehrere Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Vorzügen gibt („Es bleibt dem Beklagten unbenommen, darauf hinzuweisen, dass es mehrere Behandlungsmethoden gibt, die für den Patienten mit unterschiedlichen Vorzügen und Risiken behaftet sind. Er wird aber gegenüber Verbrauchern nicht mehr ausschließlich Vorteile und Vorzüge der von ihm angewendeten Behandlungsmethode der minimalinvasiven Implantologie darstellen.“).
40
Da den Beklagten somit nicht nur eine schlichte Unterlassungspflicht traf, sondern ihm ausdrücklich zwei weitere Möglichkeiten eingeräumt waren, sich nicht verbotswidrig zu verhalten, nämlich entweder eine nicht näher bestimmte Umformulierung, um den Eindruck der absoluten Vorzugswürdigkeit zu vermeiden, und zum anderen ein zusätzlicher Hinweis auf unterschiedliche Behandlungsmethoden, hat der Kläger das Risiko mit übernommen, dass die Umsetzung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Aufgrund der vertraglich eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht nur eine zahnmedizinische Informationsvermittlung betrafen, sondern auch die Rechtsfrage aufwarfen, wie eine einwandfreie Umsetzung erfolgen kann, muss dem Beklagten ein gewisser Zeitraum ab dem Vergleichsabschluss als Vorbereitungszeit zugebilligt werden, um sich hierüber rechtlich beraten zu lassen und die Umsetzung technisch durch seine Dienstleister anzustoßen. Erst danach konnte die Verpflichtung nach § 271 Abs. 1 BGB fällig werden. Der Zeitraum von Donnerstag bis Montag bzw. Mittwoch der Folgewoche ist hierbei nicht als ausreichend anzusehen, so dass die Vertragsstrafe mangels Fälligkeit der zugrundeliegenden Verpflichtung nicht verwirkt ist.
41
b) Mangels fälligen Vertragsstrafenanspruchs sind auch die hierfür angefallenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Klägers nicht erstattungsfähig.
42
2. Die Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet, da ein Vertragssstrafenanspruch aus § 339 Satz 2 BGB nach dem oben Gesagten schon dem Grunde nach nicht besteht.
43
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
44
Auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor.