LG Amberg, Endurteil v. 26.04.2021 – 41 HK O 1036/20
Titel:

Irreführende Werbung mit Testsiegerbehauptung

Normenkette:
UWG § 3, § 5 Abs. 1 S. 1 u. S. 2 Nr. 3
Leitsatz:
Eine Werbung mit den Aussagen „WIR SIND DIE BESTEN" und "Testsieger" ist irreführend im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG, wenn in dem genannten Test selbst keine Auszeichnung "Testsieger" vergeben wurde und jedenfalls zwei Unternehmen hinsichtlich der vergebenen "Gold-Auszeichnungen" gleich abgeschnitten haben. (Rn. 19 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Werbung
Fundstellen:
MD 2021, 681
LSK 2021, 20111
GRUR-RS 2021, 20111

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorstandsvorsitzenden der …
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das „BioBio“ Eigenmarkensortiment wie folgt zu werben:
„WIR SIND DIE BESTEN - Mit 193 Gold-Auszeichnungen sind wir Testsieger mit unserem exklusiven „BioBio“-Sortiment.“,
wenn dies geschieht wie in ihrem Prospekt „… EINER FÜR ALLES. ALLES FÜR GÜNSTIG“ gültig vom 14.09.-19.09.2020 (KW38/KiOsSB) auf Seite 19 (Anlage K 3).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.12.2020 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Mit der Klage wird ein Unterlassungsanspruch nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geltend gemacht.
2
Der Kläger ist ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen gemäß § 8 III Ziff. 2 UWG.
3
Die Beklagte betreibt bundesweit Discountmärkte.
4
In einem Werbeprospekt für den Zeitraum 14.09.-19.09.2020 warb die Beklagte auf Seite 19 mit den Ergebnissen eines Tests der DLG. Neben den im Urteilstenor unter Ziffer 1 dargestellten Worten wurde eine „Urkunde“ dargestellt, nach welcher die Beklagte 193 Mal Gold, 58 Mal Silber und 11 Mal Bronze für ihr Eigenmarkensortiment „BioBio“ erreicht hätte.
5
Im selben Test wurde die Mitbewerberin der Beklagten, die N. Lebensmittelfilialbetrieb Stiftung & Co. KG, für ihr Eigenmarkensortiment „Bio Sonne“ mit 193 Mal Gold, 72 Mal Silber und 10 Mal Bronze von der DLG ausgezeichnet.
6
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 21.10.2020 ab und forderte sie zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 30.10.2020 die geltend gemachten Ansprüche zurück, eine Unterlassungserklärung wurde nicht abgegeben.
7
Der Kläger hält die streitgegenständliche Werbeaussage für irreführend. So sei die Beklagte nicht Testsieger gewesen. Die Mitbewerberin „N.“ hätte insgesamt mehr Medaillen und auch mehr Silber-Medaillen erreicht. Selbst wenn man nur die Goldmedaillen berücksichtigen würde, wäre die Beklagte nicht alleiniger Testsieger gewesen, da die Firma NORMA die gleiche Anzahl an Goldauszeichnungen erreicht habe.
8
Wie die Beklagte unter diesen Umständen sich als „Testsieger“ bezeichnen könne, würde sich für den Kläger nicht erschließen. Auch habe die DLG selbst keinen „Testsieger“ gekürt.
9
Der Kläger macht daher mit der Klage einen Unterlassungsanspruch geltend, ferner werden unter Ziffer 2 Abmahnkosten geltend gemacht.
10
Der Kläger beantragt daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorstandsvorsitzenden der …
zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das „BioBio“ Eigenmarkensortiment wie folgt zu werben:
„WIR SIND DIE BESTEN - Mit 193 Gold-Auszeichnungen sind wir Testsieger mit unserem exklusiven „BioBio“-Sortiment.“,
wenn dies geschieht wie in ihrem Prospekt … EINER FÜR ALLES. ALLES FÜR GÜNSTIG“ gültig vom 14.09.-19.09.2020 (KW38/KiOsSB) auf Seite 19 (Anlage K 3).
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
11
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Die Beklagte hält die streitgegenständliche Werbung nicht für irreführend.
13
So würde sich die Werbung - ausweislich des Wortlauts - auf die 193 Gold-Auszeichnungen beziehen. Die Beklagte hätte im maßgeblichen Zeitraum die meisten Goldauszeichnungen unter allen Mitbewerbern errungen. Dass die Mitbewerberin N. ebenfalls 193 Gold-Auszeichnungen errungen habe, sei hierfür unschädlich, insbesondere müsse die Beklagte in ihrer Werbung nicht darauf hinweisen.
14
Nach dem Sprachgebrauch sei Testsieger derjenige, der den ersten Platz errungen habe. Dabei sei es begrifflich nicht ausgeschlossen, dass es mehrere Testsieger gebe, falls diese ein identisches Ergebnis erzielt haben.
15
Die Beklagte sehe sich folglich bei den Goldmedaillen weiterhin als Testsieger.
16
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
18
Die Berechtigung des Klägers dazu, die streitgegenständlichen Ansprüche geltend zu machen, ergibt sich aus § 8 III Nr. 2 UWG.
19
Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 81, III Nr. 3 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 5 I S. 1 u. 2 Nr. 3 UWG. Die streitgenständliche Werbung ist irreführend und damit unlauter.
20
Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.
21
Bei der Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist die Sichtweise eines durchschnittlich informierten und vertständigen Verbrauchers maßgebend, der einer Werbung die der Situation angemessenen Aufmerksamkeit entgegenbringt.
22
Hier geht es um das Gesamt-Abschneiden der Produkte der Beklagten beim Test der DLG, um das Gesamtergebnis im Vergleich zu Mitbewerbern, mithin um die Frage, ob die Beklagte als „Testsieger“ oder „Beste“ aus dem Test hervorgegangen ist.
23
Festzustellen ist, dass die DLG selbst eine Auszeichnung „Testsieger“ nicht vergeben hat, die Beklagte hat sich diesen „Titels“ selbst gegeben.
24
Angesichts dessen, dass die Mitbewerberin NORMA eine gleiche Anzahl an Gold-Auszeichnungen und 72 „Silbermedaillen“, wohingegen die Beklagte von diesen „nur“ 58 erzielt hat, bekommen hat, sind die Werbeaussagen „Wir sind die Besten!“ und „Testsieger“ unwahr und irreführend.
25
Gerade die Auszeichnungen mit „Gold, Silber u. Bronze“, verbunden mit abgebildeten Medaillen zielt auf einen Vergleich insbesondere mit Sportveranstaltungen. Der dort üblicherweise verwendete Medaillenspiegel sieht denjenigen Sportler, denjenigen Verein oder dasjenige Land vorne, welcher/s die meisten Goldmedaillen hat. Besteht insofern Gleichstand, wird auf die größere Anzahl der Silbermedaillen abgestellt.
26
Eine derartige Assoziation hat auch ein Verbraucher auch beim Lesen oder Betrachten dieser Werbung.
27
Der durchschnittliche Verbraucher stellt angesichts der Werbung der Beklagten auch nicht penibel genau auf die „Gold-Auszeichnungen“ ab, wie die Beklagte ihre Werbung verstehen will.
28
Überdies würde er auch in diesem Fall davon ausgehen, dass es einen „Sieger“, einen „Bestplazierten“ beim Test der DLG gibt, nicht dass es - zumindest bei den Gold-Auszeichnungen - mehrere gleich gut abschneidende Teilnehmer gibt.
29
Derartiges wird in der Werbung der Beklagte indes mit dem Wort „Testsieger“ und der Überschrift „Wir sind die Besten!“ behauptet.
30
Hier geht es um das Gesamt-Abschneiden eines Unternehmens bei einem Test (§ 51 S. 2 Nr. 3 UWG) und nicht um einen Fall, dass beispielsweise damit geworben wird, dass zwei Produkte dieselbe Punktzahl bei einem Vergleich erreichen.
31
Dass die Beklagte hier ein Alleinstellungsmerkmal, was das Abschneiden des Unternehmens betrifft, behauptet, ist irreführend und damit unzulässig.
32
Wegen des Erstverstoßes besteht die von § 8 I UWG vorausgesetzte Wiederholungsgefahr, dies umso mehr da die Beklagte ein wettbewerbswidriges Verhalten in Abrede stellt.
33
Der Beklagten waren - antragsgemäß - die zur Erzwingung der Unterlassung möglichen Ordnungsmittel gem. § 890 ZPO anzudrohen.
34
Bei dem zugesprochenen Zahlungsanspruch von 232 EUR handelt es sich um die erforderlichen Aufwendungen für die berechtigte Abmahnung (§ 13 III UWG), der Zinsausspruch ergibt sich aus den §§ 291, 288 BGB.
35
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.