BayObLG, Beschluss v. 06.04.2023 – 102 AR 52/22
Titel:
Zur örtlichen Zuständigkeit bei Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem UWG und aus unerlaubter Handlung bei einem anderen Gericht als dem Wohnsitzgericht in objektiver Klagehäufung mit Entschädigungsansprüchen nach allgemeinem Äußerungsrecht
Normenketten:
UWG § 4 Nr. 1, § 8, § 14 Abs. 2 S. 2, S. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 281, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 253 Abs. 2 Nr. 1, § 130 Nr. 1
TMG § 5 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 1004, § 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 824
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1
StGB § 185
Leitsätze:
1. Als willkürlich zu werten ist insbesondere, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, etwa weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht beachtet oder nicht zur Kenntnis nimmt (ebenso BGH BeckRS 2011, 19094). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verweisung ist aber nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (ebenso BGH BeckRS 2015, 11660). Solche liegen etwa vor, wenn sich eine Befassung mit dem Gerichtsstand nach den Umständen, insbesondere dem Parteivortrag dazu, derart aufdrängt, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (ebenso BGH BeckRS 2015, 11660). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Anspruch nach dem UWG geltend gemacht wird, ist der Tatsachenvortrag der Klagepartei, wobei es genügt, dass sich daraus schlüssig ein solcher Anspruch begründen lässt; hinsichtlich „doppelrelevanter Tatsachen“, die zugleich die Begründetheit der Klage betreffen, ist ein Bestreiten des Beklagten für die Zuständigkeit ohne Belang und kommt erst bei der Begründetheitsprüfung zum Tragen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt auch dann vor, wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
6. Der Umstand, dass die Beklagte über ihre Website eine ladungsfähige Anschrift in München bekannt gegeben hat, rechtfertigt weder den Schluss auf einen dortigen Wohnsitz noch auf einen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten in München. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ermöglicht lediglich die Zustellung einer Klageschrift oder weiterer Schriftsätze am angegebenen Ort (ebenso BGH BeckRS 2015, 2837), eine Aussage zum Wohnsitz der Partei ist damit nicht verbunden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
örtliche Zuständigkeit, Unterlassungsanspruch, Internet, Bindungswirkung, Verweisungsbeschluss, doppelrelevante Tatsachen, Wettbewerbsverhältnis, ladungsfähige Anschrift, Wohnsitz, Buchrezension
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 33 O 10896/21
Fundstellen:
ZUM-RD 2023, 587
MMR 2023, 719
BeckRS 2023, 6839
LSK 2023, 6839
Tenor
(Örtlich) zuständig ist das Landgericht Leipzig.
Gründe
I.
1
Mit ihrer im August 2021 zum Landgericht München I erhobenen Klage machen die im Bezirk des Landgerichts Marburg wohnhaften Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung und Zahlung einer angemessenen Geldentschädigung geltend, gestützt auf den Vorwurf der Verbreitung unsachlicher Schmähkritik an deren Werk über das Instagram-Konto der Beklagten.
2
Die Kläger tragen vor, sie seien Autoren und veröffentlichten im Eigenverlag Bücher, die elektronisch lesbar seien und als normale Druckausgaben vertrieben würden. Die Beklagte sei ebenfalls Autorin und publiziere ihre Werke über Verlage oder selbst über das Internet. Sie habe im Februar 2021 unter ihrem Instagram-Konto in einem Videobeitrag mit dem Titel „Rassismus“ ein Buch der Kläger besprochen, ihnen aufgrund des Einbands des Buches ein rassistisches Marketing vorgeworfen und sich über sie mit Worten wie „Scheiße“, „ekelhaft“, „total menschenverachtend“ und „ScheißMenschen“ beleidigend geäußert. Zwar habe die Beklagte das Video nach einer mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung versehenen anwaltlichen Abmahnung der Kläger vom Netz genommen, aber die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben. Sie habe lediglich über ihren Rechtsanwalt eine modifizierte Erklärung angeboten und auf ein weiteres anwaltliches Schreiben nicht reagiert. Da die Kläger und die Beklagte als Autoren belletristischer Bücher Wettbewerber seien, stünde ihnen ein lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsanspruch gemäß § 4 Nr. 1, § 8 UWG zu. Durch die Kritik am Werk der Kläger versuche die Beklagte, eine Reichweite in den sozialen Medien zu schaffen und auf sich selbst aufmerksam zu machen. Eine solche Aufmerksamkeitswerbung habe einzig den Anlass, die eigene Person und die eigenen Waren in den Vordergrund zu rücken, was das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien belege. Die getätigten Aussagen stellten eine unlautere Schmähkritik, Herabsetzung und Verunglimpfung der Kläger nach § 4 Nr. 1 UWG dar. Eine Wiederholungsgefahr sei zu vermuten. Zudem stehe den Klägern eine angemessene Geldentschädigung zu, da die Beklagte vorsätzlich deren Persönlichkeitsrecht verletzt habe. Das Landgericht München I sei für den Rechtsstreit örtlich zuständig, da die Beklagte auf ihrer Homepage gemäß § 5 Telemediengesetz (TMG) als Adresse „e. GbR, …….. München“ angebe.
3
Das Landgericht hat die Klageschrift an den im Rubrum genannten vorgerichtlich tätigen Rechtsanwalt der Beklagten zugestellt, der in der Klageerwiderung vom 20. September 2021 geltend gemacht hat, die Klage sei gegen die Literaturagentur der Beklagten, die „e. GbR“ gerichtet, die nicht passivlegitimiert sei. Gegenüber der von ihm vertretenen Beklagten fehle es an einem Unterlassungsanspruch. Sie bestreite, das Buch der Kläger in einem Videobeitrag in der behaupteten Form negativ besprochen zu haben. Allein um sich nicht näher mit der Angelegenheit befassen zu müssen, habe sie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber gleichwohl rechtsverbindlich eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben. Die Kläger seien nach dem UWG nicht aktivlegitimiert, denn es bestehe mangels vergleichbarer Autoreneigenschaft keine Wettbewerbslage zwischen den Parteien. Die Beklagte schreibe in einem anderen belletristischen Metier. Sie habe als Autorin wie jeder Nicht-Autor das Recht, im Rahmen ihrer Meinungs- und Pressefreiheit ein Buch zu rezensieren. Eine Haftung nach dem UWG scheide auch deshalb aus, weil jede Buchrezension generell zur Verkaufsförderung eines Buches beitrage. Außerdem habe die Beklagte nicht das Werk der Kläger negativ bewertet, sondern die Art der Vermarktung (Cover und Titel des Buches) kritisiert, die sie als rassistisch empfinde. Die geäußerte Kritik betreffe den Verlag und nicht die Kläger und sei überdies als Meinungsäußerung geschützt. Sie habe die Kläger auch nicht verunglimpft oder beleidigt, sondern lediglich allgemeine Aussagen über Personen gemacht, die Minderheiten diskriminierten. Wiederholungsgefahr bestehe nicht, es sei Sache der Kläger, dass sie die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten nicht annähmen. Den Klägern stehe damit auch kein Schadensersatz zu. Abgesehen davon sei das Landgericht München I örtlich nicht zuständig, da die Beklagte in Leipzig wohne.
4
Die Kläger haben demgegenüber den Standpunkt vertreten, das Landgericht München I sei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG örtlich zuständig. Ein Wettbewerbsverstoß sei dort begangen, wo er abgerufen werden könne, was bei dem über Instagram und damit über das Internet verbreiteten Video in München möglich und auch durchgeführt worden sei. Außerdem habe die Beklagte, die ihre Privatadresse nicht bekannt geben wolle, in München eine Adresse als Geschäftsadresse angegeben, an der sie sich festhalten lassen müsse.
5
Das Landgericht hat die Parteien mit Verfügung vom 24. November 2021 unter Bezugnahme auf eine Fundstelle in der Kommentarliteratur darauf hingewiesen, dass es örtlich unzuständig sein dürfte. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 UWG n. F. sei für Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch aufgrund des UWG geltend gemacht werde, im Falle von Zuwiderhandlungen im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien das Gericht zuständig, an dem ein Beklagter den allgemeinen Gerichtsstand habe. Die Beklagte habe ihren – nach der Gesetzesneufassung allein maßgeblichen – Wohnsitz in Leipzig. Es werde um Mitteilung binnen einer Woche gebeten, ob die Kläger Verweisung beantragten.
6
In ihrer Stellungnahme haben die Kläger nochmals auf den in München befindlichen Geschäftssitz der Beklagten hingewiesen, der für die örtliche Zuständigkeit genüge. Falls sich das Gericht weiterhin für unzuständig halte, werde vorsorglich Verweisung an das zuständige Gericht beantragt. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
7
Mit Beschluss vom 10. Januar 2022 hat sich das Landgericht München I für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit antragsgemäß an das Landgericht Leipzig als Wohnsitzgericht der Beklagten verwiesen. Zur Begründung hat es seine im Hinweis vom 24. November 2021 mitgeteilten Erwägungen wiederholt.
8
Mit Verfügung vom 20. Januar 2022 hat das Landgericht Leipzig seinerseits darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses bestünden. Die Adresse der Beklagten in München sei zutreffend, es sei nicht behauptet, dass sie dort nicht gemeldet sei. Die Beklagte habe damit eine zustellfähige Adresse benannt und ihren allgemeinen Gerichtsstand in München. Das Landgericht München I weise in seinem Beschluss auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses und die Zuständigkeitsvorschrift des § 14 Abs. 2 UWG hin, hierzu sei aber klägerseits nichts vorgetragen und vom Landgericht München I nichts festgestellt. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und zur Darlegung aufgefordert, wo bzw. unter welchen Adressen die Beklagte angemeldet sei.
9
Die Kläger haben ihren bisherigen Standpunkt wiederholt und erklärt, sie hielten weiterhin das Landgericht München I für zuständig. Die Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 15. Februar 2022 dahingehend geäußert, dass das Landgericht München I örtlich zuständig sei, da sie dort unter der Adresse ihrer Agentur erreichbar sei. Auf ihren Wohnort komme es nicht an, diesen wolle sie nicht nennen. Eine Wettbewerbslage sei nicht gegeben.
10
Mit Beschluss vom 16. Februar 2022 hat sich das Landgericht Leipzig für örtlich unzuständig erklärt und die Sache gemäß § 281 ZPO zurück an das Landgericht München I verwiesen. Das Landgericht Leipzig sei weder nach den Zuständigkeitsvorschriften der ZPO noch denjenigen des UWG noch aufgrund der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts München I zuständig. Dieser erscheine objektiv willkürlich. Verklagt sei die Beklagte, deren im Rubrum genannte Adresse, wie sich aus der Website und dem darin aufgeführten Impressum ergebe, zutreffend sei. Dass die Beklagte dort nicht gemeldet sei, werde nicht behauptet. Die Beklagte habe damit eine zustellfähige Adresse benannt und habe ihren allgemeinen Gerichtsstand und einen Geschäftssitz in München. Eine Adresse in Leipzig sei den Schriftsätzen der Parteien nicht zu entnehmen. Damit sei München das zuständige Gericht. Zu einem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Klägern und der Beklagten als Privatperson sei nichts vorgetragen und vom Landgericht München I nichts festgestellt worden. Von der Klägerseite werde ein Wettbewerbsverhältnis mit der Beklagten, handelnd im Kontext mit der Literaturagentur G. GbR angenommen. Hier habe die Beklagte persönlich, unabhängig von ihrer Agentur in München als Privatperson die streitgegenständlichen Äußerungen getätigt und nicht als „Mitbewerberin“, denn es werde nicht behauptet, dass sie im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG geschäftlich und zwar auch zur Förderung des Absatzes ihrer Dienstleistungen gehandelt habe. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis sei nicht Gegenstand des Rechtsstreits, wie die Parteien, die beide (weiterhin) das Landgericht München I für zuständig erachteten, schriftsätzlich betont hätten.
11
Auf Nachfrage des Landgerichts München I, ob die Beklagte auf die Rüge der örtlichen Zuständigkeit verzichte, da andernfalls eine Vorlage an das Bayerische Oberste Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolge, hat die Beklagte erklärt, sie halte nach wie vor das Landgericht München I für unzuständig, da sie in Leipzig wohne.
12
Mit Beschluss vom 19. April 2022 hat sich das Landgericht München I weiterhin für örtlich unzuständig erklärt und die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bayerischen Obersten Landesgericht vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss vom 10. Januar 2022 sei bindend, da er rechtmäßig und nicht willkürlich sei. Die Kläger stützten sich auch auf die Vorschriften des UWG, ob und inwieweit tatsächlich ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, sei keine Frage der Zuständigkeit, sondern der Begründetheit der Klage. § 14 Abs. 2 Satz 1 und 3 Nr. 1 UWG bestimme, dass für Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch nach dem UWG geltend gemacht werde, im Falle von Zuwiderhandlungen im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien das Gericht zuständig sei, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand habe. Der Wohnsitz der Beklagten befinde sich in Leipzig. Der Sitz der Literaturagentur der Beklagten begründe im Streitfall keine Zuständigkeit des Landgerichts München I, denn die GbR „e. G.“ sei nicht beklagt und dort sei auch nicht der Wohnort der Beklagten. Es handele sich nur um eine Adresse, unter der diese (auch) postalisch erreichbar sei. Eine solche Anschrift begründe jedoch keinen Gerichtsstand nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG i. V. m. §§ 12, 13 ZPO. Auch sei unzutreffend, dass die Beklagte ihre Wohnanschrift nicht angegeben habe, vielmehr sei die Unterwerfung unter ihrer Anschrift in Leipzig erfolgt (Anlage K 2). Darüber hinaus entfalte der Verweisungsbeschluss auch deshalb Bindungswirkung, weil die Verweisung im Einverständnis beider Parteien erfolgt sei.
13
Die Parteien haben im Bestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe durch ihre Erklärung gegenüber dem Landgericht Leipzig, sie erachte das Landgericht München I für örtlich zuständig, wirksam ihre Zustimmung erteilt. Es komme, wie das Landgericht Leipzig in seinem Beschluss vom 16. Februar 2022 zutreffend ausgeführt habe, ausschließlich darauf an, dass die Beklagte selbst die Adresse in München als zustellfähige Adresse nach § 5 TMG angebe und man eine private Anschrift im Internet nicht finde. Daran müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Es könne dahinstehen, ob sich wettbewerbsrechtlich eine Zuständigkeit des Landgerichts München I ergebe, denn dieses sei schon deshalb örtlich zuständig, da die Beklagte in München einen Geschäftssitz habe und die Adresse in München ausdrücklich gemäß § 5 TMG nenne. Der Bundesgerichtshof habe in einem ähnlichen Fall eine wirksame Zustellung mit Urteil vom 28. Juni 2018, Az. I ZR 257/16 bestätigt. Der Gerichtstand sei für die Kläger ein erheblicher Kostenfaktor, auch deshalb müsse sich die Beklagte an der einmal getroffenen Wahl ihres Geschäftssitzes festhalten lassen. Die Beklagte hat sich nicht geäußert.
II.
14
Auf die zulässige Vorlage des Landgerichts München I ist die (örtliche) Zuständigkeit des Landgerichts Leipzig auszusprechen.
15
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung der (örtlichen) Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) liegen vor.
16
Das Landgericht München I hat sich nach Rechtshängigkeit der Streitsache durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 10. Januar 2022 für unzuständig erklärt, das Landgericht Leipzig durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 16. Februar 2022. Die den Parteien mitgeteilte und jeweils ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschl. v. 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35; jeweils m. w. N.).
17
Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Bestimmungsentscheidung gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO zuständig, weil die am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Landgerichte in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Dresden) liegen und somit das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, da das mit der Sache zuerst befasste Gericht in Bayern liegt.
18
2. Das Landgericht Leipzig ist örtlich zuständig, weil der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 10. Januar 2022 gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.
19
a) Der Gesetzgeber hat in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung.
20
Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss allerdings dann keine Bindungswirkung zu, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; Beschluss vom 10. September 2002, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634 [juris Rn. 13 f.]; Greger in Zöller, ZPO, § 281 Rn. 16). Objektiv willkürlich ist ein Verweisungsbeschluss, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9 m. w. N.). Als willkürlich zu werten ist insbesondere, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, etwa weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht beachtet oder nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 24). Eine Verweisung ist aber nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat. Denn für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18, jeweils m. w. N.). Solche liegen etwa vor, wenn sich eine Befassung mit dem Gerichtsstand nach den Umständen, insbesondere dem Parteivortrag dazu, derart aufdrängt, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 u. 15; NJW-RR 2011, 1364 Rn. 12).
21
b) Bei Anlegung dieses Maßstabs entfaltet der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 10. Januar 2022 Bindungswirkung.
22
aa) Tragender Gesichtspunkt für die Verweisung an das Landgericht Leipzig ist die Annahme des Landgerichts München I, es handele sich um eine Streitigkeit, mit der ein Anspruch aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geltend gemacht werde. Örtlich zuständig für diese Klage sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 UWG das Gericht am Wohnsitz der Beklagten, der sich in Leipzig befinde. Dort habe die Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand. Eine eigene örtliche Zuständigkeit hat das Landgericht im Hinblick auf § 14 Abs. 2 UWG verneint. Die auf der Basis des Sachvortrags der Parteien getroffene Entscheidung ist in Bezug auf die von den Klägern geltend gemachten lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüche (§ 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1, § 8 UWG) rechtlich vertretbar und willkürfrei.
23
(1) Der Gesetzgeber hat in § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG in der vorliegend maßgeblichen Fassung vom 26. November 2020 mit Geltung ab 2. Dezember 2020 geregelt, dass für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, mit denen ein Anspruch aufgrund des UWG geltend gemacht wird, das Gericht örtlich zuständig ist, an dem die beklagte Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Soweit es um Zuwiderhandlungen im elektronischen Rechtsverkehr oder in Telemedien geht – unzweifelhaft wenden sich die Kläger mit ihrem Unterlassungsbegehren gegen Äußerungen der Beklagten, die sie (ausschließlich) über Telemedien verbreitet haben soll –, ist abweichend zu der vor dem 2. Dezember 2020 geltenden Rechtslage ein Gerichtsstand am Ort der Zuwiderhandlung (sog. „fliegender Gerichtsstand“) nach § 14 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 UWG nicht eröffnet, es sei denn, der Beklagte hat im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand. Im Zusammenhang mit der Neufassung des § 14 Abs. 2 UWG sind zahlreiche Fragen umstritten, so unter anderem, ob es sich dabei um eine ausschließliche Gerichtsstandsregelung handelt (bejahend: Ehrike/Könen in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, UWG § 14 Rn. 45; verneinend: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021, 20 W 11/21, juris Rn. 28; der Entscheidung unter Abkehr von der früheren Kommentierung folgend Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, § 14 Rn. 7). Auch wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung kontrovers beurteilt, ob § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG einschränkend dahin auszulegen sei, dass der Ausschluss des Tatortgerichtsstands gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG nur bei „Verstößen gegen die gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflicht“ gelte (OLG Frankfurt, Beschl. v. 8. Oktober 2021, 6 W 83/21, juris Rn. 18) oder nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021, 20 W 11/21, juris Rn. 22 ff. und v. 16. Dezember 2021, 20 U 83/21, juris Rn. 56 ff.).
24
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob ein Anspruch nach dem UWG geltend gemacht wird, ist der Tatsachenvortrag der Klagepartei, wobei es genügt, dass sich daraus schlüssig ein solcher Anspruch begründen lässt (Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 14 Rn. 10 Ehrike/Könen in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, UWG, § 14 Rn. 10; Tolkmitt in HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 5. Aufl. 2021, § 14 Rn. 66; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 8. Aufl. 2023, § 14 Rn. 14). Hinsichtlich „doppelrelevanter Tatsachen“, die zugleich die Begründetheit der Klage betreffen (z.B. ob im Fall des § 14 Abs. 2 Satz 2 UWG überhaupt eine wettbewerbswidrige Handlung begangen worden ist), ist ein Bestreiten des Beklagten für die Zuständigkeit ohne Belang und kommt erst bei der Begründetheitsprüfung zum Tragen. Ausreichend ist insoweit die einseitige Behauptung der den Gerichtsstand begründenden Tatsachen durch die Klagepartei (Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, a. a. O.).
25
(2) Im vorliegenden Fall machen die Kläger ausweislich der Klageschrift ausdrücklich einen Unterlassungsanspruch gemäß § 4 Nr. 1, § 8 UWG geltend und begründen dies auch näher. Vorgetragen wird, dass zwischen ihnen und der Beklagten eine Mitbewerbersituation auf dem Sektor belletristischer Bücher bestehe. Sie argumentieren, die Beklagte wolle mit den die Kläger herabsetzenden Äußerungen ihren eigenen Wettbewerb fördern, zugleich seien ihre Aussagen geeignet, den Wettbewerb der Kläger zu beeinträchtigen. Es handele sich um unlautere Schmähkritik im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG, gegen die sich die Kläger mit einem Unterlassungsanspruch zur Wehr setzen könnten. Damit behaupten die Kläger schlüssig, Mitbewerber gemäß der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG zu sein, mit der Beklagten in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu stehen und von dieser die Unterlassung unlauterer Handlungen nach dem UWG fordern zu können. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt zum einen vor, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen behindern oder stören kann (enger Mitbewerberbegriff). Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt aber auch dann vor, wenn zwischen den Vorteilen, die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (weiter Mitbewerberbegriff; vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 8 Rn. 3.27 m. w. N.). Ob die gegen den Vortrag der Kläger vorgebrachten Einwände der Beklagten (keine vergleichbare Autoreneigenschaft, „Buchrezension“ fördere den Verkauf und schade den Klägern nicht, die Kritik betreffe den Verlag und nicht die Kläger, sie sei auch nicht herabsetzend, zudem handele es sich um eine zulässige Meinungsäußerung) stichhaltig sind, ist für die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit für die im August 2021 erhobene Klage nicht relevant, sondern im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. Dies gilt auch für die Erwägung des Landgerichts Leipzig, die Beklagte habe die streitgegenständlichen Äußerungen „als Privatperson“ und nicht „im Kontext der Literaturagentur G. GbR“ getätigt (vgl. zur Abgrenzung des Handelns in Wettbewerbsabsicht gegenüber der bloßen Ausübung der Meinungs- bzw. Pressefreiheit u. a. BGH, Urt. v. 20. März 1986, I ZR 13/84 – Gastrokritiker, NJW 1987, 1082; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11. März 2022, 6 W 14/22 – Schrottbücher, juris Rn. 7 m. w. N).
26
(3) Zutreffend ist das Landgericht München I aufgrund des Sachvortrags der Parteien davon ausgegangen, dass die Beklagte (nur) im Bezirk des Landgerichts Leipzig ihren allgemeinen Gerichtsstand hat und nicht im Bezirk des zunächst angerufenen Gerichts.
27
Bei der Beklagten handelt es sich um eine natürliche Person, deren allgemeiner Gerichtsstand sich gemäß §§ 12, 13 ZPO an deren Wohnsitz befindet. Der Wohnsitz ist der Ort, an dem sich jemand ständig niederlässt, in der Absicht, ihn zum räumlichen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen (vgl. § 7 Abs. 1 BGB).
28
Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 20. September 2021 die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I mit der Begründung gerügt, sie wohne in Leipzig und nicht in München. Die Kläger haben diesen Tatsachenvortrag nicht bestritten, sondern im Hinblick auf die von der Beklagten auf ihrer Website genannte Münchener Adresse und deren behauptete mangelnde Bereitschaft, die private Anschrift zu offenbaren, den Standpunkt vertreten, das Landgericht München I sei gleichwohl örtlich zuständig. Demgegenüber enthält die von den Klägern selbst mit der Klageschrift als Anlage K 2 vorgelegte Kopie der von der Beklagten abgegebenen „modifizierten“ Unterlassungserklärung“ eine Anschrift in Leipzig. Dort wird als deren Adresse „Leipzig, …“ genannt, was für die Richtigkeit ihres Vortrags zum dortigen Wohnsitz spricht. Zwar hat die Beklagte im Schriftsatz vom 15. Februar 2022 gegenüber dem Landgericht Leipzig abgelehnt, ihre Privatanschrift zu nennen, sie hat allerdings auch nicht in Abrede gestellt, dass sie in Leipzig wohnt.
29
Der Umstand, dass die Beklagte über ihre Website eine ladungsfähige Anschrift in München bekannt gegeben hat, rechtfertigt weder den Schluss auf einen dortigen Wohnsitz noch auf einen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten in München. Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ermöglicht lediglich die Zustellung einer Klageschrift oder weiterer Schriftsätze am angegebenen Ort (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 2015, VI ZR 137/14, VersR 2015, 582 Rn. 14), eine Aussage zum Wohnsitz der Partei ist damit nicht verbunden.
30
Aus der von den Klägern herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2018, Az. I ZR 257/16, lässt sich ebenfalls nur ableiten, dass für die Führung eines Prozesses sowohl auf Seiten des Klägers als auch auf Seiten des Beklagten die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift genügt. Zur Frage, wo sich der allgemeine Gerichtsstand einer Partei befindet, enthält die Entscheidung keine Aussage.
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Auch aus § 5 TMG folgt nichts anderes. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG ist der Diensteanbieter verpflichtet, den Namen und die Anschrift, unter der er niedergelassen ist, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die Firma einschließlich Rechtsform, Sitz und zusätzlich den Vertretungsberechtigten anzugeben. Er hat eine vollständige Postanschrift mit Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer zu nennen. Durch die Verpflichtung zur Namens- und Anschriftenangabe soll dem Nutzer im Streitfall eine ladungsfähige Anschrift i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 130 Nr. 1 ZPO zur Verfügung stehen, um eine Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Zulässig kann die Angabe einer c/oAdresse sein, wenn eine Zustellung an diese Adresse und eine zivilgerichtliche Ladung dort möglich sind (vgl. Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 5 TMG Rn. 46, 49). Ob die Angabe einer Adresse nach § 5 TMG den Schluss zulässt, dass der Diensteanbieter dort auch eine Niederlassung im Sinne des § 21 ZPO unterhält, bedarf keiner Entscheidung, da es sich beim Ort der Niederlassung nur um einen besonderen und nicht um einen allgemeinen Gerichtsstand handelt, auf den in § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG abstellt wird.
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Die Feststellung des Landgerichts München I, die Beklagte habe ihren Wohnsitz und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht in München, sondern im Bezirk des Landgerichts Leipzig, beruht mithin auf dem Vortrag der Parteien und dem damit korrespondierenden Akteninhalt; sie begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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(4) Ersichtlich ist das Landgericht München I bei seiner Entscheidung, den Rechtsstreit an das Landgericht Leipzig zu verweisen, davon ausgegangen, dass es für Klagen wegen Verstößen gegen das UWG bei Zuwiderhandlungen in Telemedien gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 UWG nur darauf ankommt, in welchem Gerichtsbezirk die beklagte Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, und nicht auf deren gewerbliche oder berufliche Niederlassung. Es kann dahinstehen, ob diese im Beschluss vom 19. April 2022 nochmals vertiefte rechtliche Beurteilung zutreffend ist, sie ist vor dem Hintergrund des unter Ziffer 2, a, bb), (1) dargelegten kontroversen Meinungsbildes jedenfalls nicht willkürlich, sondern vertretbar, zumal sie durch die vom Landgericht herangezogene Fundstelle (Feddersen in Köhler/Bornkamm/ Feddersen, UWG, 39. Aufl. 2021, § 14 Rn. 7, der in dieser Auflage noch den Standpunkt vertreten hat, bei den Gerichtsständen des § 14 Abs. 2 UWG handele es sich um ausschließliche) gestützt wird. Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Annahme des Landgerichts München I, ein möglicher Geschäftssitz der Beklagten in München sei unmaßgeblich, nicht den Vorwurf einer willkürlichen Verneinung der eigenen Zuständigkeit. Auch die Tatsache, dass das verweisende Gericht keine Beschränkung des § 14 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UWG auf Verstöße gegen die gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflicht angenommen hat, ist unschädlich. Die Rechtsauffassung des verweisenden Gerichts entspricht derjenigen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Februar 2021, 20 W 11/21, juris Rn. 22 ff. und v. 16. Dezember 2021, 20 U 83/21, juris Rn. 56 ff.), für eine nähere Erörterung bestand mangels Ausführungen der Parteien zu dieser Frage keine zwingende
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Notwendigkeit.
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bb) Allerdings hat sich das Landgericht München I weder damit befasst, dass die vorrangig auf das UWG gestützten Unterlassungsansprüche möglicherweise auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Normen begründet sein könnten, noch hat es geprüft, ob § 14 Abs. 2 UWG auch eine Zuständigkeitsregelung für den von den Klägern geltend gemachten Geldentschädigungsanspruch enthält. Doch auch dieses Versäumnis rechtfertigt nicht, den Verweisungsbeschluss als schlechterdings unhaltbar zu qualifizieren und ihm eine Bindungswirkung abzusprechen.
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(1) Wird ein einheitlicher prozessualer Anspruch auch auf Bestimmungen außerhalb des UWG gestützt (mehrere Anspruchsgrundlagen), wird dies für die Bejahung der örtlichen Zuständigkeit nach § 14 Abs. 2 UWG als unschädlich angesehen (vgl. Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, § 14 Rn. 10; Tolkmitt in HarteBavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 14 Rn. 69). Ob der Kläger bei einer Konkurrenz zwischen UWG- und BGB-Ansprüchen wahlweise (§ 35 ZPO) sonstige Gerichtsstände nach der ZPO in Anspruch nehmen kann, erscheint ungeklärt (vgl. Ehricke/Könen in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, UWG § 14 Rn. 19, der eine eingeschränkte Prüfungskompetenz für das nicht auf Wettbewerbsfragen spezialisierte Gericht annimmt).
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Vorliegend steht aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts in Anspruchskonkurrenz zu § 4 Nr. 1, § 8 UWG auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 185 StGB, § 824 BGB im Raum, für den ein besonderer Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß § 32 ZPO beim Landgericht München I gegeben sein könnte.
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(2) Bei einer objektiven Klagehäufung ist für jeden der geltend gemachten prozessualen Ansprüche die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts notwendig. Ist für einen Streitgegenstand die Zuständigkeit des angerufenen Spruchkörpers nicht gegeben, so muss nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln auf Antrag der Klagepartei das betreffende Verfahren abgetrennt und insoweit an das gemäß § 281 ZPO zuständige Gericht verwiesen werden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10. Februar 2021, 101 AR 154/20, juris Rn. 37 ff.; Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 28 und Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 152/19, juris Rn. 18).
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Das UWG enthält für die von den Klägern im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemachte Geldentschädigung keine Anspruchsgrundlage, vielmehr muss auf die Normen des BGB (§ 823 Abs. 1 BGB: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts; § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 185 StGB) zurückgegriffen werden (vgl. Fritzsche in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, UWG, § 9 Rn. 90a). Auch insoweit hat das von den Klägern angerufene Landgericht München I versäumt, die eigene Zuständigkeit unter dem Gesichtspunkt des § 32 ZPO zu hinterfragen.
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(3) Gleichwohl kann der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I deshalb nicht als willkürlich qualifiziert werden. Zwar hat das Gericht die Frage seiner Zuständigkeit stets von Amts wegen zu prüfen und dabei den vorgetragenen Sachverhalt unter allen in Frage kommenden Gesichtspunkten zu würdigen sowie gegebenenfalls nicht vorgetragene, für die Zuständigkeit relevante Umstände aufzuklären (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 15. September 2020, 101 AR 101/20, juris Rn. 39 m. w. N.). Bejahte man jedoch in Fällen, in denen ein Gericht sich nicht mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm befasst hat, die Willkürlichkeit des Verweisungsbeschlusses allein deshalb, weil es unterlassen habe, den von den Parteien unterbreiteten Sachverhalt von Amts wegen nach Anhaltspunkten für eine eigene Zuständigkeit zu erforschen, liefe dies darauf hinaus, dass auch auf einfachen Rechtsfehlern beruhende Verweisungsbeschlüsse als nicht bindend anzusehen wären. Auch insoweit sind zusätzliche Umstände, die über das bloße Übersehen oder Verkennen einer Zuständigkeitsnorm hinausgehen, zu verlangen, wie etwa, dass die nicht beachtete Norm gerade den Zweck hat, Verweisungen der in Rede stehenden Art zu unterbinden, oder dass sich eine nähere Befassung mit der zuständigkeitsbegründenden Norm den Umständen nach aufgedrängt hat (BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 12).
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Im konkreten Fall vermag der Senat solche besonderen Umstände nicht zu erkennen, vielmehr erscheint die Verweisung des gesamten Rechtsstreits im Streitfall noch vertretbar. Im Vordergrund der Argumentation der Kläger stand die Verletzung von Vorschriften des UWG. Es hat keine der angehörten Parteien vor der Verweisung den Standpunkt vertreten, das Landgericht München I sei (zumindest teilweise) örtlich zuständig, da nicht nur Ansprüche nach dem UWG im Raum stünden, sondern auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die im Wege der Anspruchskonkurrenz oder der Klagehäufung geltend gemacht werden. Auch das Landgericht Leipzig hat die Problematik in seinem Beschluss vom 16. Februar 2022 nicht thematisiert. Zu berücksichtigen ist zudem, dass erst durch die Änderung des § 14 Abs. 2 UWG im Dezember 2020 die Tatortzuständigkeit in bestimmten Fallkonstellationen eingeschränkt worden ist. Gesicherte ober- oder höchstrichterliche Rechtsprechung zu der streitgegenständlichen Problematik (Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach dem UWG und aus unerlaubter Handlung bei einem anderen Gericht als dem Wohnsitzgericht in objektiver Klagehäufung mit Entschädigungsansprüchen nach allgemeinem Äußerungsrecht) lag nicht vor.
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Bei der grundsätzlichen Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses hat es damit sein Bewenden.