VGH München, Urteil v. 03.03.2023 – 4 B 22.819
Titel:

Übergang der "Verfügungsgewalt" über die nicht innerhalb von zwei Monaten entfernten Grabsteine auf den Friedhofsträger

Normenketten:
BGB § 93, § 94, § 95, § 839, § 903, § 929, § 946, § 958, § 985, § 986, § 1006, § 1922
GG Art. 14, Art. 34, Art. 140
WRV Art. 137 Abs. 5
BayDSchG Art. 6
Leitsätze:
Eine Satzungsbestimmung, wonach Grabsteine, die nach der Beendigung des Grabnutzungsrechts nicht entfernt werden, nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten entschädigungslos in die „Verfügungsgewalt“ des Friedhofsträgers fallen, verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie. (Rn. 27 – 33)
1. Die auf einer Grabstätte eingebrachte Steinplatte stellt keinen wesentlichen Bestandteil des Friedhofsgrundstücks dar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der bloße Umstand, dass der Grabnutzungsberechtigte die abgelaufene Ruhezeit kennt und sich nicht um die Räumung der Grabstätte kümmert, stellt noch keine Eigentumsaufgabe dar. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Kirchengemeinden als Träger kirchlicher Friedhöfe können kraft ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie ihre Rechtsbeziehungen zu den privaten Nutzern in Form von Satzungen öffentlich-rechtlich regeln und solche Satzungsbestimmungen auch jederzeit für die Zukunft ändern. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
kirchlicher Friedhof, Klage des früheren Grabrechtsinhabers auf Herausgabe des Grabsteins, satzungsrechtlicher Übergang der „Verfügungsgewalt“ an dem Grabstein, Vereinbarkeit der Regelung mit der Eigentumsgarantie, Ersatzansprüche des Eigentümers, Grabstätte, Verzicht, zivilrechtliche Verfügungsbefugnis, Herausgabe, Wertersatz, Recht zum Besitz, Friedhofssatzung, "nachwirkende" Handlungs- oder Duldungspflichten, Inhaltsbestimmung des Eigentums, unzumutbare Belastung (verneint)
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 23.09.2020 – AN 4 K 19.00889
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 12.10.2023 – 10 B 19.23
Fundstellen:
BayVBl 2023, 634
DVBl 2023, 1083
NJW 2023, 3179
LSK 2023, 6046
BeckRS 2023, 6046
DÖV 2023, 732

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt von den beklagten Kirchengemeinden die Herausgabe eines Grabsteins, hilfsweise Wertersatz. Der Stein befindet sich auf dem St. ...-friedhof, der in der Denkmalliste der Stadt N. als Baudenkmal aufgeführt ist.
2
Auf dem von den Beklagten damals gemeinsam unterhaltenen Friedhof erwarb die verwitwete Großmutter mütterlicherseits des Klägers im Jahr 1977 eine Grabstätte und errichtete dort eine Familiengrabstätte mit einem liegenden Grabstein aus Muschelkalk mit Bronzezubehör (Kreuz, Inschrift, Schale). Nachdem sie und später auch die Mutter des Klägers verstorben waren, wurde das Grabnutzungsrecht Anfang 1995 auf den Kläger als Alleinerben der Mutter umgeschrieben. Auf einer ihm im November 2014 übersandten schriftlichen Anfrage zu einer möglichen Verlängerung gab der Kläger an, auf das Grabrecht verzichten zu wollen. In einer mit Datum „2.2.2014“ (gemeint: 2.2.2015) an die Friedhofsverwaltung übermittelten formularmäßigen „Verzichtserklärung“ erklärte er als Nutzungsberechtigter den Verzicht auf die Grabstätte. Er gebe diese mit allen Rechten an die Friedhofsverwaltung mit Ablauf zum 24. Februar 2015 zurück; diese könne mit Erhalt der Erklärung über die Grabstätte voll verfügen, inklusive aller Gebeine und Aschen.
3
In der Folgezeit wurden der Grabstein und das Bronzezubehör auf dem St. ...-friedhof belassen. Die Friedhofsverwaltung vergab im August 2015 das Nutzungsrecht an dem Grab erneut und stellte dem nunmehrigen Inhaber eine „Grabsteinübernahmegebühr für historischen Stein“ in Höhe von 650 Euro in Rechnung.
4
Nachdem der Kläger bei einem Spaziergang im November 2017 auf dem früheren Grab seiner Mutter den Grabstein mit einer neuen Tafel vorgefunden hatte, verlangte er von der Friedhofsverwaltung zunächst die Herausgabe der von dem Stein entfernten Bronzeinschrift und des Bronzekreuzes. Nachdem er diese Gegenstände zurückerhalten hatte, forderte er auch die Herausgabe des Grabsteins zum Zweck der Weiterveräußerung. Bei der Aufgabe des Grabrechts habe ihm ein Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung mitgeteilt, dass zunächst alle Gegenstände auf dem Grab verbleiben müssten, bis ein neuer Grabrechtsinhaber nachfolge; er werde benachrichtigt, sobald die Grabstätte neu vergeben werde und er die Gegenstände abholen könne.
5
Die Friedhofsverwaltung lehnte die Herausgabe des Steins ab und verwies auf die Verzichtserklärung vom 2. Februar 2015; der Grabstein sei im Übrigen nach § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung entschädigungslos in die Verfügungsgewalt der Friedhofsträgerin gefallen.
6
Die vom Kläger daraufhin erhobene Klage auf Herausgabe, hilfsweise Wertersatz wurde vom Verwaltungsgericht Ansbach, an das der Rechtsstreit zuvor vom Amtsgericht verwiesen worden war, mit Urteil vom 23. September 2020 abgewiesen. Dem Kläger sei jedenfalls aufgrund der satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten die zivilrechtliche Verfügungsbefugnis über den Grabstein rechtmäßig entzogen worden, so dass er keinen Herausgabeanspruch habe; damit könne dahinstehen, ob er gegenwärtig Eigentümer des Steins sei. Es bestehe auch kein Anspruch auf Wertersatz, da der Entzug der zivilrechtlichen Verfügungsbefugnis keinen unverhältnismäßigen und damit ausgleichspflichtigen Eigentumseingriff darstelle.
7
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassene Berufung des Klägers. Er beantragt,
8
das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. September 2020 zu ändern und die Beklagten zu verpflichten, den Grabstein an den Kläger herauszugeben, hilfsweise Wertersatz in Höhe von 2.000 Euro an ihn zu zahlen.
9
Die Beklagten beantragen,
10
die Berufung zurückzuweisen.
11
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

12
I. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht, das an den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts gebunden war (§ 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) und den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hatte (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVVG), hat die Klage auf Herausgabe des Grabsteins, hilfsweise auf Zahlung von Wertersatz in Höhe von 2.000 Euro, zu Recht abgewiesen.
13
1. Ein Herausgabeanspruch aufgrund des Eigentums an dem Grabstein steht dem Kläger nicht zu. Zwar kann unter den gegebenen Umständen angenommen werden, dass seine Großmutter als ursprüngliche Eigentümerin bei der Errichtung des Familiengrabmals im Jahr 1977 das Eigentumsrecht an dem liegenden Grabstein nicht verloren hat und dass das Recht später auf die Mutter des Klägers sowie nach deren Tod auf diesen übergegangen ist (a). Der Kläger dürfte auch weder durch seine ausdrücklichen Erklärungen im Zusammenhang mit dem Verzicht auf das Grabrecht im Jahr 2015 noch durch sein späteres tatsächliches Verhalten das Eigentum an dem Stein verloren haben (b). Die in der Friedhofsatzung enthaltene Regelung zum Übergang der Verfügungsgewalt auf den Friedhofsträger hat aber ein Besitzrecht der Beklagten begründet (c), das dem Herausgabeanspruch weiterhin entgegensteht (d).
14
a) Der Kläger hat als durch Erbschein ausgewiesener Alleinerbe seiner Mutter durch deren Tod das Eigentum an den zu ihrem Vermögen gehörenden Gegenständen erlangt (§ 1922 Abs. 1 BGB). Dazu gehörte der streitgegenständliche Grabstein, den seine Großmutter mütterlicherseits laut der vorgelegten Rechnung nachweislich hat anfertigen lassen und der für die seit dem 24. Februar 1977 bestehende Familiengrabstätte verwendet wurde.
15
aa) Der Stein wurde mit der Einbringung in die Grabstätte auf dem St. ...-friedhof nicht zu einem wesentlichen Bestandteil des Friedhofsgrundstücks mit der Folge, dass sich nach § 946 BGB das Grundstückseigentum des Friedhofsträgers darauf erstreckt hätte. Die auf dem Grab liegend aufgebrachte Steinplatte war, wie ihre Wiederverwendung durch den jetzigen Grabinhaber erkennen lässt, ersichtlich nicht im Sinne von § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB so fest mit dem Boden verbunden, dass sie durch eine Trennung zerstört oder in ihrem Wesen verändert worden wäre (§ 93 BGB) oder dass es dazu eines übermäßigen technischen bzw. finanziellen Aufwands bedurft hätte (vgl. Fritzsche in BeckOK BGB, Stand: 1.2.2023, § 94 Rn. 5, 11 m.w.N.). Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, gehörte der Grabstein jedenfalls als sog. Scheinbestandteil nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu den Bestandteilen des Friedhofsgrundstücks, da er nur in Ausübung eines zeitlich begrenzten Grabnutzungsrechts mit dem Grund und Boden verbunden wurde (vgl. Fritzsche, a.a.O., § 95 Rn. 6 m.w.N.; Gaedke/Barthel, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 13. Aufl. 2022, Kap. 13 Rn. 67; Klingshirn/Drescher/Thimet, Friedhofs- und Bestattungsrecht in Bayern, Stand 5/2022, Kap. B 16 Rn. 37). Auch der spezielle Umstand, dass die auf dem Grab liegende Steinplatte gestalterisch an das unter Ensembleschutz stehende Erscheinungsbild des St. ...-friedhofs angepasst war und damit von Anfang an ebenfalls einer denkmalschutzrechtlichen Bindung unterlag, ließ sie nicht zu einem wesentlichen Grundstücksbestandteil werden, da aus den Vorschriften des Denkmalschutzrechts kein absolutes Veränderungs- oder Trennungsverbot folgt (vgl. HessVGH, B.v. 8.5.2015 – 4 A 1862/13.Z – NVwZ-RR 2015, 855 Rn. 8; Davydov in Martin/Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Aufl. 2022, Rn. 439).
16
bb) Das Eigentumsrecht an dem Grabstein ist nicht infolge der Regelungen, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Grabnutzungsrechts galten, auf den Friedhofsträger übergegangen. Zwar sah der auf die Großmutter des Klägers ausgestellte Grabbrief vom 24. Februar 1977 vor, dass sich die Erwerberin der Grabstätte mit der Annahme der Urkunde den „beigefügten Bedingungen“ unterwerfe. Daraus ergab sich aber keine Einigung über einen Eigentümerwechsel. In Nr. 4 der in Bezug genommenen Nebenbestimmungen, die insoweit der damaligen Friedhofsatzung entsprochen haben dürften, wurde lediglich festgelegt, dass die liegenden Steine als „Bestandteile des Grabes“ nicht ohne Genehmigung entfernt werden dürften und dass die „übrigen Grabdenkmäler“ mit Ablauf der Benutzungszeit in das Eigentum der Friedhofverwaltung übergingen, wenn sie nicht vorher, soweit zulässig, entfernt worden seien. Hiernach war bei liegenden Steinen – also ebenso beim streitgegenständlichen Grabstein – ein rechtsgeschäftlicher Eigentumsübergang nach § 929 Satz 2 BGB ausdrücklich nicht vorgesehen; auch bei den übrigen Steinen konnte diese Rechtsfolge allenfalls nach Beendigung des Benutzungsverhältnisses eintreten. Dass die Nichteinbeziehung der liegenden Steine möglicherweise auf der Fehlannahme beruhte, diese gingen ohnehin von Gesetzes wegen nach § 946 BGB in das Eigentum des Friedhofsträgers über, änderte nichts daran, dass die Steinplatte nach ihrer Anbringung auf dem Grab weiterhin im privaten Eigentum der Grabnutzungsberechtigten blieb.
17
cc) Nach den konkreten Umständen muss auch davon ausgegangen werden, dass nach dem Tod der Großmutter des Klägers dessen Mutter im Wege der Gesamtrechtsnachfolge das alleinige Eigentum an dem Grabstein erlangt hat. Zwar hat der Kläger dazu keinen Nachweis beibringen können, sondern in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nur (unwidersprochen) vorgetragen, dass seine Mutter das einzige Kind der Großmutter mütterlicherseits gewesen sei. Auch die Friedhofsverwaltung ist aber stets von einer unstreitig bestehenden Rechtsnachfolge der Mutter des Klägers ausgegangen und hat diese als alleinige Inhaberin des Nutzungsrechts an der Familiengrabstätte behandelt; nach ihrem Tod Anfang 1995 wurde das Recht dementsprechend dem Kläger als ihrem Alleinerben zugesprochen. Die zu der Grabstätte gehörenden beweglichen Sachen, an denen der Friedhofsträger gemäß § 854 Abs. 1 BGB unmittelbaren Besitz hatte (Klingshirn/Drescher/Thimet, a.a.O., Kap. B 16 Rn. 38; LG Wiesbaden, B.v. 9.1.1984 – 4 T 13/84 – juris; Staudinger/Stieper, BGB, Vorb. zu §§ 90, Stand 2021, Rn. 28), befanden sich somit bis zum Tod der Mutter des Klägers in deren mittelbarem Eigenbesitz, so dass zu ihren Gunsten für den Grabstein die gesetzliche Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 2, Abs. 3 BGB gilt.
18
b) Der Kläger hat sein im Erbgang erworbenes Eigentum auch später nicht verloren. Die Erklärungen, die er anlässlich der Beendigung des Grabnutzungsrechts im Jahr 2015 gegenüber der Friedhofsverwaltung abgegeben hat, lassen ebenso wie sein späteres tatsächliches Verhalten nicht mit der gebotenen Klarheit erkennen, dass er sein Eigentumsrecht an dem Grabstein auf den Friedhofsträger übertragen oder auf dieses Recht endgültig verzichten wollte. Es kann auch nicht angenommen werden, dass der jetzige Inhaber des Grabes neuer Eigentümer geworden ist.
19
aa) Mit der Unterzeichnung des als „Verzichtserklärung“ überschriebenen Formblatts am 2. Februar 2015 hat der Kläger auf die dort genannte Grabstätte ausdrücklich nur „als Nutzungsberechtigter“ und nicht auch als Eigentümer der noch vorhandenen Gegenstände einschließlich des Grabsteins verzichtet; er hat laut dem vorformulierten Text die Grabstätte mit allen Rechten mit Ablauf des 24. Februar 2015 lediglich „zurückgegeben“, dem Friedhofsträger also auf diesem Weg keine Rechtspositionen erstmalig verschafft. Dass die Friedhofsverwaltung zugleich ermächtigt wurde, „mit Erhalt dieser Erklärung über die Grabstätte voll [zu] verfügen, inklusive aller Gebeine und Aschen“ kann danach ebenfalls nicht als (sofortige) Übertragung des privaten Eigentums an den auf oder in dem Grab befindlichen beweglichen Sachen verstanden werden, zumal die in einem Grab nach Ende der Ruhezeit noch vorhandenen menschlichen Überreste in niemandes Eigentum stehen (vgl. Stieper in Staudinger, BGB, Stand 3.3.2023, § 90 Rn. 52).
20
bb) Die jahrelange Untätigkeit des Klägers nach Ablauf des Grabnutzungsrechts hat nach den gegebenen Umständen ebenfalls nicht zum Verlust des Eigentums geführt.
21
Eine wirksame Eigentumsübertragung auf den Friedhofsträger scheitert schon am Fehlen der dafür erforderlichen dinglichen Einigung. Zeigt nach der Auflösung eines Grabs der bisherige Inhaber kein Interesse an dem dort verbliebenen Grabstein, kann sein Schweigen allenfalls dann als konkludente Einigungserklärung nach § 929 Satz 2 BGB gedeutet werden, wenn die Friedhofsverwaltung ihn zuvor um entsprechende Äußerung gebeten oder zur Beseitigung aufgefordert hat (ebenso Klingshirn/Drescher/Thimet, a.a.O., Kap. B 16 Rn. 39); beides war hier unstreitig nicht der Fall. Es fehlte zudem an einer korrespondierenden Willenserklärung des Friedhofsträgers, mit dem dieser das Angebot zum rechtsgeschäftlichen Erwerb des Grabsteins gegenüber dem Kläger angenommen haben könnte.
22
Auch eine einseitige Aufgabe des Eigentums, durch die der Grabstein herrenlos würde, kann hier nicht ohne weiteres angenommen werden. Der bloße Umstand, dass der Grabnutzungsberechtigte die abgelaufene Ruhezeit kennt und sich nicht um die Räumung der Grabstätte kümmert, stellt noch keine Eigentumsaufgabe dar (a.A. wohl Gaedke/Barthel, a.a.O., Kap. 13 Rn. 78). Die Dereliktion einer beweglichen Sache setzt nach § 959 BGB voraus, dass der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt. Zwar ist der bisherige Grabinhaber, dem der auf dem Friedhof verbliebene Grabstein gehört, weiterhin dessen mittelbarer Besitzer, so dass er durch eine Besitzaufgabe auf das Eigentum daran verzichten kann. Die Aufgabe des Besitzwillens muss aber nach außen hin kundgemacht werden. Soll ein bloß mittelbarer Besitz aufgegeben werden, bedarf es daher in der Regel einer gegenüber dem unmittelbaren Besitzer abzugebenden Verzichtserklärung, die das bestehende Besitzmittlungsverhältnis beendet (BGH, U.v. 9.3.2017 – IX ZR 177/15 – NJW-RR 2017, 553 Rn. 11; Schermaier in BeckOGK, BGB, Stand 1.12.2022, § 959 Rn. 33 ff. m.w.N.). Das Vorliegen einer solchen Erklärung kann nicht ohne besondere Anhaltspunkte unterstellt werden.
23
cc) Nach den gegebenen Umständen kann auch nicht angenommen werden, dass der jetzige Inhaber des Grabes, dem im Zuge der Neubelegung im August 2015 der bereits vorhandene Grabstein von der Friedhofsverwaltung zur weiteren Nutzung überlassen wurde, neuer Eigentümer geworden ist. Für eine dafür erforderliche dingliche Einigung zwischen dem Friedhofsträger und dem neuen Grabinhaber bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte. Die Erhebung einer „Grabsteinübernahmegebühr“ spricht vielmehr gegen eine beabsichtigte zivilrechtliche Eigentumsübertragung.
24
c) Auch wenn der Kläger somit weiterhin als Eigentümer des Grabsteins anzusehen ist, kann er sich nicht auf einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB oder aus dem früheren Benutzungsverhältnis berufen. Nach den zum Zeitpunkt der Beendigung des Nutzungsrechts geltenden Satzungsbestimmungen ist die Verfügungsbefugnis über den Stein auf den Friedhofsträger übergegangen, so dass diesem mittlerweile ein Recht zum Besitz nach § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht.
25
Die von den Beklagten auf der Grundlage von § 68 Abs. 2 i.V.m. § 70 und § 105 der Kirchengemeindeordnung der Evang.-Luth. Kirche in Bayern erlassene Satzung für den St. J2.- und St. R2.friedhof vom 8. Oktober 2012 (Friedhofsatzung) sah – wortgleich mit der nunmehr geltenden Satzung des Friedhofsverbands N. St. J2. und St. J3. vom 8. April 2020 – in § 19 Abs. 4 vor, dass nach Erlöschen des Grabrechts die Grabberechtigten das Grabmal innerhalb einer Frist von zwei Monaten vollständig zu entfernen hatten (Satz 1). Hierzu bedurfte es eines vorherigen Erlaubnisscheins durch die Friedhofsverwaltung bzw. – im historischen Teil (s. § 10 der Anlage 2 – Grabmalordnung) sowie generell bei liegenden Grabsteinen (Abs. 4a Satz 1) – zusätzlich einer Genehmigung der Stadt N. (Satz 2). War das Grabmal nach Fristablauf nicht vom Friedhof entfernt, fiel es entschädigungslos in die Verfügungsgewalt des Friedhofsträgers (Satz 3). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser letztgenannten Bestimmung lagen bei dem streitgegenständlichen Grabstein unstreitig vor, da er sich zwei Monate nach Beendigung des Nutzungsrechts weiterhin an der bisherigen Stelle auf dem Friedhof befand.
26
aa) Die Anwendbarkeit des damaligen § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Kirchengemeinden als Träger kirchlicher Friedhöfe haben kraft ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV) das Recht, ihre Rechtsbeziehungen zu den privaten Nutzern der Einrichtung aufgrund einer kirchenrechtlichen Ermächtigung in Form von Satzungen öffentlich-rechtlich zu regeln (Gaedke/Barthel, a.a.O., Kap. 3 Rn. 42; Hense, WiVerw 2019, 40/44). Grundsätzlich können Friedhofsträger ihre Satzungsbestimmungen auch jederzeit für die Zukunft ändern und damit die bestehenden Grabnutzungsrechte inhaltlich modifizieren (Gaedke/Barthel, a.a.O., Kap. 3 Rn. 51 m.w.N.). Der Umstand, dass bei Errichtung der Familiengrabstätte durch die Großmutter des Klägers im Jahr 1977 noch kein entschädigungsloser Übergang des Verfügungsrechts über zurückgelassene liegende Grabsteine in der Satzung vorgesehen war, steht daher der Wirksamkeit der im Jahr 2015 geltenden Regelung nicht entgegen. Im Übrigen muss bei jeder Verlängerung eines Grabrechts ohnehin die jeweils aktuelle Fassung der Satzung zugrunde gelegt werden.
27
bb) Dass nach § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung vom 8. Oktober 2012 die Verfügungsgewalt über die nicht fristgerecht entfernten Grabsteinen entschädigungslos auf den Friedhofsträger überging, verstieß nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.
28
Es ist bereits fraglich, ob und inwieweit kirchliche Friedhofsträger, wenn es wie hier nicht um einen sog. Monopolfriedhof geht (zum Begriff Gaedke/Barthel, a.a.O., Kap. 1 Rn. 10), bei der Ausübung ihrer öffentlich-rechtlichen Satzungsgewalt gegenüber den freiwilligen Einrichtungsbenutzern an die Grundrechte gebunden sind (verneinend Renck, DÖV 1993, 517/521; wohl auch de Wall, NVwZ 1995, 769/770; differenzierend OVG Bremen, U.v. 13.12.1994 – 1 BA 7/94 – NVwZ 1995, 804/804; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 149 Rn. 23 ff.; Kästner, JuS 1977, 715/718; Hense, a.a.O., 52 ff.; Penßel in Anke/de Wall/Heinig, Handbuch des evangelischen Kirchenrechts, 2016, S. 840 f.; generell bejahend BVerwG, U.v. 26.6.1997 – 7 C 11.96 – BVerwGE 105, 117/122; vgl. auch Germann in BeckOK GG, Stand: 15.11.2022, Art. 140 Rn. 83 f.). Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall eine uneingeschränkte Bindung an das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG annimmt, unterliegt die genannte Satzungsbestimmung keinen durchgreifenden Bedenken. Sie ist als eine Eigentumsinhaltsbestimmung zu verstehen, die für die Grabmaleigentümer nicht zu einer unzumutbaren Belastung führt und daher auch keine (finanzielle) Ausgleichspflicht begründet.
29
(1) Wie der Senat bereits in einer früheren Entscheidung im Zusammenhang mit der Räumung einer gemeindlichen Obdachlosenunterkunft ausgeführt hat, können die Träger öffentlicher Einrichtungen in ihren Benutzungssatzungen Regelungen über „nachwirkende“ Handlungs- oder Duldungspflichten der Einrichtungsbenutzer und damit korrespondierende Eingriffsbefugnisse des Einrichtungsträgers treffen, soweit sie mit der Abwicklung eines früheren Benutzungsverhältnisses in einem engen Zusammenhang stehen (BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 4 CE 16.1939 – VGH n.F. 69, 246 = BayVBl 2017, 492 Rn. 15 m.w.N.). Der in § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung vorgesehene Übergang der „Verfügungsgewalt“ über die nicht innerhalb von zwei Monaten entfernten Grabsteine auf den Friedhofsträger stellt eine solche Regelung dar. Die Vorschrift bezieht sich nicht auf die tatsächliche Sachherrschaft, die dem Friedhofsträger als unmittelbarem Besitzer ohnehin zusteht, sondern auf die aus dem Eigentumsrecht nach § 903 Satz 1 BGB folgende rechtliche Verfügungsbefugnis. Im Entzug dieser zivilrechtlichen Rechtsposition liegt mangels eines Güterbeschaffungsvorgangs keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 Rn. 243 ff.), sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die auch auf untergesetzlicher Rechtsgrundlage getroffen werden kann (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 17 m.w.N.).
30
Bei dieser den Eigentumsinhalt konkretisierenden Regelung hatte der kirchliche Satzungsgeber sowohl der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) als auch der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) Rechnung zu tragen; er musste die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (BVerfG, a.a.O., Rn. 268 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Bestimmung des § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung gerecht. Belässt ein Grabinhaber nach der Beendigung des Nutzungsrechts seinen Grabstein über einen längeren Zeitraum hinweg auf der früheren Grabstätte, ohne zugleich auf das Eigentum unmissverständlich zu verzichten, so hindert dies den Friedhofsträger an einer Neubelegung des Grabes; der Einrichtungszweck kann dadurch nicht mehr in der beabsichtigten Weise erfüllt werden. Dem daraus resultierenden dringenden Klärungsbedarf konnte der zuständige Satzungsgeber durch die Übertragung der Verfügungsbefugnis auf den Friedhofsträger Rechnung tragen. Dieser erhielt damit nach Ablauf einer zweimonatigen Wartezeit die Befugnis, den zurückgelassenen Stein zu verwerten, zu entsorgen oder wie hier einem neuen Grabinhaber für die Dauer seines Nutzungsrechts zu überlassen.
31
(2) In dem mit dem Wegfall der Verfügungsbefugnis verbundenen Verlust des wirtschaftlichen (Rest-)Werts des Grabsteins lag keine unverhältnismäßige Beschränkung des Eigentumsrechts. Der bisherige Inhaber des Grabes, dem von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht zugewiesen worden war, hatte nach dessen Beendigung immerhin zwei Monate Zeit, um den Grabstein vom Friedhof zu entfernen. Diese Handlungsfrist kann in Anbetracht der Vorgehensweise der Beteiligten, wie sie bei auslaufenden Grabrechten üblich und zu erwarten ist, nicht als zu kurz bemessen und damit als unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers angesehen werden.
32
Dass das Recht zur Aufstellung eines Grabmals zu einem bestimmten Zeitpunkt endet, muss jedem Grabrechtsinhaber bewusst sein. Je größer sein wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einem Grabstein ist, desto intensiver wird er sich im Regelfall um dessen Rücknahme kümmern. Die Verwaltung des St. ...-friedhofs versendet, wie auch im Fall des Klägers geschehen, regelmäßig bereits einige Monate vor Ablauf des Grabrechts ein Datenblatt mit der Bitte um Mitteilung, ob das Recht verlängert oder darauf verzichtet werden soll. Dem Inhaber wird so schon frühzeitig das bevorstehende Ende seines Benutzungsrechts und damit auch des Rechts zur Aufstellung eines Grabsteins vor Augen geführt. Ihm verbleibt nach dieser Mitteilung in jedem Fall ausreichend Zeit, um die notwendigen Vorbereitungen für eine fristgerechte Entfernung des Grabsteins nach der Auflösung des Grabes zu treffen. Ist die Einhaltung der Zwei-Monats-Frist des § 19 Abs. 4 Satz 1 der Friedhofsatzung ausnahmsweise aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich und besteht daher nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl. Art. 32 BayVwVfG) ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so muss der Friedhofsträger bis zur Nachholung der versäumten Handlung auf die Ausübung seiner Verfügungsbefugnis an dem Grabstein verzichten.
33
Die dem Eigentümer eingeräumte Zeitspanne von zwei Monaten nach Erlöschen des Grabrechts war auch nicht deshalb unangemessen kurz, weil es nach § 19 Abs. 4 Satz 2, Abs. 4a Satz 1 der Friedhofsatzung für die Entfernung von Grabmälern im historischen Teil und von liegenden Grabsteinen nicht nur eines von der Friedhofsverwaltung zu erteilenden Erlaubnisscheins, sondern zusätzlich einer Genehmigung der Stadt N. bedurfte. Die damit verbundene Verfahrensdauer zwang nicht zu einer generellen Verlängerung der Frist nach § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung. Wer als Eigentümer eines auf einem denkmalgeschützten Friedhof aufgestellten Steins beabsichtigte, diesen nach der Auflösung des Grabs wieder an sich zu nehmen, musste sich rechtzeitig um die dafür insbesondere aus denkmalschutzrechtlichen Gründen (Art. 6 Abs. 1 BayDSchG) erforderlichen Genehmigungen bemühen, auf die in der Friedhofsatzung eigens hingewiesen worden war. Es gehörte daher zu seinen Obliegenheiten, auch den entsprechenden Antrag bei der Stadt N. zu einem so frühen Zeitpunkt zu stellen, dass die Entscheidung bei üblicher Bearbeitungsdauer noch vor Ablauf von zwei Monaten nach Ende des Grabnutzungsrechts ergehen konnte. Der Umstand, dass sich die Genehmigungserteilung im Einzelfall verzögern oder dass darüber gar ein Verwaltungsprozess geführt werden könnte, lag außerhalb der Sphäre des Friedhofsträgers und musste daher bei der Festlegung der Frist zur Entfernung der Grabsteine nicht zwingend berücksichtigt werden.
34
d) Die hiernach als rechtswirksam anzusehende Bestimmung des § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung vom 8. Oktober 2012 hatte zur Folge, dass der dem Kläger gehörende Grabstein nach Ablauf der Zweimonatsfrist am 24. April 2015 nicht mehr seiner Verfügungsbefugnis unterlag, sondern der des (damaligen) Friedhofsträgers, also der Beklagten. Da die Verfügungsbefugnis ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst (vgl. Spohnheimer in BeckOGK, BGB, Stand 1.11.2022, § 986 Rn. 46), kann der gegen die Beklagten gerichtete Herausgabeanspruch bereits aus diesem Grund keinen Erfolg haben. Es kann hiernach offenbleiben, welche besitzrechtlichen Folgen sich aus dem Umstand ergeben, dass als alleiniger Friedhofsträger anstelle der Beklagten mittlerweile der Friedhofsverband N. St. J2. und St. R2. fungiert, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 der von ihm erlassenen Satzung für den St. J2.- und St. R2.friedhof vom 8. April 2020 ergibt.
35
2. Dem Kläger steht auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 2.000 Euro nicht zu. Er kann sich insoweit weder auf sein Eigentumsrecht (a) noch auf mögliche staatshaftungsrechtliche Anspruchsgrundlagen berufen (b).
36
a) Die von den Beklagten in § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung getroffene Regelung zum entschädigungslosen Übergang der Verfügungsbefugnis auf den Friedhofsträger war, wie oben gezeigt, eine die betroffenen Eigentümer nicht unverhältnismäßig belastende und somit nicht ausgleichspflichtige Eigentumsinhaltsbestimmung. Selbst wenn man von einer unzumutbaren Einschränkung des Eigentumsrechts ausginge, stünde dem Kläger aber kein Anspruch auf Entschädigung bzw. Wertersatz zu, da die Satzungsbestimmung dann rechtlich unwirksam wäre und nicht zu einem Rechtsverlust führen könnte. Ausgleichszahlungen im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums bedürfen im Übrigen stets einer gesetzlichen Grundlage (BVerfG, B.v. 2.3 1999 – 1 BvL 7- 9 – BVerfGE 100, 226/246 f.), an der es hier fehlt.
37
b) Soweit sich der Kläger darauf beruft, hinsichtlich der Entfernung des Grabsteins eine unzutreffende bzw. irreführende Auskunft eines Friedhofsmitarbeiters erhalten zu haben, kann sich daraus ebenfalls kein Anspruch auf Geldzahlung ergeben.
38
Zwar kann pflichtwidriges Handeln kirchlicher Amtsträger, das zu einem Schaden geführt hat, nach herrschendem Verständnis eine Ersatzpflicht aus Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG begründen (vgl. BGH, U.v. 20.2.2003 – III ZR 224/01 – BGHZ 154, 54/58); über einen solchen Anspruch muss wegen der Bindung aus § 17a Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 GVG ungeachtet des § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG auch im vorliegenden Rechtsmittelverfahren entschieden werden (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 41/§§ 17-17b GVG, Rn. 28 m.w.N.). In Betracht käme hier neben der behaupteten Amtspflichtverletzung auch die Verletzung einer Nebenpflicht aus einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis, aus der sich gleichfalls ein Schadenersatzanspruch ergeben kann (vgl. BVerwG, U.v. 1.3.1995 – 8 C 36/92 – NJW 1995, 2303/2304).
39
Voraussetzung für beide Anspruchsgrundlagen ist aber, dass durch die vom Kläger behauptete Fehlinformation ein Vermögensschaden kausal entstanden ist. Hierzu müsste durch die Auskunft des Friedhofsmitarbeiters ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sein, auf den sich der Kläger bei seinem weiteren Vorgehen verlassen durfte (vgl. Jochum, NVwZ 1987, 460/462 m.w.N.). Davon kann aber schon nach seinem eigenen Vortrag keine Rede sein. Der mündlichen Aussage eines zufällig auf dem Friedhofsgelände angetroffenen Mitarbeiters über den angeblich gebotenen vorläufigen Verbleib der Gegenstände auf dem Grab durfte der Kläger keine maßgebende Bedeutung beimessen, zumal kein sachlicher Grund dafür erkennbar war, weshalb das Recht zur Abholung der Gegenstände von der Neuvergabe der Grabstelle abhängen sollte.
40
Unabhängig von der bereits aus diesem Grund fehlenden Kausalität der behaupteten Fehlinformation ist dem Kläger auch deshalb kein ersatzfähiger Vermögensschaden entstanden, weil er zum betreffenden Zeitpunkt ersichtlich noch nichts unternommen hatte, um die für die Entfernung des liegenden Grabsteins erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung der Stadt N. einzuholen. Es erscheint daher ausgeschlossen, dass er ohne die angebliche Fehlinformation des Friedhofmitarbeiters den Grabstein noch innerhalb der Frist des § 19 Abs. 4 Satz 3 der Friedhofsatzung hätte entfernen können.
41
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
42
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.