VG München, Urteil v. 02.03.2023 – M 23 K 22.5920
Titel:
Erfolglose Klage gegen tierschutzrechtliche Anordnungen
Normenkette:
TierschG § 2, § 15 Abs. 2, § 16a Abs. 1
Leitsatz:
Aus veterinärfachlicher Sicht zweifelsfrei belegte Verstöße gegen § 2 TierSchG sind – der vorrangigen Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte entsprechend (§ 15 Abs. 2 TierSchG) – allenfalls ausnahmsweise durch fundierte veterinärfachliche Auseinandersetzung zu entkräften. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haltungsverbot von Hunden, Anordnung der Duldung der Fortnahme, Unterbringung und Veräußerung, veterinärfachliche Sicht, entkräften, veterinärfachliche Auseinandersetzung, starker Abmagerungsgrad, Vermüllung, artgerechte Unterbringung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5309
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die 1974 geborene Klägerin ist Halterin von fünf Hunden und wendet sich gegen tierschutzrechtliche Anordnungen des Beklagten.
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Laut Mitteilung der PI … Pl. wurden vier Hunde der Klägerin am ... März 2020 gegen 18.45 Uhr in ihrem in einer Tiefgarage abgestellten verschlossenen PKW kurz angeleint ohne Futter und Wasser angetroffen. Es sei davon auszugehen, dass die Hunde dort mindestens 4 Stunden so zugebracht hätten. Die herbeigerufene Klägerin habe sich gegenüber den Polizeibeamten und Zeugen aggressiv verhalten und keine Einsicht gezeigt.
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Laut Mitteilung der PI L. vom … Juli 20... an das Landratsamt L. hause die Klägerin mit fünf Hunden in ihrem Auto auf dem Campingplatz in L. Die Hunde seien augenscheinlich wohlauf.
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Nach Mitteilung der Verkehrspolizeiinspektion … vom … August 20... sei am … August 20... anlässlich einer Verkehrskontrolle festgestellt worden, dass der Pkw der Klägerin stark vermüllt gewesen sei und sich fünf Hunde im Innenraum befunden hätten, die während der gesamten Kontrolle sehr unruhig, ansonsten aber augenscheinlich unversehrt gewesen seien. Die Klägerin habe in Bezug auf die Hundehaltung einen überforderten Eindruck gemacht.
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Bei einer Verkehrskontrolle am ... Oktober 20... gegen 19:40 Uhr auf dem Park & Ride Parkplatz in A. sei, so ein weiterer Vermerk der Verkehrspolizeiinspektion …, der parkende Pkw der Klägerin stark vermüllt gewesen, die fünf Hunde hätten sich auf der Rückbank befunden. Die Klägerin habe überfordert gewirkt und sei uneinsichtig gewesen. Die Klägerin sei in 2021 bereits sechs Mal polizeiauffällig gewesen, insbesondere habe sie am … Juni 2021 ihre Hunde in der Sommerhitze im Auto zurückgelassen, während sie Einkaufen war. Immer sei der vermüllte Zustand ihres Wagens sowie die fünf unruhigen Hunde aufgefallen.
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Gemäß Mitteilung der PI Pl. vom … Oktober 2021 habe die Klägerin am ... Oktober 2021 die Polizei gerufen, weil sie sich von Tierschützern verfolgt gefühlt habe. Sie habe ihre fünf Hunde, die sie im Auto zurückgelassen hatte, während sie bei der Arbeit war, bellen hören. Bilder von den fünf Hunden im Fahrzeug wurden gefertigt. Das Veterinäramt sei informiert worden.
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Am ... August 2022 wurde eine veterinärrechtliche Kontrolle des in der …str. 93 in Pl. abgestellten Pkw der Klägerin vorgenommen. Dabei wurden nach dem Protokoll des Veterinärs des Landratsamts um 6:10 Uhr fünf Hunde im Fahrzeug der Klägerin, welches vollkommen vermüllt war, angetroffen. Bei Öffnung des Pkw durch die aus der Nachbarschaft herbeigerufene Klägerin sei ein übler, stechender Geruch von Ausdünstungen aufgefallen, welcher dafürspreche, dass die Hunde sich über lange Zeit im Inneren des Wagens aufgehalten hätten. Die Klägerin habe sich uneinsichtig gezeigt und angegeben, sie sei Opfer einer Kampagne. Bei zweien der Tiere sei auf den ersten Blick deren starker Abmagerungsgrad aufgefallen. Die Wegnahme und Unterbringung im Tierheim M. wurde mündlich angeordnet. Die erste Rückmeldung der diensthabenden Tierärztin im Tierheim M. habe den starken Vernachlässigungsrad der Tiere ergeben. Sie hätten das ihnen angebotene Futter begierig gefressen.
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Laut Befundbericht des Tierheims M. vom … August 2022 befänden sich alle fünf Hunde in einem extrem schlechten Ernährungszustand. Zum jetzigen Zeitpunkt sei dieser nicht durch die teilweise vorliegenden Grunderkrankungen erklärbar. Alle Hunde setzten festen Kot ab und fräßen mit sehr gutem Appetit, mehrmals täglich kleine Portionen. Die Untersuchung einer Sammelkotprobe habe keinen besonderen Befund ergeben. Im Einzelnen sei bei dem Hund T. kein Körperfett vorhanden und die Muskelmasse reduziert gewesen. Der Hund S. sei sehr hungrig gewesen, Körperfett sei nicht erstastbar und die Muskelmasse reduziert. Der Pflegezustand sei mäßig mit unangenehmen Geruch. Wegen seines Maulkorbs habe er Verletzung am Unterkiefer. Der Hund K. sei stark abgemagert und stinke. R. sei stark abgemagert mit Atrophie der gesamten Skelettmuskulatur, er habe Zahnverletzungen und Otitis und wegen Leishmaniose zu behandeln. „Kleiner N.“ schließlich sei hochgradig unterernährt, stinke, sei ängstlich und chronisch krank mit Otitis und bakterieller Infektion. Eine Gewichtsüberprüfung vom … August 2022 zeige, dass alle Hunde bereits deutlich an Gewicht zugenommen hätten, dies gelte auch für die Hunde mit gastro-intestinalen Grunderkrankungen (R., Kleiner N...)
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Am … September 2022 konstatierte die Hundetrainerin des Tierheims M., dass alle Hunde situativ zu starker Unsicherheit mit teilweise sehr ausgeprägtem Rückzugs- und Fluchtverhalten neigten. Dies lasse darauf schließen, dass die Hunde wenig wechselnde Umgebung genossen und wenig Auseinandersetzung mit neuen Situationen und Reizen im Alltag gehabt hätten. Die Hunde seien kaum zu bewegen, in ein Auto einzusteigen.
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Mit Vermerk vom … Oktober 2022 nahm der Veterinär des Landratsamts intern zu diesem Geschehen fachlich abschließend Stellung, plädierte aufgrund der überwiegenden Haltung der Hunde im Auto über Jahre hinweg für ein Haltungs- und Betreuungsverbot und bat darum, die mündlich getroffenen Maßnahmen der Fortnahme und der Unterbringung im Tierheim anzuordnen. Der Befundbericht der Tierärztin des Tierheims und der Hundetrainerin waren als Anlage beigefügt. Auf den Inhalt des Vermerks im Einzelnen wird verwiesen.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … November 2022 untersagte das Landratsamt nach entsprechender Anhörung ab sofort das Halten und das vorübergehende oder andauernde Betreuen von Hunden (Nr. 1) und bestätigte die mündlich am ... August 2022 angeordnete Duldung der Fortnahme der Hunde sowie deren anderweitige Unterbringung und tierärztliche Behandlung auf Kosten der Klägerin (Nr. 2). Es wurde angeordnet, dass die Befugnis zur Eigentumgsübertragung der Hunde auf das Landratsamt übergehe und die Klägerin die Veräußerung der Tiere zu dulden habe (Nr. 3). Bei Verstoß gegen das Hundehaltungs- und Betreuungsverbot wurde ein Zwangsgeld von 500,- EUR pro Tier angedroht (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Anordnungen unter Nummern 1- 3 wurde verfügt (Nr. 5). Die Klägerin wurde schließlich in Nr. 6 zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Untersagung der Haltung und Betreuung von Hunden stütze sich auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierschG. Eine Haltung von Hunden in einem vermüllten, stinkenden und stickigen Auto ohne Bewegung, Futter und Wasser mit einem Platzangebot von 1 – 2 qm sei eine grobe Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen des § 2 TierschG i.V.m. der Tierschutz-Hundeverordnung, die eine artgerechte Unterbringung forderten. Diese Unterbringung führe zu Frustration und Aggression bei den Hunden. Sie könnten dadurch ihr arttypisches Verhalten nicht ausleben. Auch die Pflege der Tiere habe die Klägerin hochgradig vernachlässigt. Neben Erkrankungen bei einzelnen Hunden, die der Klägerin hätten auffallen müssen, insbesondere auch den Bissverletzungen bei dem maulkorbtragenden Hund S., sei der Ernährungszustand bei allen Hunden sehr schlecht gewesen. Alle Hunde seien abgemagert und ausgezehrt gewesen und hätten auf einer Ernährungsskala (Body Condition Score Index) mit jewe. 1-2 von 9 im untersten Bereich rangiert. Auch den mangelhaften Ernährungszustand hätte die Klägerin erkennen und ihm ohne größeren Aufwand abhelfen können. Dadurch habe sie ihren Hunden länger andauerndes erhebliches Leiden und erheblichen Schaden zugefügt. Das in hohem Maße tierschutzwidrige Verhalten der Klägerin lasse weitere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz in der Zukunft befürchten. Selbst nach polizeilichen Kontrollen und Ermahnungen sei keine Besserung eingetreten. Dies zeige, dass die Klägerin selbständig nicht in der Lage sei, die Mehrzahl an Tieren adäquat zu versorgen. Auch wenn sie jetzt eine Wohnung haben sollte, ändere dies nichts an der Prognose, da auch Ernährung und Pflege der Tiere mangelhaft gewesen seien. Die Klägerin lasse eine Tendenz zur Verharmlosung der Vorfälle erkennen. Die Klägerin bestreite die Vorfälle und leugne einen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten und dem Gesundheitszustand der Tiere. Mildere Alternativen wie tierschutzrechtliche Anordnungen oder nur zeitweise Fortnahmen erschienen deshalb nicht erfolgversprechend.
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Die Anordnungen unter Nummern 2 und 3 fänden ihre Grundlage in § 16 Satz 2 Nr. 2 TierschG. Es sei aus den im Zusammenhang mit dem Haltungsverbot dargelegten Gründen nicht zu erwarten, dass die Klägerin in absehbarerer Zeit eine tierschutzgerechte Haltung herstellen könne. Nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes seien die Tiere nach Art und Dauer unter Verstoß gegen § 2 TierschG i.V.m. der TierschutzHundeverordnung erheblich vernachlässigt worden. Die Einräumung einer Frist vor Veräußerung sei aufgrund der bisher festgestellten Verstöße und der Uneinsichtigkeit der Klägerin nicht zweckdienlich gewesen. Eine öffentliche Versteigerung komme hier nicht in Betracht; dem Tierheim werde der freihändige Verkauf gestattet; bis zur Veräußerung habe die Klägerin die Kosten der Unterbringung zu tragen.
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Das angedrohte Zwangsgeld sei verhältnismäßig und auch in der Höhe angemessen.
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Gegen den Bescheid ließ die Klägerin am 28. November 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und gleichzeitig einen Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung stellen (M 23 S 22.59...).
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Die behaupteten Tatsachen würden bestritten. Die Klägerin sei in der Hundehaltung sachkundig. Sie habe die Tiere an ihren verschiedenen Wohnsitzen stets gut untergebracht und sie ausreichend gefüttert und Spaziergänge unternommen. Der Ernährungszustand sei Folge von Grunderkrankungen. Mildere Mittel seien nicht geprüft worden.
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Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2022 beantragte der Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Im Rahmen des Eilverfahrens wurde ausgeführt: Laut den zahlreichen Polizeiberichten seien die Hunde sehr wohl überwiegend im Pkw der Klägerin gehalten worden. Selbst ein Einsperren von Hunden im Fahrzeug nur während der Arbeitszeit widerspreche dem Gebot der verhaltensgerechten Unterbringung. Der schlechte Ernährungszustand sei nicht die Folge von Grunderkrankungen, sonst hätten nicht alle Hunde nach der Wegnahme deutlich zugenommen. Es hätten keine milderen Mittel zur Verfügung gestanden. Die Klägerin habe immer wieder gezeigt, dass sie überfordert und uneinsichtig sei. Die Klägerin, die offiziell wohnungslos sei, könne sich durch ihren wechselnden Aufenthalt in mehreren Landkreisen immer wieder tierschutzrechtlichen Kontrollen entziehen. Angesichts der dargestellten Sachkunde wiege ihr Verhalten noch schwerer. Ein tierschutzrechtlicher Anordnungsbescheid mit Fristsetzung sei kein gleich geeignetes Mittel, weil dadurch die erheblich tierschutzwidrigen Zustände weiter fortdauern würden. Eine Kontrolle der Umsetzung von Anordnungen sei schwer möglich, weil die Klägerin ohne festen Wohnsitz sei.
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Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2023 beantragte die Klägerin,
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den Bescheid des Beklagten vom …11.2022 aufzuheben
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und führte aus, der Sachverhalt der polizeilichen Kontrollen werde vollumfänglich bestritten. Der Veterinär des Beklagten habe nie vor dem August 2022 die Klägerin und deren Tiere kontrolliert. Andere Landratsämter hätten nie tierschutzrechtliche Bescheide oder Auflagen erlassen. Zum Zeitpunkt der Wegnahme habe die Klägerin in einem Wohnwagen gelebt. Mit diesem sei sie zuvor an verschiedenen Stellplätzen, u.a. nahe A., dann in E., dann in L. … … gewesen. Sie habe nunmehr einen Mietvertrag vom … August 2022 für eine Wohnung, in der Hundehaltung erlaubt sei. Alle Aussagen zum Gesundheitszustand der Hunde würden bestritten. Es sei unklar, wann die Bilder, die den Zustand der Tiere dokumentieren sollten, aufgenommen worden seien. Laut vorgelegter Bescheinigung vom … Februar 2023 seien noch am … Juli 2022 die Hunde der Klägerin zur Kontrolle in der Tierarztpraxis Dr. M. gewesen. Bezüglich des Gewichtszustand habe die behandelnde Tierärztin Dr. D.l keine Auffälligkeiten festgestellt. N. habe sein krankheitstypisches geringgradiges Untergewicht gehabt. Die Klägerin habe die Hunde regelmäßig tierärztlich kontrollieren und behandeln lassen und Medikamente besorgt. Durch die Wegnahme seien die Tiere und die Klägerin schwerst körperlich und seelisch geschädigt worden. Der Beklagte könne nicht darlegen und nachweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der Eingriffsnormen erfüllt seien.
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Mit Beschluss vom 6. Februar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 1. März 2023 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden, in der das Eilverfahren M 23 S 22.59... übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Die Beteiligten wiederholten im Hauptsacheverfahren ihre Klageanträge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom … November 2022 ist in allen Teilen rechtmäßig und verletzt die Klägerin somit nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Im Hinblick auf die unter Nummern 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheides schriftlich bestätigte Duldung der Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung der fünf Hunde der Klägerin sowie hinsichtlich der verfügten Duldung ihrer Veräußerung folgt das Gericht den zutreffenden Feststellungen und der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides, sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO) und ergänzt lediglich folgendes:
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Der Beklagte hat die Anordnungen auf die jeweils zutreffende Rechtsgrundlage gestützt, hat den jeweiligen Tatbestand der Norm rechtsfehlerfrei subsumiert und ist auch auf Rechtsfolgenseite zu einem beanstandungsfreien Ergebnis gekommen. Den Anordnungen liegt, wie in § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 1 TierSchG gefordert, eine ausführliche und fachliche überzeugende veterinärfachliche Begutachtung vom … Oktober 2022 zugrunde. Das Gericht hat keinerlei Veranlassung, die fachlich begründeten Bewertungen in Zweifel zu ziehen; das Gutachten ist schlüssig und nachvollziehbar. Die aus veterinärfachlicher Sicht zweifelsfrei belegten Verstöße gegen § 2 TierSchG wären – der vorrangigen Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte entsprechend (§ 15 Abs. 2 TierSchG) – allenfalls ausnahmsweise durch fundierte veterinärfachliche Auseinandersetzung zu entkräften (vgl. etwa BayVGH, B.v. 13.5.2014 – 9 CS 14.1207 – juris). Dies vermochte die Klägerin aber auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2023 nicht. Die Hunde waren bei Wegnahme allesamt erheblich unterernährt. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen der Tierarztpraxis Dr. M., wonach die Hunde kurz vor der Fortnahme Normalgewicht hatten, können diesen veterinärfachlichen Befund nicht entkräften. Insoweit hat der Veterinär des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass diesen Bestätigungen aufgrund des Näheverhältnisses zwischen behandelndem Tierarzt und Klägerin kein hoher Beweiswert zukomme. Dem schließt sich der erkennende Einzelrichter an. Insoweit fällt bei deren Bewertung auch ins Gewicht, dass die Bestätigungen offenbar auf Verlangen der Klägerin im Dezember 2022 bzw. Februar 2023 erstellt worden sind. Die Klägerin hat sich auch nie vorher, etwa im Anhörungsverfahren, auf diese Unterlagen berufen, was doch aufgrund der Entscheidungserheblichkeit ihres Inhalts nahegelegen hätte, so dass sie erheblich an Beweiswert einbüßen. Für die erhebliche Unterernährung spricht auch die Tatsache, dass alle Hunde, auch die einschlägig Vorerkrankten, bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ganz erheblich an Gewicht zugenommen haben, teilweise um ein Drittel des ursprünglichen Köpergewichtes hinaus, sodass sie nun annähernd Normalgewicht haben. Das Gericht folgt mithin nicht der Argumentation der Klägerin, dass das Untergewicht der Hunde R. und Kleiner N. auf ihren Vorerkrankungen beruht habe.
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Im Übrigen entbehrt das Bestreiten der Tatsache, dass die Fotos von den unterernährten Hunden alsbald nach Fortnahme zur Dokumentation des tierschutzwidrigen Zustandes der Tiere gemacht worden sind, sondern womöglich im Tierheim M. erst einige Zeit nach der Wegnahme entstanden sind, wobei die Hunde erst im Tierheim M. wesentlich abgemagert seien, jeglicher Grundlage. Hier setzt sich nach Ansicht des erkennenden Einzelrichters der aktenkundige Eindruck von der Klägerin fort, die durchaus keine Einsicht in die von ihr verantworteten tierschutzwidrigen Zustände hat, sondern tierschutzrechtlich verantwortungsloses Handeln bei anderen, nämlich bei der Fachbehörde des Landratsamts sowie dem Tierheim M. verortet.
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Das Gericht folgt auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der Einschätzung, dass die Klägerin ihre Hunde zumindest in den Jahren 2021 und 2022 großteils in ihrem Pkw gehalten hat, der auch für sie, die ohne festen Wohnsitz war, selbst der gewöhnliche Ort ihres Aufenthalts gewesen zu sein scheint. Dies belegen die aktenkundigen Berichte verschiedener Polizeiinspektionen, laut denen die Hunde regelmäßig im Pkw waren. Dabei wurden die Hunde nicht nur zusammen mit der Klägerin bei Verkehrskontrollen, also auf dem Transport im fließenden Verkehr, angetroffen, sondern auch der parkende Pkw des Öfteren überprüft. Stets wurden darin die Hunde angetroffen, wobei die Klägerin entweder selbst anwesend oder bei der Arbeit oder auch beim Einkaufen war. Auch am Tag der Fortnahme, dem ... August 2022, scheint die Klägerin bei der Arbeit in einer Physiopraxis gewesen zu sein, während sie ihre Hunde im Auto zurückließ, auch wenn dies in Hörweite gewesen sein sollte. Dass diese – wenigstens teilweise Haltung im Pkw einer tierschutzgerechten Unterbringung widerspricht und sich insbesondere auch auf das Sozialverhalten der Tiere negativ auswirkt, hat der Veterinär des Beklagten auch in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt.
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Im Hinblick auf die angeordnete Duldung der Veräußerung des Hundes hat die Beklagte zutreffend und rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Hs. 2 TierSchG überprüft und ist zu Recht davon ausgehen, dass es einer vorhergehenden Fristsetzung zur Sicherstellung einer dem § 2 TierSchG entsprechenden Haltung durch die Klägerin nicht bedurfte, da zeitgleich ein sofort vollziehbares Tierhaltungsverbot angeordnet worden war (vgl. Hirt/ Maisack/ Moritz, a.a.O. Rn. 33). Demzufolge kam im maßgeblichen Zeitpunkt bei Bescheidserlass eine Herausgabe an die Klägerin nicht in Betracht. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass die Klägerin einen Mietvertrag vom … August 2022 mit Mietbeginn ab diesem Tag vorgelegt hat. Auch wenn sich damit die Unterbringungssituation für die Hunde entscheidend verbessert haben sollte, woran zu zweifeln ist – immerhin hat die Klägerin ihre Hunde auch angesichts des behaupteten Innehabens eines Wohnmobils auf verschiedenen Campingplätzen häufig im Auto dabeigehabt, dies mit verschiedenen Begründungen, – bleibt immer noch das ihr vorwerfbare Verhalten der nicht artgerechten Ernährung und Pflege, in das die Klägerin nach wie vor, auch nach dem Eindruck der mündlichen Verhandlung, keinerlei Einsicht zeigt.
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2. Auch war der Beklagte berechtigt, gegenüber der Klägerin ein Haltungs- und Betreuungsverbot von Hunden anzuordnen. Die Verfügung beruht auf § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Das Gericht folgt auch insoweit dem streitgegenständlichen Bescheid (§ 117 Abs. 5 VwGO) und seiner insoweit getroffenen Prognoseentscheidung.
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Es kann zwar als wahr unterstellt werden, dass die Klägerin vor dem Jahr 2022 veterinärbehördlich nicht beanstandet worden ist. Auch ist zutreffend, dass Fehlverhalten der Klägerin vor dem Jahr 2022 zwar aus polizeilicher Sicht, nicht jedoch aus der maßgeblichen veterinärfachlichen Sicht aktenkundig ist. Mithin mag die Kontrolle am … August 2022 die erste veterinärfachliche Kontrolle gewesen sein, der die Klägerin in den letzten Jahren ausgesetzt war. Dennoch tragen die Schwere der Verstöße sowie die Uneinsichtigkeit der Klägerin auch aus Sicht des erkennenden Gerichts die Haltungsuntersagung. Der Amtstierarzt des Landratsamts hat zutreffend aus den von ihm am ... August 2022 in eigener Person gemachten Wahrnehmungen darauf geschlossen, dass den polizeilichen Feststellungen jeweils ein identischer und deshalb gleich zu bewertender Sachverhalt zugrunde gelegen haben muss. Wäre also der Veterinär bei den polizeilichen Kontrollen in den Jahren 2021 und 2022 jeweils anwesend gewesen, hätte er jeweils dieselben Feststellungen treffen müssen wie am … August 2022.
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Mildere Mittel im Sinne von mündlichen oder schriftlichen tierschutzrechtlichen Anordnungen mit entsprechender Fristsetzung zur Mängelbeseitigung und daran anschließenden Nachkontrollen haben auch nach Überzeugung des erkennenden Einzelrichters im vorliegenden Einzelfall keinen Erfolg versprochen. Dies liegt einerseits an der zutreffend vom Beklagten angenommenen Uneinsichtigkeit der Klägerin in ihr eigenes Fehlverhalten, andererseits – zumindest in der Vergangenheit – auch an ihrer Wohnungslosigkeit, die es unzumutbar macht, entsprechende Anordnungen und anschließende Kontrollen durchzuführen. Die Klägerin war für das Veterinäramt des Beklagten nicht erreichbar und wollte es auch nicht sein. Im Hinblick auf das Innehaben einer Wohnung seit dem August 2022 ist in diesem Zusammenhang zu konstatieren, dass die Klägerin sich aus persönlichen Gründen weigert, dem zuständigen Veterinäramt die Belegenheit der Wohnung zu nennen. Der dem Gericht vorgelegte Wohnungsmietvertrag ist insoweit geschwärzt. Die Gründe hierfür sind objektiv nicht nachvollziehbar. Unter diesen Umständen kann der Beklagte ermessensfehlerfrei davon absehen, mildere Mittel in Anwendung zu bringen.
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Gegen die Zwangsgeldandrohung sowie die behördliche Kostenentscheidung bestehen keine Bedenken; solche wurden auch nicht substantiiert geltend gemacht. Die Notwendigkeit einer Differenzierung hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes nach Betreuung und Haltung hält das Gericht nicht für gegeben, da Betreuung und Haltung zwar rechtlich verschieden, de facto aber ununterscheidbar sein können.
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Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.