BayObLG, Beschluss v. 13.03.2023 – 101 AR 139/22
Titel:

Gerichtsstandsbestimmung bei unzulässiger Streitgenossenschaft 

Normenkette:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 59, § 60, § 62
Leitsatz:
Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO scheidet aus, wenn die Streitgenossenschaft unzulässig ist (hier: Erhebung der Klage gegen einen Streitgenossen wird vom Misserfolg der Klage gegen den anderen abhängig gemacht). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsstandsbestimmung, Streitgenossenschaft, Unzulässigkeit, bedingte Klageerhebung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 4486

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller beabsichtigt, einen Rechtsstreit gegen die beiden Antragsgegnerinnen als Streitgenossinnen zu führen. Von der in München ansässigen Antragsgegnerin zu 2) verlangt er Bezahlung eines Restkaufpreises für die Veräußerung seiner Geschäftsanteile an der Antragsgegnerin zu 1) in Höhe von 513.804,32 € (Anträge zu Ziff. 2 bis 4 des vorgelegten Klageentwurfs). Gegenüber der Antragsgegnerin zu 1), die ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Regensburg hat, begehrt er die Feststellung, dass dieser gegen ihn kein Anspruch auf Rückzahlung von ausgeschütteten Gewinnen im Gesamtumfang von 548.620,00 € zustehe (Klageantrag zu Ziff. 1). Für den Fall, dass er mit diesem Antrag gegen die Antragsgegnerin zu 1) unterliegen sollte, will er hilfsweise gegen die Antragsgegnerin zu 2) einen Anspruch auf eine weitere Kaufpreiszahlung in gleicher Höhe geltend machen (Klageantrag zu Ziff. 5).
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Zur Begründung der beabsichtigten Klageanträge trägt der Antragsteller in dem vorliegenden Verfahren folgenden Sachverhalt vor:
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Seit 2009 war der Antragsteller der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1). Für das Wirtschaftsjahr 2015 hatte er mit „Ausschüttungsbeschluss“ vom 14. April 2016 einen Betrag von 50.000,00 € „unter Abzug gesetzlicher Steuern“ an sich ausgezahlt.
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Mit notariellem Geschäftsanteilskaufvertrag vom 17. Dezember 2018 verkaufte der Antragsteller seine Geschäftsanteile an der Antragsgegnerin zu 1) an die Antragsgegnerin zu 2). Auf die vereinbarte „vorläufige Kaufpreisrate“ in Höhe von 562.000,00 € leistete die Antragsgegnerin zu 2) bei der Geschäftsübergabe eine erste Rate in Höhe von 312.000,00 €. Darüber hinaus wurden drei weitere variable Kaufpreisraten vereinbart.
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Mit der zum 15. Mai 2019 fälligen zweiten Rate sollten nach den vertraglichen Vereinbarungen zunächst tatsächliche Abweichungen von den bei Vertragsschluss getroffenen Annahmen (Vorratsbestand: 75.000,00 €; Bankguthaben: 0,00 €; Forderungen/Anzahlungen auf Vorräte: 0,00 €; Verbindlichkeiten: 0,00 €) ausgeglichen werden; maßgeblich sollte insoweit der Jahresabschluss der Antragsgegnerin zu 1) für das Geschäftsjahr 2018 sein. Außerdem sollte mit der zweiten Kaufpreisrate der im Geschäftsjahr 2018 erzielte Gewinn an den Antragsteller ausgekehrt werden. Nach den getroffenen Vereinbarungen war der Antragsteller außerdem berechtigt, den voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2018 „aufgelaufenen Gewinn“ an sich auszuschütten.
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Hiervon machte der Antragsteller mit Gesellschafterbeschluss vom 29. Dezember 2018 Gebrauch und ließ sich einen Vorabgewinn in Höhe von 500.000,00 € auszahlen. Diese Ausschüttung forderte die Antragsgegnerin zu 1) mit Schreiben vom 3. März 2020 zurück. Zuvor hatte die Antragsgegnerin zu 1) den Antragsteller bereits mit Schreiben vom 26. Dezember 2019 unter Berufung auf die angebliche Nichtigkeit des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2015 aufgefordert, die für dieses Jahr vereinnahmte Gewinnausschüttung in Höhe eines Teilbetrags von 48.620,00 € an sie zurückzuzahlen.
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Der Jahresabschluss der Antragsgegnerin zu 1) vom 19. März 2019 für das Geschäftsjahr 2018 weist einen Vorratsbestand im Wert von 82.329,18 €, Bankguthaben in Höhe von 162.704,98 €, Forderungen von 748.850,10 € und Verbindlichkeiten von 204.577,60 € aus. Unter den Forderungen der Antragsgegnerin zu 1) werden auch deren angebliche Ansprüche gegen den Antragsteller auf Rückzahlung von Ausschüttungen im Gesamtumfang von 548.620,00 € aufgeführt. Ohne Berücksichtigung dieser – der Antragsgegnerin zu 1) nach Darstellung des Antragstellers nicht zustehenden – Forderungen beläuft sich die nach den vertraglichen Vorgaben berechnete und mit dem beabsichtigten Klageantrag zu Ziffer 2 geltend gemachte zweite Kaufpreisrate auf 224.064,32 €.
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Als dritte und vierte Kaufpreisrate, fällig am 31. Januar 2020 bzw. am 31. Januar 2021, wurde vorläufig ein Betrag von jeweils 125.000,00 € vereinbart. Dem lag die Annahme zugrunde, dass die Antragsgegnerin zu 1) in den Jahren 2019 und 2020 jeweils einen Umsatz in Höhe von 796.000,00 € erzielen werde. Im Fall eines höheren oder niedrigeren Jahresumsatzes sollte nach den getroffenen Vereinbarungen die Höhe der beiden Raten dergestalt angepasst werden, dass einer Umsatzabweichung nach oben oder unten um 2% jeweils eine Erhöhung oder Herabsetzung der Rate um 1% korrespondieren sollte, wobei die Anpassung „auf maximal 40% der nachgelagerten Kaufpreiszahlung“ begrenzt werden sollte. Auf der Grundlage dieser Vereinbarungen und der Mitteilungen des Steuerberaters der Antragsgegnerin zu 1) errechnet der Antragsteller für die dritte Kaufpreisrate einen Betrag von 114.200,00 € (Klageantrag zu 3), für die vierte einen Betrag von 175.000,00 € (Klageantrag zu 4).
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Zu dem hilfsweise gestellten Klageantrag zu Ziffer 5 führt der Antragsteller aus, dass die zweite Kaufpreisrate sich nach den im Geschäftsanteilskaufvertrag getroffenen Vereinbarungen um den Saldo der im Jahresabschluss der Antragsgegnerin zu 1) für das Geschäftsjahr 2018 ausgewiesenen Forderungen und Verbindlichkeiten erhöhen sollte.
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Falls er mit seinem beabsichtigten Klageantrag zu 1) gegenüber der Antragstellerin zu 1) unterliegen und zur Rückzahlung des geforderten Betrags von 548.620,00 € verpflichtet sein sollte, wären die von ihm bei der Berechnung der zweiten Kaufpreisrate (Klageantrag zu Ziffer 2) als nicht bestehend behandelten Rückzahlungsansprüche kaufpreiserhöhend zu berücksichtigen.
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Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2022 hat der Antragsteller gegenüber dem Oberlandesgericht München beantragt, das Landgericht München I gemäß § 36 Abs. 1
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Nr. 3 ZPO als zuständiges Gericht zu bestimmen, weil ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand für die als einfache Streitgenossen in Anspruch genommenen Antragsgegnerinnen nicht begründet sei. Nachdem das Oberlandesgericht München mit Verfügung vom 19. Oktober 2022 den Antragsteller auf seine Unzuständigkeit für das Bestimmungsverfahren hingewiesen hatte, hat dieser mit weiterem Schriftsatz vom 20. Oktober 2022 die Abgabe des Verfahrens an das Bayerische Oberste Landesgericht beantragt. Das Oberlandesgericht München hat diesem Antrag mit Beschluss vom 24. Oktober 2022 (Az.: 34 AR 139/22) entsprochen und das Verfahren an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
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Innerhalb der ihnen mit Verfügung vom 26. Oktober 2022 gesetzten Stellungnahmefrist bis einschließlich 16. November 2022 haben sich die beiden Antragsgegnerinnen zu dem Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht geäußert.
II.
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Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig. Die Antragsgegnerinnen haben ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Nürnberg und München), weshalb das im Rechtszug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle befindet das Bayerische Oberste Landesgericht über den Bestimmungsantrag, weil es bei noch nicht anhängigem Rechtsstreit zuerst um die Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789 Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2022, 102 AR 77/22, juris Rn. 6).
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2. Die Bestimmung eines zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt im vorliegenden Fall aber nicht in Betracht, weil nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich der beabsichtigten Klageanträge zwischen den beiden Antragsgegnerinnen keine zulässige passive Streitgenossenschaft im Sinn von §§ 59, 60 ZPO besteht.
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a) Streitgenossenschaft nach § 60 ZPO setzt voraus, dass gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden. Die Vorschrift ist grundsätzlich weit auszulegen. Dass die Antragsgegner aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen in Anspruch genommen werden, ist unerheblich. Es genügt, dass die Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12).
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b) Ein innerer sachlicher Zusammenhang der mit der beabsichtigten Klage gegen die beiden Antragsgegnerinnen verfolgten Rechtsschutzziele könnte allenfalls zwischen der begehrten Feststellung, dass der Antragsgegnerin zu 1) gegen den Antragsteller kein Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 548.620,00 € zustehe (Klageantrag zu Ziffer 1), und der für den Fall der Zurückweisung dieses Antrags angestrebten Verurteilung der Antragsgegnerin zu 2) zur Zahlung eines Betrages in gleicher Höhe (Hilfsantrag zu Ziffer 5) bejaht werden. Insoweit will der Antragsteller die Antragsgegnerinnen indes als bedingte Streitgenossen in Anspruch zunehmen, was nach ganz herrschender Meinung unzulässig ist.
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aa) Dem negativen Feststellungsantrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) einerseits und den beabsichtigten unbedingten Zahlungsanträgen zu den Ziffern 2 bis 4 gegen die Antragsgegnerin zu 2) andererseits liegen vollkommen unterschiedliche Lebenssachverhalte zugrunde. Zudem beruhen die Ansprüche, gegen die sich der Antragsteller mit dem Klageantrag zu Ziffer 1 zur Wehr setzt, und die auf Kaufpreiszahlung gerichteten Ansprüche, die er mit den Klageanträgen zu den Ziffern 2 bis 4 verfolgt, nicht auf einem im Wesentlichen gleichartigen rechtlichen Grund.
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Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 1) steht im Streit, ob Letztere Rückzahlung eines Betrags von insgesamt 548.620,00 € verlangen kann, den der Antragsteller in seiner Eigenschaft als früherer Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1) in den Jahren 2016 und 2018 an sich ausgeschüttet hatte. Mit der am 29. Dezember 2018 veranlassten Ausschüttung eines Vorabgewinns für das Geschäftsjahr 2018 von 500.000,00 € hat der Antragsteller zwar von einem Recht Gebrauch gemacht, das er sich in dem Geschäftsanteilskaufvertrag mit der Antragsgegnerin zu 2) vom 17. Dezember 2018 vorbehalten hatte. Ob der Antragsgegnerin zu 1) gegen den Antragsteller ein Anspruch auf Rückzahlung der vorgenannten Ausschüttungen zusteht, bestimmt sich aber ausschließlich nach den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen ihr und dem Antragsteller als ihrem früheren alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer.
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Mit den Klageanträgen zu den Ziffern 2 bis 4 will der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin zu 2) die restlichen drei Raten des vereinbarten Kaufpreises für die Veräußerung seiner Geschäftsanteile an der Antragsgegnerin zu 1) geltend machen. Grundlage des Restkaufpreisanspruchs ist allein der am 17. Dezember 2018 mit der Antragsgegnerin zu 2) geschlossene Geschäftsanteilskaufvertrag. Die Höhe der mit den beabsichtigten Klageanträgen zu den Ziffern 2 bis 4 geltend gemachten Kaufpreisraten hängt nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht davon ab, ob er mit seinem negativen Feststellungsantrag gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) Erfolg hat.
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bb) Mit dem beabsichtigten Hilfsantrag zu Ziffer 5 will der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin zu 2) einen weiteren Betrag in Höhe von 548.620,00 € als Teil der vereinbarten zweiten Kaufpreisrate geltend machen, falls er mit seinem negativen Feststellungsantrag gegen die Antragsgegnerin zu 1) unterliegen sollte. Insoweit besteht zwar ein innerer Zusammenhang zwischen den vom Antragsteller verfolgten Rechtsschutzzielen. Durch einen Hilfsantrag, der von der Abweisung eines Klageantrags gegen einen anderen Streitgenossen abhängig gemacht wird, kann jedoch eine zulässige Streitgenossenschaft nicht begründet werden.
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Nach ganz herrschender Meinung kann eine Klage gegen einen von mehreren Streitgenossen nicht unter der Bedingung erhoben werden, dass die verbundene Klage gegen einen anderen Streitgenossen keinen Erfolg hat (BGH, Urt. v. 20. September 2007, IX ZR 91/06, ZIP 2007, 2279 Rn. 13; Urt. v. 17. März 1989, V ZR 233/87, WM 1989, 997 [juris Rn. 11 f.]; BAG, Urt. v. 11. Dezember 1997, 8 AZR 729/96, BAGE 87, 103 [juris Rn. 36; Urt. v. 31. März 1993, 2 AZR 467/92, BAGE 73, 30 [juris Rn. 28]; RGZ 58, 248, 249 f.; OLG München, Urt. v. 20. Februar 2014, 23 U 3244/13, FamRZ 2015, 608 [juris Rn. 37]; OLG Hamm, Urt. v. 22. September 2004, 31 U 56/04, MDR 2005, 533 [juris Rn. 44]; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, Vor § 59 – § 63 Rn. 5; Loyal in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 59 Rn. 15; Schultes in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 59 Rn. 11; Weth in Musielak/Voit, ZPO 19. Aufl. 2022, § 60 Rn. 12; Althammer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 60 Rn. 10).
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Begründet wird dies in erster Linie damit, dass es in derartigen Fallkonstellationen anders als bei gewöhnlichen Hilfsanträgen nicht darum geht, ob dem Kläger der eine oder andere Anspruch zuzubilligen ist, sondern um die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses mit einer weiteren Partei, die um der Rechtsklarheit willen nicht bis zum Ende des Rechtsstreits in der Schwebe bleiben und deshalb nicht an eine Bedingung geknüpft sein darf (BGH, Urt. v. 21. Januar 2004, VIII ZR 209/03, NJW-RR 2004, 640 [juris Rn. 9]; Urt. v. 25. September 1972, II ZR 28/69, MDR 1973, 742 [juris Rn. 28]; kritisch zu dieser Argumentation: Loyal in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 59 Rn. 15). Ein „Prozess auf Probe“ ist dem bedingt verklagten Streitgenossen nicht zuzumuten (Bork in Stein/Jonas, ZPO, Vor § 59 – § 63 Rn. 5).
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Bei Erhebung der vom Antragsteller beabsichtigten Klage würde es zwar wegen der Klageanträge zu den Ziffern 2 bis 4 an sich nicht an einem unbedingten Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 2) fehlen. Der an die Abweisung des negativen Feststellungsantrags gegen die Antragsgegnerin zu 1) geknüpfte Hilfsantrag zu Ziffer 5 ist aber deshalb unzulässig, weil die Wirksamkeit einer Prozesshandlung nicht von dem Ausgang des Verfahrens gegen einen anderen (einfachen) Streitgenossen abhängig gemacht werden darf; darin läge wegen der Selbständigkeit der beiden Prozessrechtsverhältnisse eine unzulässige außerprozessuale Bedingung (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 2021, IX ZR 296/19, juris Rn. 17 f.; WM 1989, 1227 [juris Rn. 12]; OLG München, FamRZ 2015, 608 [juris Rn. 37]; OLG Hamm, MDR 2005, 533 [juris Rn. 44]; Althammer in Zöller, ZPO, § 60 Rn. 10; kritisch zu dieser „begrifflich-dogmatischen Erwägung“: Loyal in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 59 Rn. 15). Soweit – wie im vorliegenden Fall – keine notwendige Streitgenossenschaft besteht, handelt es sich bei den Klagen gegen mehrere Streitgenossen um selbständige, nur äußerlich verbundene Verfahren. Jeder Streitgenosse ist gemäß § 61 ZPO so zu behandeln, als ob nur er allein mit dem Gegner prozessieren würde. Wäre eine bedingte Streitgenossenschaft zulässig, würden die Verfahren aber dadurch innerlich miteinander verknüpft, wodurch ihre Selbständigkeit aufgehoben würde (vgl. BGH, WM 1989, 1227 [juris Rn. 12]).
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Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass eine Hilfsanschlussberufung, mit welcher der Kläger die Verurteilung eines von mehreren als Streitgenossen in Anspruch genommenen Beklagten für den Fall erstrebt, dass die Berufung eines anderen Streitgenossen gegen dessen erstinstanzliche Verurteilung Erfolg hat, unzulässig ist, weil die Bedingung ein anderes selbständiges Prozessrechtsverhältnis betrifft. Dies gilt auch dann, wenn beide Prozessrechtsverhältnisse in einem Rechtsstreit zusammengefasst sind (BGH, Urt. v. 15. April 2021, IX ZR 296/19, juris Rn. 17 f.). Dem Umstand, dass der mit der Hilfsanschlussberufung in Anspruch genommene Streitgenosse seinerseits eine erfolglose Berufung gegen seine erstinstanzliche Verurteilung eingelegt hatte (vgl. BGH, a. a. O. Rn. 3), zwischen ihm und dem Kläger also unabhängig von der Hilfsanschlussberufung ein Prozessrechtsverhältnis vor dem Berufungsgericht bestand, hat der Bundesgerichtshof keine Bedeutung beigemessen.
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Gegen die Zulässigkeit einer bedingten Streitgenossenschaft auch in Bezug auf einzelne Klageanträge spricht nicht zuletzt die praktische Erwägung, dass eine derartige Konstruktion zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Handhabung von Rechtsmitteln und der Kostenentscheidung führen würde (vgl. hierzu und im Folgenden: Bork in Stein/Jonas, ZPO, Vor § 59 – § 63 Rn. 5; Loyal in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 59 Rn. 15, jeweils m. w. N.): Weist das erstinstanzliche Gericht den unbedingten Klageantrag gegen den einen Streitgenossen ab und gibt es dem Hilfsantrag gegen den anderen Streitgenossen statt, kann im Fall einer erfolgreichen Berufung des verurteilten Streitgenossen nicht auf den abgewiesenen unbedingten Klageantrag zurückgegriffen werden. Entsprechendes gilt, wenn das Gericht dem unbedingten Klageantrag stattgibt; über den Hilfsantrag gegen den anderen Streitgenossen ergeht dann gar keine Entscheidung. In beiden Fällen kann der Kläger, wenn der verurteilte Streitgenosse Berufung einlegt, nicht für den Fall des Erfolgs dieses Rechtsmittels Hilfsanschlussberufung mit dem Ziel einer Verurteilung des anderen Streitgenossen einlegen. Legt dagegen der Kläger gegen die Abweisung seines unbedingt gestellten Antrags Berufung ein, nicht aber der auf den Hilfsantrag hin verurteilte andere Streitgenosse, kann das Berufungsgericht dessen Verurteilung nicht mehr aufheben, wenn es der Berufung des Klägers stattgibt. Für die Anerkennung einer bedingten Streitgenossenschaft ist schließlich auch kein praktisches Bedürfnis ersichtlich. Der Gefahr, sämtliche Prozesse gegen die in Betracht kommenden Schuldner zu verlieren, kann der Kläger durch eine Streitverkündung (§ 72 ZPO) begegnen (vgl. Loyal in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 59 Rn. 15).