VG München, Urteil v. 23.02.2023 – M 24 K 22.3600
Titel:
Wohnsitzverpflichtung für ausreisepflichtige Ausländer
Normenketten:
AufenthG § 60a, § 61 Abs. 1d S. 1
AufnG Art. 4
DVAsyl § 9
Leitsatz:
Für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer entsteht die Wohnsitzverpflichtung automatisch kraft Gesetzes, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Sie erlischt ebenso automatisch, ohne Beteiligung einer Ausländerbehörde, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers (wieder) gesichert ist. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Private Wohnsitznahme, Auszug aus Gemeinschaftsunterkunft, Duldungsinhaber, Duldung nach § 60a AufenthG, Wohnsitznahmeverpflichtung erloschen, Eigenständige Lebensunterhaltssicherung durch Erwerbstätigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 3844
Tenor
I. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 17. Juni 2022 (Gz. ...) wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft ...straße 9, ... zu gestatten zur privaten Wohnsitznahme in ...str. 251 in ....
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft und die private Wohnsitznahme in ...
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Der Kläger, geb. ..., ist – ausweislich seines vorgelegten gültigen Nationalpasses – irakischer Staatsangehöriger. Der Kläger reiste am ... März 2019 in das Bundesgebiet ein und stellte am ... Juni 2019 einen Asylantrag.
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Der Kläger wurde während des laufenden Asylverfahrens mit Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 18. November 2019 ab dem 21. November 2019 dem Landkreis ... zugewiesen und zur Wohnsitznahme in der Gemeinschaftsunterkunft ...straße 9, ... ab dem 21. November 2019 verpflichtet.
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Das Asylverfahren des Klägers wurde im Nachgang zum negativen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. September 2019 rechtskräftig am 23. Januar 2021 abgeschlossen. Der Kläger ist seit dem 23. Januar 2021 vollziehbar ausreisepflichtig.
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Dem Kläger wurde erstmals am 17. Februar 2021 und hieran anschließend fortlaufend eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (mit Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit der Ausländerbehörde) erteilt; die aktuell erteilte Duldung ist bis 24. Juli 2023 gültig. Der Duldung des Klägers liegt zugrunde, dass nach Beschlusslage der Innenministerkonferenz die Abschiebung ausreispflichtiger irakischer Staatsangehöriger, die keine Straftäter sind, in den Irak ausgesetzt ist.
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Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Arbeitsvertrages mit der Fa. ... GmbH ist der Kläger seit dem ... Februar 2022 als Lagerarbeiter in der ... in Vollzeit (40 Std./Woche) in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Er verdient ausweislich des Arbeitsvertrages und der von ihm vorgelegten Gehaltsabrechnungen ab 02/2022 bis 04/2022 EUR 2.150,00 brutto/mtl. (netto EUR 1.524,84). Der Kläger hat ausweislich des vorgelegten Haupt- und Untermietvertrages seit dem 16. Februar 2022 in ... in der Sch.str. Wohnraum angemietet.
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Ausweislich des an den Kläger gerichteten Bescheides vom 2. März 2022 des Landratsamts Amberg-Sulzbach – Soziale Angelegenheiten – wurde der Bescheid vom 19. Januar 2022 mit Wirkung vom 1. Februar 2022 aufgehoben und die mit Bescheid vom 19. Januar 2022 gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab dem 1. Februar 2022 eingestellt.
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Mit Eingang am 30. Juli 2020 beantragte der Kläger bei der Regierung von Oberbayern die private Wohnsitznahme in ..., zuerst in der Wohnung in ..., E.-K.-Str., dann in der oben genannten Wohnung in ..., Sch.str. Die Klägerbevollmächtigte bestellte sich am 1. Dezember 2021 unter Vollmachtsvorlage als Verfahrensbevollmächtigte und legte die von der Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 18. Januar 2022 angeforderten, oben benannten Unterlagen vor.
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Zur E-Mail-Nachfrage vom 21. Mai 2022 der Regierung von Oberbayern (Bl. 52f. Behördenakte der Regierung von Oberbayern -BA-ROB) an die Ausländerbehörde des Landratsamts Amberg-Sulzbach „zu einer etwaigen privaten Wohnsitznahme nach Art. 4 Aufnahmegesetz sowie einer damit verbundenen landesinternen Umverteilung nach § 9 DVAsyl in den Regierungsbezirk Oberbayern gem. § 9 Abs. 2 Satz 3, § 9 Abs. 3 Satz 1 und § 14 Abs. 3 Sätze 3 DVAsyl / § 19 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl Ihr Einvernehmen [zu] erteilen“ und an die dort für den Vollzug des AsylbLG zuständigen Leistungsbehörde, „ob Sie zu einer privaten Wohnsitznahme nach Art. 4 Aufnahmegesetz bei Grundleistungsberechtigten gem. § 14 Abs. 3 Sätze 1 und 4 DVAsyl Ihr Benehmen bzw. bei Analogleistungsberechtigten nach § 19 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl ihr Einvernehmen erteilen“, erteilte die Ausländerbehörde des Landratsamts Amberg-Sulzbach am 23. Mai 2022 – unter Ausfüllung der Fragen auf dem Formblatt-Rückantwortschreiben der Regierung von Oberbayern – ihr Einvernehmen zur Gestattung des Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft und zur privaten Wohnsitznahme des Klägers, zum „Umzug“ (Bl. 59-61, 62 BA-ROB). Das Sozialamt des Landratsamts Amberg-Sulzbach antwortete der Regierung von Oberbayern mit E-Mail vom 24. Mai 2022, dass sich der Kläger seit dem ... Januar 2022 nicht mehr im Leistungsbezug nach dem AsylbLG befindet, da dieser durch Arbeitsaufnahme genügend Einkommen erzielt, um seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten.
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Ohne vorausgehende Anhörung lehnte die Regierung von Oberbayern mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. Juni 2022 den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft (private Wohnsitznahme) ab. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt:
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"I. Sie sind nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigt und wurden verpflichtet, in einer staatlichen Unterkunft für Asylbewerber zu wohnen (§ 50 Abs. 4, § 53 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 1 Asylgesetz (AsylG), Art. 4 Abs. 1, Art. 1 Aufnahmegesetz (AufnG) ...
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II.2. Ein Auszug aus der Asylbewerberunterkunft kann Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG gemäß Art. 4 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AufnG in begründeten Ausnahmefällen gestattet werden. Ein solcher, begründeter Ausnahmefall liegt nach Prüfung aller vorliegenden Unterlagen jedoch nicht vor. Insbesondere konnte kein Tatbestand einer der Fallgruppen in Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 – 4 AufnG belegt werden. Auch die Gründe des Art. 4 Abs. 3 AufnG sind nicht gegeben, da das behördliche Erstverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch nicht seit vier Jahren abgeschlossen ist.
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Eine familiäre und ausländerrechtliche Konstellation nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 AufnG ist nach den uns vorliegenden Informationen leider nicht gegeben. Weder der Zuzug zum Onkel noch zum Bruder fallen hierunter.
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Sofern Sie einen Umzug in eine private Wohnung in eine/m anderen/r, als dem Ihnen zugewiesenen Landkreis bzw. der Ihnen zugewiesenen kreisfreien Stadt beabsichtigen, müssten zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Art. 4 AufnG gem. § 6 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 DVAsyl Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bzw. der Bildung einer Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstige humanitäre Gründe von gleichem Gewicht vorliegen. Auch dies konnte im vorliegenden Fall nicht belegt werden.
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3. Ferner stehen die Entscheidung gem. Art. 5 Satz 1 AufnG und ggf. § 9 Abs. 1 DVAsylG im pflichtgemäßem Ermessen der Behörde.
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Nach Abwägung aller sich aus den vorliegenden Unterlagen ergebenden, für und gegen die Entscheidung sprechenden Gründe gegen- und untereinander konnte die Gestattung insbesondere auf Grund deren Ausnahmecharakters abgelehnt werden.
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Als Regelfall sieht Art. 4 Abs. 1Satz1 AufnG die Unterbringung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG in Gemeinschaftsunterkünften vor. Damit soll insbesondere eine gute Erreichbarkeit der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG für die beteiligten Behörden gewährleistet werden.
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Bei der Entscheidung wurde insbesondere auch die ausländerrechtliche, private, berufliche bzw. vermögensrechtliche Situation, die aktuelle Unterbringungssituation sowie der Forderungsstand zu den Unterkunftsgebühren laut Information der zentralen Gebührenabrechnungsstelle bei der Regierung von Unterfranken berücksichtigt.
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Das geltend gemachte Einkommen bzw. Vermögen konnte an diesem Ergebnis nichts ändern, da selbst wenn dies für den gesamten Lebensunterhalt ausreichen würde, ein Abweichen vom Grundsatz der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft hier leider nur in besonderen Ausnahmefällen möglich ist. Angesichts der auf Grund einer inzwischen zu Integrationszwecken großzügigen Erteilung von Beschäftigungserlaubnissen durch die Ausländerbehörden weit verbreiteten Arbeitsverhältnissen unter den Bewohner/-innen von Asylunterkünften würde allein im Falle eines ausreichend hohen Erwerbseinkommens das Regel-/Ausnahmeverhältnis umgekehrt. Es ist zudem zumutbar, sich einen Arbeitsplatz im zugewiesenen Regierungsbezirk zu suchen...“
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Der Bescheid wurde am 21. Juni 2022 zugestellt.
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Mit Eingang am 20. Juli 2022 am Verwaltungsgericht München ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage erheben und beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juni 2022 zu verpflichten, den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft ...straße 9, ... zu gestatten, um privat Wohnsitz in ...str. 251 in ... zu nehmen.
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In der Klagebegründung wird ausgeführt, es liege ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten vor. Der Kläger erfülle die Anforderungen des begründeten Ausnahmefalls nach Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 AufnG, da er über ein so hohes Erwerbseinkommen verfüge, dass er den gesamten Lebensunterhalt für sich tragen kann. Der Beklagte drehe diese bereits im Gesetz dargestellte Ausnahme für eine Gestattung der privaten Wohnsitznahme in ihr Gegenteil um. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem Kläger ohnehin in Kürze ein Anspruch auf private Wohnsitznahme gemäß Art. 4 Abs. 3 AufnG zustehe, da das behördliche Erstverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF-B v. 18. September 2019] bald seit vier Jahren abgeschlossen sein werde. Erstmalig bringe der Beklagte schriftsätzlich am 18. August 2022 vor, dass der Antrag abzulehnen sei, weil die Regelungen zur internen Umverteilung nicht eingehalten seien. Sofern die Regelungen des Bundesgesetzgebers und des bayerischen Verordnungsgebers zur gleichmäßigen Verteilung von Geflüchteten in die Beurteilung einflössen, so wäre auch der Antrag auf landesinterne Umverteilung begründet. Zwar seien der Bruder und der Onkel des Klägers nicht Teil der Kernfamilie im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG, dennoch seien auch derartige sonstige verwandtschaftliche Beziehungen bei der ordnungsgemäßen Ermessensausübung zu berücksichtigen. Auch bereits die bloße Aussicht auf eine konkrete Erwerbstätigkeit stelle einen humanitären Grund dar. Die aufgenommene unselbständige Erwerbstätigkeit sei jedenfalls zugunsten des Klägers bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Trotz intensiver Bemühungen sei dem Kläger eine Arbeitsaufnahme an seinem bisherigen Wohnort nicht möglich gewesen. Aufgrund der Erwerbstätigkeit nehme der Kläger keine Sozialleistungen in Anspruch und entlaste die Sozialkassen. In anderen Bundesländern genüge die konkrete Erwerbstätigkeit für eine Umverteilung und stehe auch mit dem gesetzlichen Willen zur Verbesserung der Rechtsstellung von schutzsuchenden und geduldeten Ausländern im Einklang. Die Bedeutung der Erwerbstätigkeit für ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben stelle einen vergleichbaren gewichtigen humanitären Grund dar. Weitere Gehaltsabrechnungen für 10/2022 bis 01/2023 wurden vorgelegt; hiernach verdiente der Kläger EUR 2.150,00 brutto/mtl. (netto EUR 1.524,84 in 10/2022 bis 12/2022 und in 01/2023 EUR 2.580,00 brutto/mtl. (netto EUR 1.802,84). Auf die Klagebegründung wird im Übrigen verwiesen.
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Der Beklagte legte die bei der Regierung von Oberbayern geführte elektronische Behördenakte vor und beantragte
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Klageabweisung.
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In der Klageerwiderung vom 18. August 2022, vom 23. Januar 2023 und vom 6. Februar 2023 führt der Beklagte aus, der streitgegenständliche Bescheid über die Ablehnung des vom Kläger beantragten Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft und seiner damit verbundenen landesinternen Umverteilung sei rechtmäßig. Zum einen sei der Kläger weder zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft berechtigt (Art. 4 Abs. 3 AufnG), zum anderen könne sich der Kläger auf keinen Grund für seine Umverteilung vom Regierungsbezirk Oberpfalz in den Regierungsbezirk Oberbayern stützen (§ 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 und 6 DVAsyl).
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Als Inhaber einer Duldung gemäß § 60 [sic!] AufenthG sei der Kläger leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [sic!] AsylbLG und sei verpflichtet worden, in der staatlichen Unterkunft in ..., Regierungsbezirk Oberpfalz zu wohnen (§§ 50 Abs. 4, 53 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 AsylG, Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Art. 1 AufnG). Das behördliche Erstasylverfahren des Klägers vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei derzeit noch nicht abgeschlossen. Er erfülle damit nicht die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 3 AufnG, die ihn zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft berechtigen würden. Dem in § 45 AsylG (sog. Königsteiner Schlüssel) und § 3 DVAsyl verfolgten Interesse des Gesetz- und Verordnungsgebers an einer gleichmäßigen Verteilung und Unterbringung von Asylbegehrenden auf die einzelnen Länder, Regierungsbezirke sowie Landkreise und kreisfreie Städte Rechnung tragend, ist es Asylsuchenden grundsätzlich zuzumuten, sich an dem ihnen zugewiesenen Ort ihren Wohnsitz zu nehmen.
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Zwar habe der Kläger Unterlagen eingereicht, die belegen sollen, dass er gemäß Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 AufnG seinen gesamten Lebensunterhalt vollständig künftig selbst tragen könnte. Zu beachten sei allerdings, dass der Kläger gleichzeitig zu seinem Auszugsantrag einen Antrag auf landesinterne Umverteilung gestellt habe. Entsprechend dem oben dargelegten Interesse des Gesetz- und Verordnungsgebers an einer gleichmäßigen Verteilung und Unterbringung von Asylbegehrenden auf die einzelnen Länder und Regierungsbezirke sei die landesinterne Umverteilung an die in § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl näher dargelegten rechtlichen Voraussetzungen geknüpft. Insofern müsste der Kläger zusätzlich zu den Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 5 AufnG gemäß § 9 Abs. 1 Satz1, Abs. 6 DVAsyl die Bildung einer Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern nachweisen. Dem Zusammenleben des Klägers mit seinem Bruder komme kein gleiches humanitäres Gewicht zu. Vielmehr stütze der Kläger seinen Antrag auf seine Erwerbstätigkeit und damit auf rein wirtschaftliche Gründe. Die begehrte landesinterne Umverteilung, an die sein Antrag auf Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft gekoppelt sei, scheide aus. Selbst wenn das Einkommen des Klägers seiner Höhe nach einen Auszug aus der staatlichen Gemeinschaftsunterkunft ermöglichen könnte, sei es dem Kläger überdies zumutbar, einer Erwerbstätigkeit im ihm zugewiesenen Regierungsbezirk Oberpfalz nachzugehen.
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Der Beklagte vertrete die Rechtsauffassung, dass – wie in der vorliegenden Fallkonstellation – bei Auszugsentscheidungen mit landesinterner Umverteilung neben den Voraussetzungen für die Auszugsgestattung nach Art. 4 Abs. 3 bis 5 AufnG auch die Regelungen des Bundesgesetzgebers und des bayerischen Verordnungsgebers zur gleichmäßigen Verteilung von Geflüchteten im Regime der Flüchtlingsunterbringung (vgl. §§ 45ff., 50 Abs. 2 AsylG i.V.m. §§ 3, 7, 9 DVAsyl) zu beachten seien.
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Dabei beinhalte die Verteilentscheidung nach § 50 Abs. 1 AsylG eine entsprechende räumliche Beschränkung des Ortes der Wohnsitznahme. Dies sei zum einen unmittelbar § 50 Abs. 3 AsylG zu entnehmen. Ferner korrespondiere die Verteilentscheidung mit der gegenüber dem Betroffenen unstreitig als Verwaltungsakt zu ergehenden Zuweisungsentscheidung nach § 50 Abs. 4 AsylG. Letztlich sei die Zuweisungsentscheidung nach § 50 AsylG nichts Anderes als die verbindliche Anordnung des Bezirks (der Ausländerbehörde), in dem der Ausländer (entsprechend der Verteilentscheidung) Wohnung zu nehmen hat.
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Darüber hinaus enthalte § 50 Abs. 2 AsylG die Ermächtigung für den Landesverordnungsgeber, die Verteilung näher zu regeln. Dies sei in Form der Asyldurchführungsverordnung geschehen. Demnach regle § 7 Abs. 1, Abs. 2 DVAsyl, dass die Verteilentscheidung durch die Landesbeauftragte auf den Regierungsbezirk der Person durch eine Zuweisungsentscheidung im Sinn des § 50 Abs. 4 AsylG bekannt zu geben sei. Dabei habe sich der bayerische Landesverordnungsgeber dazu entschlossen, die „räumliche Beschränkung“ noch enger zu fassen und dem Betroffenen nicht nur den Regierungsbezirk, sondern einen Landkreis bzw. eine kreisfreie Gemeinde (und im Regelfall eine bestimmte Asylbewerberunterkunft) zuzuweisen.
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§ 60 Abs. 1 AsylG schränke die Möglichkeit einer Wohnsitzauflage auf Personen, deren Lebensunterhalt nicht gesichert sei, ein. Der diesbezüglich maßgebliche Zeitpunkt müsse jedoch derjenige der Zuweisungsentscheidung sein. Ansonsten wäre die Wirksamkeit der Wohnsitzauflage von den aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen abhängig. Im Übrigen sei diesbezüglich auch im vorliegenden Fall für die Zuweisung und die Wohnsitzauflage (vgl. Ziffern 1 und 2 des Bescheids der Regierung der Oberpfalz vom 18. November 2019) Bestandskraft eingetreten.
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In der Folge bedeute die Auszugsgestattung nach Art. 4 Abs. 3 ff. AufnG zwar die behördliche Erlaubnis, die zugewiesene Asylbewerberunterkunft verlassen zu dürfen. Sie befreie den Ausländer jedoch nicht von der Pflicht, innerhalb des in der Zuweisungsentscheidung genannten räumlichen Bezirks seine Wohnung zu nehmen. Hieraus folge wiederum, dass im Fall einer Auszugsgestattung in Verbindung mit einem geplanten Verlassen des in der Zuweisungsentscheidung zugewiesenen räumlichen Bezirks zusätzlich dessen Änderung bzw. Anpassung verfügt werden müsse. Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen dies auch im Fall einer lediglich landesinternen Umverteilung möglich sei, habe gemäß § 50 Abs. 2 AsylG der Landesverordnungsgeber näher regeln können, was in §§ 9f. DVAsyl geschehen sei.
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Auch praktisch gesehen könnte ohne einen zusätzlichen Erlaubnisvorbehalt der Unterbringungsbehörde im Fall einer landesinternen Umverteilung – auch und gerade bei Personen, deren Lebensunterhalt gesichert wäre – die ursprüngliche Verteilentscheidung nach § 7 Abs. 2 DVAsyl auf Basis der Erfüllungsquoten nach § 3 DVAsyl mittel- bis langfristig ausgehöhlt werden und ein von dem System der bayerischen Quotenverteilung bzw. Verteilentscheidungen insbesondere aus Gründen einer möglichst gleichmäßigen und somit die Integration fördernden Verteilung offensichtlich nicht gewollter unkontrollierter Wechsel zwischen den Landkreisen und Regierungsbezirken (in aller Regel in Richtung der Ballungsräume) überhand nehmen. Vorliegend bestehe jedoch weder ein ersichtliches öffentliches Interesse für die Umverteilung des Klägers nach § 9 Abs. 5 DVAsyl noch erfülle der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen für seine landesinterne Umverteilung nach § 9 Abs. 6 DVAsyl.
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Der Beklagte halte der Auffassung, wonach sog. „Selbstversorger“ im Sinn des Art. 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 AufnG auch im Hinblick auf ihre mit der Auszugsgestattung gekoppelten landesinternen Umverteilung nicht schlechter gestellt werden dürfen als Ausländer, deren Wohnsitzauflage nach höherrangigem Recht (vgl. § 60 AsylG) deshalb aufgehoben wird, weil u.a. deren Lebensunterhalt gesichert ist, entgegen: § 60 Abs. 1 AsylG beschränke zwar die Möglichkeit einer Wohnsitzauflage auf den Personenkreis, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die Möglichkeit der Aufhebung einer nach dieser Vorschrift im Rahmen der Zuweisungsentscheidung (vgl. § 60 Abs. 3 AsylG) bestandskräftig erlassenen Wohnsitzauflage sei aber durch den Landesgesetzgeber im Art. 4 Abs. 3ff. AufnG für den Teilbereich der Auszugsgestattung aus einer Gemeinschaftsunterkunft näher geregelt. Dies sei dem Landesgesetzgeber aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebung zum Flüchtlingswesen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG [gemeint wohl Nr. 6] mangels einer abschließenden Regelung im Asylgesetz auch möglich.
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Mit Beschluss vom 24. Januar 2023 wurde die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat die von der Ausländerbehörde des Landratsamts Amberg-Sulzbach geführte Ausländerakte zum Kläger zum Verfahren beigezogen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten, die der Regierung von Oberbayern und die der Ausländerbehörde Amberg-Sulzbach, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Streitgegenstand der vorliegenden Verpflichtungsklage ist das Begehren des Klägers (§ 88 VwGO), ihm – unter Aufhebung des Versagungsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 17. Juni 2022 den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft ...straße 9, ... zu gestatten. Der Kläger will seine private Wohnsitznahme – in der vom Kläger auf seine Kosten angemieteten Wohnung in ... – durchführen. Er will die diesbezügliche Gestattung des Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft erreichen.
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Die Klage hat Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 17. Juni 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war deshalb aufzuheben. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung einen Rechtsanspruch im Wege der Ermessensreduzierung auf Null, ihm den Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft nach Art. 4 Abs. 5 AufnG, aber auch nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufnG zu gestatten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger, der nach § 60a Abs. 2 AufenthG geduldet ist und der seinen Lebensunterhalt einschließlich Wohnraums aus eigenen Finanzmitteln sichert, bedarf zur beabsichtigten Wohnsitznahme in ... keiner (positiven) Umverteilungsentscheidung des Beklagten.
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1. Das Verwaltungsgericht München ist örtlich zuständig gemäß § 52 Nr. 3 Satz 5 und Satz 1 VwGO. Zur Entscheidung berufen ist der Einzelrichter, nachdem der Rechtsstreit auf diesen mit Beschluss vom 24. Januar 2023 gemäß § 6 VwGO übertragen wurde.
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2. Als maßgeblichen Umstand zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist festzuhalten, dass der Kläger nicht mehr Asylbewerber ist. Das Asylverfahren des Klägers wurde im Nachgang zum negativen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. September 2019 rechtskräftig am 23. Januar 2021 abgeschlossen. Der Kläger ist seit dem 23. Januar 2021 vollziehbar ausreisepflichtig. Dem Kläger ist seit dem 17. Februar 2021 und hieran anschließend fortlaufend eine Duldung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG erteilt worden. Die aktuell erteilte Duldung ist bis 24. Juli 2023 gültig. Der Kläger hat einen gültigen irakischen Nationalpass. Der Kläger ist seit dem 16. Februar 2022 bei einer ... Firma in der ... als Lagerarbeiter erwerbstätig. Hierzu hat die Ausländerbehörde ab dem 15. Februar 2022 die Beschäftigungserlaubnis erteilt. Mit dem Entgelt aus seiner Erwerbstätigkeit sichert der Kläger seinen Lebensunterhalt einschließlich seiner Wohnraumanmietung. Der Kläger bezieht seit dem 1. Februar 2022 keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vom örtlichen Träger, dem Landkreis Amberg-Sulzbach.
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3. Nach Abschluss des Asylverfahrens greifen in Bezug auf vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer hinsichtlich ihres Aufenthalts die in § 61 AufenthG getroffenen Regelungen in der seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung (vgl. Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23.12.2014, BGBl. 2014, 2439ff. und Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern, BT-Drs 18/3144):
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3.1. Eine Wohnsitzauflage, d.h. nach der Legaldefinition in § 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG, die Verpflichtung an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, ist bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, bereits kraft Gesetzes wirksam und bedarf keiner behördlichen Anordnung (§ 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG). Bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern, deren Lebensunterhalt gesichert ist, erlischt die Wohnsitzauflage qua lege bzw. entsteht nicht qua lege (vgl. Bergmann/Dienelt/Dollinger, Ausländerrecht 14. A. 2022, § 61 AufenthG Rn. 22, 27) (siehe im Einzelnen unter 3.3.).
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3.2. Besteht bei einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer mangels eigener / eigenständiger Lebensunterhaltssicherung eine Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG, wird in Satz 2 geregelt, welcher Ort dies ist. Satz 2 der Regelung bestimmt, dass, soweit die Ausländerbehörde nichts Anderes angeordnet hat, dies der Wohnort ist, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der (letzten) Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat (OVG NW, B.v. 27.7.2017 – 18 B 543/17 – juris Rn. 37). Satz 3 der Regelung bestimmt, dass von Amts wegen oder auf Antrag eine bestehende Wohnsitzauflage durch die Ausländerbehörde geändert werden kann, und legt insoweit in § 61 Abs. 1d Satz 3 Halbsatz 2 AufenthG auch die Berücksichtigung einer Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht fest.
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In den Fallgestaltungen, in denen ein Ausländer erfolglos ein Asylverfahren durchgeführt hat, nachgehend vollziehbar ausreisepflichtig ist und dieser Ausländer seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann, wird der Wohnort der Wohnsitzauflage (= Wohnort zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung) regelmäßig derjenige sein, der ihm vorgehend im Asylverfahren zur Wohnsitznahme angewiesen worden war, vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG. Beachtlich ist, dass die aufenthaltsrechtliche Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d AufenthG nicht mehr an eine Fortwirkung einer ehedem während des Asylverfahrens ergangenen Wohnsitzauflage anknüpft, geschweige denn eine solche voraussetzt. Mit der seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung des § 61 Abs. 1d AufenthG hat der Bundesgesetzgeber einen von der auf der Grundlage des Asylgesetzes festgelegten Wohnsitzauflage entkoppelten gesetzlichen Anknüpfungspunkt für Wohnsitzauflagen bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer, die geduldet werden, gewählt.
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Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine ehedem während des Asylverfahrens für einen Asylbewerber behördlich angeordnete Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AsylG bzw. nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG zum einen eine eigenständige Anordnung ist, die mit der eigenständigen Zuweisungsentscheidung nach § 50 AsylG verbunden werden soll (§ 60 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Dies ergibt sich unmissverständlich aus § 60 Abs. 3 Satz 2 AsylG. Zum anderen hat auch die auf der Grundlage des § 60 Abs. 1 Satz 1 oder § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG angeordnete Wohnsitzauflage tatbestandlich zur Voraussetzung, dass der Lebensunterhalt des Ausländers von diesem nicht eigenständig gesichert wird. Von der in § 60 AsylG getroffenen Regelung kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden (§ 88a AsylG). §§ 59a, 59b, 60, 88a AsylG wurden mit Wirkung ab 1. Januar 2015 durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern ebenso wie § 61 AufenthG in Art. 1 des nämlichen Gesetzes neu gefasst. Die Gesetzeslage ab dem 1. Januar 2015 legt hinsichtlich räumlicher Beschränkung und Wohnsitzauflage bei Asylbewerbern nach dem Asylgesetz und räumlicher Beschränkung und Wohnsitzauflage für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer einen „Regimewechsel“ fest, der nicht mehr auf die Fortgeltung von Regelungen samt behördlichen Anordnungen, die auf der Grundlage des Asylgesetzes erlassen wurden, angewiesen ist. Auf der Grundlage des § 60 Abs. 1 Satz 1 oder § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG als Verwaltungsakte erlassene Wohnsitzauflagen (sie sind selbständige Auflage und nicht Nebenbestimmung zur Aufenthaltsgestattung, da diese kein Verwaltungsakt ist, sondern qua lege entsteht) erlöschen durch Wegfall des Regelungszwecks ohne Aufhebung gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG mit Einsetzen des ausländerrechtlichen Regelungsregimes.
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3.3. Für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer entsteht die Wohnsitzverpflichtung automatisch kraft Gesetzes, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist (BayVGH, B.v.2.11.2016 – 10 ZB 16.1134 – juris Rn. 8; OVG Lüneburg, B.v. 9.9.2020 – 13 ME 226/20 – juris Rn. 10f.). Die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts ist die einzige Tatbestandsvoraussetzung. Die Wohnsitzauflage für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer erlischt ebenso automatisch, ohne Beteiligung oder Zustimmung einer Ausländerbehörde, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers (wieder) gesichert ist (OVG Lüneburg, B.v. 9.9.2020 – 13 ME 226/20 – juris Rn. 11f.). Da die Wohnsitzauflage der gerechten Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern dienen soll, ist sie nur erforderlich, wenn der Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Andernfalls, also bei Eigen-Sicherung (selbständig oder mit Hilfe Dritter auf rechtlich gesicherter Grundlage) des Lebensunterhalts, kann der Ausländer seinen Wohnsitz im Bundesgebiet frei wählen, wenn der Ausländer nicht durch eine kraft Gesetzes bestehende oder angeordnete räumliche Beschränkung seines Aufenthalts (nach § 61 Abs. 1 bis Abs. 1c AufenthG) räumlich auf ein Bundesland oder kleinräumiger auf z.B. den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde beschränkt ist. Die Erfüllung der Lebensunterhaltssicherung bemisst sich nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 3 AufenthG (vgl. BT-Drs. 18/3144 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern – Art. 1 Nr. 2 c) – S. 5, Begründung S. 10; OVG NW, B.v. 27.7.2017 – 18 B 543/17 – juris Rn. 24ff.; Bergmann/Dienelt/Dollinger, 14. Aufl. 2022, AufenthG, § 61 Rn. 19 -24; ebenso die übrige einschlägige Kommentarliteratur, allerdings Funke-Kaiser, GK zum AufenthG, Stand 12/2015, § 61 Rn. 45 mit Bedenken zum Maßstab unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung: Sinn und Zweck der Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG ist die Gewährleistung einer gerechten Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern, da Sozialleistungen lediglich an dem Wohnort erbracht werden, auf den sich die Wohnsitzauflage bezieht. Insbesondere sollen Asylbewerber und geduldete Ausländer, die unter – weder straf- noch bußgeldbewährtem – Verstoß gegen eine Wohnsitzauflage in ein anderes Bundesland umziehen, dort keine Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz geltend machen können, so ausdrücklich BT-Drucks. 18/3144, S. 10: „Bezieht der geduldete Ausländer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, gilt § 10a AsylbLG“). Nach § 2 Abs. 3 AufenthG umfasst die Sicherung des Lebensunterhalts u.a. auch, dass der Ausländer über ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügt.
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Aufgrund der im Präsens formulierten Regelung des § 61 Abs. 1d Satz 1 AufenthG kommt es allein darauf an, ob der Ausländer gegenwärtig, d.h. im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bzw. im Zeitpunkt einer sich anschließenden gerichtlichen Entscheidung seinen Lebensunterhalt sichert (vgl. OVG NW, B.v. 27.7.2017 – 18 B 543/17 – juris Rn. 28).
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3.4. Die Wohnsitzauflage unterscheidet sich von der räumlichen Beschränkung dadurch, dass die Wohnsitzauflage als solche nur vorschreibt, in welchem Land, in welcher Kommune oder in welchem Ortsteil der Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. Räumliche Beschränkungen (d.h. die Einschränkung in der örtlichen Bewegungsfreiheit) sind mit einer Wohnsitzauflage grundsätzlich nicht per se verbunden. Dies ist in § 61 Abs. 1d Satz 4 AufenthG deklaratorisch klargestellt (vgl. BayVGH, B.v.2.11.2016 – 10 ZB 16.1134 – juris Rn. 8; Kluth in BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.8.2019, § 61 AufenthG Rn. 25 – 29). Räumliche Beschränkungen beruhen auf anderer rechtlicher Grundlage; selbstverständlich können eine Wohnsitzauflage und eine räumliche Beschränkung gleichermaßen und parallel für einen Ausländer bestehen bzw. angeordnet sein. Eine räumliche Beschränkung führt, wie sich aus § 61 Abs. 1 und Abs. 1a AufenthG ergibt, anders als eine Wohnsitzauflage, nicht zur Verpflichtung, den Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen, sondern verpflichtet den Ausländer – bei freier Wahl seines Wohnsitzes [soweit parallel keine Wohnsitzauflage vorliegt] – nur dazu, sich in einem bestimmten räumlichen Bereich aufzuhalten und diesen nicht zu verlassen (vgl. OVG NW, B.v. 27.7.2017 – 18 B 543/17 – juris Rn. 44).
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Die gesetzliche räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet eines Bundeslandes erlischt nach Ablauf desdreimonatigen Zeitraums ununterbrochen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalts im Bundesgebiet (§ 61 Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1b AufenthG).
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3.5. Mit der Änderung der Gesetzeslage zum 1. Januar 2015 ergeben sich – bezogen für den oben benannten Personenkreis, dem der Kläger angehört – auch Änderungen in Bezug auf das Entfallen der (länderübergreifenden oder landesinternen (auch bezirksübergreifenden) Umverteilung (nach § 51 AsylG, vormals AsylVfG bzw. nach § 50 AsylG, vormals AsylVfG), je nachdem, ob der geplante Zuzugsort im anderen Bundesland oder landesintern z.B. im anderen Regierungsbezirk liegt (vgl, BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 21 C 15.30131 – juris Rn. 7f.).
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3.5.1. Zwar wurde in Rechtsprechung und Literatur – zur bis 31. Dezember 2014 geltenden Gesetzeslage – vertreten, ein Wechsel des Wohnorts eines unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbers setze grundsätzlich eine Umverteilung gemäß § 51 AsylG bzw. § 50 AsylG voraus (vgl. OVG SA, B.v. 22.1.2015 – 2 O 1/15 – juris Rn. 11 mit Hinweis auf BayVGH, B.v. 15.5.2009 – 10 C 09.880 – juris Rn. 6 – betreffend jegliche Umverteilung; OVG RP, U.v. 15.2.2012 – 7 A 11177/11 – juris Rn. 24; OVG LSA, B.v. 30.10.2014 – 2 M 106/14 – juris Rn. 5; Funke-Kaiser, GK AufenthG, – Kommentierungsstand vor März 2015 – § 61 Rnr. 25). Grundlage dieser Auffassung war jedoch die Regelung des § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG, wonach räumliche Beschränkungen der Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylVfG) auch nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung in Kraft bleiben bis sie aufgehoben werden. § 56 Abs. 3 AsylVfG wurde mit nämlichen Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014 (Art. 2 Änderung des Asylverfahrensgesetzes Nr. 3 Ziff. b), mit dem auch § 61 Abs. 1b und § 61 Abs. 1d AufenthG eingeführt wurde (Art. 1 Änderung des Aufenthaltsgesetzes Nr. 2 Ziff. c), aufgehoben. Zugleich wurde die Regelung des § 59a Abs. 1 AsylG neu in das Asylgesetz eingefügt (Art. 2 Änderung des Asylverfahrensgesetzes Nr. 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014), wonach die räumliche Beschränkung nach § 56 AsylG erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Räumliche Beschränkungen des Aufenthalts unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber ergeben sich daher nach abgeschlossenem Asylverfahren regelmäßig nicht mehr. Mithin fehlt damit darüber hinaus jegliche Grundlage für eine (analoge) Anwendung auf vollziehbar ausreisepflichtige, geduldete Ausländer, deren Aufenthaltsgestattung für das Asylverfahren erloschen ist. Dies verdeutlicht auch der neu eingeführte § 88a AsylG. Konzeptionell ist vielmehr eine Anordnungsbefugnis für eine räumliche Beschränkung für die in § 61 Abs. 1c AufenthG genannten Bedarfsfälle eingeführt worden (Art. 1 Änderung des Aufenthaltsgesetzes Nr. 2 Ziff. c).
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4. Im vorliegenden Fall des Klägers – als einem seinen Lebensunterhalt selbst sichernden, seit 17. Februar 2021 ununterbrochen geduldeten Ausländers, der nicht straffällig ist und bei dem aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht konkret bevorstehen und der nach § 60a Abs. 2 AufenthG geduldet wird – unterliegt dieser im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt weder einer Wohnsitzauflage noch einer räumlichen Beschränkung.
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5. Bei der Anwendung der auf der Grundlage der Ermächtigungsnorm des § 50 Abs. 2 AsylG (in Bezug auf die Verteilung von Asylbewerbern!) erlassenen DVAsyl ist die seit 1. Januar 2015 geltende Gesetzeslage des AsylG und des AufenthG, wie sie vorgehend dargelegt wurde, zu beachten.
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Zu sehen ist, dass die DVAsyl ein Regelungskonglomerat ist, das auf verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen beruht. Wenngleich der Anwendungsbereich der DVAsyl in dessen § 1 Abs. 1 Nr. 1 DVAsyl verallgemeinernd umrissen wird, ist bei der Anwendung der DVAsyl die jeweils einschlägige Ermächtigungsgrundlage der einzelnen Regelungen der DVAsyl zu beachten.
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Die seit 1. Januar 2015 geltende abweichungsfest ausgestaltete Regelung des § 60 AsylG und der gleichzeitige Wegfall des § 56 Abs. 3 AsylVfG ist zu beachten und bedingt eine normerhaltende Anwendung der DVAsyl: Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 50 Abs. 2 AsylG basierende Umverteilungsregelung des § 9 DVAsyl ist auf Personen wie dem Kläger, für den keine Wohnsitzverpflichtung und keine räumliche Beschränkung gilt (und auch nicht fortgilt), die zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 (Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG) Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigt sind und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 DVAsyl dem Anwendungsbereich der DVAsyl unterfallen, wegen insoweit sonst vorliegender Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage nicht anwendbar.
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Nämliches gälte, soweit das bayerische Aufnahmegesetz auf der Grundlage der Ermächtigung in § 50 Abs. 2 AsylG Regelungen zur Umverteilung von Personen wie dem Kläger, für den keine Wohnsitzverpflichtung und keine räumliche Beschränkung gilt (und auch nicht fortgilt), die zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 (Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG) Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigt sind und damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AufnG dem Anwendungsbereich des Aufnahmegesetzes unterfallen, träfe. Das Aufnahmegesetz trifft aber insoweit keine ersichtliche Regelung.
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6. Der Kläger hat einen Rechtsanspruch im Wege der Ermessensreduzierung auf Null auf Gestattung seines Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft nach Art. 4 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AufnG; es kann offenbleiben, ob zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt auch nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufnG ein Rechtsanspruch im Wege der Ermessensreduzierung auf Null besteht.
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6.1. Zunächst ist angesichts des personellen Anwendungsbereichs des Aufnahmegesetzes, wie er in Art. 1 Abs. 1 AufnG umrissen ist, und des gleichermaßen in Art. 1 Abs. 1 AufnG umrissenen sachlichen Anwendungsbereichs – das Aufnahmegesetz gilt für die Aufnahme, Unterbringung und landesinterne Verteilung von Ausländern, die nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigt sind – die jeweilige Ermächtigungsgrundlage zu beachten. Hinsichtlich des weit gefassten personellen Anwendungsbereichs sind die spezifischen Unterschiede, insbesondere die auf den Regelungen des Asylgesetzes oder des Aufenthaltsgesetzes beruhen, bei der Anwendung der ermessensbasierten Regelungen des Aufnahmegesetzes zu berücksichtigen.
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Kurz gesagt, bei der Ermessensausübung darf die Behörde einen Ausländer, der nach § 60a Abs. 2 AufenthG geduldet ist und der damit als nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG Leistungsberechtigter dem Anwendungsbereich des Aufnahmegesetzes unterfällt, nicht unterschiedslos behandeln wie einen Ausländer, der eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz (§ 55 AsylG) besitzt und damit als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG Leistungsberechtigter dem Anwendungsbereich des Aufnahmegesetzes unterfällt. Dies gilt insbesondere dann, wenn Ersterer keiner Wohnsitzauflage und keiner räumlichen Beschränkung unterliegt – im Gegensatz zu einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG Leistungsberechtigten, bei dem beispielsweise die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung nach § 56 AsylG noch nicht nach § 59a AsylG erloschen ist und / oder eine Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylG besteht, weil etwa dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist.
61
In Art. 4 Abs. 5 Satz 2 AufnG sind typisierend Fallgruppen angelegt, die die vorgenannten unterschiedlichen Rechtsstellungen (samt jeweiliger im konkreten Einzelfall bestehender Berechtigungen oder Verpflichtungen) der jeweiligen Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 AsylbLG nicht weiter ausdifferenzieren. Die benannten Fallgruppen sind nicht nur als regelhafte, sondern als zwingende („insbesondere“) begründete Ausnahmefälle ausgestaltet. Die Bezeichnung als „begründeter Ausnahmefall“ korrespondiert mit der in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 AufnG regelhaften Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und bezeichnet die atypischen Fallgestaltungen als begründete Ausnahmefälle.
62
Wenn nicht bereits allein durch das Vorliegen einer Fallgruppe des Art. 4 Abs. 5 Satz 2 AufnG ein intendiertes Ermessen für die Ermessensentscheidung nach Art. 4 Abs. 5 Satz 1 AufnG festgelegt wurde, so ist bei Fallgestaltungen wie der des Klägers als nach § 60a Abs. 2 AufenthG Geduldetem, der keiner Wohnsitzauflage und keiner räumlichen Beschränkung unterliegt, bei pflichtgemäßer Ermessensausübung kein Raum für eine Ablehnung der Gestattung des Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft.
63
Die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides ergeht sich in Worthülsen („Bei der Entscheidung wurde insbesondere auch die ausländerrechtliche, private, berufliche bzw. vermögensrechtliche Situation, die aktuelle Unterbringungssituation sowie der Forderungsstand zu den Unterkunftsgebühren laut Information der zentralen Gebührenabrechnungsstelle bei der Regierung von Unterfranken berücksichtigt.“). Auch der Klageerwiderung sind für nachgeschobene, ergänzende Ermessenserwägungen keine substanziellen Ausführungen zu entnehmen. Anzumerken ist, dass die Rechtsstellung des Klägers nach § 61 AufenthG hinsichtlich bei ihm vorliegender Freiheit von Wohnsitzauflage und Nichtvorliegens räumlicher Beschränkungen nicht einmal im Ansatz erfasst wird. § 61 AufenthG findet in der Klageerwiderung nicht einmal Erwähnung. Dafür drängt sich der Eindruck auf, dass die Klagebegründung den Kläger als noch im Stadium des Asylerstverfahrens befindlich wähnt. Die unterschiedlichen rechtlichen Bedeutungen sowie Rechtsfolgen in Bezug auf räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung bzw. räumliche Beschränkung des Aufenthalts sowie Wohnsitzauflage, Asylbewerber und Geduldeter samt dem seit 1. Januar 2015 insoweit geltenden gesamten Regelungsgefüge nach dem Asylgesetz und dem Aufenthaltsgesetz, das Einfluss auf die Anwendung von DVAsyl und Aufnahmegesetz hat, sind jedenfalls nicht erkennbar bei der Ermessensausübung eingeflossen.
64
Bei der allgemein bekannten derzeitigen Knappheit von Unterbringungsplätzen in Gemeinschaftsunterkünften ist nicht nachvollziehbar, weshalb die aktuelle Unterbringungssituation der Gestattung des Auszugs des Klägers aus der Gemeinschaftsunterkunft entgegensteht. Der Kläger arbeitet in ..., sicherlich ein Ballungsraum, aber auch in Ballungsräumen werden nicht nur Fachkräfte, sondern auch allgemeinbekannt Hände ringend einfache Arbeiter gesucht, zumal deren Zuzug nach ... oftmals an für sie (eigenfinanziert) bezahlbarem Wohnraum scheitert. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Ungeachtet dessen, dass § 9 DVAsyl keine Anwendung findet (siehe oben), ist der pauschale Verweis auf die Unterbindung des unerwünschten Zuzugs in Ballungsräume („... somit die Integration fördernden Verteilung offensichtlich nicht gewollter unkontrollierter Wechsel zwischen den Landkreisen und Regierungsbezirken (in aller Regel in Richtung der Ballungsräume) überhand nehmen“) im vorliegenden Fall neben der Sache und entspricht auch nicht der Zielsetzung der mit Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern.
65
Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern ist seiner Zielsetzung nach darauf angelegt, einerseits Erleichterungen bei den Regelungen hinsichtlich der Bewegungsfreiheit getroffen werden, und es soll gleichzeitig verhindert werden, dass Soziallasten zwischen den Ländern ungleich verteilt werden. Letztlich verläuft die Erreichung beider Zwecke entlang des Bestehens / Nichtbestehens von Wohnsitzauflagen und zugleich Förderung der Eigenexistenzsicherung (auch langfristig gedacht) durch den Ausländer selbst. Wenn Wohnsitzauflagen wegen Eigenexistenzsicherung nicht mehr bestehen, entfällt nach Ansicht des Gesetzgebers auch per se der Aspekt der Soziallastenungleichverteilung.
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Ausweislich der Gesetzesbegründung unter B. Besonderer Teil zu Art. 1, Zu Nr. 2 Buchstabe c und ebenso zu Art. 2, Zu Nr. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern sind bei diesen Ausländern, bei denen (noch und nicht schon kraft Gesetzes entfallen) Wohnsitzauflagen bestehen, zählen zu den in § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG „genannten humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht, insbesondere erhebliche persönliche Gründe (zum Beispiel besonderer Schutzbedarf, konkret bestehende Ausbildungsmöglichkeiten oder konkrete Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit). Die zu berücksichtigende Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen kann auch eine Haushaltsgemeinschaft sein, die außerhalb des Bundesgebiets bestanden hat.“ Außerdem wird bei der Änderung des Asylgesetzes zu § 50 AsylG ausgeführt ist: „Die Änderung soll die bei landesinternen und länderübergreifenden Verteilentscheidungen und einer gegebenenfalls damit verbundenen Wohnsitzauflage zu berücksichtigenden humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht angleichen. Zu diesen zählen insbesondere erhebliche persönliche Gründe (zum Beispiel besonderer Schutzbedarf, konkret bestehende Ausbildungsmöglichkeiten oder konkrete Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit). Die zu berücksichtigende Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen kann auch eine Haushaltsgemeinschaft sein, die außerhalb des Bundesgebiets bestanden hat.“ Allenthalben soll die Integration u.a. durch Erwerbstätigkeit und / oder Ausbildung gefördert werden. Letztlich soll bei geduldeten Ausländern die Erwerbstätigkeit als Teil einer nachhaltigen Integration nach Maßgabe der §§ 25a, 25b, 104c AufenthG in die Legalisierung des Aufenthalts führen.
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6.2. Der Kläger hat nach Maßgabe des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufnG erst nach Ablauf von vier Jahren nach Abschluss des behördlichen Erstverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, also vorliegend beim Kläger am 18. September 2023 einen Anspruch zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft, mithin also vom Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gerechnet in knapp sieben Monaten. Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 kann die vierjährige Wartefrist auch um die zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbleibenden knapp sieben Monate verkürzt werden. Insbesondere angesichts der allseits bekannten gegenwärtigen Knappheit der Unterbringungsplätze in Gemeinschaftsunterkünften, insbesondere auch in Anbetracht der oben ausgeführten Sachlage der rechtlichen und persönlichen Verhältnisse des Klägers, stünde einer fristverkürzenden und damit zeitlich um sieben Monate vorgezogenen Berechtigung des Klägers zum Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft kein substanzieller Einwand entgegen.
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7. Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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8. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).