VG München, Gerichtsbescheid v. 14.02.2023 – M 28 K 21.6376
Titel:
Grundsteuer B für Grundstück mit Baudenkmal, Erlasstatbestände (nicht erfüllt), Stundung (abgelehnt)
Normenketten:
GrStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
GrStG § 33 Abs. 1
AO § 227
AO § 222 Abs. 1
Schlagworte:
Grundsteuer B für Grundstück mit Baudenkmal, Erlasstatbestände (nicht erfüllt), Stundung (abgelehnt)
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2059
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger zu 1. ist Alleineigentümer des 2.532 qm großen Grundstücks FlNr. 631 (Gemarkung …), … Str. 33 im Gebiet der Beklagten. Auf dem Grundstück befindet sich ein Baudenkmal (Eintrag in der Bayerischen Denkmalliste: Villa …, zweigeschossiger Walmdachbau mit Zwerchhaus und eingezogenen Loggien, von A. …, Aktennummer …). Die Klägerin zu 2. ist die Ehefrau des Klägers zu 1.
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Mit Bescheid vom 29. Juni 2017 setzte die Beklagte – erstmals, früher stand das Grundstück nach Aktenlage im Eigentum der verstorbenen Mutter des Klägers zu 1. – gegenüber dem Kläger zu 1. die Grundsteuer B für das Jahr 2017 auf insgesamt 281,96 € fest und forderte den Kläger zu 1. zu bestimmten Fälligkeiten im Jahr 2017 und bis zum Erhalt eines neuen Bescheids in den Folgejahren zu quartalsweisen Zahlungen auf.
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Mit (hier und in allen nachfolgenden Schriftsätzen anwaltlichem) Schreiben vom 14. September 2017 beantragte der Kläger zu 1. eine Reduzierung der Grundsteuer wegen der Denkmaleigenschaft des Anwesens, mindestens um 50%; außerdem komme ein Erlass in Betracht, da die Kosten des Hauses wesentlich höher seien als die Erträge. Die Beklagte nahm hierzu mit Schreiben vom 18. September 2017 Stellung und bat insbesondere um Vorlage weiterer Unterlagen. Der Kläger zu 1. äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 28. September 2017 und legte insbesondere Unterlagen zur Denkmaleigenschaft vor. Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger zu 1. mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 u.a. mit, dass für eine Entscheidung über den Erlass der Grundsteuer auf Grund der Denkmaleigenschaft ab 2017 ein Zeitraum von drei Jahren herangezogen werde und eine Beurteilung derzeit noch nicht möglich sei. Deshalb würden die künftigen Grundsteuerzahlungen bis 30. September 2020 zinslos gestundet. Bis zu diesem Zeitpunkt seien Nachweise betreffend die Jahre 2017 bis 2019 über die entstandenen Kosten und den erzielten Rohertrag einzureichen. Nach Ablauf der Stundung werde über den Erlassantrag entschieden werden. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 erinnerte die Beklagte an die Vorlage von Nachweisen für den gestellten Erlassantrag und gewährte hierfür letztmalige Frist bis 28. Februar 2020 (gemeint: 2021) und gewährte auch die zinslose Stundung entsprechend. Mit Schreiben vom 12. Februar 2021 erhob der Kläger zu 1. gegen den Bescheid über Grundsteuer B 2021 Widerspruch und führte in diesem Zusammenhang zu den von den Eigentümern getragenen Aufwendungen für das Anwesen aus. Mit Schreiben vom 18. März 2021 forderte die Beklagte den Kläger zu 1. u.a. auf, die Berechnungsgrundlagen für die angesetzte Marktmiete mitzuteilen. Mit Schreiben vom 13. und 14. Juli sowie 5. August 2021 stellte der Kläger zu 1. erneut einen Antrag auf Erlass der Grundsteuer für die Jahre 2017 „und Fortfolgende“ sowohl auf Grund der durch die Denkmaleigenschaft des Anwesens erforderlichen Erhaltungsaufwendungen als auch auf Grund von Billigkeitserwägungen. U.a. wurden ein Schreiben des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Landkreis Starnberg und – auf Nachfrage der Beklagten vom 1. Oktober 2021 – weitere Belege vorgelegt.
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Mit allein den Grundstückseigentümer betreffenden Bescheid der Beklagten vom 12. November 2021, der Bevollmächtigten des Klägers zu 1. am 13. November 2021 zugestellt, wurden der Antrag auf Erlass der Grundsteuer gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG für die Jahre 2017, 2018 und 2019 abgelehnt (Ziffer 1.), der Antrag auf (Teil-)Erlass der Grundsteuer gemäß § 33 Abs. 1 GrStG für die Jahre 2017 bis 2020 abgelehnt (Ziffer 2.), der Antrag auf Erlass der Grundsteuer gemäß § 227 AO für die Jahre 2017 bis 2020 abgelehnt (Ziffer 3.) und die weitere Stundung der Grundsteuer für die Jahre 2017, 2018 und 2019 abgelehnt (Ziffer 4.). Der Bescheid erging kostenfrei (Ziffer 5.). Zur Begründung wurde im Kern ausgeführt, dass für die Jahre 2017, 2018 und 2019 die Voraussetzungen der zitierten Erlassnormen nicht vorlägen. Bezüglich eines Erlasses nach § 32 GrStG (bei Denkmälern wegen Rohertrags unter den jährlichen Kosten) nahm die Beklagte für die Jahre 2017 bis 2019 einen durchschnittlichen Mietwert von 11,00 €/qm an und damit bei einer Wohnfläche von 199 qm einen Jahresrohertrag von 26.268 €. An Ausgaben errechnete die Beklagte maximale Ausgaben von 4.341,61 € (2017), 5.115,20 € (2018) und 4.463,17 € (2019), die mithin geringer seien als der Rohertrag. Bezüglich eines Erlasses nach § 33 GrStG (wegen wesentlicher Ertragsminderung) wurde im Kern ausgeführt, das Anwesen werde vom Eigentümer zu eigenen Wohnzwecken genutzt, weshalb keine Einnahmen erzielt würden. Andererseits würden dadurch eigene Mietzahlungen erspart. Die Ertragslosigkeit sei deshalb vom Eigentümer zu vertreten. Schließlich sei auch eine persönliche Unbilligkeit (§ 227 AO), insbesondere Existenznot, bei derart hochwertigem Immobilienbesitz nicht ersichtlich. Wegen der gleichzeitigen Beendigung der zinslosen Stundung wurde der Kläger zu 1. in den Gründen des Bescheids aufgefordert, für Grundsteuer 2017 bis 2019 insgesamt 633,92 € bis 17. Dezember 2021 zu bezahlen.
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Am 10. Dezember 2021 erhoben die Kläger durch Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München und beantragten,
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I. Der Bescheid der Stadt Starnberg vom 12.11.2021 wird aufgehoben.
Hilfsweise
II. Die Stundung wird für die Jahre 2017, 2018, 2019 und 2020 weitergeführt.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
IV. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten wird für notwendig erklärt.“
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Grundsteuer in Höhe von 633,92 € müsse nicht bezahlt werden. Das Haus der Antragsteller, ein wertvolles Kulturgut, sei seit dem Bezug durch die Kläger und vorher durch die Mutter des Klägers zu 1. nie renoviert worden und wäre in diesem Zustand auf dem freien Markt nicht zu vermieten. Die Heizung sei seit dem Jahr 2002 nicht mehr runderneuert worden und als Ölheizung nicht mehr auf dem neusten Stand der Technik, Warmwasser werde nur durch Boiler zur Verfügung gestellt, das Dach sei wegen der besseren Belüftung nicht gedämmt. Wände und Böden (im Wesentlichen Teppichböden) und die Hauselektrik seien seit 1974 nicht erneuert worden. Die Garagen seien für neuere Fahrzeuge nicht zu benutzen. Das Haus sei in diesem Zustand nicht zu vermieten, deshalb dürften auch keine fiktiven Mieteinnahmen zum Ansatz kommen. Das Haus habe ein offenes Treppenhaus, das wegen des Denkmalschutzes nicht abgeändert werden dürfe, und sei als Einfamilienhaus konzipiert, weshalb auch eine Vermietung einzelner abgeschlossener Räume nicht möglich sei. Da für den Eigentümer kein anderes Haus als Ersatz zur Verfügung stehe, gehe die Klagepartei davon aus, dass hier „ein mietfreies Wohnen besteht, aber nicht zu einem Preis von 2.189 €, sondern zu einem Preis in Höhe von ca. 350 €.“ Auf dem Mietmarkt gebe es solche Objekte nicht, es sei denn, die Mieter renovierten selbst und dies wirke sich dann erheblich auf den Mietpreis der Zukunft aus. Bei einem Haus wie demjenigen der Kläger sei die Ermittlung des Rohertrags und der Vermietbarkeit nicht erforderlich. Die derzeitige Ertragslosigkeit habe der Eigentümer auch nicht zu vertreten. Das Haus sei ihm in diesem Zustand vererbt worden. Ein Erlass komme wegen sachlicher Unbilligkeit infolge Ertragslosigkeit oder Ertragsminderung mit Rechtsanspruch auf den Erlass in Betracht. Der Erhalt der alten Bausubstanz dürfe nicht zu Lasten der jetzigen Bewohner gehen.
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Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2022 beantragte die Beklagte,
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die Klage abzuweisen
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und führte zur Klageerwiderung unter Verweis auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids u.a. aus, dass eine Stundung für das Jahr 2020 im streitgegenständlichen Bescheid nicht geregelt sei. Bei einem Antrag auf Grundsteuererlass nach § 32 GrStG würden stets drei Jahre an einem Stück überprüft. Daher würde eine abschließende Prüfung bezüglich des Jahres 2020 erst innerhalb einer gemeinsamen Prüfung der Jahre 2020, 2021 und 2022 erfolgen. Unter Angabe der Berechnungsgrundlagen wird ausgeführt, dass bei Annahme der höchsten Ausgaben aus dem Jahr 2018 i.H.v. 5.115,20 € sich ein monatlicher Mietpreis von 2,14 €/qm errechne, welcher weit unter dem ortsüblichen Mietwert in St. liege.
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Mit Beschluss vom 4. Januar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 19. Januar 2023, der Klagepartei am 23. Januar 2023 zugestellt, wurde Gelegenheit gegeben, sich zum Erlass eines Gerichtsbescheids zu äußern. Hierauf erfolgte innerhalb der gesetzten Frist keine Äußerung mehr.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dies ist vorliegend der Fall.
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Die Klage ist überwiegend unzulässig, sie ist im Übrigen unbegründet und wäre dies auch, soweit man eine zulässige Klage auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der Grundsteuern 2017, 2018 und 2019 annähme.
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I. Die Klage ist bereits überwiegend unzulässig.
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1. Die Klage ist hinsichtlich der Klägerin zu 2. unzulässig. Sie ist nicht Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks, sie hat gegenüber der Beklagten auch keine Anträge gestellt und die Beklagte hat an sie auch keine Verwaltungsakte gerichtet.
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2. Die Klage ist auch hinsichtlich des Klägers zu 1. überwiegend unzulässig.
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a) Der Hauptantrag des Klägers zu 1., den Bescheid der Beklagten vom 12. November 2021 aufzuheben, ist hinsichtlich der Ziffern 1. mit 3. dieses Bescheids unzulässig. Mit diesen Regelungen lehnte die Beklagte die vom Kläger zu 1. gestellten, auf unterschiedliche gesetzliche Tatbestände gestützten Erlassanträge ab. Statthafte Klage wäre insoweit die – fristgebundene, § 74 Abs. 2 VwGO – Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Für die vom Kläger zu 1. fristgerecht lediglich erhobene Anfechtungsklage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, da die bloße Aufhebung der behördlichen Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts die Rechtsstellung des Klägers zu 1. nicht verbessern würde (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, vor § 40 VwGO Rn. 15 m.w.N.). Eine Auslegung des von der anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers zu 1. ausdrücklich ausformulierten Anfechtungsantrags als (weitergehenden) Verpflichtungsantrag erachtet das Gericht auch unter Berücksichtigung der Klagebegründung nicht mehr als von § 88 a.E. VwGO gedeckt (vgl. hierzu: Wöckel in Eyermann, a.a.O., § 88 VwGO Rn. 9; BVerwG, U.v. 26.4.2018 – 3 C 11.16 – BeckRS 2018, 16069 Rn. 14). Denn die Bevollmächtigte der Kläger hat nicht „schlicht“ statt eines Verpflichtungsantrags einen Anfechtungsantrag gestellt, sondern sie hat den Anfechtungsantrag hinsichtlich des Erlass- und Stundungsregelungen umfassenden gesamten Bescheids mit einem hilfsweise gestellten Verpflichtungsantrag – nur – hinsichtlich der im Bescheid auch abgelehnten und begehrten Stundung der Grundsteuern verbunden. Die Klagebegründung wird dazu korrespondierend – nur im Sinne der begehrten Stundung – eingeleitet mit den Worten „Die Grundsteuer … muss nicht bezahlt werden“; erst am Ende der Klagebegründung wird ohne weitere Rechtsauführungen angeführt, dass davon ausgegangen werde, dass „die Eigentümer“ einen Anspruch auf Steuererlass nach den im Bescheid zitierten Normen hätten. Es ist damit nicht hinreichend deutlich erkennbar, dass und inwieweit das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht.
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b) Soweit beantragt wird, die Stundung für das Jahr 2020 weiterzuführen, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil diesbezüglich noch kein – vorrangig erforderlicher – Antrag bei der Beklagten gestellt wurde. Die Beklagte gewährte dem Kläger zu 1. zuletzt mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 eine zinslose Stundung der Grundsteuern bis 28. Februar 2021. Diese im Zusammenhang mit dem anhängigen Erlassverfahren ausgesprochene Stundung bezog sich ersichtlich auf den beantragten und von der Beklagten klar benannten Überprüfungszeitraum 2017 bis einschließlich 2019. Zwar umfasste der im Juli 2021 vom Kläger zu 1. – erneut – gestellte Erlassantrag („für die Jahre 2017 und Fortfolgende“) wohl auch das Jahr 2020, ein Stundungsantrag für die Grundsteuerbeträge 2020 war damit aber nicht verbunden.
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c) Damit kann die Klage lediglich hinsichtlich des hilfsweise erhobenen Verpflichtungsantrags, zu Gunsten des Klägers zu 1. unter teilweiser Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 12. November 2021 in dessen Ziffer 4. die Stundung der Grundsteuer für die Jahre 2017, 2018 und 2019 weiterzuführen, als zulässig angesehen werden.
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II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet und wäre dies auch, soweit man auch eine zulässige Klage auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass der Grundsteuern 2017, 2018 und 2019 annähme.
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1. Selbst wenn man von einer zulässigen Verpflichtungsklage, gerichtet auf Erlass der Grundsteuern 2017, 2018 und 2019 ausginge, wäre diese unbegründet.
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a) Der Kläger zu 1. hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, einen Erlass der Grundsteuer für die Jahre 2017, 2018 und 2019 nach § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG auszusprechen; die diesbezügliche Ablehnung im streitgegenständlichen Bescheid ist rechtmäßig.
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Nach dieser Norm ist die Grundsteuer für Grundbesitz, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung u.a. für Kunst oder Geschichte im öffentlichen Interesse liegt (diese Voraussetzung ist vorliegend unstreitig), zu erlassen, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten liegen.
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Die Beklagte hat die vom Kläger zu 1. geltend gemachten Aufwendungen im streitgegenständlichen Bescheid, auf den insoweit verwiesen wird, rechnerisch (aber nicht ohne Weiteres inhaltlich, vgl. unten) zutreffend gewürdigt. Substantiierte Einwendungen hiergegen enthält das Klägervorbringen nicht. Auch die Annahme, dass diese jährlichen Kosten in den Jahren 2017, 2018 und 2019 in der Regel den jährlichen Rohertrag nicht erreichen, ist ohne jeden Zweifel zutreffend:
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Dabei braucht gar nicht entschieden zu werden, ob die Beklagte – wofür Einiges spricht – den von der Klagepartei bestrittenen durchschnittlichen Mietwert mit 11,00 €/qm Wohnfläche zutreffend angesetzt hat. Jedenfalls die in der Klageerwiderung angeführte Kontrollüberlegung, dass gemessen an den vom Kläger zu 1. selbst konkret geltend gemachten Aufwendungen (im Jahr der höchsten Aufwendungen 2017: 5.115,20 €) bei einer nicht bestrittenen Wohnfläche von 199 qm ein Rohertrag von maximal 2,14 € monatlicher Miete/qm Wohnfläche angenommen werden dürfte, um den Erlasstatbestand noch zu erfüllen, belegt die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten. Auch und gerade bei Berücksichtigung des von Klägerseite beschriebenen Zustands des Anwesens, seiner Bauart, seiner Wohn- und Nutzflächen und nicht zuletzt seiner Lage im Gebiet der Beklagten erscheint eine derartige Miete bei jeder realistisch denkbaren Betrachtung massiv von jedem marktüblichen und auch tatsächlich zu erzielenden Ansatz entfernt.
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Damit kommt es auch nicht mehr darauf an, dass die Beklagte bei den berücksichtigten Aufwendungen jedenfalls auch, wenn nicht sogar nur solche Aufwendungen berücksichtigt hat, bei denen das von der Rechtsprechung geforderte Kausalitätskriterium (für jede Aufwendung ist zu prüfen, inwieweit ein entsprechender Aufwand auch ohne Denkmalschutz erforderlich wäre, vgl. hierzu im Einzelnen: Frein in Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 5. Aufl. 2022, Teil J Rn. 335 m.w.N.) nicht erfüllt wäre (vgl. z.B. den Ansatz von Abfall- und Abwassergebühren und von Heizöl).
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b) Auch die Ablehnung eines (Teil-)Erlasses der Grundsteuer für die Jahre 2017 bis 2020 nach § 33 Abs. 1 GrStG durch die Beklagte ist rechtlich jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Nach § 33 Abs. 1 GrStG (in der maßgeblichen Fassung) wird die Grundsteuer bei bebauten Grundstücken in Höhe von 25 Prozent (in der Alt. des Satzes 2: 50 Prozent) erlassen, wenn der normale Rohertrag des Steuergegenstandes (die nach den Verhältnissen zu Beginn des Erlasszeitraums geschätzte übliche Jahresrohmiete) um mehr als 50 Prozent (Alt.: 100 Prozent) gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten hat.
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Es kann offen bleiben, ob die Auffassung der Beklagten, der Kläger zu 1. habe wegen der Eigennutzung des Gebäudes die Ertraglosigkeit des Grundstücks zu vertreten, weshalb die Voraussetzungen für einen (Teil-)Erlass nach § 33 GrStG nicht vorlägen, zutrifft (vgl. zum Ansatz eines fiktiven Rohertrags bei eigengenutzten bebauten Grundstücken: OVG NRW, B.v. 10.7.2018 – 14 A 1106/16 – juris Rn. 11 ff.; VG Leipzig, U.v. 27.9.2011 – 6 K 1073/08 – juris Rn. 19). Da es sich bei § 33 GrStG im Zweifel um einen gebundenen Anspruch und nicht um eine Ermessensentscheidung handelt, kommt es insoweit auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids nicht an.
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Zwar kommt ein Grundsteuererlass nach § 33 GrStG nicht nur bei atypischen oder vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht, sondern auch bei strukturell bedingten Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur (BVerwG, U.v. 25.6.2008 – 9 C 8/07 – juris). § 33 GrStG erfordert aber für die Ermittlung der Ertragsminderung, den vom Kläger zu 1. – wegen der Eigennutzung fiktiv – erzielten Ertrag mit dem an Ertrag „Üblichen“ zu vergleichen; § 33 GrStG hebt dabei mit dem „Üblichen“ auf das ab, was andere Objekte vergleichbarer Beschaffenheit an Ertrag bringen (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 15; Halaczinsky in Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Auflage 2020, Kap. 16 Rn. 34). Die vom Kläger zu 1. angeführten, eine ertragbringende Vermietung vermeintlich limitierenden oder gar verhindernden Faktoren (bauart- und denkmalbedingte Beschränkungen der Nutzbarkeit und der Möglichkeiten zu Renovierung, Instandsetzung und ggf. Umbau; alters- und ausstattungsbedingte Minderung des Wohnwerts, schlechter energetischer Standard des Gebäudes, etc.) sind bei Denkmalobjekten vergleichbarer Beschaffenheit typischerweise vergleichbar vorhanden. Limitierende Faktoren auf Grund der konkreten Lage des Objekts oder auf Grund den Wohnwert konkret mindernder, zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretener Umstände (wie z.B. durch ein Brand-, Wasserschaden- oder ähnliches Ereignis) sind weder substantiiert dargetan, noch ersichtlich. Ein nach Aktenlage aber wohl gleichzeitig anzunehmender besonderer Instandhaltungsrückstand des Gebäudes des Klägers zu 1. wäre vom Eigentümer (bzw. seiner Rechtsvorgängerin) zu vertreten und könnte nicht berücksichtigt werden (im Übrigen wurde von Klägerseite nicht ansatzweise dazu vorgetragen, dass und ggf. in welchen zeitlichen Perspektiven geplant sein könnte, diesen Instandhaltungsrückstand abzubauen).
33
Auf die (weitere) Frage, ob der Kläger zu 1., der erst im Jahr 2017 als Erbe Grundstückseigentümer wurde und das Gebäude in dem nun beschriebenen Zustand übernahm, sich in zeitlicher Hinsicht überhaupt auf eine für die Grundsteuern ab 2017 bereits erlassrelevante Ertragsminderung berufen könnte, kommt es damit schon nicht mehr an.
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c) Schließlich bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid, einen Erlass der Grundsteuer für die Jahre 2017 bis 2020 nach § 227 AO abzulehnen.
35
Nach § 227 AO können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen oder erstattet werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
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Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass hinsichtlich sachlicher Billigkeitsgründe § 227 AO neben den im GrStG spezialgesetzlich geregelten Erlasstatbeständen bereits keine Anwendung findet (VG Würzburg, B.v. 26.8.2020 – W 8 E 20.854 – juris Rn. 33; VG Wiesbaden, U.v. 30.6.2015 – 1 K 979/13.WI – juris Rn. 22; Klüger in Koenig, AO, 4. Auflage 2021, § 227 AO Rn. 6 jeweils m.w.N.).
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Persönliche Billigkeitsgründe i.S.v. § 227 AO, insbesondere, dass die Erhebung der konkret im Streit stehenden Beträge die wirtschaftliche oder persönliche Existenz der Kläger vernichten oder ernstlich gefährden würde (so der Maßstab der stRspr., vgl. die Nachweise bei Klüger, a.a.O., § 227 AO Rn. 29), wurde nicht glaubhaft gemacht und sind auch sonst nicht zuletzt bei Betrachtung der absoluten Höhe der in Streit stehenden Grundsteuern nicht ansatzweise ersichtlich.
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2. Auf Grund der vorgenannten Ausführungen, wonach die Beklagte einen Erlass der Grundsteuer für die Jahre 2017, 2018 und 2019 rechtmäßig ablehnen konnte, ist auch nicht ersichtlich, warum die Beklagte verpflichtet sein sollte, die von ihr gewährte zinslose Stundung dieser Steuerbeträge fortzuführen.
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Nach § 222 Abs. 1 AO können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis – i.d.R. nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung – ganz oder teilweise gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte aus persönlichen oder sachlichen Gründen für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. § 222 AO setzt dabei eine momentane erhebliche Härte voraus, sodass eine Stundung nicht in Betracht kommt, wenn es darum geht, die Einziehung der Steuer nicht nur zu verschieben, sondern endgültig zu unterlassen (Oosterkamp in BeckOK AO, Stand 1.10.2022, § 222 AO Rn. 16). Vorliegend ist es ersichtlich Intention des Klägers zu 1., für sein Grundstück dauerhaft keine Grundsteuer zahlen zu müssen. Momentane Härten aus persönlichen oder sachlichen Gründen wurden weder vorgetragen noch wären diese sonst – nicht zuletzt angesichts der relativ geringen absoluten Höhe der im Streit stehenden Beträge – dem Gericht ersichtlich.
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Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO abzuweisen. Soweit die Bevollmächtigte der Kläger beantragte, ihre Hinzuziehung für notwendig zu erklären, bleibt unbeschadet der eine Kostenerstattung ausschließenden Kostengrundentscheidung anzumerken, dass ein behördliches Vorverfahren i.S.v. § 162 Abs. 2 Satz 2, §§ 68 ff. VwGO ohnehin nicht stattfand.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.