VG München, Urteil v. 30.01.2023 – M 8 K 21.2725
Titel:

Entscheidungen nach § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB als gebundene Verwaltungsentscheidungen

Normenketten:
BauGB § 22 Abs. 5 S. 2, S. 3, S. 4, S. 5, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 172 Abs. 1 S. 4, § 173 Abs. 1 S. 1 Hs. 2
BayDVWoR § 5
Leitsatz:
Es handelt sich bei den Genehmigungstatbeständen des § 172 Abs. 4 S. 3 BauGB um gebundene Entscheidungen. Soweit die Voraussetzungen vorliegen, ist die Genehmigung zu erteilen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Genehmigungsfiktion (verneint), Genehmigungsanspruch nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB bei zuvor vereinbarten Aufteilungsverbot in Abwendungserklärung des Vorkaufsrechts (bejaht), Fehlendes Sachbescheidungsinteresse (verneint), Genehmigung, Genehmigungsfiktion, Vorkaufsrecht, Baurecht, Erhaltungssatzung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1541

Tenor

I. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheids vom 16. April 2021 verpflichtet, der Klägerin die am 8. Februar 2021 beantragte Genehmigung auf Umwandlung von Wohnungseigentum nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB zu erteilen. 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Erteilung der Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum.
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Sie ist Eigentümerin des Grundstücks …str. 11, FlNr. …, Gem. … …, das mit einem Gebäude bebaut ist (im Folgenden: streitgegenständliches Gebäude), das im Erdgeschoss teilweise gewerblich und im Übrigen zu Wohnzwecken genutzt wird. Die Wohneinheiten 1-4 und 17 sind in Sondereigentum nach dem WEG aufgeteilt, verbunden mit jeweiligen Miteigentumsanteilen am Grundstück. Die Wohneinheiten 5-11 und 13-16 (Wohneinheit 12 existiert nicht) sind in einem Miteigentumsanteil gebündelt.
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Der vorgenannte Grundbesitz liegt im räumlichen Geltungsbereich der Satzung „…“ der Beklagten zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB („Erhaltungssatzung …“) vom 1. April 2022, beschlossen am 23. März 2022. Die davor gültige Erhaltungssatzung „…“ vom 21. April 2017 (MüABl. S. 164 f.) trat mit Bekanntmachung der Satzung am 1. April 2022 außer Kraft.
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Zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts der Beklagten am streitgegenständlichen Anwesen gab die Klägerin am 22. Mai 2018 eine Erklärung zur Abwendung des gesetzlichen Vorkaufsrechts ab, in der sie sich insbesondere verpflichtete, eine Aufteilung des Objektes in Wohnungseigentum nach dem WEG oder eine ähnliche Aufteilung in Verbindung mit Sondernutzungsrechten zu unterlassen (Ziffer II. der Erklärung). Diese Unterlassungsverpflichtung wurde für den Zeitraum vereinbart, in dem das Anwesen im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung der Beklagten liegt, längstens aber zehn Jahre ab Abgabe der Erklärung (Vorbemerkung der Erklärung). Die Beklagte nahm diese Erklärung am 24. Mai 2018 an.
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Am 8. Februar 2020 (Eingangsdatum bei der Beklagten) beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Umwandlung der Wohneinheiten 5-11 und 13-16 in Sondereigentum. Sie gab hierbei unter ´Gründe für die Umwandlung´ im Formblatt an, sie verpflichte sich, innerhalb eines Zeitraums von 7 Jahren ab der Begründung des Wohnungseigentums, Wohnungen nur an die Mieter/-innen zu veräußern (§ 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB). Der Antrag wurde von dem Vertreter der Klägerin unterschrieben. Neben der Begründung des Antrags waren dem Antrag aktuelle Grundbuchauszüge und eine Teilungserklärung beigefügt.
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Mit Zwischenbescheid vom 23. Februar 2021 verlängerte die Beklagte die einmonatige Frist zur Bearbeitung des Antrags um drei Monate bis 8. Juni 2021. In den Gründen führte die Beklagte aus, nach Unterzeichnung des Aufteilungsverbots in der Abwendungserklärung des Vorkaufsrechts sei eine Aufteilung des Objekts in Wohnungseigentum nach dem WEG für die Geltungsdauer der Erklärung zu unterlassen. Da die Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB daher rechtswidrig sei, werde beabsichtigt, diese abzulehnen. Aus diesen Gründen sei die Frist für die Bearbeitung des Antrags jedoch nicht ausreichend. Es werde Gelegenheit gegeben, sich innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens zum Sachverhalt zu äußern.
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Die Klägerin führte mit Schriftsatz vom 10. März 2021 aus, die Genehmigungsvoraussetzungen lägen vor, sodass die Genehmigung zu erteilen sei. Die zwischen der Beklagten und der Klägerin abgeschlossene Abwendungsvereinbarung habe rein schuldrechtlichen Charakter. Die beabsichtigte Teilung sei nicht geeignet, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung vor Ort zu verändern. Die Wohnungen seien zur Altersvorsorge erworben worden. Ungeteilt könne diese Investition erhebliche negative Auswirkungen auf die große und inhomogene Eigentümerstruktur haben. Das Teilungsverbot sei unverhältnismäßig, da mildere Mittel zur Verfügung stünden.
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Mit Bescheid vom 16. April 2021 lehnte die Beklagte die Erteilung der Genehmigung zur Begründung von Wohnungseigentum für den im Betreff genannten Wohnraum ab (Ziffer 1) und setze Kosten für den Bescheid von 222,19 EUR fest (Ziffer 2). Die Beklagte begründete die Ablehnung der Genehmigung im Wesentlichen damit, dass das in der Abwendungsvereinbarung enthaltene Aufteilungsverbot dem Genehmigungsanspruch entgegenstünde. Während der Dauer der Abwendungsvereinbarung bestehe kein Anspruch auf Aufteilung. Es gelte der Grundsatz „pacta sunt servanda“. Hieran ändere auch die Vertragsstrafenregelungen nichts, da diese für den Fall gälte, dass die Aufteilung trotz Abwendungserklärung durchgeführt werde. Der Bescheid wurde der Klägerin am 23. April 2021 zugestellt.
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Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 18. Mai 2021 erhob diese am 21. Mai 2021 Klage gegen den Bescheid vom 16. April 2021. Sie beantragt,
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I. Der Bescheid der Beklagtem vom 16.04.2021, Az. …, zugestellt am 23.04.2021, wird aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, die unter dem 05.02.2020 beantragte Genehmigung zur Begründung von Wohnungseigentum für den im Betreff des streitgegenständlichen Bescheids genannten Wohnraum zu erteilen.
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Die Klagepartei trug insbesondere vor, die Genehmigungsfiktion des § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB sei eingetreten, da die Beklagte keine Gründe für die Fristverlängerung genannt habe und die dreimonatige Fristverlängerung nur aus gewichtigen Gründen ausgeschöpft werden könne. Der Ablehnungsbescheid enthalte gegenüber dem Zwischenbescheid keine neuen Gesichtspunkte. Die Fehlerhaftigkeit der Fristverlängerung führe zu deren Unwirksamkeit. Ausweislich eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 (4 C 1/20) habe gem. § 26 Nr. 4 BauGB kein Vorkaufsrecht bestanden. Die mit der Beklagten geschlossene Abwendungsvereinbarung verstoße gegen das Kopplungsverbot des Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, da die Unterlassung der Aufteilung des Objekts in Wohnungseigentum oder eine ähnliche Aufteilung in Verbindung mit Sondernutzungsrechten eine unzulässige Gegenleistung darstelle. Anders als das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Beschluss vom 9. September 2022 (19 L 112/22) es annehme, sei das Kopplungsverbot auch hier anzuwenden, da kein Vergleichsvertrag vorliege. Selbst wenn man jedoch annehme, dass auch ein Vergleichsvertrag vorliege, könne die Nichtanwendbarkeit des Art. 59 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG bei gemischten Verträgen nicht angenommen werden, ohne sich mit dem Schwerpunkt eines solchen gemischten Vertrags auseinanderzusetzen. Dieser liege hier in dem Austausch der unterschriebenen Abwendungserklärung einerseits und der Erteilung des Negativzeugnisses andererseits. Zudem sei eine Kündigung der Abwendungsvereinbarung nach Art. 60 BayVwVfG möglich. Durch die nachträgliche Feststellung des Nichtbeststehens des Vorkaufsrechts habe sich die Rechtslage so wesentlich geändert, dass nicht anzunehmen sei, dass die Klägerin die Abwendungsvereinbarung mit demselben Inhalt geschlossen hätte. Ein Festhalten am Vertrag sei ihr unzumutbar, da die Folgen der Verhältnisänderung den Risikorahmen überschritten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen habe. Durch eine Vertragsanpassung könne das Missverhältnis nicht beseitigt werden. Die Klägerin wolle die Immobilie für mindestens 10 Jahre zur Altersvorsorge halten. Die Teilung diene der Strukturierung der Erbschafts- und Vermögensverhältnisse.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Vertreter der Beklagten führte im Wesentlichen aus, die Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten, da die Frist wegen der vorgelagerten Problematik der Abwendungserklärung nicht ausreichend und eine Rücksprache mit der Rechtsabteilung notwendig gewesen sei. Die Beklagte habe die Einwände des Vertreters der Klägerin prüfen müssen. Der Angemessenheit der Fristverlängerung stehe nicht entgegen, dass diese nicht voll ausgeschöpft worden sei. Des Weiteren bestehe kein Anspruch auf die Genehmigung, da die Abwendungserklärung ein Aufteilungsverbot enthalte. Die Einwände gegen die Abwendungserklärung hätten in den stattgefundenen Verhandlungen vorgebracht werden können. Das Gesetz knüpfe an die Aufteilung der Wohnungen, nicht deren Verkauf an, um die Verdrängung der angestammten Bevölkerung zu verhindern. Die Aufteilung stelle eine abstrakte Gefahr für die Verdrängung der Wohnbevölkerung dar. Zwar unterliege die Klägerin mehr Beschränkungen als andere Eigentümer, dies sei aber sachgerecht, da sie dies freiwillig eingegangen sei und zu dem Zeitpunkt des Abschlusses der Abwendungsvereinbarung noch keine Eigentümerposition innegehabt habe. Während der Dauer der Abwendungserklärung sei § 172 BauGB nicht anwendbar.
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In der Sache wurde am 30. Januar 2023 mündlich verhandelt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung, die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg, da die Klägerin einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung hat, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da die begehrte Genehmigung nicht aufgrund der Genehmigungsfiktion nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB als erteilt gilt.
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Gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BauGB sind die Vorschriften des § 22 Abs. 5 Sätze 2 bis 5 BauGB entsprechend anzuwenden. Nach § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB ist über die Genehmigung innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrages bei der Baugenehmigungsbehörde zu entscheiden. Kann die Prüfung des Antrages in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden, ist die Frist vor ihrem Ablauf in einem dem Antragsteller mitzuteilenden Zwischenbescheid um den Zeitraum zu verlängern, der notwendig ist, um die Prüfung abschließen zu können; höchstens jedoch um 3 Monate (§ 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB). Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird (§ 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB).
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Der Genehmigungsantrag der Klägerin ist bei der Beklagten am 8. Februar 2021 eingegangen, sodass die einmonatige Frist am 9. Februar 2021 begann (vgl. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mit Zwischenbescheid vom 23. Februar 2021 und damit vor Ablauf der Einmonatsfrist hat die Beklagte die Frist zur Entscheidung wirksam verlängert.
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Dem steht nicht entgegen, dass – wie die Klägerin vorbringt – hinreichend gewichtige Gründe für die Verlängerung nicht vorlagen bzw. die Beklagte die Verlängerung der Frist nicht ausreichend begründet hätte. Die Beklagte hatte sich vorliegend mit komplexen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Aufteilungsverboten in Abwendungserklärungen und deren Auswirkungen auf eine Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB zu beschäftigen, die einen erheblichen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Auch die Ausschöpfung der Höchstfrist von vier Monaten erscheint vor diesem Hintergrund nicht unangemessen. Selbst wenn man annehmen würde, dass die Verlängerung um die Höchstfrist nur bei entsprechend gewichtigen Gründen ausgeschöpft werden dürfe, eine „automatische“ Verlängerung um drei Monate unzulässig sei, so setzt die Verlängerung zumindest eine angemessene Frist in Lauf (vgl. Grziwotz in: BeckOK BauGB, Stand: September 2022, § 22 Rn. 37), die vorliegend mit Bescheid vom 16. April 2022 eingehalten wurde. Der Einwand der Klägerin, die Verlängerung der Frist sei nicht ausreichend begründet worden, da in der Begründung der Verlängerung lediglich die Gründe genannt worden seien, auf die auch die Ablehnung der Genehmigung gestützt worden sei, verfängt nicht, da die inhaltliche Richtigkeit der Begründung keine Frage der Begründungspflicht ist (vgl. Schuler-Harms in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 39 Rn. 55; nach Söfker/Meurers in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: August 2022, § 22 Rn. 54b ist auch der Zwischenbescheid ein Verwaltungsakt, der jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnis nicht selbstständig anfechtbar sei) und eine besondere Begründung der Verlängerungspflicht gesetzlich nicht vorgeschrieben ist (vgl. Söfker/Meurers in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: August 2022, § 22 Rn. 54b).
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2. Die Klage ist auch begründet.
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Die Begründung von Wohnungseigentum ist vorliegend genehmigungspflichtig (2.1.). Der Klägerin fehlt infolge des vereinbarten Aufteilungsverbots in der Abwendungsvereinbarung nicht das Sachbescheidungsinteresse (2.2.). Die Genehmigung ist nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB zu erteilen, da die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm vorliegen (2.3.).
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2.1. Die Begründung von Wohnungseigentum bedarf der Genehmigung der Beklagten, § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i.V.m. § 5 DVWoR. Das streitgegenständliche Gebäude liegt im Geltungsbereich der Erhaltungssatzung „…“ gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB vom 1. April 2022. Die Bayerische Staatsregierung hat in § 5 DVWoR bestimmt, dass für Grundstücke in Gebieten einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum gem. § 1 WEG an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, bis 28. Februar 2024 nicht ohne Genehmigung der Gemeinde erfolgen darf.
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2.2. Das allgemeine Sachbescheidungsinteresse steht der Erteilung der Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB vorliegend nicht entgegen.
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Das allgemeine Sachbescheidungsinteresse fehlt nur dann, wenn offensichtlich ist, dass der Antragsteller von der beantragten Genehmigung keinen Gebrauch machen kann, weil sich bestehende Hindernisse schlechthin nicht ausräumen lassen; die Genehmigung mithin für den Begünstigten „nutzlos“ ist, da der Anspruch nicht geeignet ist, zur Verbesserung der subjektiven Rechtsstellung der Klägerin beizutragen. Hinderungsgründe lassen sich dabei sowohl aus dem Zivilrecht als auch öffentlichen Recht herleiten (vgl. BayVGH, U.v. 11.6.2014 – 2 B 13.2555 – juris Rn. 26; BVerwG, U.v. 17.10.1989 – 1 C 18/87 – BVerwGE 84, 11; B.v. 20.7.1993 – 4 B 110/09 – juris Rn. 3 m.w.N.). Zwar hat sich die Klägerin in Ziffer II. der Abwendungserklärung vom 24. Mai 2018 verpflichtet, die Begründung von Wohnungseigentum für einen Zeitraum von maximal 10 Jahren zu unterlassen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Erteilung der Genehmigung nutzlos wäre. Denn einerseits unterliegt die Klägerin diesem Aufteilungsverbot nur noch ca. fünf Jahre. Die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB lässt sich nach Ablauf dieses Zeitraums nutzen, da diese Genehmigung weder zeitlich befristet ist noch ohne Ingebrauchnahme erlischt (wie beispielsweise die Baugenehmigung nach Art. 69 Abs. 1 BayBO). Andererseits ist – wie die Parteien ausführlich vorbringen –, die Wirksamkeit dieser Abwendungsvereinbarung in Streit, da ein Vorkaufsrecht der Beklagten nach § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unter Zugrundelegung einer neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.11.2021 – 4 C 1/20 – juris) wohl nicht bestand. Ob diese Abwendungsvereinbarung unwirksam oder kündbar ist, sind ungeklärte Rechtsfragen (vgl. hierzu: VG Berlin, B.v. 9.9.2022 – VG 19 L 112/22 – juris, das insoweit annimmt, dass kein Verstoß gegen das Kopplungsgebot vorliege, jedoch eine Kündigung des Vertrags möglich sei; außerdem: Putzer NVwZ 2022, 222 (224), Kronisch NJ 2022, 88/89). Damit ist es nur ungewiss, ob in den nächsten fünf Jahren von der Genehmigung Gebrauch gemacht werden kann ohne die Verhängung einer Vertragsstrafe wegen Verstoß gegen das Aufteilungsverbot zu riskieren. Es kann jedoch nicht angenommen werden, dass das Hindernis aus der Abwendungsvereinbarung schlechthin nicht ausräumbar sei. Die bloße Ungewissheit, ob die begehrte Genehmigung angesichts anderer Bindungen genutzt werden kann, reicht zur Annahme eines fehlenden Sachbescheidungsinteresses nicht aus.
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2.3. Es besteht ein Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung zur Begründung von Wohnungseigentum nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB.
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Der Vortrag der Beklagten, aus der Rechtsprechung der erkennenden Kammer (U.v. 8.5.2017 – M 8 K 15.4772 – n.v.) ergebe sich, dass der Anwendungsbereich des § 172 BauGB nicht eröffnet sei, solange die Bindungsfrist der Abwendungserklärung greife, verfängt nicht. Denn diese Entscheidung enthält eine solche Aussage nicht und ist mit vorliegendem Sachverhalt nicht vergleichbar. Diese Entscheidung hatte zum Gegenstand, ob eine Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum nach § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB nach Ablauf der Bindungsfrist in der Abwendungserklärung zu erteilen ist. In dieser Entscheidung wurde der Umstand, dass der damaligen Klägerin aufgrund der Bindung der Abwendungserklärung die Begründung von Wohnungseigentum über einen längeren Zeitraum verwehrt blieb, zur Begründung eines atypischen Falls herangezogen, sodass auch bei Vorliegen eines Versagungsgrundes eine Genehmigungserteilung nach pflichtgemäßen Ermessen in Betracht käme.
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Es handelt sich bei den Genehmigungstatbeständen des § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB um gebundene Entscheidungen. Soweit die Voraussetzungen vorliegen, ist die Genehmigung daher zu erteilen. Nach § 172 Abs. 4 Satz BauGB muss sich der Eigentümer verpflichten, innerhalb von sieben Jahren ab der Begründung von Wohnungseigentum Wohnungen nur an die Mieter zu veräußern. Dies hat die Klägerin vorliegend in ihrem Antragsformular vom 5. Februar 2021 – durch Ankreuzen der entsprechenden Alternative und Unterschrift des Vertreters – getan. Ein darüber hinausgehendes Versagungsermessen räumt das Gesetz der Beklagten nicht ein.
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Der Beklagte kann in der Genehmigung weiter bestimmen, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum der Genehmigung bedarf und diese Genehmigungspflicht ins Grundbuch eintragen (vgl. § 172 Abs. 4 Satz 4 und 5 BauGB).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.