LG München I, Endurteil v. 10.03.2023 – 22 O 2030/21
Titel:
Zulässigkeit von sog. Negativ-Zinsen bei Girokonten in AGB einer Bank
Normenkette:
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 675f Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank enthaltene Klausel, nach der für ein Bankguthaben auf Girokonten, eröffnet ab dem 1.6.2020 ab 5.000,01 Euro ein Verwahrentgelt von 0,5% p. a. anfällt, ist einer AGB-Kontrolle als Preishauptabrede nicht zugänglich. (Rn. 15 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine in AGB einer Bank vorgesehene Klausel über Verwahrentgelte (Negativ-Zinsen) unterliegt als Preishauptabrede nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 307 ff. BGB. (Rn. 15 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Girokonto, Bank, AGB-Kontrolle, Verwahrentgelt, Negativ-Zinsen, Preishauptabrede, Preisnebenabrede
Rechtsmittelinstanz:
OLG München vom -- – 5 U 1561/23 e
Fundstellen:
ZIP 2024, 226
ZBB 2024, 155
EWiR 2024, 101
BKR 2023, 400
LSK 2023, 12296
BeckRS 2023, 12296
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zulässigkeit sog. „Negativ-Zinsen“.
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Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKIaG. Die Beklagte ist eine Bank mit Sitz in …. Die Beklagte bietet die Girokonten „Privatkonto K...“ und „Privatkonto O...“ sowie das „Privatkonto Cl...“ für ihre Kunden an. Für die Girokonten erhebt die Beklagte Kontoführungsgebühren. Für das Konto „Privatkonto Cl...“ betragen diese monatlich 4,50 € bzw. 3,50 € für Mitglieder mit monatlichem Gehaltseingang.
3
Die Beklagte hat einen Preisaushang in den Verkehr gebracht, der in Bezug auf das „Privatkonto Cl...“ eine Regelung enthält, in welcher u.a. ein Verwahrentgelt in Höhe von minus 0,50 % p.a. für Konten eröffnet ab dem 01.06.2020 vorgesehen ist. Die Beklagte sah darin weiter vor, dass dieses Verwahrentgelt ab einem Habensaldo von 5.000 EUR pro Kunde auf das erste Girokonto, für Mitglieder mit Gehaltseingang erst ab einem Saldo von 10.000 EUR und bei weiteren Girokonten ab einem Habensaldo von 0,01 EUR erhoben wird. Eine rückwirkende Einbeziehung auf bestehende Verträge erfolgte nicht. Zum 01.08.2022 stellte die Beklagte die Berechnung von Verwahrentgelten ein.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Preisaushang gem. Anlage K 2 vollumfänglich Bezug genommen.
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Der Kläger meint, die Erhebung eines solchen Verwahrentgeltes durch die Beklagte sei unzulässig. Die von der Beklagten verwendete Klausel sei unwirksam, da diese gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. §§ 675f Abs. 5 S. 1, 700 Abs. 1, 488 Abs. 1 S. 2 BGB verstoße. Da es sich um eine kontrollfähige Preisnebenabrede handle, sei sie einer Inhaltskontrolle nicht entzogen. Die Klage sei im Übrigen unabhängig davon zulässig, ob die Beklagte neben dem Preisaushang auch individuelle Vereinbarungen mit den Kunden treffe.
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Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträge über Zahlungsdienste mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
Privatkonto Cl...
Rechnungsabschluss 1/4-jährlich |
Kontoführung monatlich |
4,50 EUR |
|
für Mitglieder mit Gehaltseingang ***) |
Kontoführung monatlich |
3,50 EUR |
[…]
Verwahrentgelt für Konten eröffnet ab dem 01.06.2020 ...) minus 0,50 % p.a.
Der Mitgliedervcrtail wird frühestens zum 1. des Folgemonats, nachdem die Einzahlung in voller Höhe auf den Geschäftsanteil der Mitgliedschaft geleistet wurde, gewährt. Bei Gemeinschaftskonten muss jeder Kontoinhaber Mitglied sein.
Verwahrentgelt ab einem Habensaldo von 5.000 EUR pro Kunde auf das erste Girokonto. Für Mitglieder mit Gehaltseingang wird das Verwahrentgelt erst ab einem Saldo von 10.000 EUR für das erste Girokonto erhoben. Sei weiteren Girokonten gilt das Verwahrentgelt ab einem Habensaldo von 0,01 EUR.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 210,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung
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Die Beklagte behauptet, dass bei seit dem 01.06.2020 eröffneten Konten keine pauschale Einbeziehung der Regelungen über das Verwahrentgelt über den Preisaushang erfolgt sei, sondern ein mündlicher Vertragsabschluss erfolgt sei. Erst in der späteren Anlagebestätigung werde auf den Preisaushang verwiesen. Die Beklagte ist der Meinung, die mit der Klage angegriffene Vereinbarung über ein Verwahrentgelt verstoße nicht gegen AGB-rechtliche Vorschriften. Die Entgegennahme und Verwahrung von Einlagen der Kunden sei eine vergütungsfähige Hauptleistung der Beklagten, weshalb die Verwahrentgelte gem. § 307 Abs. 3 BGB als kontrollfreie Preishauptabrede rechtmäßig vereinbart werden könnten. Die Vereinbarung eines Verwahrentgelts sei vor dem Hintergrund des anhaltenden Niedrig- und Negativzinsumfeldes erfolgt. Denn die geringe Nachfrage nach Kapital bei gleichzeitig wachsendem Angebot an Kapital habe auf den Zins, der den Preis für die Überlassung von Kapital widerspiegele, einen senkenden Einfluss.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 07.03.2022 Hinweis erteilt, auf die vollumfänglich Bezug genommen wird (vgl. Bl. 117/119 d.A.).
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Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Das Gericht hat mit Beschluss vom 20.02.2023 (Bl. 168 d.A.) die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.
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Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
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Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 1 UKIaG auf das geltend gemachte Unterlassungsbegehren.
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1. Zwar hat die Beklagte mit dem Anbringen der streitgegenständlichen Klauseln im Preisaushang Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne § 305 Abs. 1 BGB verwendet. Der Preisaushang ist unstrittig eine Allgemeine Geschäftsbedingung, da er für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist und den Vertragsinhalt zwischen Bank und Kunde definiert und gestaltet. Es handelt sich hierbei um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen. Unerheblich dabei ist, dass die Beklagte nach eigenem Vortrag mit den Kunden weitere Vereinbarungen trifft und gesondert auf die Klausel verweist. Sie bleibt dennoch eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Klausel. Denn es wird mit den Kunden auch nach der bestrittenen Darstellung der Beklagten gerade keine ausgehandelte Individualvereinbarung getroffen.
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2. Allerdings verstößt die von dem Kläger kritisierte Klausel über Verwahrentgelte nicht gegen die §§ 307-309 BGB, so dass die Voraussetzungen des § 1 UKIaG nicht erfüllt sind. Als Preishauptabrede unterliegt die angegriffene Klausel nicht der Inhaltskontrolle.
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a) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegenstand der Inhaltskontrolle solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Keiner Inhaltskontrolle unterliegen demgegenüber Abreden über den unmittelbaren Gegenstand des Vertrages, also diejenigen Bestimmungen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Hauptleistung und das vom anderen Teil zu zahlende Entgelt festlegen. Hauptleistungspflichten sind dabei nach allgemeinen Grundsätzen nur die für die Eigenart des jeweiligen Schuldverhältnisses prägenden Bestimmungen, die für die Einordnung in die verschiedenen Typen der Schuldverhältnisse entscheidend sind (vgl. BGHZ 195, 298 Rn. 23 m.w.N.). Nur Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen abweichend vom Gesetz oder der nach Treu und Glauben geschuldeten Leistung einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind inhaltlich zu kontrollieren. Nicht kontrollfähig sind danach Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung bestimmen oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (sog. Preishauptabreden; vgl. BGH WM 2017, 1744 Rn. 20). Denn Leistung und Gegenleistung können von den Vertragsparteien nach dem Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden; mangels gesetzlicher Vorgaben fehlt es daher insoweit an einem Kontrollmaßstab. Es sei denn, das Gesetz selbst enthält Vorgaben für die Preisgestaltung (vgl. BGH WM 2015, 639).
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Kontrollfähig sind hingegen sog. Preisnebenabreden, d.h. Klauseln, die sich nur mittelbar auf den Preis auswirken und an deren Stelle bei Fehlen einer wirksamen vertraglichen Regelung dispositives Gesetzesrecht, allgemeine Rechtsgrundsätze oder aus der Natur des Vertrages im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ableitbare Rechte treten können und Regelungen, die kein Entgelt für eine Leistung zum Gegenstand haben, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, sondern mit denen der Verwender allgemeine Betriebskosten oder Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden abwälzt (vgl. BGH XI ZR 387/15; BGH XI ZR 166/14 Rn. 16 und BGH XI ZR 768/17 Rn. 23). Darüber hinaus sind kontrollfähig auch Klauseln, die von gesetzlichen Preisregelungen abweichen (BGH XI ZR 388/14 Rn. 18).
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b) Die streitgegenständliche Klausel ist nach diesem Prüfmaßstab als Preishauptabrede zu qualifizieren, da sie eine Hauptleistungspflicht der Beklagten aus dem Girovertrag mit ihren Kunden betrifft: die Verwahrung der Gelder.
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Kontoführung und Guthabenverwahrung sind gerade keine deckungsgleichen Leistungen. Denn die Darlehens- oder Verwahrfunktionen des Zahlungskontos sind als eigenständige Funktionen des jeweiligen Giroverhältnisses zu verstehen (vgl. BeckOK/Schmalenbach § 675 f BGB Rn. 10b; Staudinger/Rodi (2022) Anh zu §§ 305-310 BGB Rn F 92; MünchKomm-HGB/Herresthal Bd. 6, A Das Giroverhältnis Rn. 549). Danach ist die streitgegenständliche Klausel als Preishauptabrede für die von der Beklagten vorgenommene Verwahrung der Gelder der Kunden anzusehen und somit kontrollfrei. Denn sie bestimmt unmittelbar den Preis, den die Kunden dafür zu entrichten haben, dass ihr Geld bei der Beklagten verwahrt bleibt.
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aa) Ein Girovertrag selbst ist unter anderem Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f Abs. 2 BGB. Hauptleistungspflichten, soweit das Girokonto Zahlungsdiensterahmenvertrag ist, sind regelmäßig die vom Geldinstitut als Zahlungsdienstleister zu erbringenden Zahlungsdienste (BGH XI ZR 768/17 Rn. 25). Vereinbarungen im Girovertrag können dabei Bedingungen sein, die die Pflicht zur Führung des Zahlungskontos und damit den Zahlungsdiensterahmenvertrag ausgestalten, oder eine Vereinbarung zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer, die mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag lediglich i.S.d. § 675 f Abs. 2 S. 2 zusammenhängt (vgl. BeckOKG/Foerster § 675f BGB Rn. 33). Darüber hinaus kann dieser Rahmenvertrag Bestandteil einer weitergehenden Abrede oder mit weiteren Verträgen verbunden sein und damit weitere Hauptleistungspflichten enthalten.
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Das typische Girokonto ist somit eine rechtlich und technisch weiterentwickelte Form des einfachen Zahlungskontos, das über die Verpflichtung der Bank zu Zahlungsdiensten hinaus regelmäßig noch die Pflicht der Bank zu weiteren Bankdienstleistungen umfasst, namentlich das Kreditgeschäft, das Wechsel- oder Scheckinkasso, die Nutzung einer Kreditkarte und/oder einer D.-Karte sowie die unregelmäßige Verwahrung der Gelder (vgl. OLG Dresden BKR 2022, 247). Die Beschränkung des eigentlichen Zahlungsdiensterahmenvertrags auf Zahlungsdienste gemäß § 675 c Abs. 1 steht dabei der Einordnung von Tätigkeiten, die beispielsweise kein Zahlungsdienst sind bzw. als Nebenpflichten auf einem solchen beruhen, als unselbständige Vertragsbestandteile des Zahlungsdiensterahmenvertrags entgegen (BeckOGK/Foerster § 675 f BGB Rn. 42). Selbstständige Zusatzvereinbarungen über Leistungen, die selbst keine Zahlungsdienste sind (Dispositionskredit oder aber die unregelmäßige Verwahrung von Kontoguthaben) unterliegen vielmehr denjenigen Regelungen, denen sie auch ohne Verknüpfung mit einem Zahlungsdiensterahmenvertrag unterlägen (Schimansky/Bunte/Lwowski/Schmieder, Bankrechts-Handbuch, 5. Auflage, § 47 Rn. 1 a f.) – vorliegend damit dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung (BeckOG/Schmalenbach, § 675 f BGB Rn. 43; MüKoBGB/Henssler § 700 BGB Rn. 16, 17).
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§ 675f Abs. 2 S. 2 BGB stellt ausdrücklich fest, dass die Erbringung weiterer Bankdienstleistungen über die bloße Kontoführung und die Abwicklung von Zahlungsaufträgen hinaus bei einem Zahlungsdiensterahmenvertrag zulässig ist. Hauptleistungspflichten im Rahmen des Girovertrags sind somit zum einen die vom Geldinstitut als Zahlungsdienstleister zu erbringenden Zahlungsdienste, zum anderen die weiteren zwischen den Parteien zulässig vereinbarten Bankdienstleistungen.
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bb) Somit umfasst das Giroverhältnis regelmäßig noch weitere Leistungen der Bank, die dem Zahlungsdiensterecht nicht notwendig unterliegen, wie die Nutzung von Kreditkarten oder die unregelmäßige Verwahrung (vgl. Fandrich/Karper/Zahrte, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Auflage, § 5 Rn. 34). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Darlehens- (§§ 488 ff. BGB) und unregelmäßigen Verwahrungsverhältnisse (§ 700 BGB), die auf Grundlage des Giroverhältnisses durch Ein- und Auszahlungen auf bzw. vom Girokonto begründet oder erfüllt werden. Diese Darlehens- und Verwahrungsfunktion des Girokontos ist für den Girovertrag auch nach Inkrafttreten des Zahlungsdiensterechts nach wie vor charakteristisch und damit weiterhin Hauptleistungspflicht (vgl. BGH BKR 2020, 91 Rn. 26; Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Auflage 2022, § 26 Rn. 1 b). Wie der BGH ausgeführt hat, dient ein Girokonto eben nicht nur der Abwicklung von Zahlungen, sondern erfüllt zugleich die Funktion einer sicheren Aufbewahrung von Geldern für die Nutzer des Kontos (vgl. BGHZ 206, 305 Rn. 41). Die Verwahrung ist daher gerade keineswegs notwendiger Bestandteil des Zahlungsdienstes, sondern eine eigenständige Abrede unter dem Dach des Girovertrags (vgl. Rodi EWiR 2022, 289; Kropf in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 3.850). Der Verbleib der Gelder auf einem Girokonto steht gerade nicht zwingend in einem direkten Zusammenhang mit einem konkreten Zahlungsauftrag. So dient ein Girokonto nicht nur der Abwicklung von Zahlungen, sondern zugleich auch der dauerhaften Aufbewahrung der Gelder des Zahlungsdienstnutzers. Das Interesse des Kunden bei Errichtung des Girokontos zielt auch darauf, das Risiko des Verlustes oder der Vernichtung der Gelder zu vermeiden. Der Einwand, die Verwahrung der Gelder auf dem Konto sei eine notwendige Voraussetzung für die Durchführung von Zahlungsdiensten und damit integraler Bestandteil des Zahlungsdienstevertrags, greift daher zu kurz. Denn auf Kundenseite besteht zugleich ein Interesse (und zwar nicht nur als Nebenzweck des Girovertrags) an einer sicheren Aufbewahrung der Gelder unter Vermeidung der mit der Bargeldhaltung verbundenen Kosten. Dies zeigen auch die regelmäßigen Presseberichte über die hohen Geldbestände auf Girokonten. Insbesondere vor dem Hintergrund der lang anhaltenden Niedrigzinsphase dürfte der Verwahrungskomponente aktuell ein stärkeres Gewicht zukommen als in früheren Hochzinsphasen.
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Dabei ist auch darauf zu verweisen, dass auch in Hochzinsphasen die Verwahrung der Gelder nicht ohne geldwerte Vorteile für die Banken erfolgte, da nicht der volle erwirtschaftete Zins weitergegeben wurde (vgl. OLG Dresden BKR 2022, 247 Rn. 32; Freitag JZ 2022, 132, 135; Peterek in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 9.118). Somit war es auch bisher üblich, dass die Kunden den Banken für die Verwahrung ihrer Gelder letztlich ein Entgelt entrichteten. Daher führt auch der Einwand, die Beklagte verlange für das Konto bereits Kontoführungsgebühren, nicht zu einem anderen Ergebnis (so auch Beyer WuB 2022, 357). Vielmehr sind unterschiedliche Hauptleistungspflichten betroffen. Die Kontoführung und Guthabenverwahrung sind wie gezeigt keine deckungsgleichen Leistungen. Das Kontoführungsentgelt knüpft nicht an ein Kontoguthaben an, sondern bepreist die Möglichkeiten zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr (vgl. Peterek in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Rn. 9.120). Denn ein Konto kann auch ohne Guthaben oder im Soll geführt werden.
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c) Dass in der Klausel kein fester Tarif festgelegt wurde, sondern ein von der Höhe der Summe abhängiges Entgelt festgelegt wurde, ist ebenfalls unschädlich. Denn auch die vertragliche Festlegung preisbildender Faktoren gehört zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung (vgl. BGHZ 146, 331 Rn. 21).
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d) Die Beklagte verwendet die Klausel unstreitig nur bei den von ihr angebotenen Giroverträgen, die nach dem 01.06.2020 abgeschlossen wurden, so dass sich die Frage der rückwirkenden Anwendung nicht stellt (vgl. Anlage K 2).
II.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und zu den Kosten folgt aus §§ 709, 91 ZPO.
III.
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Der Streitwert berücksichtigt, dass der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots einer Klausel bei der Streitwertfestsetzung im Rahmen des § 1 UKIaG keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen ist, sondern auf das Allgemeininteresse an der Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Klauseln abzustellen ist. Dieses Interesse wird regelmäßig mit 2.500 EUR bemessen, um die im öffentlichen Interesse tätigen Verbraucherverbände vor unangemessenen Kostenbelastungen zu schützen (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UKIaG § 1 Rn. 20). Andererseits ist ein gesteigertes Allgemeininteresse an der Befreiung des Rechtsverkehrs von unwirksamen Klauseln im umstrittenen Bereich von „Negativzinsen“ bzw. „Verwahrentgelten“ der Banken anzuerkennen. Ein Ansatz von 10.000 € wie vom Klägervertreter vorgetragen ist unter der Berücksichtigung, dass es vorliegend nicht um eine Einbeziehung der streitgegenständlichen Klausel in Altverträge geht und die Beklagte seit 01.08.2022 die Berechnung von Verwahrentgelten eingestellt hat, ausreichend.