VGH München, Beschluss v. 18.01.2022 – 22 ZB 21.2643
Titel:

Widerruf der Erlaubnis als Versicherungsmakler

Normenketten:
GewO § 34d Abs. 5, § 35 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4
Leitsätze:
Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit gem. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO sind grundsätzlich die von Rechtsprechung und Literatur für vergleichbare Erlaubnistatbestände in der GewO und für die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO entwickelten Grundsätze heranzuziehen. (Rn. 12)
1. Ergibt das Gesamtbild des zu beanstandenden Verhaltens des Gewerbetreibenden eine negative Prognose, so ist der Tatbestand der Unzuverlässigkeit erfüllt, gleichgültig, ob diese verschuldet ist oder nicht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand, dass der Kläger über viele Jahre hinweg sein Gewerbe beanstandungsfrei geführt hat, ist als solcher unerheblich; es kommt maßgeblich darauf an, dass angesichts der bei Bescheiderlass gegebenen Situation, unabhängig davon, ob der Kläger diese zu vertreten hat, die Annahme gerechtfertigt war, dass dies in Zukunft nicht der Fall sein würde. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der Gewerbetreibende ins Schuldnerverzeichnis eingetragen, besteht eine widerlegbare Vermutung, dass bei Bescheiderlass von ungeordneten Vermögensverhältnissen auszugehen war. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Wiederherstellung geordneter Vermögensverhältnisse setzt eine planvolle und geordnete Schuldentilgung bzw. ein entsprechendes Sanierungskonzept voraus. Allein eine gewisse Reduzierung der steuerlichen Rückstände, die nicht auf eine Tilgung durch den Kläger, sondern lediglich auf die Abgabe bislang ausstehender Steuerklärungen zurückzuführen ist, reicht nicht aus. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Erlaubnis als Versicherungsmakler, Unzuverlässigkeit (Steuerrückstände), ungeordnete Vermögensverhältnisse (Eintragungen im Schuldnerverzeichnis), Versicherungsmakler, Zuverlässigkeit, wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit, Steuerrückstände, Schuldnerverzeichnis, Sanierungskonzept, Berufungszulassung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.04.2021 – M 16 K 19.4052
Fundstellen:
BayVBl 2022, 785
NJOZ 2022, 569
BeckRS 2022, 977
GewA 2022, 117
LSK 2022, 977

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung eines Bescheides der Beklagten vom 25. Juni 2019 weiter.
2
Mit diesem Bescheid widerrief die Beklagte die von ihr dem Kläger mit Bescheid vom 15. September 2008 erteilte Erlaubnis, gewerbsmäßig als Versicherungsmakler nach § 34d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewO den Abschluss von Versicherungen zu vermitteln (Nr. 1). Der Kläger wurde verpflichtet, die entsprechende Erlaubnisurkunde zurückzugeben (Nr. 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger wegen Steuerrückständen von über 20.000 Euro, zu deren Rückzahlung er nicht in der Lage sei, die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO). Zudem lebe der Kläger in ungeordneten Vermögensverhältnissen (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GewO). Es greife die Regelvermutung des § 34d Abs. 5 Satz 3 GewO, da der Kläger sechs Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO aufweise. Umstände, die zum Entfallen der Regelvermutung hätten führen können, insbesondere ein erfolgreiches Sanierungskonzept, habe der Kläger nicht vorgetragen bzw. vorgelegt.
3
Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die gegen den Bescheid vom 25. Juni 2019 erhobene Klage mit Urteil vom 21. April 2021 ab, das der Klägerbevollmächtigten am 20. September 2021 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. Oktober 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Er begründete den Antrag mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. November 2021, einem Montag, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie deren grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend.
4
Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) und auch nicht, dass diese i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat (3.).
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7
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen vorliegend nicht.
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1.1 Das Verwaltungsgericht ist mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Juni 2019 (vgl. dort II.3.a) und b)) davon ausgegangen, dass die Beklagte i.S.d. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG berechtigt gewesen wäre, dem Kläger die Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO nunmehr zu versagen, weil er die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO; UA Rn. 17 ff.) und weil er in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 GewO; UA Rn. 23 f.). Hiergegen hat der Kläger durchgreifende ernstliche Zweifel jeweils nicht dargelegt.
9
1.1.1 Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der fehlenden gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers darauf abgestellt, dass der Kläger - trotz der nach seiner Anhörung, aber vor Bescheiderlass erfolgten Abgabe von Steuererklärungen und der daraus resultierenden Reduzierung der Steuerschuld - im Zeitpunkt des Bescheiderlasses erhebliche Steuerrückstände gehabt habe, ohne dass er nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet habe (UA Rn. 21). Auf die Ursachen für die Zahlungsrückstände - hier die vom Kläger angeführte Erkrankung - komme es nicht an. Maßgeblich sei vielmehr, dass der Kläger trotz anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit seine Tätigkeit als Versicherungsmakler nicht aufgegeben habe, obwohl dies im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von ihm erwartet habe werden können.
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Der Kläger hält dem entgegen, dass der Vorwurf, er sei öffentlich-rechtlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht nachgekommen, im Vergleich zu den in § 34d Abs. 5 Satz 2 GewO genannten Straftaten - wegen derer der Kläger nicht verurteilt worden sei - weniger schwer wiege. Bei der Prüfung der Zuverlässigkeit sei eine individuelle Einzelfallprüfung und eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Klägers vorzunehmen. Dies habe das Verwaltungsgericht verkannt, indem es für gänzlich unerheblich gehalten habe, ob den Kläger ein Verschuldensvorwurf hinsichtlich der aufgelaufenen Steuerschulden treffe. Bereits im Zeitpunkt des Bescheiderlasses habe es ausreichend Anhaltspunkte für eine günstige Prognose betreffend das künftige steuerliche Erklärungsverhalten des Klägers gegeben. So sei der Kläger seit 1985 beanstandungsfrei als Versicherungsmakler tätig gewesen. Der Kläger sei wegen einer schwerwiegenden Erkrankung lediglich vorübergehend nicht leistungsfähig und nicht in der Lage gewesen, sich ausreichend um seine steuerlichen Verpflichtungen zu kümmern. Im Zeitpunkt des Bescheiderlasses habe der Kläger seine Steuererklärungen für 2015 bis 2017 abgegeben gehabt. Dadurch hätten sich die Steuerrückstände bereits reduziert; diese hätten durch laufende Zahlungen weiter reduziert werden können. Vom Kläger habe nicht verlangt werden können, dass er seine gewerbliche Tätigkeit aufgebe, weil er sonst keine Möglichkeit mehr gehabt hätte, seine Verbindlichkeiten zu tilgen.
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Durchgreifende ernstliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils vermag der Kläger mit seinem Vortrag nicht zu erwecken.
12
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen (vgl. UA Rn. 18), dass für die Beurteilung der Zuverlässigkeit gem. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO grundsätzlich die von Rechtsprechung und Literatur für vergleichbare Erlaubnistatbestände in der GewO (vgl. etwa § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 34b Abs. 4 Nr. 1, § 34c Abs. 2 Nr. 1 GewO) und für die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO entwickelten Grundsätze heranzuziehen sind (vgl. OVG NW, B.v. 8.5.2017 - 4 A 1026/15 - juris Rn. 7; Will in BeckOK GewO, Stand 1.3.2021, § 34d Rn. 104; Schulze-Werner in Friauf, GewO, Stand Februar 2018, § 34d Rn. 85; Heitzer in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Aufl. 2020, § 34d Rn. 105; vgl. auch BT-Drs. 16/1935, S. 18). Dies gilt namentlich für die Annahme der Unzuverlässigkeit wegen Nichterfüllung steuerlicher Erklärungs- und insbesondere Zahlungsverpflichtungen (vgl. OVG NW a.a.O.; BayVGH, B.v. 15.4.2013 - 22 ZB 13.522 - juris Rn. 7; Will a.a.O., Rn. 116 - 119 m.w.N.). Zu diesen Grundsätzen gehört, dass die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kein subjektiv vorwerfbares Verhalten und kein Verschulden voraussetzt (vgl. BVerwG, B.v. 2.12.2014 - 8 PKH 7.14 - juris Rn. 4; B.v. 26.9.1991 - 1 B 115.91 - juris Rn. 8 f.; U.v. 2.2.1982 - 1 C 17.79 - juris Rn. 24; zu § 34d GewO OVG NW, a.a.O.; zur einer Erkrankung vgl. BVerwG, B.v. 16.3.1982 - 1 C 124.80 - juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 1.3.2012 - 22 ZB 11.2872 - juris Rn. 3; B.v. 9.7.2002 - 22 ZB 02.1362 - juris Rn. 5).
13
Mit der vom Kläger angeführten Formulierung in der Kommentierung von Schönleiter (in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Februar 2021, § 34d Rn. 121), wonach die gesamte Persönlichkeit des Antragstellers bzw. Gewerbetreibenden zu würdigen sei, werden keine anderen oder zusätzlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Zuverlässigkeit aufgestellt. Auch Schönleiter (a.a.O., Rn. 119) weist nämlich darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der Zuverlässigkeit auf einen „im Verwaltungsvollzug und in der Rechtsprechung seit Jahrzehnten eingefahrenen Begriff … rekurrieren“ wollte. Richtig ist zwar, dass es im Rahmen der für die Beurteilung der Zuverlässigkeit gebotenen Prognose, ob der Gewerbetreibende nach dem Gesamtbild seines Verhaltens die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird, bedeutsam sein kann, auf welchen Gründen ein zu beanstandendes Verhalten des Gewerbetreibenden beruht. Ergibt allerdings das Gesamtbild eine negative Prognose, so ist der Tatbestand der Unzuverlässigkeit erfüllt, gleichgültig, ob diese verschuldet ist oder nicht (BVerwG, B.v. 26.9.1991 - 1 B 115.91 - juris Rn. 7).
14
Andere Kriterien für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ergeben sich auch nicht aus der Regelvermutung (vgl. Schulze-Werner in Friauf, GewO, Stand Februar 2018, § 34d Rn. 86) des § 34d Abs. 5 Satz 2 GewO, welche vorliegend nicht greift. Schon aus der Formulierung dieser Norm ergibt sich nicht, dass deren Voraussetzungen - Verurteilung wegen eines Verbrechens [§ 12 Abs. 1 StGB] oder wegen der dort genannten Straftatbestände - den (Vergleichs-) Maßstab für sonstige Umstände zur Begründung der Unzuverlässigkeit bilden könnten. Dies wird durch eine unionsrechtskonforme Auslegung der Zuverlässigkeitsregelungen in § 34d Abs. 5 GewO (vgl. Will in BeckOK GewO, Stand 1.3.2021, § 34d Rn. 104) bestätigt. Der Gesetzgeber wollte mit § 34d Abs. 5 Satz 2 GewO die Mindestanforderungen an den „guten Leumund“ gem. Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 Satz 1 und 2 der RL 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (ABl. EG L 9, S. 3) in innerstaatliches Recht umsetzen (vgl. BT-Drs. 16/1935, S. 18; nunmehr Art. 10 Abs. 3 UAbs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie [EU] 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.1.2016 über Versicherungsvertrieb, ABl. L 26 S. 19). Mithin lässt sich § 34d Abs. 5 Satz 2 GewO zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Gewerbetreibender jenseits der Verfehlung der in der Norm aufgeführten Mindestanforderungen wegen anderer Umstände unzuverlässig sein kann, nichts entnehmen.
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Die weiteren Darlegungen in der Antragsbegründung ergeben ebenfalls nicht, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe die erforderliche gewerberechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr besessen, ernstlichen Zweifeln begegnet. Das Verwaltungsgericht hat berücksichtigt, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses ausstehende Steuererklärungen abgegeben und sich daraus eine Reduzierung der Steuerschuld ergeben hatte. Es hat jedoch festgestellt, dass gleichwohl noch erhebliche Steuerrückstände beim Finanzamt bestanden, ohne dass der Kläger nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet habe; eine Rückzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt sei erst nach Bescheiderlass geschlossen worden (UA Rn. 21). Der Kläger stellt diese Umstände nicht in Frage, insbesondere nicht, dass sich seine Steuerschuld bis zum Bescheiderlass nur in Folge der nachträglichen Abgabe von Steuererklärungen - also nicht durch planmäßige Zahlungen - vermindert hatte.
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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf an, ob die Steuerrückstände auf die Erkrankung des Klägers zurückzuführen seien, steht im Einklang mit der o.g. Rechtsprechung. Maßgeblich ist allein, wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist (UA Rn. 22), die negative Zuverlässigkeitsprognose. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger vor Bescheiderlass im Hinblick auf seine Erkrankung wiederholt über mehrere Monate Gelegenheit gegeben worden war, eine Lösung hinsichtlich seiner erheblichen und über mehrere Jahre aufgelaufenen steuerlichen Rückstände herbeizuführen und insbesondere einen Sanierungsplan oder eine Ratenzahlungsvereinbarung vorzulegen (vgl. im Einzelnen S. 2 f. des streitgegenständlichen Bescheids sowie Urteilstatbestand, UA Rn. 4); derartiges geschah jedoch nicht. Für eine bloß vorübergehende krankheitsbedingte Leistungsunfähigkeit, wie vom Kläger geltend gemacht, bestanden daher bei Bescheiderlass keine Anhaltspunkte. Die vom Kläger ferner beanstandete Annahme des Verwaltungsgerichts, ihm sei entgegenzuhalten, dass er seine gewerbliche Tätigkeit trotz langanhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit nicht aufgegeben habe, lässt sich (ebenfalls) auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zurückführen (vgl. die Nachweise in UA Rn. 20). Schließlich ist der Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit und über viele Jahre sein Gewerbe beanstandungsfrei geführt hat, als solcher unerheblich; es kommt maßgeblich darauf an, dass angesichts der bei Bescheiderlass gegebenen Situation, unabhängig davon, ob der Kläger diese zu vertreten hatte, die Annahme gerechtfertigt war, dass dies in Zukunft nicht der Fall sein würde (vgl. OVG NW, B.v. 29.9.2009 - 4 B 810.09 - juris Rn. 11).
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1.1.2 Auch hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebe (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GewO), sind keine ernstlichen Zweifel dargelegt.
18
Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen des § 34d Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 GewO als erfüllt angesehen, wonach ungeordnete Vermögensverhältnisse in der Regel vorliegen, wenn der Antragsteller (bzw. hier der Gewerbetreibende) in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen ist. Vorliegend hätten bei Bescheiderlass in Bezug auf den Kläger sechs solcher Eintragungen vorgelegen. Umstände, die diese Vermutung hätten widerlegen können, seien weder vorgebracht worden noch ersichtlich (UA Rn. 23 f.).
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Hiergegen wendet der Kläger ein (Antragsbegründung S. 5 f.), das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Tatsachen den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zu Grunde lägen. Diese resultierten weniger auf ungeordneten Vermögensverhältnissen als auf seinem vorübergehenden krankheitsbedingten Ausfall bzw. es habe sich um eine nur vorübergehende finanzielle Notlage gehandelt, deren Behebung in absehbarer Zeit zu erwarten gewesen sei.
20
Der Kläger zieht seine Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis gem. § 882b ZPO nicht in Zweifel, so dass bei Bescheiderlass gem. § 34d Abs. 5 Satz 3 Alt. 2 GewO regelmäßig von ungeordneten Vermögensverhältnissen auszugehen war. Das Verwaltungsgericht ist dabei nicht von einem „Automatismus“, sondern von einer Widerlegbarkeit der Vermutung ausgegangen; Umstände, die die Vermutung widerlegen könnten, seien jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich (UA Rn. 24). Feststellungen dazu, welche Tatsachen den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zu Grunde lagen, mussten für den Eintritt der Regelvermutung nicht getroffen werden, da die Umstände, wegen derer es zum Vorliegen der in § 34d Abs. 5 Satz 3 GewO genannten Regelbeispiele gekommen ist, grundsätzlich unerheblich sind; es kommt allein auf das objektive Vorliegen der mit den Eintragungen manifestierten finanziellen Notsituation an. Insbesondere ist ein Verschulden bezüglich des Zustands ungeordneter Vermögensverhältnisse nicht erforderlich (vgl. Schulze-Werner in Friauf, GewO, Stand Februar 2018, § 34d Rn. 98 m.w.N.; Heitzer in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Auflage 2020, § 34d Rn. 114; VG Koblenz, B.v. 13.1.2010 - 3 K 903/09.KO - juris Rn. 5). Aus Letzterem folgt auch, dass die Regelvermutung des § 34d Abs. 5 Satz 3 GewO nicht damit widerlegt werden kann, es habe kein Verschulden vorgelegen (so zu Recht Heitzer a.a.O.). Der Vortrag des Klägers, die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis seien auf seinen vorübergehenden krankheitsbedingten Ausfall zurückzuführen, ist daher nicht geeignet, die Regelvermutung zu entkräften. Maßgeblich wäre vielmehr, ob trotz der Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis geordnete Vermögensverhältnisse vorhanden waren oder zumindest prognostisch die Wiederherstellung solcher Verhältnisse abzusehen war (vgl. Schulze-Werner, GewO, Stand Februar 2018, § 34d Rn. 97). Letzteres setzt freilich eine planvolle und geordnete Schuldentilgung bzw. ein entsprechendes Sanierungskonzept voraus (vgl. OVG NW, B.v. 29.9.2009 - 4 B 813/09 - juris Rn. 5; Heitzer in Ennuschat/Wank/Winkler, GewO, 9. Auflage 2020, § 34d Rn. 114 f.). Derartiges war hier bei Bescheiderlass nicht anzunehmen; insbesondere war die gewisse Reduzierung der steuerlichen Rückstände nicht auf eine (teilweise) Tilgung durch den Kläger, sondern lediglich auf die Abgabe der bislang ausstehenden Steuererklärungen zurückzuführen (vgl. oben 1.1.1).
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1.2 Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids im Übrigen (UA Rn. 25 - 32) befasst sich die Antragsbegründung nicht.
22
2. Die Antragsbegründung lässt auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erkennen. Die sich in Bezug auf die gewerberechtliche Zuverlässigkeit (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO) und das Vorliegen ungeordneter Vermögensverhältnisse (§ 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 GewO) stellenden Fragen lassen sich vorliegend, wie sich aus den Ausführungen unter 1.1 ergibt, unmittelbar aus dem Gesetz oder ohne weiteres an Hand der in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze beantworten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 32).
23
3. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Der Kläger wiederholt insoweit weithin lediglich seine Angriffe gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, wendet sich also gegen die Rechtsanwendung im konkreten Fall. Für die von ihm als über den vorliegenden Einzelfall hinausgehend bezeichnete Rechtsfrage „Art und Umfang der Berücksichtigung weiterer Tatsachen, die für eine negative oder positive Prognose für die Zukunft herangezogen werden können und müssen“ gilt nichts anderes, denn damit zielt der Kläger, wie sich aus dem Gesamtkontext seiner Ausführungen ergibt, darauf, dass das Verwaltungsgericht bei Berücksichtigung solcher „weiterer“ Tatsachen zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass der Kläger weiterhin gewerberechtlich zuverlässig sei bzw. in geordneten Vermögensverhältnissen lebe. Im Übrigen sind die Grundsätze zur Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit (hier gem. § 34d Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GewO) von Rechtsprechung und Literatur seit langem geklärt (vgl. 1.1.1). Dass die Regelvermutung des § 34d Abs. 5 Satz 3 GewO durch Tatsachen widerlegt werden kann, versteht sich von selbst; wann dies der Fall ist, lässt sich nur im Einzelfall bestimmen.
24
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.