Inhalt

FG München, Beschluss v. 08.03.2022 – 7 V 2634/21
Titel:

Rechtmäßiger Umsatzsteuerbescheid - Wahl der Schätzungsmethode

Normenketten:
KStG § 8 Abs. 1
EStG § 10d Abs. 4
AO § 146a,§ 184
FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bei  Gewerbesteuermessbetragsbescheiden handelt es sich um aussetzungsfähige Steuerbescheide (BFH-Beschluss vom 21.12.1993 VIII B 107/93, BStBl II 1994, 300). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. ie Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde und ggf. des Finanzgerichts, wenn es seine eigene Schätzungsbefugnis aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO ausübt. Es ist eine Schätzungsmethode zu wählen, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schätzung, Vollziehungsaussetzung
Fundstellen:
GmbH-Stpr 2022, 239
BB 2022, 2789
DStRE 2023, 1018
LSK 2022, 8229
BeckRS 2022, 8229

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Streitig sind im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit vorgenommener Hinzuschätzungen aus dem Gaststättenbetrieb und deren Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
2
Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt in X ein … Restaurant in der …und - bis Sommer 2014 - in der …, sowie einen Homeservice. Für den Prüfungszeitraum 2010-2012 fand bei ihr eine Betriebsprüfung statt. Streitig sind die vorgenommenen Hinzuschätzungen in Höhe von brutto 133.320 € (2010), 108.758 € (2011) und 129.647 € (2012) und deren Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttungen. Hinsichtlich der von der Betriebsprüfung festgestellten formellen und materiellen Mängel wird auf die Seite 5 des Betriebsprüfungsberichts vom 30.11.2018 bzw. Seite 4 der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2021 verwiesen. Die Ermittlung der Hinzuschätzungen ist auf Seite 16 ff. der Einspruchsentscheidung dargestellt und lässt sich am Beispiel des Jahres 2010 wie folgt zusammenfassen:
3
Ausgangspunkt sind die erklärten Erlöse lt. GuV iHv. 820.136 € und der Materialaufwand/ Wareneinsatz lt. GuV iHv. 375.699 €. Daraus ergibt sich ein Rohgewinnaufschlagssatz lt. GuV von 118,30. Im Rahmen der Prüfung wurden von der Antragstellerin zum Zwecke der Ermittlung eines realistischeren Rohgewinnaufschlagsatzes vom Wareneinsatz verschiedene Abzüge vorgenommen, z.B. für fehlerhafte Buchungen, für unentgeltliche Wertabgaben, Sponsoring, Abfall, Schwund, Diebstahl und für Warenabgaben, die nahezu zum Einkaufspreis erfolgt seien, insgesamt ein Betrag von 65.880 €. Daraus ergab sich ein korrigierter Wareneinsatz iHv. 309.808 €. Den Erlösen wurde ein Betrag von 67.367 € für rabattierte Umsätze hinzugerechnet, so dass sich ein korrigierter Betrag von 887.403 € ergab. Daraus errechnete sich ein fiktiver Rohgewinn nach den Angaben der Antragstellerin in Höhe von 577.585 € und ein entsprechender Rohgewinnaufschlagssatz von 186,4.
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Die Betriebsprüfung ging von einem Rohgewinnaufschlagssatz von 225 aus. Der Rahmensatz laut Richtsatzsammlung für Gaststätten lag im Prüfungszeitraum bei 186 bis 400, der Mittelsatz (gewogenes Mittel aus den Einzelergebnissen) bei 257. Die erklärten Rohgewinnaufschlagsätze nach den Daten der GuV-Rechnung betrugen 118,30 (2010), 163,39 (2011), 160,39 (2012). Die letztlich anzusetzenden Hinzuschätzungsbeträge ermittelte der Prüfer dadurch, dass er den Aufschlagsatz von 225 auf den korrigierten Wareneinsatz nach den Daten der Antragstellerin (309.808 € in 2010) ansetzte und dadurch einen Rohgewinn von 697.090 € (2010) errechnete. Von diesem zog er den fiktiven Rohgewinn nach den Daten der Antragstellerin iHv. 577.585 € ab. Der Differenzbetrag von 119.505 € ergibt die Netto-Zuschätzung des Finanzamts. Auf diesen Betrag setzte es die Umsatzsteuer an, wobei es das Verhältnis von Umsätzen zu 7% und zu 19% mit 62/38 ermittelte und für 2010 eine Brutto-Zuschätzung von 133.320 € errechnete. In den Jahren 2011 und 2011 wurde entsprechend verfahren.
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Das Finanzamt behandelte die Hinzuschätzungen als vGA zugunsten des Geschäftsführers und Hauptgesellschafters A und erließ mit Datum vom 18.04.2019 geänderte Steuerbescheide. Wegen des Wegfalls des gesondert festgestellten verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2012 und des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2012 wurden auch die entsprechenden Steuerbescheide der Jahre 2013 bis 2017 zu Lasten der Antragstellerin geändert.
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Die Antragstellerin erhob gegen sämtliche Änderungsbescheide Einspruch und bestritt eine grundsätzliche Schätzungsbefugnis des Finanzamts, da es sich bei den Buchführungsmängeln zum einen um nur unwesentliche Mängel handle, welche die sachliche Richtigkeit der Buchführung nicht ausschließe. Auch hätten im Prüfungszeitraum noch nicht die erhöhten Anforderungen an die Registrierkassen gegolten, sie habe in dem Zeitraum noch einfachere Modelle genutzt und ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a AO verwendet. Erst ab 2017 sei sie auf modernere Registrierkassen umgestiegen, die die Einzelaufzeichnung fortlaufend und unveränderbar abspeichere und es erlaubten, die erfassten Einzeldaten in elektronischer Form auszulesen. Darüber hinaus seien die Hinzuschätzungen auch der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Der pauschal angewendete Rohgewinnaufschlagssatz berücksichtige nicht die individuelle Situation der von ihr betriebenen … Spezialitätenrestaurants. Das Finanzamt habe nicht den Nachweis erbracht, dass die angewandte Schätzungsmethode mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der wirtschaftlichen Situation des Betriebs entspreche. Eine Nachkalkulation sei nicht durchgeführt worden. Auch die dem Geschäftsführer zugerechneten vGA seien nicht rechtmäßig. Ihm seien keine Vermögensvorteile aus den zugeschätzten Betriebseinnahmen zugeflossen. Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er über Vermögenswerte verfüge, deren Herkunft unklar seien.
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Das Finanzamt wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 12.11.2021 als unbegründet zurück. Dagegen erhob die Antragstellerin Klage, über die der Senat noch nicht entschieden hat.
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Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) wendet sich die Antragstellerin weiterhin gegen die vorgenommenen Hinzuschätzungen im Rahmen der Außenprüfung und deren Qualifikation als vGA beim Gesellschafter-Geschäftsführer wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit. Sie sei der Auffassung, dass die Schätzung im Hinblick auf die gewählte Schätzungsmethode fehlerhaft sei. Das Finanzamt hätte eine Geldverkehrsrechnung und/oder eine Vermögenszuwachsrechnung vornehmen können, da dieser Verprobungsmethode die höchste Beweiskraft zukomme. Außerdem macht sie das Bestehen einer unbilligen Härte geltend, denn ihr drohten erhebliche wirtschaftliche Nachteile. Es seien nicht ausreichend Finanzmittel vorhanden, um die Steuernachforderungen aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung zu leisten. Sie wäre gezwungen, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Der Klageweg in der Hauptsache wäre ihr dann verschlossen und ihre wirtschaftliche Existenz vernichtet.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die AdV der Bescheide vom 18.04.2019 über Körperschaftsteuer 2010 bis 2017, Gewerbesteuermessbetrag 2010 bis 2017, Umsatzsteuer 2010 bis 2012 und 2017 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 12.11.2021.
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Das Finanzamt beantragt
die Ablehnung des Antrags.
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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 30.11.2018, die Einspruchsentscheidung vom 12.11.2021 sowie auf die vorgelegten Unterlagen und Akten verwiesen.
II.
12
Der Antrag ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
13
1. Der Senat legt den Antrag der Antragstellerin in ihrem wohlverstandenen Interesse und danach, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 13.07.2016 XI R 8/15, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2016, 952 m.w.N.), dahin aus, dass die AdV (nur) derjenigen mit der Klage angefochtenen Steuerbescheide beantragt wird, die eine Steuerfestsetzung bzw. die Festsetzung eines Steuermessbetrags (§ 184 AO) enthalten. Die Antragstellerin hat ihren Antrag zwar nicht beziffert, jedoch beantragt sie im Schriftsatz vom 09.12.2021 die AdV der mit der Klage angefochtenen Bescheide, soweit sich aus ihnen eine Zahlungsverpflichtung ergibt. Aus der Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrags ergibt sich zwar unmittelbar keine Zahlungsverpflichtung. Da dieser jedoch Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Gewerbesteuer ist und ihm insoweit die Bindungswirkung nach § 182 Abs. 1 AO zukommt, handelt es sich bei den Gewerbesteuermessbetragsbescheiden um aussetzungsfähige Steuerbescheide (BFH-Beschluss vom 21.12.1993 VIII B 107/93, BStBl II 1994, 300).
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2. Der Antrag ist unzulässig, soweit er sich gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2013 bis 2017 und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2013 bis 2017 richtet. Die Einwendungen der Antragstellerin richten sich nur gegen die von der Betriebsprüfung in den Prüfungsjahren 2010 bis 2012 durchgeführten Änderungen und den auf dieser Grundlage erlassenen Änderungsbescheiden für die Jahre 2010 bis 2012. Der Grund für die gleichzeitig erlassenen Änderungsbescheide für die Jahre 2013 bis 2017 ist offensichtlich nur der, dass in den ursprünglichen Bescheiden ein Verlustabzug aus dem zum 31.12. des jeweiligen Vorjahres gesondert festgestellten Verlustvortrags nach § 8 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.V.m. § 10d Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) bzw. vortragsfähigen Gewerbeverlusts nach § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG) berücksichtigt worden ist und diese vortragsfähigen Verluste nach Aufhebung der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2012 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts zum 31.12.2012 weggefallen sind, so dass sich eine entsprechende Erhöhung des zu versteuernden Einkommens in den Körperschaftsteuerbescheiden der Jahre 2013 bis 2017 und des Gewerbeertrags in den Gewerbesteuermessbetragsbescheiden 2013 bis 2017 ergeben hat. Der Verlustfeststellungsbescheid nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG ist nach § 182 Abs. 1 AO Grundlagenbescheid für die Körperschaftsteuerfestsetzung des Folgejahres. Entsprechendes gilt für die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheids ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen oder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 S. 4, 7 FGO). Für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheids fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis (BFH-Urteil vom 20.10.1987 VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240).
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3. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
16
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegensprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (BFH-Urteil vom 07.06.1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15.01.1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994; vom 25.08.1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; vom 23.07.1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).
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b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
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Der Antrag auf AdV des geänderten Umsatzsteuerbescheides 2017 ist bereits deshalb unbegründet, weil er nicht begründet wurde und der Änderungsbescheid offensichtlich in keinem Zusammenhang mit dem Ergebnis der Betriebsprüfung 2010 bis 2012 stehen kann.
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Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO sprechen, kann das Gericht daher nicht erkennen.
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Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geänderten Körperschaftsteuerbescheide 2010 bis 2012 und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2010 bis 2012.
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Bei summarischer Prüfung war die Schätzungsbefugnis des Finanzamts aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung gegeben, da die Buchführung der Antragstellerin nicht den Anforderungen der §§ 140 ff AO entspricht. Insoweit wird auf die detaillierten Ausführungen auf den Seiten 12 bis 16 der Einspruchsentscheidung verwiesen, denen die Antragstellerin nicht widersprochen hat. Damit liegen gravierende formelle Mängel der Buchführung vor, die für sich bereits eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 AO eröffnen, da sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln.
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4. Auch gegen die Schätzung der Höhe nach bestehen bei summarischer Prüfung anhand präsenter Beweismittel keine Bedenken.
23
Die Wahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde und ggf. des Finanzgerichts, wenn es seine eigene Schätzungsbefugnis aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO ausübt. Es ist eine Schätzungsmethode zu wählen, die die größte Gewähr dafür bietet, mit einem zumutbaren Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen. Der Steuerpflichtige selbst hat keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode (BFH-Urteil vom 16.12.2021 IV R 1/18, juris). Bei dieser Entscheidung, die sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles richtet, kommt der Art der zu schätzenden Besteuerungsgrundlagen, den vorliegenden und verwertbaren Unterlagen und der Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zu. Schätzungsunschärfen gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom 01.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741). Ziel jeder Schätzung muss es sein, Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (BFH-Urteil vom 16.12.2021 IV R 1/18, juris m.w.N.).
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Nach Würdigung aller Umstände ist nach Auffassung des Senats eine Schätzung, die sich wie im Streitfall an den amtlichen Richtsätzen orientiert, als geeignete Schätzungsmethode anzusehen. Die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung ist eine in der Rechtsprechung anerkannte Schätzungsmethode (BFH-Beschlüsse vom 08.08.2019 X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219; vom 14.08.2018 XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1). Denn die dargestellten formellen Fehler der Kassenbuchführung wiegen hier besonders schwer und es war durch die Art der Kassenführung (keine fortlaufende Nummerierung der Tagesendsummenbonds beim Homeservice und Abzug der Einnahmen mit Steuersatz 19 v.H., Fehlen der Programmierprotokolle für sämtliche Kassen, keine Archivierung der Kassendaten) für die Antragstellerin einfach, Bareinnahmen zu verschleiern.
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Die Höhe der Hinzuschätzungen nach der vom Finanzamt gewählten Schätzungsmethode weist nach summarischer Prüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin auf. Denn zum einen hat das Finanzamt bei seiner Schätzung einen Rohaufschlagsatz von 225 zur Anwendung gebracht, der in der unteren Bandbreite des Rahmens laut Richtsatzsammlung (186 bis 400) liegt. Zum anderen hat es den sich aus diesem Rohaufschlagssatz ergebenden Hinzuschätzungsbetrag nicht auf Basis der tatsächlichen Erlöse und des Materialaufwands laut GuV ermittelt, sondern hat den Aufschlagssatz auf einen nach den Angaben der Antragstellerin verringerten Wareneinsatzes angesetzt und darüber hinaus von dem auf diese Weise errechneten Rohgewinn nicht den tatsächlichen Rohgewinn laut GuV, sondern einen höheren - in 2010 sogar erheblich höheren - fiktiven Rohgewinn nach den Daten der Antragstellerin abgezogen. Im Ergebnis ist also der tatsächlich zur Anwendung gekommene Rohaufschlagssatz noch weitaus niedriger als die angegebenen 225. Auf diese Weise hat das Finanzamt zu Gunsten der Antragstellerin großzügig alle Unsicherheiten berücksichtigt, die eine Abweichung vom üblicherweise zur Anwendung kommenden Mittelwert nach unten gebieten könnten, insbesondere die von der Antragstellerin vorgetragenen besonderen betrieblichen Gegebenheiten. Vorgänge wie Abfall, Schwund und Diebstahl betreffen alle Gastronomiebetriebe mehr oder minder gleich und sind in den Rohgewinnaufschlagsätzen laut Richtsatzsammlung bereits berücksichtigt. Die Antragstellerin hat keine plausiblen Gründe vorgetragen, warum bei ihr höhere Verluste in diesen Bereichen entstanden sein sollen als bei einem durchschnittlichen Gastronomiebetrieb. Im Übrigen wurden die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, die Besteuerungsgrundlagen so zu ermitteln, dass sie den tatsächlichen Verhältnissen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Steuerpflichtigen möglichst nahe kommen, nach Auffassung des Senats ausgeschöpft. Eine Berücksichtigung weiterer bzw. höherer Korrekturen zugunsten der Antragstellerin, wie von ihr im Einspruchsverfahren dargelegt, hält der Senat angesichts des Ergebnisses der Schätzung nicht für vertretbar.
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Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass eine Ausbeutekalkulation nicht durchgeführt worden sein, so ist darauf zu verweisen, dass das Finanzamt zur Überprüfung der Plausibilität der Rohgewinnaufschlagsätze den Rohgewinnaufschlag für bestimmte Getränke, die in 2010 ca. 15% des gesamten Wareneinkaufs ausmachten, ermittelte und sich daraus ein durchschnittlicher Aufschlagsatz für diese Getränke von 424% ergab. Eine Ausbeutekalkulation bei den Speiseumsätzen erscheint nach summarischer Prüfung aufgrund der vielen Unwägbarkeiten in den Streitjahren (in einzelnen Bereichen hohe Rabattierungen, u.a. aufgrund Promoaktionen, Bekanntmachung bei potentiellen Firmenkunden, Direktfischverkauf usw.) nicht zielführend. Auch hat die Antragstellerin hierzu keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt. Insgesamt ist nach Auffassung des Senats nicht damit zu rechnen, dass sich durch einen inneren Betriebsvergleich ein für die Antragstellerin günstigeres Ergebnis ergeben würde.
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3. Es bestehen auch keine Bedenken, dass das Finanzamt die hinzugeschätzten Betriebseinnahmen als vGA behandelt hat.
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Ergeben sich aufgrund einer Nachkalkulation Differenzen bei der Kapitalgesellschaft und schätzt das FA deshalb - wie im Streitfall - dem Gewinn Beträge hinzu, sind die Zuschätzungen als vGA anzusehen, wenn und soweit - zum einen - die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der Kapitalgesellschaft beruhen und zum anderen, wenn und soweit die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet wurden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zugeflossen sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2004 III R 9/03, BStBl II 2005, 160).
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Diese Anforderungen sind im Streitfall erfüllt. Aufgrund der unvollständigen Kassenaufzeichnungen der Antragstellerin ist davon auszugehen, dass sie auch im Übrigen ihre Betriebseinnahmen nicht vollständig erklärt hat. Zugleich kommen andere als gesellschaftliche Gründe für die Vereinnahmung der in Ansatz gebrachten, bar vereinnahmten Beträge nicht in Betracht. Ist der Verbleib der nicht gebuchten Betriebseinnahmen unaufklärbar und hat der Steuerpflichtige nicht an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt und die in seiner Sphäre liegenden Umstände nicht offengelegt, führt dies zu einer Reduzierung des Beweismaßes hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA. Er kann sich dem auch nicht durch die Behauptung entziehen, dass er nicht über Vermögenswerte verfüge, deren Herkunft unklar seien. Es bestehen bei summarischer Prüfung daher keine Bedenken dagegen, dass die Antragstellerin die nicht erklärten Einnahmen ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer als vGA zugewendet hat.
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4. Die Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen.
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Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510; vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
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Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren sind auch im Fall der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen. Kann der Rechtsbehelf offensichtlich keinen Erfolg haben bzw. sind Zweifel fast oder gänzlich ausgeschlossen, so kommt auch eine AdV wegen unbilliger Härte nicht in Betracht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 24.05.2016 V B 123/15 m.w.N.). Da - wie oben ausgeführt - keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestehen, kommt eine Aussetzung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.