BayObLG, Beschluss v. 20.10.2022 – 203 StRR 317/22
Titel:

Bezeichnung subventionserheblicher Tatsachen

Normenkette:
StGB § 264 Abs. 9 Nr. 1
Leitsätze:
1. § 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfasst als zulässige Form der formellen Subventionserheblichkeit auch die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsache durch den Subventionsgeber aufgrund von § 2 SubvG in einer – zugangsbedürftigen – Erklärung gegenüber dem Subventionsnehmer. (Rn. 4)
2. Benennt der Subventionsgeber im Antrag eindeutig eine konkrete Voraussetzung, ohne deren Vorliegen die Subvention nicht erteilt wird, ist dem Erfordernis von § 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB hinreichend Genüge getan. (Rn. 5)
Schlagworte:
Subventionsbetrug, Subventionserheblichkeit
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 24.02.2022 – 22 Ns 513 Js 1366/20
Fundstelle:
BeckRS 2022, 46002

Tenor

I. Die Revision der Angeklagten W… gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Februar 2022 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

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Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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1. Entgegen dem Vorbringen der Revision ist die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat die finanzielle Lage der Angeklagten vor dem Ausbruch der Corona-Krise nachvollziehbar dargelegt. Grundlage für die Definition eines „Unternehmens in Schwierigkeiten“ im Antrag vom 21. März 2020 sind die Leitlinien für staatliche Beihilfen für Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (veröffentlicht im Amtsblatt der EU 2014/C 249/01 vom 31. Juli 2014, dort Punkt 20). Danach befindet sich ein Unternehmen unter anderem dann in Schwierigkeiten, wenn das Unternehmen die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Antrag seiner Gläubiger erfüllt. Eine entsprechende Formulierung gilt über die Verweisung auf Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 651/2014) für den Antrag vom 1. April 2020. Allgemeiner Eröffnungsgrund ist nach §§ 16, 17 Abs. 1 InsO die Zahlungsunfähigkeit; anders als beim Eröffnungsgrund der Überschuldung (vgl. § 19 Abs. 2 S. 1 InsO) ist dafür keine negative Fortführungsprognose erforderlich (§ 17 Abs. 2 InsO). Auf die subjektive Erwartung höherer Umsätze für das Jahr 2020 und auf die Mitursächlichkeit der Corona-Pandemie-Situation für weitere Umsatzeinbußen im Jahr 2020 kommt es insoweit nicht an.
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2. Zutreffend ist die Strafkammer zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den beantragten Soforthilfen jeweils um Subventionen gemäß § 264 Abs. 8 StGB handelt (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21-, juris Rn. 5). Die Annahme des Landgerichts, die Angeklagte hätte in ihren Anträgen in zwei selbständigen Fällen gemäß § 264 Abs. 1 Satz 1 StGB gegenüber dem Subventionsgeber für sie vorteilhafte unrichtige Angaben über vom Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnete Tatsachen (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB) gemacht, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat insoweit im Ergebnis zutreffend das Vorliegen von durch den Subventionsgeber „auf Grund eines Gesetzes“ als subventionserheblich bezeichneten Tatsachen bejaht. Entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft und der Beschwerdeführerin bedurfte die Bezeichnung des Ausschlusstatbestands eines bereits vor dem 11. März 2020 in – im Antragsformular ausreichend definierte – wirtschaftliche Schwierigkeiten gelangten Unternehmens im Zusammenhang mit der Antragstellung am 21. März 2020 nicht des wörtlichen Zusatzes „subventionserheblich“. Vielmehr war die wirtschaftliche Gesundheit des Unternehmens vor dem Stichtag vom Subventionsgeber im Antragsformular ausdrücklich und hinreichend eindeutig als subventionserhebliche Fördervoraussetzung aufgeführt und von der Angeklagten in ihrem Antrag anerkannt worden.
Im einzelnen:
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a) Nach § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB sind subventionserheblich die Tatsachen, die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind. Auch die Vorschrift von § 2 SubvG stellt eine gesetzliche Grundlage für die Bestimmung subventionserheblicher Tatsachen durch den jeweiligen Subventionsgeber dar (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 339/16 –, juris Rn. 115 zu § 264 StGB a.F.). Die Vorschrift bildet für Subventionen des Bundes eine Ermächtigung an die Verwaltung, subventionserhebliche Tatsachen zu bezeichnen (BT-Drucks. 7/5291, S. 13; Burgert/Wagner StraFo 2020, 280 ff., S. 287). Gemäß Art. 1 des Bayerischen Strafrechtsausführungsgesetzes (BayStrAG) vom 13. Dezember 2016 gilt das Subventionsgesetz auch für Leistungen nach Landesrecht, die Subventionen im Sinne des § 264 StGB darstellen. Entsprechende Zuwendungsbescheide werden dann durch § 2 SubvG i.V.m. Art. 1 BayStrAG legitimiert und ergehen „auf Grund eines Gesetzes“ im Sinne von § 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB (vgl. BGH a.a.O. Rn. 116 zu § 1 des Gesetzes gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Juli 1995). Der Bezeichnung durch den Subventionsgeber kommt dann Bedeutung zu, wenn eine gesetzliche Benennung fehlt, etwa wenn – wie im vorliegenden Fall – die Subvention nur im Haushaltsansatz ausgewiesen ist (BT-Drucks. 7/5291, S. 13). § 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfasst damit als zulässige Form der formellen Subventionserheblichkeit auch die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsache durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes in einer – zugangsbedürftigen – Erklärung gegenüber dem Subventionsnehmer (vgl. auch BT-Drucks. 7/5291, S. 13). Erforderlich sind jedoch stets klare Angaben (BGH, Urteil vom 11. November 1998 – 3 StR 101/98-, juris Rn. 16 ff. zu § 264 StGB a.F.). Denn der Pflicht des Subventionsgebers zur ausdrücklichen Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen kommt eine erhebliche Bedeutung zu, damit der Antragsteller die Vergabevoraussetzungen erkennen kann und der Subventionsgeber und die Strafverfolgungsorgane etwaige Täuschungshandlungen schnell und eindeutig feststellen können (BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 357/17 –, juris Rn. 14 zu § 264 StGB a.F.; BGH, Urteil vom 11. November 1998 a.a.O.). Das Merkmal der Subventionserheblichkeit hat der Subventionsgeber daher klar und unmissverständlich auf den konkreten Fall zu beziehen und dem Subventionsnehmer in einer zugegangenen Erklärung darzulegen; dass sich die Subventionserheblichkeit nur aus dem Kontext ergibt, genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1998 a.a.O. Rn. 16; LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., § 264 Rn. 73; Ceffinato in MüKoStGB, 4. Aufl., § 264 Rn. 62 f.). Andererseits genügt für die Begründung der Strafbarkeit nach § 264 StGB auch die Verwendung des Wortes „subventionserheblich“ nicht, wenn die Zuschussvoraussetzungen nicht deutlich werden (KG Berlin, Urteil vom 10. September 2021 – (4) 121 Ss 91/21 (134/21) –, juris). Der Ausdruck „subventionserheblich“ muss jedoch nicht wörtlich benutzt werden; ausreichend ist die unmissverständliche Verwendung gleichbedeutender Ausdrücke (BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 449/17 –, juris Rn. 33; LK/Tiedemann a.a.O. Rn. 73; Saliger in: Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 264 StGB Rn. 18; Ceffinato a.a.O. Rn. 62). So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Formulierung „Finanzhilfen werden nur bei einer angemessenen Beteiligung des Empfängers gewährt“ in § 2 Abs. 4 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW-Gesetz in der Fassung vom 24. Juni 1991) als eine ausreichende Bezeichnung der Subventionserheblichkeit von Tatsachen im Sinne von § 264 Abs. 7 Nr. 1 StGB a.F. erachtet (BGH, Urteil vom 8. März 2006 – 5 StR 587/05 –, juris Rn. 20). Benennt der Subventionsgeber also im Antrag eindeutig eine konkrete Voraussetzung, ohne deren Vorliegen die Subvention nicht erteilt wird, ist dem Erfordernis von § 264 Abs. 9 Nr. 1 Alt. 2 StGB hinreichend Genüge getan.
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b) Die von der Angeklagten ausgefüllten Antragsformulare erfüllen diese Anforderungen nach § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB. Nach den Feststellungen des Landgerichts normiert das dem Antrag vom 21. März 2020 zugrundeliegende Formular unter der Nummer 1.1 – Antragsberechtigung – mit der Wendung „Nicht gefördert werden:…“ einen klar definierten Ausschlusstatbestand, dessen Voraussetzungen bei dem Unternehmen der Angeklagten zum Zeitpunkt der Antragstellung auch vorlagen. Gleichwohl erklärte die Angeklagte unter Nummer 8.7 des Formulars nach den Feststellungen der Strafkammer wahrheitswidrig, dass es sich bei ihrem Unternehmen nicht um ein Unternehmen in Schwierigkeiten gemäß Rz. 20a) bis c) der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nicht finanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten (204 (richtig 2014)/C 249/01) gehandelt hätte. Darüber hinaus war unter Nummer 8.4 des Formulars ausdrücklich bestimmt, dass falsche Angaben die Strafverfolgung wegen Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) zur Folge haben können. Davon ist auch die Nummer 8.1 des Formulars erfasst, worin inhaltlich der vorgenannte klar definierte Ausschlusstatbestand wieder aufgegriffen wird in Form einer Versicherung des Antragstellers, dass die existenzbedrohliche Wirtschaftslage oder der Liquiditätsengpass eine Folgewirkung der Coronakrise vom Frühjahr 2020 sei.
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Als die Angeklagte am 1. April 2020 einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Soforthilfe stellte, bestätigte sie unter dem Punkt 6.1 über die Online-Eingabemaske ihre Kenntnis der Subventionserheblichkeit bestimmter Tatsachen, die wiederum durch den ziffernmäßigen Verweis auf bestimmte Punkte im digitalen Antragsformular als solche eindeutig bezeichnet waren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Mai 2021 – 6 StR 137/21, juris Rn. 10; BayOBLG, Beschluss vom 23. Mai 2022 – 204 StRR 229/22 – unveröffentlicht, die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth, StraFo 2022, 162 f., bestätigend; im Ergebnis auch Höpfner/Bednarz, ZWH 2021, 91 ff., S. 93). Dazu gehörte unter anderem die fehlende Antragsberechtigung infolge nicht coronabedingter wirtschaftlicher Schwierigkeiten (Punkt 1 des Formulars). Dass der Verweis darüber hinaus auch eine im Formular nicht existente Ziffer 6 aufzählte, stellt als offensichtlicher Schreibfehler die Bestimmtheit der Bezeichnung und die Zuordenbarkeit nicht in Frage.
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Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Angeklagte mit ihrer Erklärung unter Verstoß gegen § 4 Abs. 1 SubvG i.V.m. § 264 Abs. 9 Nr. 2 Alt. 1 StGB zugleich ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen vorspiegelte und damit Angaben machte, mit denen ein in Wirklichkeit nicht existierender Sachverhalt als gegeben dargestellt wird (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. August 2018 – 3 StR 357/17 –, juris Rn. 21 ff.).
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3. Die vorsätzliche Tatbegehung hat das Landgericht ebenfalls nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei dargelegt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.