VGH München, Beschluss v. 07.03.2022 – 4 CS 21.2254
Titel:
Duldung des Einbaus eines elektronischen Funkwasserzählers
Normenketten:
DSGVO Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 32
WAS § 3, § 19 Abs. 1, § 19a, § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1
Leitsätze:
Dem Einbau und Betrieb fernauslesbarer Wasserzähler mit aktivierter Funkfunktion durch kommunale Wasserversorger stehen weder datenschutzrechtliche Hindernisse noch Gründe des Gesundheitsschutzes entgegen. (Rn. 26 – 39)
1. Der vom Gesetzgeber nur unter engen Voraussetzungen zugelassene Einsatz von elektronischen Wasserzählern mit Funkfunktion verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die von einem elektronischen Funkwasserzähler erfassten Verbrauchsmengen stellen, wenn sich daraus Rückschlüsse auf das individuelle Verbrauchsverhalten einzelner Personen ziehen lassen, personenbezogene Daten der Bewohner oder Nutzer des betreffenden Anwesens dar. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Versorgung mit Trinkwasser ist eine gemeindliche Pflichtaufgabe; mit dem Betrieb von Wasserzählern erfüllen die Wasserversorgungseinrichtungen ihre Verpflichtung, die von den Kunden verbrauchten Wassermengen mittels funktionierender Messeinrichtungen festzustellen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Umstellung auf fernablesbare digitale Geräte, mit denen neben dem Wasserverbrauch weitere Informationen wie etwa Wasserdurchfluss oder Wassertemperatur elektronisch erfasst, gespeichert und übermittelt werden können, ist zur effizienten und ressourcenschonenden Erfüllung der öffentlichen Versorgungsaufgabe geeignet. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die mit den fernablesbaren Geräten ermöglichte Verarbeitung personenbezogener Daten geht hinsichtlich ihres rechtlich zulässigen Umfangs nicht über das gebotene Maß hinaus und entspricht dem Gebot der Datensparsamkeit und Datenminimierung. Die gewonnenen Daten unterliegen einer spezifischen Zweckbindung und dienen der Erfüllung der Pflichtaufgabe der Wasserversorgung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die bloße Kenntnis, in welchen Zeiträumen und in welcher Menge eine einzelne Person Wasser verbraucht hat, lässt angesichts der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Leitungswasser innerhalb eines Haushalts in der Regel noch keine gesicherten Schlussfolgerungen über spezielle Verhaltensgewohnheiten zu. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
7. Dem Betroffenen steht zur Wahrung seiner Interessen das Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO zu, das den Wasserversorger zu einer individuellen Abwägungsentscheidung und ggf. zur Unterlassung der Datenverarbeitung verpflichtet. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
8. Aus der Verwendung elektronischer Wasserzähler mit aktivierter Funkfunktion ergeben sich keine unzulässigen Gefährdungen der menschlichen Gesundheit. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutz gegen Duldungsanordnung des kommunalen Wasserversorgers, Erledigung einer terminlich bestimmten Verpflichtung, gesetzliche Ermächtigung zum Einbau von Wasserzählern mit Funkfunktion, Erfassung des Wasserverbrauchs als Verarbeitung personenbezogener Daten, Rechtfertigung möglicher Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung, unionsrechtliches und landesrechtliches Widerspruchsrecht, gesundheitliche Auswirkungen fernauslesbarer Wasserzähler, Wasserzähler, Funkmodul, Datenschutz, Gesundheitsschutz, Duldungsanordnung, Widerspruchsrecht, informationelle Selbstbestimmung, Verbrauchsdatenerfassung, Wasserabgabesatzung
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 04.08.2021 – B 4 S 21.693
Fundstellen:
BayVBl 2022, 412
RDV 2022, 283
DVBl 2022, 803
DÖV 2022, 687
ZMR 2023, 23
BeckRS 2022, 4459
LSK 2022, 4459
NZM 2022, 476
NVwZ-RR 2022, 688
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihnen durch Bescheid auferlegte Verpflichtung, dem Antragsgegner durch die Gewährung des Zugangs zu ihrem Anwesen die Möglichkeit zu eröffnen, den vorhandenen analogen Wasserzähler gegen einen elektronischen Wasserzähler mit Funkmodul auszutauschen.
2
Die Antragsteller sind Miteigentümer eines Hausgrundstücks mit zwei Wohneinheiten, das sie mit ihren beiden Kindern und mit den Eltern der Antragstellerin zu 1 bewohnen. Der dort eingebaute Wasserzähler erfasst den Gesamtverbrauch des Anwesens.
3
Der Antragsgegner, ein kommunaler Zweckverband, betreibt eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung und hat dazu eine Wasserabgabesatzung (WAS) erlassen. Er wies Anfang Februar 2021 in einem Rundschreiben darauf hin, dass im Rahmen des turnusmäßigen Austauschs der Einbau von elektronischen Wasserzählern mit Funkmodul geplant sei; innerhalb einer Frist von zwei Wochen könne der Verwendung der Funktion Fernauslesung widersprochen werden, sofern der Wasserzähler nicht mehrere Wohneinheiten versorge.
4
Die Antragsteller und die Eigentümerin der weiteren Wohnung erklärten daraufhin ihr fehlendes Einverständnis mit dem Einbau und der Inbetriebnahme eines elektronischen Wasserzählers mit Fernauslesung und verweigerten einem Mitarbeiter des Antragsgegners den Zugang. Mit Schreiben vom 20. April 2021 erhoben die Antragsteller zudem ausdrücklich Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO und äußerten Bedenken gegen die datenschutzrechtliche Konformität und die Verhältnismäßigkeit des Einbaus der Geräte; auch handle es sich bei dem von ihnen bewohnten Gebäude nicht um getrennte Einheiten, so dass ein Personen- und Familienbezug der Daten bei gegenwärtig nur sechs Bewohnern jederzeit gegeben sei.
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Der Antragsgegner verpflichtete daraufhin mit Bescheid vom 12. Mai 2021 die Antragsteller und die Eigentümerin der weiteren Wohnung, einem Beauftragten des Antragsgegners am 9. Juni 2021 um 10 Uhr zur Überprüfung und erforderlichenfalls zum Austausch des bisherigen Wasserzählers Zugang zu diesem zu gewähren und dazu das Betreten ihres Grundstücks, ihres Wohnhauses und ihrer Wohnräume im erforderlichen Umfang zu dulden (Nr. 1); insoweit wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 2). Weiter wurde für den Fall der Nichterfüllung der unter Nr. 1 festgelegten Duldungspflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 150 Euro angedroht (Nr. 3). Die Kosten des Verfahrens wurden den Antragstellern und der weiteren Eigentümerin auferlegt (Nr. 4); dazu wurden eine Gebühr von 80 Euro festgesetzt sowie Auslagen von 5,66 Euro erhoben (Nr. 5). In der Begründung wurde u. a. ausgeführt, die Eichzeit des Wasserzählers sei Ende 2020 abgelaufen, so dass er ausgetauscht werden müsse. Die Art des Wasserzählers könne der Antragsgegner bestimmen; ein Wahl- oder Widerspruchsrecht der Grundstückseigentümer bestehe insoweit nicht. Mechanische Wasserzähler würden seit Anfang 2021 nicht mehr eingebaut. Für ein Widerspruchsrecht fehle es an den gesetzlichen Voraussetzungen. Die Duldungsanordnung sei im öffentlichen Interesse für sofort vollziehbar erklärt worden, da der Vollzug des Eichrechts durch die Eichaufsichtsbehörden zwar aufgrund der COVID-19-Pandemie bis zum 30. Juni 2021 ausgesetzt worden sei, danach aber wieder bußgeld- und ordnungsrechtliche Maßnahmen drohten; ferner sei nach der Rechtsprechung eine auf einem ungeeichten Wasserzähler beruhende Verbrauchsgebührenabrechnung rechtswidrig.
6
Die Antragsteller verweigerten den Mitarbeitern des Antragsgegners bei dem festgesetzten Termin am 9. Juni 2021 erneut den Zutritt und ließen am 11. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2021 erheben sowie einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen. Es bestehe kein Interesse an der sofortigen Vollziehung, da der Abrechnungszweck auch durch Einbau eines geeichten analogen Wasserzählers erreicht werden könne. Das einzusetzende Gerät verfüge über keine Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Die Erhebung von Wassertemperatur und Außentemperatur sowie das permanente Aufzeichnen zahlreicher weiterer Alarmcodes seien zum ordnungsgemäßen Betrieb der Wasserversorgung nicht erforderlich. Weiter bestünden gesundheitliche Bedenken gegen den Einbau von Haustechnik mit gepulster Strahlung, die auch die Wohnräume erreiche. Die Duldungsverfügung sei schon deshalb rechtswidrig, weil sie ergangen sei, ohne über den Widerspruch nach Art. 21 DSGVO zu entscheiden. Das Widerspruchsrecht nach Art. 24 Abs. 4 GO sei nur bei Mehrfamilienhäusern mit Sammelwasserzähler ausgeschlossen; ein solches sei vorliegend nicht gegeben. In der Duldungsanordnung liege ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Zahl der Wohneinheiten sei nicht entscheidend. Sie genüge nicht für eine hinreichende Anonymisierung der Daten, da in dem Haus keine dritten Personen lebten, sondern eine familiäre Generationengemeinschaft. Die Art der Datenerhebung sei nicht vom Zweck der Satzungsermächtigung gedeckt, auch verstoße diese wegen ihrer Unbestimmtheit gegen höherrangiges Recht. Die Erhebung von Verlaufsprofilen sei rechtswidrig. Die im angegriffenen Bescheid enthaltene Kostenregelung sei rechtswidrig, weil Widersprüche nach der Datenschutz-Grundverordnung kostenfrei seien.
7
Der Antragsgegner trat dem Eilantrag entgegen und trug vor, eine individuelle Zuordnung des Wasserverbrauchs zu einzelnen Personen sei keinesfalls möglich, da in dem Anwesen in zwei Wohneinheiten sechs Personen wohnten. Schädliche Einwirkungen auf die Bewohner seien nicht zu erwarten, zumal die Wasserzähler in aller Regel im Keller oder im Hausanschlussraum verbaut seien. Mangels Zuordnung der zu erhebenden Daten zu einer bestimmten Wohneinheit sei ein Personenbezug der Daten nicht gegeben, so dass kein Widerspruchsrecht gegen die Verwendung der Funkfunktion bestehe. Ungeachtet der Hausgemeinschaft mit den Eltern der Antragsteller verfüge das Haus objektiv über mehrere Wohneinheiten.
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Den Widerspruch der Antragsteller nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 15. Juli 2021 zurück.
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Mit Beschluss vom 4. August 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Soweit er sich auf die Anordnung des Sofortvollzugs der Nr. 1 des Bescheids beziehe, sei er nicht statthaft, da die dort enthaltene Regelung nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG durch Zeitablauf erledigt sei. Hinsichtlich der Nrn. 3 bis 5 des Bescheids sei der Antrag statthaft, da die Anfechtungsklage insoweit keine aufschiebende Wirkung habe. Der Antrag habe aber in der Sache keinen Erfolg, da die Klage nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg habe. Bis zum Ablauf des Termins am 9. Juni 2021 hätten für die Nr. 3 des angegriffenen Bescheids die Vollstreckungsvoraussetzungen vorgelegen; Vollstreckungshindernisse seien nicht ersichtlich. Die Nrn. 4 und 5 des Bescheids seien nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht rechtswidrig; sie beruhten auf den Bestimmungen des Kostengesetzes und der Satzung des Antragsgegners über die Erhebung von Verwaltungskosten. Kostenfreiheit nach Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO bestehe nicht, da es sich bei dem angegriffenen Bescheid nicht um eine Entscheidung über einen Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO handle. Die Kostenerhebung sei auch nicht nach Art. 16 Abs. 5 KG ausgeschlossen. Danach würden Kosten nicht erhoben, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, insbesondere Kosten infolge rechtswidrigen Verwaltungshandelns. Dies sei hier nicht der Fall, da Nr. 1 des Bescheids bis zur Erledigung durch Zeitablauf rechtmäßig gewesen sei. Rechtsgrundlage für die Verpflichtung sei § 25 Abs. 1 i. V. m. § 13 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 19a Abs. 1 WAS, Art. 24 Abs. 3, Abs. 4 GO, Art. 22 Abs. 2 KommZG. Der Bescheid sei formell rechtmäßig. Dass über den von den Antragstellern erhobenen Widerspruch nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO vor Erlass des Bescheids nicht entschieden worden sei, begründe schon deshalb keinen Anhörungsmangel, weil den Antragstellern in Bezug auf die Verpflichtung aus Nr. 1 des Bescheids ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO auch im Hinblick auf den Einbau eines Wasserzählers mit aktiviertem Funkmodul nicht zustehe, da damit im Falle ihres Anwesens keine personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO verarbeitet würden. Den von dem einzubauenden Wasserzähler zu verarbeitenden Daten fehle der Bezug zu einer identifizierbaren natürlichen Person, da er wie der aktuell eingebaute Wasserzähler für beide Wohnungseigentumseinheiten verwendet werden solle. Von wem eine konkrete Wasserentnahme verursacht worden sei, könne dadurch nicht ermittelt werden. Die Verpflichtung, zur Überprüfung und erforderlichenfalls zum Austausch des Wasserzählers den Zugang zu dem Anwesen im erforderlichen Umfang zu dulden, sei auch materiell rechtmäßig gewesen. Ein Ausschluss der Verpflichtung aus § 13 WAS ergebe sich nicht aus dem Umstand, dass im Falle eines Austauschs beabsichtigt gewesen sei, einen elektronischen Wasserzähler mit Funkmodul einzusetzen. Die Antragsteller hätten einen solchen Wasserzähler zu dulden, da der Antragsgegner mit § 19a WAS von der gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch gemacht habe, elektronische Wasserzähler mit und ohne Funkmodul einzusetzen. Es sei nicht nach Art. 24 Abs. 4 Satz 6 GO ein Zähler ohne Verwendung der Funkfunktion einzusetzen gewesen. Dies folge auch nicht aus dem Widerspruch der Antragsteller, da in dem versorgten Objekt mehrere Einheiten einen gemeinsamen Wasserzähler hätten. Art. 24 Abs. 4 Satz 7 GO sei dahingehend auszulegen, dass es für den Ausschluss des Widerspruchsrechts genüge, wenn mindestens eine weitere Wohnung durch denselben elektronischen Wasserzähler mitversorgt werde, da dann typischerweise keine personenbezogenen Daten nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO vorlägen. Mehrere Einheiten seien hier auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Anwesen insgesamt von sechs Personen, den Antragstellern, deren Kindern und den Eltern der Antragstellerin, bewohnt werde. Auf die Zahl der in einem Objekt wohnenden Person und die Nutzung des Objekts könne es für die Bestimmung, wann mehrere Einheiten vorlägen, nicht ankommen, da ein Bezug zwischen individuell identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Personen und den konkret verarbeiteten Informationen durch den Wasserzähler nicht hergestellt werden könne. Der Verpflichtung in Nr. 1 des angegriffenen Bescheids liege kein Ermessensfehler zugrunde. Wegen des fehlenden Bezugs zu einer bestimmten oder bestimmbaren Person liege keine Verarbeitung personenbezogener Informationen vor, so dass eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auszuschließen sei. Auch eine Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit sei wegen der geringen Signalstärke von 10 Milliwatt und der geringen Sendedauer von 0,01 Sekunden nicht ersichtlich.
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Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde. Sie beantragen sinngemäß,
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unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 4. August 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juni 2021 gegen die Verfügung des Beklagten von 12. Mai 2021 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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Gründe:
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I. Die zulässige Beschwerde, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt.
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1. Die Antragsteller tragen vor, von Nr. 1 der Verfügung gingen trotz des Verstreichens des Termins noch Wirkungen aus, da sie ein Zwangsgeld zu zahlen hätten, wenn sie der Verpflichtung zur Zutrittsgewährung nicht nachkämen; auch könne jederzeit eine wiederholende Verfügung ergehen. Die Anordnung, den Austausch des analogen Zählers gegen einen digitalen Zähler zu dulden, sei rechtswidrig. Es sei bereits fraglich, ob diese Anordnung von § 25 WAS gedeckt sei; der bloße Verweis auf § 19a WAS genüge insoweit nicht. § 25 WAS beziehe sich bei zutreffender Auslegung nur auf Verstöße nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 WAS, nicht dagegen auf die Art der Messeinrichtung, die sowohl in analoger als auch in digitaler Form eine korrekte Erfassung ermögliche. Auch das Ermessen sei hier fehlerhaft ausgeübt worden, denn niemand komme zu Schaden oder habe einen Nachteil, wenn die Zulässigkeit eines Wasserzählers mit Funkfunktion zunächst in einem Hauptsacheverfahren geklärt werde. Die Antragsteller hätten mit Schreiben vom 31. Mai 2021 dargelegt, weshalb sie elektromagnetische Strahlung von geringer Intensität nicht für unbedenklich hielten und dass sie nicht bereit seien, vermeidbare intermittierende Strahlung im Wohnbereich hinzunehmen. Die biologischen Mechanismen bei einer Dauerexposition elektromagnetischer gepulster Strahlung seien komplexer als vom Antragsgegner dargestellt. Der Widerspruch gegen den Einbau der Funkfunktion sei begründet, da die Ermächtigungsgrundlage in Art. 24 Abs. 4 Satz 2 bis 7 GO nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sei. Sie lege für Sammelwasserzähler keine Untergrenze z. B. von zehn Personen fest, wie sie bei der Erhebung von Geodaten in Form von Einwohnerkatastern bestehe. Es sei eine Ungleichbehandlung, wenn das Widerspruchsrecht unabhängig von der Bewohnerzahl letztlich von der Art des Gebäudes abhänge. Die bloße bauliche Abtrennung von Wohneinheiten unabhängig von deren Nutzung sei kein Sachgrund, der den Personenbezug entfallen lasse; dafür genüge jedenfalls das Vorhandensein einer Wohneinheit mit einer Einliegerwohnung nicht. Bei verfassungskonformer Auslegung sei von einer widerleglichen Vermutung auszugehen, wonach bei Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten, die von einer geringen Anzahl Personen bewohnt würden, ein Recht auf Deaktivierung der Funkfunktion bestehe. In einer kleinen Gemeinschaft könne ohne besonderen Aufwand festgestellt werden, wer z. B. durch Schulbesuch oder Arbeit abwesend sei, so dass sich der individuelle Wasserbezug in einem bestimmten Zeitraum bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt ermitteln lasse. Wegen der zu erstellenden Rechnungen lägen dem Antragsgegner regelmäßig auch die Namen und Wohnadressen zu den jeweiligen Zählernummern vor. In Kombination mit anderen Daten, z. B. der Telekommunikations- und Internetanbieter, des Gas- und Stromverbrauchs oder von Bewegungs-, Navigations-, Melde- und Gesundheitsapps lasse sich feststellen, wer im Haus anwesend sei. Der Einsatz dauerfunkender digitaler Wasserzähler sei zu dem geltend gemachten Zweck nicht erforderlich und laufe somit dem Grundsatz der Datensparsamkeit zuwider. Anders als bei Smartmetern für Gas und Strom erfolge bei Funkwasserzählern auch keine Zertifizierung der Geräte durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik; daher sei nicht erkennbar, ob die allgemeinen Standards hinsichtlich der Verschlüsselung der Übertragung eingehalten würden. Insgesamt überwiege damit das Aufschubinteresse der Antragsteller. Auch das Schweizerische Bundesgericht habe mit Urteil vom 5. Januar 2021 entschieden, dass der Einsatz von Wasserzählern mit Funkfunktion in Grundrechte eingreife, und technische Anpassungen der Geräte insbesondere hinsichtlich der kontinuierlichen Sendefunktion gefordert.
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2. Dieses Vorbringen der Antragsteller ist nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis in Frage zu stellen.
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a) Nicht ganz zweifelsfrei erscheint allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Eilantrag sei hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheids bereits unstatthaft, weil die dort getroffene Anordnung, einem Beauftragten des Antragsgegners zu einem bestimmten Termin den Zugang zu dem Wasserzähler zu gewähren und dazu das Betreten des Anwesens zu dulden, nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG durch Zeitablauf erledigt sei. Zwar war die genannte Verfügung aufgrund ihres eindeutigen Wortlauts so zu verstehen, dass die den Antragstellern auferlegte Handlungs- und Duldungspflicht nur einmalig am 9. Juni 2021 um 10 Uhr und nicht auch bei etwaigen späteren Versuchen eines Wasserzähleraustauschs erfüllt werden musste. Die aus dem Verstreichen des Termins folgende Unmöglichkeit der Zweckerreichung ließ aber die Anordnung nicht zwingend obsolet werden. Nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch ein durch Zeitablauf gegenstandslos gewordenes Ge- oder Verbot weiterhin nachteilige Rechtswirkungen für den Betroffenen entfalten, wenn es die Grundlage für noch rückgängig zu machende Vollstreckungsmaßnahmen etwa in Gestalt eines Zwangsgelds (U. v. 20.6.2013 - 8 C 17.12 - juris Rn. 19) oder für einen Kostenbescheid bildet (B.v. 25.11.2021 - 6 B 7.21 - juris Rn. 7). Folgt man dieser Rechtsauffassung, so hat sich die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung in Nr. 1 des Bescheids vom 12. Mai 2021 noch nicht gänzlich erledigt, so dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch insoweit statthaft ist.
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b) Bei der hiernach anzustellenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der anhängigen Anfechtungsklage ist das Verwaltungsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsteller durch die Anordnung, einem Mitarbeiter des Antragsgegners Zugang zu ihrem Anwesen zu gewähren, um ihm die Überprüfung und den Austausch des bisherigen Wasserzählers zu ermöglichen, nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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aa) Rechtsgrundlage der angefochtenen Verfügung ist die auf Art. 22 Abs. 2 KommZG, Art. 24 GO beruhende Bestimmung des § 25 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung (Wasserabgabesatzung - WAS) des Antragsgegners vom 21. November 2019, die mit der amtlichen Mustersatzung übereinstimmt. Danach kann der Antragsgegner zur Erfüllung der nach dieser Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Diese Befugnisnorm zielt, wie sich schon aus ihrem generalklauselartig formulierten Wortlaut ergibt, entgegen dem Vortrag der Antragsteller nicht bloß auf die in § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 WAS genannten bußgeldbewehrten Verstöße, sondern auf alle Arten von Pflichtverletzungen (vgl. BayVGH, B.v. 8.3.2019 - 4 CE 18.2597 - NVwZ-RR 2019, 833 Rn. 9).
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Zu den satzungsrechtlich begründeten Pflichten der angeschlossenen Grundstückseigentümer gehört die in § 13 Abs. 1 Satz 1 WAS normierte, auf Art. 24 Abs. 3 GO beruhende Verpflichtung, den Beauftragten des Antragsgegners den Zutritt zu allen der Wasserversorgung dienenden Einrichtungen zu gestatten, soweit dies zur Prüfung, ob die Vorschriften der Satzung erfüllt werden, erforderlich ist. In dem damit zugelassenen Betreten von Räumen, die zu einer Wohnung gehören, liegt bei fehlender Einwilligung zwar ein Grundrechtseingriff im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG. Dieser ist aber gerechtfertigt, da die Überwachung und Instandhaltung der aus Gründen des Gesundheitsschutzes (§ 37 IfSG) betriebenen öffentlichen Trinkwasserversorgungseinrichtung, für die ein Anschluss- und Benutzungszwang gilt (§ 5 WAS), im Sinne eines vorbeugenden Schutzes dazu dient, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen würde (vgl. BVerfG, U.v. 13.2.1964 - BvL 17/61 u. a. - BVerfGE 17, 232/251 f.; LT-Drs. 17/19804 S. 2).
23
Bestandteil der dem Betretungsrecht unterliegenden öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung sind auch die auf den Grundstücken bzw. in den Gebäuden nach der Hauptabsperrvorrichtung angebrachten Wasserzähler (§ 3 WAS). Für ihre Aufstellung, technische Überwachung und Auswechslung hat der Antragsgegner zu sorgen, wobei er Art, Zahl, Größe und Aufstellungsort bestimmen kann (§ 19 Abs. 1 Satz 2 WAS). Die in diesem Zusammenhang notwendigen Installations- und Wartungsarbeiten sind nur möglich, wenn seinen Beauftragten der Zutritt zu den Räumen gewährt wird, in denen sich die Geräte befinden oder installiert werden sollen. Aus § 19 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 WAS folgt daher eine entsprechende Handlungs- und Duldungspflicht der Grundstückseigentümer, die mittels Einzelfallanordnungen nach § 25 WAS durchgesetzt werden kann.
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bb) Die den Antragstellern auferlegte Verpflichtung, den Zugang zu ihrem Wasserzähler zum Zwecke der Überprüfung und des Austauschs zu gewähren, war nicht deshalb rechtswidrig, weil der Antragsgegner damit erklärtermaßen den Zweck verfolgte, gemäß § 19a WAS einen elektronischen Wasserzähler mit Funkmodul zu installieren. Hierin lag kein unzulässiger Eingriff in Grundrechte oder einfachgesetzliche Rechtspositionen der Antragsteller.
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Die mit § 19a Abs. 1 WAS eröffnete Möglichkeit, elektronische Wasserzähler mit oder ohne Funkmodul einzusetzen und zu betreiben, beruht auf der speziellen Satzungsermächtigung in Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO, die anlässlich der Neufassung des Bayerischen Datenschutzgesetzes (G.v. 15.5.2018, GVBl S. 230) in die Gemeindeordnung aufgenommen wurde, um für die damit verbundenen Grundrechtseingriffe eine gesetzliche Grundlage zu schaffen (LT-Drs. 17/19628 S. 56). Macht ein kommunaler Satzungsgeber von dieser Regelungsoption Gebrauch, ist er auch an die nachfolgenden Vorschriften des Art. 24 Abs. 4 Satz 2 bis 7 GO gebunden, die die Nutzung der auf diese Weise gewonnenen Daten beschränken und den Gebührenschuldnern und Grundstückseigentümern unter bestimmten Umständen ein Widerspruchsrecht gegen die Verwendung der Funkfunktion einräumen.
26
Der hiernach vom Gesetzgeber nur unter engen Voraussetzungen zugelassene Einsatz von elektronischen Wasserzählern mit Funkfunktion verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Im fortlaufenden Betrieb solcher Messgeräte liegt weder ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (1) noch ergeben sich daraus nach derzeitigem Erkenntnisstand Gesundheitsgefahren für die Bewohner (2).
27
(1) Die in einem elektronischen (Funk-)Wasserzähler erfassten Verbrauchsmengen stellen allerdings, wenn und soweit sich daraus Rückschlüsse auf das individuelle Verbrauchsverhalten einzelner Personen ziehen lassen, personenbezogene Daten der Bewohner oder sonstigen Nutzer des betreffenden Anwesens dar. Insoweit reicht es nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO aus, dass eine bestimmte natürliche Person direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie etwa einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten oder zu einem besonderen identitätsprägenden Merkmal identifiziert werden kann (vgl. auch BVerwG, U.v. 27.11.2014 - 7 C 20.12 - BVerwGE 151, 1 Rn. 41 m.w.N.). Dies ist beim Betrieb eines Wasserzählers zumindest dann der Fall, wenn die aufgezeichneten Verbrauchsdaten eine Wohnung oder eine sonstige Gebäudeeinheit betreffen, die von einer einzelnen Person genutzt wird. Aber auch bei gemeinsamer Nutzung durch mehrere Personen lassen sich, wenn der Wasserverbrauch durch einen elektronischen Zähler kontinuierlich aufgezeichnet wird, unter Umständen mit nur geringem Zusatzwissen Rückschlüsse auf die Verbrauchsgewohnheiten Einzelner ziehen (vgl. Schweizerisches Bundesgericht, U.v. 5.1.2021 - 1C_273/2020 - EuGRZ 2021, 228 juris Rn. 36).
28
Hiernach liegt jedenfalls in bestimmten Fallkonstellationen in dem Erfassen, Speichern und elektronischen Auslesen oder Übermitteln des Wasserverbrauchs der angeschlossenen Grundstücke eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Diese ist, sofern keine Einwilligung vorliegt (Art. 4 Nr. 11 DSGVO), nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e DSGVO nur rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist. Die dafür nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO notwendige Rechtsgrundlage hat der Bayerische Gesetzgeber mit der in Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO enthaltenen Sonderregelung zum Einsatz und Betrieb derartiger Wasserzähler geschaffen (vgl. LT-Drs. 17/19628 S. 56). Entgegen dem Vortrag der Antragsteller genügt diese Satzungsermächtigung, die nur die in Abs. 1 Nr. 2 genannten Wasserversorgungseinrichtungen mit Anschluss- und Benutzungszwang erfasst, sowohl den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e DSGVO als auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in das nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
29
(a) Der mit der Verarbeitung personenbezogener Daten unter bestimmten Umständen verbundene Rechtseingriff dient der Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe und verfolgt damit einen legitimen Zweck. Die Versorgung mit Trinkwasser ist eine zur Daseinsvorsorge gehörende gemeindliche Pflichtaufgabe (Art. 83 Abs. 1 BV; Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO; § 50 Abs. 1 WHG), die im Wege der kommunalen Zusammenarbeit wahrgenommen werden kann. Die aus Gründen des öffentlichen Wohls betriebenen Wasserversorgungseinrichtungen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO) erfüllen mit dem Betrieb von Wasserzählern ihre aus § 18 Abs. 1 und 2, § 35 AVBWasserV (V.v. 20.6.1980, BGBl I S. 750) folgende Verpflichtung, die von den Kunden verbrauchten Wassermengen mittels funktionierender Messeinrichtungen festzustellen.
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Den Einrichtungsträgern steht hierbei auch kraft Bundesrechts das alleinige Recht zu, die Art des Wasserzählers zu bestimmen (vgl. BGH, U.v. 21.4.2010 - VIII ZR 97/09 - NJW-RR 2010, 1162 juris Rn. 11). Der Einsatz elektronischer Verbrauchserfassungsgeräte ist ihnen nicht deshalb verwehrt, weil diese keiner Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bedürfen. Die Wasserversorger sind unabhängig davon für die Einhaltung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. f, Art. 32 DSGVO verantwortlich. Sie müssen sich daher vor dem Einsatz elektronischer (Funk-) Wasserzähler bei dem Gerätehersteller vergewissern, dass die gespeicherten und übermittelten Daten durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen ausreichend vor dem Zugriff unberechtigter Dritter geschützt sind (LT-Drs. 17/19804 S. 2).
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Die Umstellung von den nur vor Ort ablesbaren analogen Wasserzählern auf fernablesbare digitale Geräte, mit denen neben dem Wasserverbrauch weitere Informationen wie etwa der Wasserdurchfluss oder die Wassertemperatur elektronisch erfasst, gespeichert und übermittelt werden können, ist zur effizienten und ressourcenschonenden Erfüllung der öffentlichen Versorgungsaufgabe geeignet. Sie dient insbesondere dazu, den Personalaufwand für eine genaue Verbrauchsermittlung zu vermindern und technische Defekte, die zu Undichtigkeiten im Leitungsnetz oder zu Gefahren für die Trinkwasserhygiene führen können, früher und zielgenauer zu erkennen (vgl. LT-Drs. 17/19804 S. 2; Knoblauch, KommP BY 2017, 317/318).
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(b) Zur Erreichung dieser Ziele ist der Einsatz elektronischer Wasserzähler mit Funkmodul erforderlich, da ein gleich geeignetes, aber mit geringerem Datenverbrauch verbundenes Messverfahren nicht existiert. Die mit den fernablesbaren Geräten ermöglichte Verarbeitung personenbezogener Daten geht auch hinsichtlich ihres rechtlich zulässigen Umfangs nicht über das gebotene Maß hinaus und entspricht insofern dem Gebot der Datensparsamkeit bzw. Datenminimierung (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO). Die mithilfe solcher Wasserzähler gewonnenen Daten unterliegen nach Art. 24 Abs. 4 GO spezifischen Zweckbindungen, die die allgemeinen Zweckänderungserlaubnisse auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 4 DSGVO verdrängen (LT-Drs. 17/19628 S. 56). So dürfen nach Art. 24 Abs. 4 Satz 2 GO in einem elektronischen Wasserzähler nur Daten gespeichert und verarbeitet werden, die zur Erfüllung der Pflichtaufgabe der Wasserversorgung und zur Gewährleistung der Betriebssicherheit und Hygiene der gesamten Wasserversorgungseinrichtung erforderlich sind. Nach Art. 24 Abs. 4 Satz 3 GO dürfen die gespeicherten Daten nur ausgelesen und verwendet werden zur periodischen Abrechnung oder Zwischenabrechnung des Wasserverbrauchs (Nr. 1) sowie anlassbezogen, soweit dies im Einzelfall zur Abwehr von Gefahren für den ordnungsgemäßen Betrieb der Wasserversorgungseinrichtung und zur Aufklärung von Störungen im Wasserversorgungsnetz erforderlich ist (Nr. 2). Letzteres ermöglicht durch den vorübergehenden Einsatz der Geräte außerhalb des Regelbetriebs eine schnelle Lokalisierung von Leckagen oder Rohrbrüchen (vgl. Götz, KommP BY 2018, 249/251); die Träger der öffentlichen Wasserversorgung erfüllen damit ihre Verpflichtung, die Wasserverluste in ihren Einrichtungen gering zu halten (§ 50 Abs. 3 Satz 2 WHG). Die in Art. 24 Abs. 4 Satz 4 GO darüber hinaus zugelassene Verwendung der Jahresverbrauchswerte zur Berechnung und Festsetzung der Gebühren für die Benutzung einer Abwasserbeseitigungseinrichtung ist immer dann, wenn die Abwassergebühren nach einem Frischwassermaßstab berechnet werden, zwingend erforderlich und stellt daher eine gemäß Art. 6 Abs. 4 DSGVO zulässige Zweckänderung der Daten dar. Insgesamt ist damit, anders als in dem vom Schweizerischen Bundesgericht entschiedenen Fall (EuGRZ 2021, 228 juris Rn. 52), bereits kraft Gesetzes gewährleistet, dass für die Erhebung, Speicherung und Nutzung der personenbezogenen Daten in jedem Fall ein hinreichend gewichtiger Grund vorliegt.
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(c) In der Verarbeitung von Verbrauchsdaten durch einen elektronischen Wasserzähler mit Funkmodul liegt kein so schwerer Rechtseingriff, dass bei der notwendigen Gesamtabwägung das Interesse des öffentlichen Wasserversorgers an der Nutzung dieser multifunktionalen Geräte zurückstehen müsste. Aus der Sicht des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) kann der Einsatz fernablesbarer Zähler sogar als eine besonders schonende Art der Verbrauchsdatenerfassung angesehen werden, da auf diese Weise das Betreten von privaten Räumen entbehrlich wird. Die für das Auslesen der Messwerte zuständigen Bediensteten des Versorgungsunternehmens, die dem Datengeheimnis unterliegen (Art. 11 BayDSG), erhalten bei der Befahrung des Einrichtungsgebiets mit Funkempfangsgeräten keinen unmittelbaren Einblick in die Wohn- und Lebensverhältnisse der Anschlussnehmer, sondern erlangen lediglich sachbezogene Informationen über Zählerstände und Durchflussmengen. Selbst wenn sie aufgrund äußerlich erkennbarer Begleitumstände eine bestimmte Person als den alleinigen Verbraucher identifizieren können, liegt darin im Normalfall noch keine tiefgreifende Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Die bloße Kenntnis, in welchen Zeiträumen und in welcher Menge eine einzelne Person Wasser verbraucht hat, lässt angesichts der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Leitungswasser innerhalb eines Haushalts oder einer Betriebsstätte in der Regel noch keine gesicherten Schlussfolgerungen über spezielle Verhaltensgewohnheiten zu. Soweit dies aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise dennoch der Fall ist, steht dem Betroffenen zur Wahrung seiner Interessen das von Art. 24 Abs. 4 GO unberührt bleibende Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO zu, das den Wasserversorger zu einer individuellen Abwägungsentscheidung und gegebenenfalls zur Unterlassung der Datenverarbeitung verpflichtet (vgl. LT-Drs. 17/19804 S. 2; LT-Drs. 17/19628 S. 56).
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(d) Die Zumutbarkeit des Einsatzes eines elektronischen Wasserzählers mit Funkmodul hängt aus grundrechtlicher Sicht nicht von dem Bestehen oder gar von der Reichweite des in Art. 24 Abs. 4 Satz 5 bis 7 GO geregelten spezifischen Widerspruchsrechts ab, das dem Gesetzentwurf zu Art. 24 Abs. 4 GO erst nachträglich hinzugefügt worden ist (LT-Drs. 17/20500).
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Nach den genannten Bestimmungen können die Gebührenschuldner, die Eigentümer und die berechtigten Nutzer des versorgten Objekts unabhängig voneinander innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach Zugang eines Hinweises zum geplanten Einsetzen eines Wasserzählers mit Funkfunktion schriftlich widersprechen (Satz 5) mit der Folge, dass ein solcher Zähler nicht eingesetzt werden darf (Satz 6), wobei dies nicht gilt, wenn in einem versorgten Objekt mehrere Einheiten einen gemeinsamen Wasserzähler haben (Satz 7). Die letztgenannte Vorschrift, die das Widerspruchsrecht entfallen lässt, beruht auf der typisierenden Annahme, dass bei gemeinsamer Nutzung eines Wasserzählers keine personenbezogenen Daten verarbeitet würden (LT-Drs. 17/21815), da der gemessene Verbrauch bei mehreren Hausparteien in der Regel ohne zusätzliches Sonderwissen, über das der Wasserversorger grundsätzlich nicht verfüge, nicht mehr konkreten Personen zugeordnet werden könne (BayLfD, 30. Tätigkeitsbericht 2020, 6.2.3.2.). Dass dabei als Unterscheidungskriterium auf die Zahl der (selbständigen) „Einheiten“ in dem versorgten Objekt und nicht auf die Bewohnerzahl abgestellt wird, lässt sich mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) jedenfalls damit begründen, dass die baulichen Gegebenheiten meist dauerhafter bestehen als die persönlichen Nutzungsverhältnisse und sich zudem eindeutiger feststellen lassen.
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Mit der in Art. 24 Abs. 4 Satz 5 bis 7 GO getroffenen Regelung werden allerdings mögliche Grundrechtseingriffe durch den Einsatz fernablesbarer Wasserzähler schon deshalb nicht in vollem Umfang ausgeschlossen, weil dieses landesgesetzliche Widerspruchsrecht ausdrücklich nur beim erstmaligen Einbau solcher Geräte besteht (vgl. LT-Drs. 17/20500 S. 1 f.). Spätere Erwerber und Nutzer der betreffenden Wohneinheit müssen also, auch wenn der Zähler allein ihren Verbrauch erfasst, den Betrieb eines bereits vorhandenen Geräts mit Funkfunktion weiter hinnehmen, wenn sie sich nicht mit Erfolg auf das unionsrechtliche Widerspruchsrecht nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO berufen können. In dieser auf der gesetzlichen Ermächtigung des Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO beruhenden Duldungsverpflichtung liegt jedoch aus den oben dargelegten Gründen kein schwerwiegender oder gar unzumutbarer Grundrechtseingriff. Entgegen der Meinung der Antragsteller ist daher von Verfassungs wegen eine erweiternde Auslegung des in Art. 24 Abs. 4 Satz 6 GO normierten Rechts auf Deaktivierung der Funkfunktion weder bei einem späteren Wechsel des Wohnungseigentümers oder -nutzers geboten noch in dem hier vorliegenden Fall, dass ein für mehrere Wohneinheiten gemeinsam genutzter Wasserzähler den Verbrauch einer nur geringen Zahl von Personen erfasst.
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(2) Aus der Verwendung elektronischer Wasserzähler mit aktivierter Funkfunktion ergeben sich ersichtlich auch keine nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unzulässigen Gefährdungen der menschlichen Gesundheit.
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Für die Beurteilung möglicher gesundheitlicher Auswirkungen der von fernauslesbaren Wasserzählern abgegebenen elektromagnetischen Strahlung kann mangels spezieller Studien nur auf die für Mobiltelefone gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zurückgegriffen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die abgestrahlte Leistung eines Handys ein Vielfaches der Strahlungsleistung eines typischen Funkwasserzählers beträgt (LT-Drs. 18/7406 S. 5; Berechnungsbeispiel bei Thimet in Thimet [Hrsg.], Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Teil IV, Art. 9, 4.4.1). Dabei ist die tatsächlich auf den Menschen einwirkende Feldstärke im Vergleich nochmals weitaus geringer, weil Mobiltelefone in der Nähe des Kopfes verwendet werden, während Funkwasserzähler in der Regel in einem Keller an der zentralen Hauswasserzuleitung angebracht sind. Da die von einem Sender ausgehende Strahlungsleistung, die z. B. die Hautoberfläche eines Menschen erreicht, annähernd quadratisch mit der Entfernung abnimmt, sofern nicht noch eine Abschirmung durch Wände hinzukommt, wird die tatsächlich für die Bewohner eines Hauses verbleibende biologische Einwirkungsdosis so klein, dass sie rechnerisch nicht mehr sinnvoll dargestellt werden kann (vgl. LT-Drs. 18/7406 S. 5; Thimet, a.a.O.).
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Gesundheitliche Bedenken gegen den Einsatz von Wasserzählern mit Funkfunktion lassen sich danach insbesondere nicht unter dem von den Antragstellern angeführten Gesichtspunkt einer sogenannten elektromagnetischen Hypersensibilität bzw. Elektrosensibilität begründen. Wie sich aus einer vom Bundesamt für Strahlenschutz publizierten Zusammenfassung der Ergebnisse des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms ergibt, sind nicht-thermische biologische Wirkungen bei niedrigen Intensitäten hochfrequenter Felder bisher nicht nachgewiesen. Als Fazit der zahlreichen durchgeführten Studien ergibt sich, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und den Beschwerden elektrosensibler Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann; diese Einschätzung wird von der Weltgesundheitsorganisation geteilt und steht im Einklang mit einer aktuellen Risikobewertung des auf europäischer Ebene gebildeten Wissenschaftlichen Ausschusses „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ aus dem Jahr 2015 (https://www.bfs.de/DE/themen/ emf/hff/wirkung/hff-diskutiert/hff-diskutiert.html). Dass diese fachwissenschaftlich begründeten Erkenntnisse mittlerweile überholt wären, ist nicht ersichtlich und wird auch von den Antragstellern nicht substantiiert vorgetragen.
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cc) Da hiernach gegen den Einsatz elektronischer Wasserzähler mit Funkfunktion unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt durchgreifende Bedenken bestehen, durfte der Antragsgegner auf der Grundlage der satzungsrechtlichen Befugnisnorm des § 25 Abs. 1 WAS die angefochtene Verfügung erlassen. Angesichts seiner vorherigen Grundsatzentscheidung, ab dem 1. Januar 2021 keine mechanischen Wasserzähler mehr im Versorgungsgebiet einzubauen, war er gegenüber den Antragstellern auch nicht verpflichtet, auf die beabsichtigte Umrüstung für einen Übergangszeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verzichten. Da die ausführlich begründete Anordnung des Sofortvollzugs ebenfalls nicht zu beanstanden ist, kann die Beschwerde insgesamt keinen Erfolg haben.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertentscheidung aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).