VG Bayreuth, Urteil v. 08.11.2022 – B 1 K 21.734
Titel:
Sicherstellung Pkw, Schutz privater Rechte, Suche nach Vermisstem, ungeklärter Todesfall, Hochwasser, Verhältnismäßigkeit, Ermessen, Haftung des Erben
Normenketten:
PAG – Artikel 9
PAG Artikel 25 Abs. 1 Nr. 2, 26 Abs. 1 S. 1, 28 Abs. 5 S. 1 und 2
FVGebO
PAG Artikel 4 und 5
Schlagworte:
Sicherstellung Pkw, Schutz privater Rechte, Suche nach Vermisstem, ungeklärter Todesfall, Hochwasser, Verhältnismäßigkeit, Ermessen, Haftung des Erben
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43470
Tenor
1. Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird dieses eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides des Polizeipräsidiums O. vom 25. Mai 2021, wonach er die Kosten für die Sicherstellung des Pkw seines verstorbenen Freundes tragen muss, dessen Erbe er ist.
2
Aus den Akten der Polizei geht hervor, dass es am 1. März 2020 gegen 18:30 Uhr zu einem Polizeieinsatz im Bereich unterhalb der Brücke der B4 beim Baggersee bzw. Main in B. gekommen sei. Dort sei ein Fahrzeug (Mitsubishi Lancer, amtliches Kennz ... parkend und aufgrund Hochwassers bereits unter Wasser stehend aufgefunden worden. Unweit des Pkw hätten zwei Jacken und eine Getränkeflasche auf dem Boden gelegen, von denen anzunehmen gewesen sei, dass diese zu dem Fahrzeug bzw. dem Fahrzeugführer gehörten. Der Pkw selbst sei nicht versperrt gewesen, ein Handy und ein Geldbeutel hätten sich auf dem Beifahrersitz im Fahrzeuginneren befunden. Das Fahrzeug habe einen verwahrlosten und verschmutzten Eindruck gemacht; weiter habe sich vorne links am Pkw bereits ein Vorschaden befunden. Nachdem an der Adresse des Halters, Herrn H. J., niemand habe angetroffen werden können und auch eine Abfrage der umliegenden Kliniken zu keinem Ergebnis geführt habe, sei von einem Unglücksfall oder einem Suizid des Fahrzeugführers ausgegangen worden. Eine eingeleitete Personensuche nach dem Fahrer sei anfangs mittels eines Hubschraubers durchgeführt worden. Diese sei ergebnislos verlaufen. Eine nachfolgende Suche mittels Rettungshunden habe den Fahrzeugführer auch nicht finden können. Anschließend sei das Fahrzeug, da es unversperrt gewesen sei, von der Polizei sichergestellt worden und auf den Verwahrplatz der Bundespolizei in B, verbracht worden.
3
Der vorherige Fahrzeughalter H. J. wurde am 2. März 2020 tot am Rand des Baggersees in Br. gefunden. Die Obduktion ergab einen Tod durch Ertrinken. Die Todesursache ist unklar.
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Am 5. März 2020 holte der Kläger das gegenständliche Fahrzeug vom Verwahrplatz ab.
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Dem Kläger wurde ein Anhörungsschreiben vom 2. Juli 2020 übersandt. Darin wurde dem Kläger angekündigt, dass dem Kläger die Kosten für das Abschleppen und die Sicherstellung des Fahrzeugs von H. J. nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG auferlegt würden. Für die Abschleppmaßnahmen unter erheblichen Schwierigkeiten seien bei der Polizei Auslagen i.H.v. 868,76 EUR angefallen. Aufgrund des Geschehens werde aus Billigkeitsgründen auf die Erhebung der Polizeigebühren von 54,00 EUR verzichtet. Es würden nur die Grundgebühr der Fahrzeugverwahrung von 36,00 EUR und Standkosten von 5,00 EUR pro Tag berechnet werden. Es lägen 5 Verwahrtage vor. Der Kläger als bester Freund des Verstorbenen und dessen Erbe sei erstattungspflichtig.
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Das Amtsgericht Bamberg als Nachlassgericht bestätigte dem Polizeipräsidium O. (im folgenden Polizeipräsidium) am 21. Januar 2021, dass der Kläger Alleinerbe des H. J. aufgrund eigenhändigen Testaments vom 28. Januar 2014 ist und er die Erbschaft angenommen hat.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erwiderte am 30. März 2021 auf das Anhörungsschreiben, dass die Polizei am 1. März 2020 bereits um 18:00 Uhr über den gegenständlichen Pkw informiert worden sei, das Abschleppunternehmen jedoch erst zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr verständigt worden sei. Somit liege die Annahme fern, dass der Pkw zum Schutz vor Verlust oder Beschädigung durch Dritte abgeschleppt worden sei. Das Fahrzeug sei vielmehr aus ermittlungstechnischen Gründen und zur Beweissicherung sichergestellt worden. Weiter sei im Wagen auch der Fahrzeugschlüssel gefunden worden. Dieser sei dem Kläger später auch von der Polizei ausgehändigt worden. Fraglich sei deswegen, warum der Pkw nicht mittels des Autoschlüssels habe weggefahren werden können. Außerdem seien die genauen Kosten bezüglich der Rechnung des Abschleppunternehmens unklar, welche als sehr hoch erscheinen würden. Weiter sei anzumerken, dass der Pkw noch nicht im Wasser gestanden habe, als das Abschleppunternehmen eintraf, sondern erst im Laufe der Bergeaktion mit Wasser in Berührung gekommen sei.
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Das Polizeipräsidium erwiderte auf das klägerische Schreiben am 25. Mai 2021, dass das Fahrzeug unverschlossen und mit darin befindlichen Wertgegenständen aufgefunden worden sei. Ein Fahrzeugschlüssel sei nicht gefunden worden, ebenso keine verantwortliche Person trotz intensiver Suche. Die Polizei sei von einem Vermisstenfall ausgegangen und habe das Fahrzeug entsprechend zur Eigentumssicherung sichergestellt. Hinweise auf eine Straftat hätten nicht vorgelegen, die Sicherstellung sei somit nicht aus ermittlungstechnischen Gründen erfolgt. Am 3. März 2020 um 19:30 Uhr sei der Kläger zusammen mit Frau S. auf die Wache der KPI B. gekommen, da bezüglich des Todes von Herrn J. noch Fragen offen gewesen seien. Bei dieser Gelegenheit seien dem Kläger die persönlichen Gegenstände und die Wohnungsschlüssel ausgehändigt worden. Weiter sei der Kläger über das sichergestellte Fahrzeug in Kenntnis gesetzt worden mit dem Hinweis, dass Fahrzeugschlüssel nicht gefunden worden seien. Der Kläger habe daraufhin angegeben, er habe einen Zweitschlüssel. Weiter habe der Kläger eine Kopie des Testaments des Herrn J. übergeben. Den eigenen Schlüssel habe der Kläger dann bei der Fahrzeugabholung am 5. März 2020 benutzt. Das Fahrzeug habe nicht früher abgeschleppt werden können, da es für die Suche mit den Hunden als Ausgangspunkt für Spuren notwendig gewesen sei. Der Hundeführer hätte erst gegen 22:30 Uhr kommen können und nachdem die Spur aufgenommen worden sei, habe man den Abschleppvorgang eingeleitet. Das Fahrzeug habe sich nicht um 18:00 Uhr im Wasser befunden, dies habe sich als Falschinformation herausgestellt. Die Abschleppkosten seien angemessen. Vor Ort habe es sich um unwegsames Gelände gehandelt, weiter sei ein Feiertagszuschlag von 100% für Sonntag, 1. März 2020, und ein Nachtzuschlag von 50% berechnet worden. Eine Übersendung der Abschlepprechnung sei aufgrund des Datenschutzes nicht möglich, der Prozessbevollmächtigte würde als Dritter gelten.
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Mit Bescheid vom 25. Mai 2021 verlangte das Polizeipräsidium die Kosten für die Abschleppmaßnahme und die Verwahrung des Fahrzeugs vom Kläger. Die Kostenrechnung setze sich aus den Auslagen für das beauftragte Abschleppunternehmen i.H.v. 868,76 EUR, der Grundgebühr für die Verwahrkosten i.H.v. 36,00 EUR und der Tagesgebühr für 5 Tage zu je 5,00 EUR, somit 25,00 EUR, zusammen. Als Begründung wurde ausgeführt, dass am 1. März 2020 gegen 18:00 Uhr die Mitteilung an die PI B.-Land eingegangen sei, dass in B. am Baggersee ein Fahrzeug der Marke Mitsubishi Lancer mit amtlichem Kennz ... unverschlossen parken würde. Vor Ort sei dieses Fahrzeug zum Schutz privater Rechte sichergestellt worden (Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG). Diese Maßnahme sei erforderlich gewesen, da der rechtmäßige Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung durch Dritte zu schützen gewesen sei. Das Fahrzeug sei unverschlossen und mit auf dem Beifahrersitz liegendem Handy und Geldbeutel aufgefunden worden, Kleidung habe unweit des Fahrzeugs gelegen. Trotz intensiver Suche sei weder ein Verantwortlicher, noch ein Fahrzeugschlüssel gefunden worden. Das Fahrzeug hätte nicht unverschlossen am Fundort bleiben können und sei stattdessen sichergestellt und zum Verwahrgelände verbracht worden. Am nächsten Tag sei der Eigentümer des Pkw, Herr H. J., tot im Baggersee gefunden worden. Die Auslagen und Kosten seien vom Kläger als Erbe zu tragen.
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Mit am 28. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenem Schriftsatz beantragt der Kläger, den Bescheid des Polizeipräsidiums O. vom 25.05.2021 aufzuheben.
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Der Kläger beruft sich auf die Stellungnahme seines Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2021. Weiter gibt er an, dass er zu keiner Zeit einen Zweitschlüssel gehabt habe. Er habe außerdem niemals behauptet, einen solchen zu besitzen. Die Ausführungen aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums seien frei erfunden. Der Kläger sei lediglich ein guter Freund des Verstorbenen gewesen und beide Personen hätten getrennte Hausstände gehabt. Der Kläger habe keinen Zugang zu der Wohnung von Herrn H. J. gehabt. Vielmehr habe die Polizei dem Kläger die Autoschlüssel zusammen mit den anderen Wertsachen übergeben. Der Bescheid könne nur rechtswidrig sein, da die Zusammensetzung der Kostenrechnung des Abschleppunternehmens unklar sei. Die Rechnung werde aufgrund Datenschutzes nicht übermittelt. Der Kläger müsse diese Rechnung jedoch prüfen dürfen. Ergänzend ließ er durch seinen Prozessbevollmächtigten schriftsätzlich ausführen, dass es intransparent sei, dass die Polizei in ihrem Anhörungsschreiben fälschlicherweise geschrieben habe, dass das gegenständliche Fahrzeug bereits um 18:00 Uhr im Wasser gestanden hätte. Dies entspreche nicht dem tatsächlichen Vorgang und sei erst auf klägerischen Widerspruch hin korrigiert worden. Weiter gehe der Kläger davon aus, dass es keinen Zweitschlüssel gebe. Aufgrund der Entfernung der Wohnorte des Klägers und des Verstorbenen (N. bzw. Ba.) sei es auch lebensfremd, zu unterstellen, dass der Kläger einen Zweitschlüssel besitzen würde. Vielmehr habe der Kläger am 3. März 2020 von der Kriminalbeamtin Frau K. neben den anderen persönlichen Gegenständen auch die Schlüssel zum Fahrzeug erhalten. Weiter sei auf Frage des Klägers, ob er nach Erhalt des Schlüssels noch am Abend des 3. März 2020 den Pkw abholen könne, gesagt worden, dass dies nicht möglich sei. Es bedürfe für die Abholung einer 24-stündigen Voranmeldung. Als der Kläger allerdings am 5. März 2020 ohne Voranmeldung noch einmal die Polizeiwache aufsuchte, habe er das Fahrzeug gleich abholen können. Der Verstorbene sei am 4. März 2020 obduziert worden, bei seinem Tod sei keine Fremdeinwirkung festgestellt worden. Es sei somit evident, dass der Pkw zuvor für ermittlungs- und beweissichernde Umstände sichergestellt worden und nach der Obduktion für diese Zwecke nicht mehr benötigt worden sei, weshalb sodann eine spontane Abholung möglich gewesen sei. Zudem sei es inakzeptabel, dass der Kläger fünf Tage Standzeit zahlen müsse, denn es sei sehr wahrscheinlich, dass der Pkw erst nach Mitternacht und somit am 2. März 2020 auf dem Verwahrplatz eingetroffen sei.
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Das Polizeipräsidium beantragt mit Schriftsatz vom 29. Juni 2021,
die Klage abzuweisen.
13
Es führt aus, dass kein Schlüssel gefunden worden sei, sich also auch kein Schlüssel im Wagen befunden habe. Hieran könne sich die Polizeihauptmeisterin (im Folgenden: PHMin) S. (ehem. Brettschneider) der PI B., die das Sicherstellungsprotokoll ausgefüllt habe, erinnern. Weiter sei dem Kläger am 3. März 2020 bei seinem Besuch der Polizeiwache kein Fahrzeugschlüssel ausgehändigt worden. Vielmehr habe der Kläger angegeben, er würde einen Zweitschlüssel besitzen. Im Abschleppbericht befinde sich im Feld „Schlüssel“ ein durchgestrichener Kreis. Dieses Symbol signalisiere, dass gerade kein Schlüssel gefunden worden sei. Im Übrigen komme der Polizei ein Handlungsermessen dahingehend zu, welche Maßnahmen auf welche Art und Weise ergriffen würden. Aufgefundene Fahrzeuge von unbekannten Haltern könnten ggf. unsichtbare Mängel und Gefahrenquellen aufweisen, die die Sicherheit der Beamten im Fahrzeug und auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden könnten. Der aufgefundene Pkw sei verwahrlost, verschmutzt und offensichtlich verunfallt gewesen. Auch nach Einschätzung des Sachgebiets E2 (Verkehr) des Präsidiums sei ein Versetzen eines aufgefundenen Fahrzeuges nur in Ausnahmefällen denkbar. In einem Fall wie dem Vorliegenden sei es nicht zu beanstanden, zur Sicherstellung die Hilfe eines Abschleppdienstes heranzuziehen. Weiterhin habe die anfängliche irrtümliche Sachverhaltsdarstellung keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids. Dieser Irrtum sei mit Schreiben vom 25. Juni 2021 richtiggestellt worden.
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Am 27. September 2022 übersandte die Beklagte dem Gericht die dienstlichen Stellungnahmen der PHMin S. sowie der Kriminalhauptmeisterin (im Folgenden KHMin) K. zur Kenntnisnahme. Die PHMin S. gab darin an, am 1. März 2020 als Beamtin vor Ort gewesen zu sein, als der Pkw des Verstorbenen H. J. am Baggersee in B. festgestellt worden sei. Der Pkw sei unversperrt gewesen und es sei kein Fahrzeugschlüssel auffindbar gewesen. Die KHMin K. führte aus, dass der Pkw auf dem Verwahrgelände auf dem Grundstück der Bundespolizei abgestellt worden sei. Ein Schlüssel zu diesem Gelände befinde sich bei der Polizeiinspektion B.-St.t. Auf diesen hätten die Sachbearbeiter auch Zugriff, sodass diese jederzeit Zuritt zum Verwahrgelände hätten. Es könne nicht mehr nachvollzogen werden, ob es einer Anmeldung des Abholenden bedurft habe. Möglich sei, dass der Kläger die Anmeldung falsch verstanden habe. Es könne jedoch nicht sicher bestätigt werden, dass eine Anmeldung bei der Bundespolizei nötig gewesen sei, da hierzu niemand gesicherte Angaben machen könne. Da der Kriminaldauerdienst Bamberg damals nur mit einer Streifenbesatzung besetzt gewesen sei, könne es sein, dass eine vorherige Kontaktaufnahme nötig gewesen sei, um sicherzustellen, dass sich ein Beamter um das Anliegen kümmert.
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Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2022 rügt der Kläger die Unvollständigkeit der Ermittlungsakte, die es dem Kläger beinahe unmöglich mache, nachzuweisen, dass der Autoschlüssel sich unter den vor Ort sichergestellten Gegenständen befunden habe. Die Akte enthalte insbesondere kein genaues Sicherstellungsprotokoll oder Bilder von der Auffindesituation des Pkw. Aus der Rechnung des Abschleppdienstes G. & P. vom 3. März 2020 ergebe sich, dass der Einsatz des Abschleppfahrzeugs um 23:40 Uhr begonnen und am 2. März 2020 um 3:45 Uhr geendet habe. Der Pkw sei deshalb erst am 2. März 2020 und nicht am 1. März 2020 auf dem V.platz abgestellt worden. Der Kostenbescheid sei nachweislich falsch. Es sei zudem fraglich, weshalb der Beklagte eine Rechnung für die Verwahrgebühren einer Bundesbehörde stellen könne. Zudem werde darauf hingewiesen, dass nach Blatt 19 der Behördenakte als rechtliche Grundlage für die Sicherstellung die §§ 94, 98 StPO angegeben worden seien. Mithin sei die Sicherstellung nicht zur Sicherung privater Rechte, sondern aufgrund der Ermittlungen wegen des Vermisstenfalles und wegen des Verdachts einer möglichen Straftat erfolgt. Deshalb habe der Kläger die Kosten für das Abschleppen nicht zu tragen. Dass die Maßnahme zur Sicherstellung privater Rechte erfolgt sei, habe die Polizei später so konstruiert, um dem Kläger die Kosten auferlegen zu können. Hätte die Maßnahme tatsächlich dem Schutz privater Rechte gedient, so hätte man den Pkw bereits unmittelbar nach Eintreffen der Polizei abschleppen lassen können, da es eines Abwartens nicht bedurft hätte. Im Übrigen werde auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten aufmerksam gemacht, die daraus resultiere, dass der abgeschleppte Pkw nur einen Restwert von 200,00 EUR gehabt habe, für das Abschleppen jedoch Kosten in Höhe von 868,76 EUR entstanden seien. Es werde außerdem nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger zu keiner Zeit einen Zweitschlüssel besessen habe. Bei lebensnaher Betrachtung müsse der Schlüssel vor Ort gewesen sein.
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Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2022 – in der PHMin S. als Zeugin vernommen wurde – wird auf das Protokoll der Sitzung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung auf die Forderung der Verwahrgebühren in Höhe von 15,00 EUR für den 1., 4. und 5. März 2020 verzichtet. Die Beteiligten haben das Verfahren insofern übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verfahren ist daher insoweit in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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II. Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kostenbescheid des Beklagten vom 25. Mai 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für den Kostenbescheid ist Art. 93 Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2, 28 Abs. 5 Satz 1, 25 Abs. 1 Nr. 2, 9 Abs. 2 PAG, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5, 21 Abs. 1 Satz 1 Kostengesetz (KG) i.V.m. § 2 Verordnung über Gebühren und Auslagen für die Verwahrung von Fahrzeugen durch die Polizei, gültig ab 01.08.2004 bis 30.04.2022 (Gebührenordnung zur Fahrzeugverwahrung – FVGebO a.F.). Aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 KG und Art. 93 PAG ergibt sich der Grundsatz, dass für polizeiliche Maßnahmen nur dann Kosten gefordert werden können, wenn dies ausdrücklich im PAG vorgesehen ist. Nach Art. 28 Abs. 5 Satz 1 PAG können für eine Sicherstellung i.S.v. Art. 25 PAG Kosten erhoben werden, die sich nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG aus Gebühren und Auslagen zusammensetzen. Gemäß Art. 9 Abs. 2 PAG erhebt die Polizei für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme von dem für die Störung (nach Art. 7 oder 8 PAG) Verantwortlichen die Kosten (Auslagen und Gebühren). Gemäß Art. 28 Abs. 5 Satz 2 PAG ist auch die Geltendmachung von Benutzungsgebühren möglich.
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2. Die dem Kostenbescheid zugrundeliegende Sicherstellung und die sich hieran anschließende Verwahrung des Pkw war rechtmäßig. Aus Art. 16 Abs. 5 KG folgt, dass Kosten nur für rechtmäßige zugrundeliegende Amtshandlungen gefordert werden können.
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Das Abschleppen des Fahrzeugs stellt eine präventivpolizeiliche Maßnahme der Sicherstellung gemäß Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG dar. Die sich anschließende Verwahrung beruht auf Art. 26 Abs. 1 Satz 1 PAG. Bei der Sicherstellung handelt es sich um eine polizeiliche Primärmaßnahme, die gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG unmittelbar ausgeführt wurde. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG kann die Polizei – im Rahmen der ihr gemäß Art. 2 Abs. 2 PAG (subsidiär) obliegenden Aufgabe des Schutzes privater Rechte – ein Kraftfahrzeug sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung zu schützen. Die Anwendung dieser Befugnisnorm kommt insbesondere in Betracht, wenn eine wertvolle Sache dem direkten Zugriff Dritter ungeschützt ausgesetzt ist (vgl. Nr. 25.4 Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern). Für diese Primärmaßnahme lag folglich eine Eingriffsbefugnis vor. Insbesondere lagen alle Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG vor, die Maßnahme war verhältnismäßig und das Ermessen wurde pflichtgemäß ausgeübt.
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a. Die Sicherstellung erfolgte, um den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen (Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG) und nicht aufgrund repressiven Polizeihandelns gemäß §§ 94, 98 Strafprozessordnung (StPO). Danach kann die Polizei Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, in Verwahrung nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen. Untersuchung im Sinne des § 94 StPO meint das Strafverfahren von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss (Gerhold in BeckOK StPO, 44. Edition, Stand 1.7.2022, § 94 Rn. 6). Zur Einleitung eines Strafverfahrens bedarf es eines Anfangsverdachtes, d.h. dass konkrete Tatsachen vorliegen müssen, die die Annahme belegen, dass eine Straftat begangen worden ist; bloße Vermutungen genügen in diesem Zusammenhang nicht (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.2004 – 2 BvR 766/03 – juris Rn. 4). Festzuhalten ist, dass diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Sicherstellung des Pkw des verstorbenen H. J. nicht vorlagen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Polizei nach den gesamten Umständen des Falles zum Zeitpunkt ihres Handelns davon ausgehen durfte, dass der Eintritt eines Schadens im Sinne des Art. 25 Nr. 2 PAG hinreichend wahrscheinlich war, weshalb die Sicherstellung des Pkw präventiv zum Schutz privater Rechte im Sinne des Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG angeordnet wurde.
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Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht auf Grund der Aussage der Zeugin P1. S1. in der mündlichen Verhandlung am 8. November 2022. Die Zeugin P1. S1. hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie und ihr Kollege aufgrund der vorgefundenen Umstände – Auffinden eines unversperrten Fahrzeugs, in dem eine Geldbörse sowie ein Handy auf dem Beifahrersitz lagen sowie zweier Jacken unweit des Fahrzeugs – von einem Vermisstenfall ausgegangen sind. Der Halter des Fahrzeugs, Herr H. J., habe nicht ausfindig gemacht werden können. Auch die zum Einsatz hinzugeorderten Streifen, die die Wohnadressen des verstorbenen H. J. in B, und Bischberg aufsuchten, hätten keine Anhaltspunkte zum Aufenthalt des Gesuchten erbracht. Die Zeugin P1. S1. hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass im Zeitpunkt ihres Eintreffens am Auffindeort des Fahrzeugs, unter der Brücke der B4 nahe des Baggersees bei B., das Wasser des angrenzenden Mains bereits über die Ufer getreten ist, sodass das Fahrzeug teilweise mit dem Reifen im Wasser stand. Aus ihrer Sicht sei zu diesem Zeitpunkt unklar gewesen, wie sich das Hochwasser weiter entwickeln würde. Außerdem sei es im Zeitpunkt des Auffindens des Fahrzeugs bereits nicht mehr taghell gewesen, da die Dämmerung schon eingesetzt habe. Da das Fahrzeug offen gewesen sei, kein Fahrzeugschlüssel habe aufgefunden werden können und keine Erkenntnisse zum Verbleib des Eigentümers vorgelegen hätten, habe man zur Sicherstellung des Pkw wegen Sicherung privater Rechte gemäß Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG ein Abschleppunternehmen beauftragt.
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Diese Aussage wird gestützt durch den von der Zeugin P1. S1. am Einsatztag ausgefüllten Abschleppbericht (vgl. Behördenakte Bl. 10), in dem als Grund der Maßnahme „Schutz privater Rechte“, als Rechtsgrundlage „Art. 25 PAG“ und als Anlass für die Sicherstellung „Vermisstenfall“ angegeben sind. Weiterhin wurden in der mündlichen Verhandlung vom Vertreter des Beklagten vier Lichtbilder vorgelegt, die zeigen, dass der aufgefundene Pkw unter der Brücke mit den Vorderreifen im Wasser stand. Zu den Bildern hat die Zeugin P1. S1. dem Gericht erläutert, sich nicht mehr genau an die Uhrzeit der Bildaufnahmen erinnern zu können, diese aber nacheinander in unmittelbar zeitlichem Zusammenhang aufgenommen zu haben, als sie und ihr Kollege sich zur Sicherstellung des Pkw entschlossen hätten. Die Ausführungen der Zeugin in der mündlichen Verhandlungen sowie die vorgelegten Lichtbilder von der Auffindesituation des Fahrzeuges sprechen für eine präventive Sicherstellung des Fahrzeugs zum Schutz privater Rechte, da die Gefahr der Eigentumsbeeinträchtigung aufgrund des besonderen Ortes unterhalb einer Brücke, wo der unversperrte Pkw dem Zugriff fremder Personen ausgesetzt war, sowie des Umstandes der Dämmerung, der die Diebstahlsgefahr des Fahrzeuges deutlich erhöhte, gemeinsam mit der Tatsache, dass auch von dem Hochwasser eine Beschädigungsgefahr ausging, durch die Sicherstellung beseitigt werden sollte.
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Das Argument des Klägers, gegen ein präventiv polizeiliches Handeln zur Sicherung privater Rechte spreche der Umstand, dass das Fahrzeug bereits am frühen Abend aufgefunden worden sei, jedoch erst zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr abgeschleppt worden sei, da der Pkw zunächst aufgrund der Suche nach dem Vermissten am Auffindeort habe verbleiben müssen, weshalb von einer Sicherstellung aus ermittlungstechnischen Gründen und zur Beweissicherung ausgegangen werden müsse, verfängt nicht. Richtig ist zwar, dass der Vermisste, nachdem die Suche mit einem Hubschrauber im Gebiet des Baggersees erfolglos verlaufen ist, mittels Rettungs- und Flächensuchhunden gesucht wurde, für die das Fahrzeug als Ausgangspunkt für Spuren notwendig gewesen ist, weshalb die Sicherstellung erst zu einem späteren Zeitpunkt in Frage kam (vgl. Einsatzprotokoll, Behördenakte Bl. 20 f.). Dies steht einer präventiven Sicherstellung auf Grundlage des Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG aufgrund der von der Polizei vorgefundenen Umstände – unversperrtes Fahrzeug, welches teilweise im Wasser stand, fehlender Fahrzeugschlüssel, keine Anhaltspunkte zum Aufenthalt des Vermissten – aber nicht entgegen. Vielmehr handelt es sich bei dem polizeilichen Handeln zum Zweck des Schutzes vor Diebstahl oder Beschädigung des sichergestellten Gegenstandes bei Nichterreichbarkeit des Verantwortlichen um den typischen Anwendungsbereich des Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG. Nur ergänzend ist in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift des Art. 93 Satz 2 PAG hinzuweisen, wonach Kosten nach dem PAG – sofern diese von diesem Gesetz ausdrücklich vorgesehen sind – auch dann erhoben werden können, wenn auf Grund desselben Lebenssachverhalts neben Maßnahmen nach dem PAG auch Maßnahmen nach der StPO getroffen werden.
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An der Annahme einer präventiven Sicherstellung nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG ändert auch nichts, dass in der Dokumentation des Abschleppauftrags (Behördenakte Bl. 19) als rechtliche Grundlage für den Abschleppvorgang die §§ 94, 98 StPO eingetragen wurden. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass diese Dokumentation von der Einsatzzentrale erfolgt sei und nicht von den Beamten am Einsatzort, die den Eintrag auch nicht hätten einsehen können. Es wurde oben bereits erörtert, dass die Beamten am Einsatzort aufgrund der obenstehenden Umstände von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Fahrzeugs, mithin von Eigentum, ausgehen und das Fahrzeug auf Grundlage von Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG – wie erfolgt – sicherstellen durften.
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b. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 4 PAG wurde gewahrt. Eine Maßnahme ist verhältnismäßig, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt, zur Zweckerreichung geeignet, erforderlich und angemessen ist. Zweck der Maßnahme war die Eigentums- und Besitzsicherung des Pkw zugunsten des Eigentümers. Die Maßnahme der Sicherstellung des Fahrzeugs war zur Erreichung dieses Zweckes zweifelsohne geeignet. Die Sicherstellung war auch erforderlich, da kein milderes und gleich effektives Mittel zur Gefahrenabwehr in Betracht kam.
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Insbesondere konnte die Polizei nicht auf das weniger eingriffsintensive bloße Versetzen des Fahrzeuges an einen anderen, weniger gefahrenträchtigen Ort zurückgreifen, da ein Fahrzeugschlüssel am Einsatzort nicht aufgefunden wurde. Das Gericht ist aufgrund der glaubhaften Ausführungen der Zeugin P1. S1. zur Auffindesituation des unversperrten Pkw zur Überzeugung gelangt, dass die Polizei jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Sicherstellung des Pkw nicht im Besitz eines Fahrzeugschlüssels war, da dieser nicht auffindbar gewesen ist. Die Zeugin hat in der mündlichen Verhandlung am 8. November 2022 gegenüber dem Gericht erklärt, dass sie und ihr Kollege am Einsatzort weder im Auto noch in den aufgefundenen Jacken noch im sonstigen Umfeld des Fahrzeugs einen Fahrzeugschlüssel gefunden hätten. Gestützt wird diese Aussage auch durch das Einsatzprotokoll (vgl. Behördenakte Bl. 20 f.), welches für den 1. März 2020 um 19:30 Uhr den folgenden Eintrag enthält: „Schlüssel ist weg, Auto ist offen“. Hierzu in der mündlichen Verhandlung vom Gericht befragt, hat die Zeugin P1. S1. klargestellt, dass ein Schlüssel nie da gewesen ist. Weiterhin spricht der Abschleppbericht (Behördenakte Bl. 10) dafür, dass ein Fahrzeugschlüssel am Einsatzort nicht aufgefunden wurde. Darin ist unterhalb des Feldes „Schlüssel sichergestellt/Verbleib“ ein vertikal durchgestrichener Kreis eingetragen. Dies wird vom Gericht als Symbol für das Fehlen eines Fahrzeugschlüssels verstanden. Ein zusätzliches Indiz dafür, dass ein Fahrzeugschlüssel nicht aufgefunden wurde, sieht das Gericht in dem Aktenvermerk der KHMin K. vom 3. März 2020, worin diese festhält, dass sie dem Kläger die persönlichen Gegenstände und die Wohnungsschlüssel des verstorbenen Herrn J. mit dem Hinweis ausgehändigt hat, dass der Fahrzeugschlüssel nicht aufgefunden wurde.
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Der Einwand des Klägers, ein Fahrzeugschlüssel hätte sich an dem Ort befinden müssen, an welchem die Polizei das Fahrzeug aufgefunden habe, da der verstorbene H. J. nur mittels Fahrzeugschlüssels an diesen Ort gelangt sein konnte, vermag die Überzeugung des Gerichts nicht zu erschüttern. Zwar mag eine gewisse lebensnahe Betrachtungsweise durchaus dafürsprechen, dass der Fahrzeugschlüssel zusammen mit dem Fahrzeug und dem Vermissten an den Auffindeort gelangt sein muss, jedoch lässt sich sein Verbleib im Zeitpunkt der Sicherstellung nicht mehr aufklären, sodass hierüber nur Spekulationen möglich sind. Auch die dem Gericht vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Stellungnahme der vormaligen Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, Frau P2. S2., in der diese niedergelegt hat, dass es nur einen einzigen Autoschlüssel zu dem Mitsubishi-Lancer gebe und es sich hierbei um den Schlüssel handele, den der Kläger ihr gezeigt habe, führt zu keiner anderen Überzeugungsbildung des Gerichts. Denn das Gericht erachtet es als erwiesen, dass jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Sicherstellung des Pkw ein Fahrzeugschlüssel nicht aufgefunden wurde. Ob ein Schlüssel möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt gefunden wurde und ob es sich bei diesem Schlüssel um den einzigen Autoschlüssel zu dem streitgegenständlichen Pkw handelte, ist deshalb vorliegend nicht entscheidungserheblich.
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Auch das Argument des Klägers, die kostenpflichtige Sicherstellung des Fahrzeugs sei deshalb unverhältnismäßig, da der abgeschleppte Pkw nur einen Restwert von 200,00 EUR gehabt habe, für das Abschleppen jedoch Kosten in Höhe von 868,76 EUR entstanden seien, führt zu keiner anderen gerichtlichen Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich, dass der Restwert des Pkw vom Kläger nicht substantiiert mit Hilfe von Nachweisen vorgetragen, sondern lediglich behauptet wurde. Weiterhin ist eine Unverhältnismäßigkeit erst anzunehmen, wenn der Nachteil erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht, Art. 4 Abs. 2 PAG. Der Grad der Unverhältnismäßigkeit muss folglich intensiv und deutlich sein. Dies korreliert mit dem im Polizeirecht allgemein geltenden Grundsatz, dass bei der Beurteilung polizeilicher Präventivmaßnahmen auf ihre Rechtmäßigkeit hin auf eine ex ante et situatione-Betrachtungsweise, mithin auf die Sicht eines verständig handelnden, gewissenhaften, besonnenen und sachkundigen Durchschnittsbeamten abzustellen ist (vgl. Holzner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 20. Edition, Stand: 01.10.2022, Art. 11 PAG Rn. 24 und 25). Die Polizei hatte im maßgeblichen Zeitpunkt der Sicherstellung keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Sicherstellung wegen einer möglichen Geringwertigkeit des Fahrzeugs unverhältnismäßig sein könnte. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei einem Pkw grundsätzlich um einen wertigen Gegenstand handelt, dessen Schutz die Polizei mit der Sicherstellung beabsichtigte. Dabei durfte wiederum maßgeblich in die polizeilichen Erwägungen einfließen, dass die etwaigen Kosten einer tatsächlich erfolgten Beschädigung oder eines Verlustes des Kfz für den Kläger als Eigentümer regelmäßig höher ausfallen als diejenigen einer durchgeführten Sicherungsmaßnahme (vgl. BVerwG, B.v. 3.5.1999 – 3 B 48.99 – juris Rn. 3).
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c. Die Sicherstellung erfolgte nicht ermessensfehlerhaft. Gemäß Art. 5 Abs. 1 PAG trifft die Polizei ihre Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen. Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Maßnahmen in Betracht, so genügt es nach Art. 5 Abs. 2 PAG, wenn eine davon gewählt wird. Folglich kommt der Polizei hinsichtlich der Wahl des Mittels zur Abwehr einer Gefahr ein Ermessensspielraum zu, dessen Grenzen jedoch zu wahren sind. Das Gericht sieht vorliegend keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler der Polizei bei der Wahl des Mittels der Sicherstellung des Fahrzeugs. Dass ein Versetzen des Pkw aufgrund des nicht aufgefundenen Schlüssels als Mittel zur Abwehr der Diebstahls- und Beschädigungsgefahr für das streitgegenständliche Fahrzeug ausschied, wurde bereits oben erörtert. Auch die Beauftragung des Abschleppunternehmens G. & P. zur Ausführung der Sicherstellung erfolgte ermessensfehlerfrei. Hierfür spricht bereits die Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 PAG zur unmittelbaren Ausführung von polizeilichen Maßnahmen. Danach kann die Polizei die Maßnahme selbst vornehmen oder einen Beauftragten heranziehen. Die Polizei muss dabei entscheiden, wie die Gefahr schnell, effektiv und nachhaltig abgewehrt werden kann und welcher Weg unter diesen Umständen der Bessere ist (vgl. Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 18. Edition, Stand: 01.03.2022, Art. 9 PAG, Rn. 46). Aufgrund des fehlenden Fahrzeugschlüssels und der besonderen Lage des Ortes, an dem das Fahrzeug aufgefunden wurde – unter einer Brücke auf teils sandigem Boden sowie teils auf grobem Kopfsteinpflaster, nur durch einen Schotterweg mit der Straße verbunden – konnte das Fahrzeug nur durch ein professionelles Unternehmen abgeschleppt werden. Die Polizei besitzt für solche Abschleppmaßnahmen nicht das notwendige Gerät.
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Nur ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass selbst im Falle des Auffindens eines Fahrzeugschlüssels nicht ohne Weiteres von einem Ermessensfehler der Polizei auszugehen wäre. So wurde seitens des Sachgebiets Verkehr des Polizeipräsidiums O. in einer internen Stellungnahme (vgl. Behördenakte Bl. 45) festgehalten, dass ein eigenständiges Versetzen des Fahrzeuges durch die Polizei nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht kommt. Dies hat die Zeugin P1. S1. in der mündlichen Verhandlung am 8. November 2022 gegenüber dem Gericht bestätigt, indem sie ausführte, bei einer solchen Entscheidung regelmäßig große Vorsicht walten zu lassen. Nur in geeigneten Situationen werde ein Fahrzeug – sofern ein Fahrzeugschlüssel vorhanden sei – auf einen öffentlichen Parkplatz verbracht, um auf diese Weise die Gefahrensituation zu beseitigen. Als problematisch würde jedoch ein Versetzen von Fahrzeugen angesehen, die Beschädigungen aufwiesen, da die Polizei in solchen Fällen eine Haftung befürchte.
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In diesem Zusammenhang ist auf den Unfallschaden des streitgegenständlichen Pkw zu verweisen, der von den Polizeibeamten am Einsatzort festgestellt wurde (vgl. Einsatzprotokoll, Behördenakte Bl. 21; Abschleppbericht, Behördenakte Bl. 10). Außerdem machte das Fahrzeug auf die Beamten einen verwahrlosten Eindruck (vgl. Abschleppbericht, Behördenakt Bl. 10). Bei einer ex-ante-Betrachtung wäre somit nicht klar gewesen, ob das Fahrzeug verkehrssicher hätte versetzt werden können. Nach Einschätzung des Gerichts erscheint eine Beauftragung eines Abschleppunternehmens in derartigen Konstellationen auch im Falle des Auffindens eines Fahrzeugschlüssels, welcher die Möglichkeit des eigenständigen Versetzens begründet, unter besonderer Berücksichtigung des der Polizei nach Art. 5 Abs. 1 PAG zustehenden Handlungsermessens ermessensgerecht.
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Die Polizei durfte im maßgeblichen Zeitpunkt der Sicherstellung außerdem davon ausgehen, dass die Sicherstellung dem mutmaßlichen Willen des Berechtigten entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 3.5.1999 – 3 B 48.99 – juris Rn. 3). Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die streitige Maßnahme als nützlich oder unerwünscht darstellt, sondern ob sie dem objektiven Interesse des Berechtigten entspricht, was dann der Fall sein soll, wenn jeder Eigentümer sie bei besonnener Betrachtung als sachgerecht beurteilt hätte (vgl. BVerwG a.a.O; BayVGH, U.v. 11.12.2013 – 10 B 12.2569 – juris Rn. 18). Hiervon ist aufgrund des wirtschaftlichen Wertes eines Fahrzeuges und der besonderen Gefahr der Eigentumsbeeinträchtigung im vorliegenden Fall auszugehen. Auch durch die von der Kammer in der mündlichen Verhandlung durchgeführte Beweisaufnahme haben sich keine Anhaltspunkte oder Hinweise darauf ergeben, dass die Polizeibeamten in der konkreten Situation ohne hinreichende Sachverhaltsklärung und Gefahrenprognose vorschnell oder aus sachfremden Gründen die Sicherungsmaßnahme in die Wege geleitet und dadurch dem objektiven Interesse des Berechtigten zuwidergehandelt haben.
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3. Die Auslagen und Gebühren sind angefallen, die Kosten sind nicht unverhältnismäßig hoch und die Erhebung der Kosten erscheint nicht unbillig i.S.v. Art. 93 S. 5 PAG. Der Kläger haftet als Erbe des verstorbenen H. J. für die angefallenen Kosten.
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Die Polizei hat vorliegend die Rechnung des Abschleppunternehmens bereits bezahlt, sodass ihr insoweit Auslagen in Höhe von 868,76 EUR entstanden sind (Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG). Der Kläger kann nicht mit Erfolg die Höhe der Abschleppgebühren, die ihm als Auslagen der Polizei in Rechnung gestellt wurden, angreifen. Die Rechnung des Abschleppunternehmens G. & P. (vgl. Behördenakte Bl. 5) plausibilisiert den Rechnungsbetrag. So wird in der Rechnung die schwierige Anfahrt zum Ort des sichergestellten Fahrzeuges durch eine nasse Wiese beschrieben. Hierdurch sei ein erhöhter Zeitaufwand beim Ein- und Ausfahren entstanden. Aufgrund der niedrigen Arbeitshöhe durch die Brücke habe der Kran nur eingeschränkt eingesetzt werden können. Insgesamt sei der Einsatz sehr zeitaufwändig gewesen. Zu den Kosten in Höhe von 586,50 EUR tritt der Sonn- und Feiertagszuschlag in Höhe von 100%, konkret 21,67 EUR, für die Zeit von 23:40 Uhr bis 24:00 Uhr, mithin 20 Minuten, sowie der Nachtzuschlag in Höhe von 50%, konkret 121,88 EUR, für die Zeit von 0:00 Uhr bis 3:45 Uhr, mithin 3 Stunden und 45 Minuten, hinzu.
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Die Kostenerhebung ist im Hinblick auf Art. 93 S. 5 PAG auch nicht unbillig. Die Polizei hat bereits aus Billigkeitsgründen von der Erhebung der Polizeigebühren i.H.v. 54,00 EUR abgesehen. Gründe, warum der Kläger keine Kosten für das Abschleppen des Fahrzeugs zahlen sollte, sind für das Gericht nicht ersichtlich.
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Außerdem ergeben sich Verwahrkosten i.H.v. 46,00 EUR, die ordnungsgemäß nach Art. 21 Abs. 1 S. 1 KG i.V.m. § 2 FVGebO a.F. berechnet wurden. Sie setzen sich aus einer Grundgebühr und einer Tagesgebühr von zwei Tagen (für den 2. und 3. März 2020) zusammen. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FVGebO a.F. beträgt die Grundgebühr 36,00 EUR, die Tagesgebühr für jeden Tag nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FVGebO a.F. 5,00 EUR. Entgegen des Vorbringens des Klägers im Schriftsatz vom 28. Oktober 2022 kann das Polizeipräsidium die Kosten für die Verwahrung verlangen, auch wenn der Pkw auf den Parkplatz der Bundespolizei in B, verbracht wurde. So hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 8. November 2022 dem Gericht gegenüber erklärt, dass der Freistaat Bayern von der Bundespolizei auf dem besagten Gelände eine Fläche zur Verwahrung von Fahrzeugen angemietet habe und dem Bund hierfür auch Miete bezahle.
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Für diese öffentlich-rechtliche Verbindlichkeit haftet der Kläger als Erbe des vorherigen Eigentümers des sichergestellten Fahrzeugs. Der Kläger ist laut Mitteilung des Nachlassgerichts Bamberg Alleinerbe des verstorbenen H. J. und hat die Erbschaft angenommen (vgl. Behördenakte Bl. 35). Damit ist der Kläger nach § 1922 Abs. 1 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die rechtliche Position des H. J. – auch in die der Eigentümerstellung am Pkw – eingetreten, dessen Vermögen mit allen Rechten und Pflichten auf den Kläger übergegangen ist. Spezialgesetzliche Normen zum Übergang der Kostenlast sind im PAG zwar nicht zu finden. Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten. Auch öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten gehen, wenn keine besondere öffentlich-rechtliche Norm einschlägig ist, entsprechend dieser Norm über (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2004 – 22 CS 98.2925 – NVwZ-RR 2004, 648; BVerwG, U.v. 22.11.2001 – 5 C 10/00 – juris Rn. 9). Diesem Ergebnis entspricht auch der Umstand, dass der Kläger als nunmehriger Eigentümer des streitgegenständlichen Pkw in die nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 PAG entscheidende Position des Verantwortlichen eingetreten ist, zu dessen Eigentumsschutz die Sicherstellung gerade erfolgt ist.
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III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger, §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Mit dem von den übereinstimmenden Erledigterklärungen der Beteiligten unberührten Teil der Klage unterliegt der Kläger vollumfänglich, sodass er als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Nach § 161 Abs. 2 VwGO ist im Hinblick auf den erledigten Teil des Verfahrens über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es der Billigkeit, demjenigen die Kosten zu überbürden, der im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Bei der Billigkeitsentscheidung ist jedoch auch zu berücksichtigen, auf wen das erledigende Ereignis zurückzuführen ist. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung auf die Forderung der Verwahrgebühren in Höhe von 15,00 EUR für den 1., 4. und 5. März 2020 verzichtet, sodass es grundsätzlich der Billigkeit entsprechen würde, die insoweit angefallenen Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Insofern ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kosten für den erledigten Teil des Verfahrens nur einen geringen Anteil an den Kosten des gesamten Verfahrens ausmachen, weshalb die Kostenentscheidung auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO gestützt wird, wonach einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden können, wenn der andere nur zu einem geringen Teil – wie es hier der Fall ist – unterlegen ist.
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IV. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO).