AG München, Beschluss v. 07.12.2022 – ERXXXI XIV 1281/22 L (PAG)
Titel:

Keine Ingewahrsamnahme von Klimaaktivistinnen bei Sitzblockaden auf Münchener Straßen

Normenketten:
PAG Art. 17 Abs. 1 Nr. 2
GG Art. 2 Abs. 2 S. 2, Art. 8
StGB § 240
Leitsätze:
1. Eine Sitzblockade von Klimaaktivistinnen stellt eine Versammlung dar, die den Schutzbereich des Art. 8 GG eröffnet. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Polizeigewahrsam stellt keine geeignete Maßnahme dar, Klimaaktivistinnen von der Durchführung weiterer Aktionen abzuhalten, so dass sich der Fall im Vergleich zu den üblichen Fällen der Anwendung von Art. 17 Abs. 1 PAG unterscheidet. (Rn. 14 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Ingewahrsamnahme von Aktivisten einer Sitzblockade steht das Übermaßverbot der Verhältnismäßigkeit entgegen. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es kann bezweifelt werden, dass das Festkleben auf der Fahrbahn als Nötigung gem. § 240 StGB strafbar ist. (Rn. 26 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Freiheitsentzug im Polizeirecht ist die ultima ratio und im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat einer der tiefsten möglichen Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Geringfügigen Straftaten mit diesem Mittel zu begegnen ist nicht verhältnismäßig. (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlungsfreiheit, Ingewahrsamnahme, Freiheitsentziehung, ultima ratio, legitimes Ziel, bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Sitzblockade, Klimaaktivistinnen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 41330

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin auf Feststellung der Zulässigkeit der bisherigen Freiheitsentziehung und Anordnung der Fortdauer der Freiheitsentziehung nach Art. 17, 18 PAG wird zurückgewiesen.
2. Der Betroffene ist aus dem polizeilichen Gewahrsam zu entlassen.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
4. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen d. Betroffenen hat der Freistaat Bayern zu tragen.

Gründe

I.
1
D. Betroffene wurde von der Polizei in M. am 06.12.2022 um 23:10 Uhr auf der Grundlage von Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG in Gewahrsam genommen.
2
Auf die schriftliche Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
3
Beim Amtsgericht München wurde gem. Art. 18 PAG eine Entscheidung über Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung beantragt.
II.
4
Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich zuständig (Art. 98 Abs. 2 Nr. 1 PAG).
5
Der Antrag ist zulässig. Der Antrag enthält die gemäß Art. 96 Abs. 1 PAG, § 417 Abs. 2 S. 2 FamFG erforderliche Begründung, insbesondere zur erforderlichen Dauer des Gewahrsams.
III.
6
Der Antrag der Antragstellerin war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht gegeben sind.
7
Der beantragte Gewahrsam nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG ist nicht verhältnismäßig.
8
Art. 17 Abs. 1 BayPAG sieht im Tatbestand („kann“) die Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen, mithin auch die Prüfung der Verhältnismäßigkeit, vor.
9
Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist eröffnet. Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 7. 3. 2011 − 1 BvR 388/05 (NJW 2011, 3020, beck-online) zur Frage der Eröffnung des Schutzbereichs bei Sitzblockaden wie folgt ausgeführt:
„Eine Versammlung ist eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (vgl. BVerfGE 104, 92 [104] = NJW 2002, 1031; BVerfGK 11, 102 [108] = NVwZ 2007, 1180). Dazu gehören auch solche Zusammenkünfte, bei denen die Versammlungsfreiheit zum Zwecke plakativer oder aufsehenerregender Meinungskundgabe in Anspruch genommen wird (vgl. BVerfGE 69, 315 [342 f.] = NJW 1985, 2395; BVerfGE 87, 399 [406] = NJW 1993, 581). Der Schutz ist nicht auf Veranstaltungen beschränkt, auf denen argumentiert und gestritten wird, sondern umfasst vielfältige Formen gemeinsamen Verhaltens bis hin zu nicht verbalen Ausdrucksformen, darunter auch Sitzblockaden (vgl. BVerfGE 73, 206 [248] = NJW 1987, 43; BVerfGE 87, 399 [406] = NJW 1993, 581; BVerfGE 104, 92 [103 f.] = NJW 2002, 1031). Bei einer Versammlung geht es darum, dass die Teilnehmer nach außen - schon durch die bloße Anwesenheit, die Art des Auftretens und des Umgangs miteinander oder die Wahl des Ortes - im eigentlichen Sinne des Wortes Stellung nehmen und ihren Standpunkt bezeugen (vgl. BVerfGE 69, 315 [345] = NJW 1985, 2395).
Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl. BVerfGE 73, 206 [248] = NJW 1987, 43; BVerfGE 87, 399 [406] = NJW 1993, 581; BVerfGE 104, 92 [106] = NJW 2002, 1031). Der Schutz des Art. 8 GG besteht zudem unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (vgl. BVerfGE 69, 315 351 = NJW 1985, 2395; BVerfGK 4, 154 [158] = NJW 2005, 353 L; BVerfGK 11, 102 [108] = NVwZ 2007, 1180). Er endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (vgl. BVerfGE 73, 206 [250] = NJW 1987, 43).“
10
Im gegenwärtigen Fall ist das vergangene und zukünftig zu erwartende Verhalten der Klimaaktivistinnen in München nach den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Kriterien von der Versammlungsfreiheit umfasst. Die abgehaltenen Sitzblockaden entsprechen den in der genannten Entscheidung genannten Kriterien. Das Anbringen von Transparenten an Schilderbrücken ist eine Kundgebung, die auf die Teilnahme an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist. Ein Sachverhalt, der zum Verlust des Schutzes des Art. 8 GG führen könnte, ist nicht ersichtlich.
11
Ein polizeilicher Gewahrsam zur Unterbindung weiterer Aktionen durch d. Betroffenen greift in den Schutzbereich des Grundrechts ein.
12
Darüber hinaus stellt der beantragte Gewahrsam auch einen Eingriff in die Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG dar.
13
Die Unterbindung weiterer Aktionen der Klimaaktivistinnen ist angesichts der durch diese verursachten Störungen grundsätzlich ein legitimes Ziel der Maßnahme.
14
Die beantragte Maßnahme ist nicht geeignet, das beabsichtigte Ziel zu erreichen.
15
Dabei ist zunächst festzustellen, dass der beantragte Gewahrsam nicht dazu dient, die im Antrag genannten vergangenen Beeinträchtigungen zu beseitigen, denn diese sind bereits aufgelöst. Mit dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG und dessen Rechtsnatur als Norm des Polizeirechts ist einzig die Geeignetheit Verhinderung zukünftiger Beeinträchtigungen durch die von dem beantragten Gewahrsam betroffene Person zu prüfen.
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Im Fall der andauernden und sich regelmäßig wiederholenden Aktionen von Klimaaktivistinnen im Raum München, die bisher in Form von Sitzblockaden durch Festkleben von Demonstrierenden auf öffentlichen Straßen und durch das Betreten von Schilderbrücken über der Autobahn tätig geworden sind, zeigt der bisherige Verlauf, dass die in der Vergangenheit erfolgten Ingewahrsamnahmen weder die betroffenen Personen, noch weitere Demonstrierende davon abhalten konnten, weitere Aktionen vorzunehmen. Es ist eine Mehrzahl von Fällen bekannt, in denen Betroffene nach Ingewahrsamnahme praktisch nahtlos mit gleichgelagerten Aktionen in Erscheinung getreten sind oder sich zumindest durch die erfolgte Ingewahrsamnahme ihrer Mitaktivistinnen nicht von der Durchführung von Aktionen haben abhalten lassen. Dies ist auch d. Betroffenen der Fall.
17
Der Gewahrsam ist in diesen Fällen zwar geeignet, Taten für den Zeitraum der Ingewahrsamnahme zu verhindern, im Anschluss an den Gewahrsam werden jedoch weitere Taten nicht erschwert. Hier unterscheidet sich der Fall der Klimaaktivistinnen im Vergleich zu den üblichen Fällen der Anwendung von Art. 17 Abs. 1 BayPAG.
18
Typischerweise dient die Ingewahrsamnahme für einen begrenzten Zeitraum der Verhinderung zukünftiger Taten dergestalt, dass nach Ablauf dieses Zeitraums die Umstände derart verändert sind, dass weitere Taten jedenfalls viel weniger wahrscheinlich sind. Beispielhaft zu nennen wären Aggressionsdelikte aufgrund akuter Intoxikation mit Alkohol und/oder Betäubungsmitteln, drohende Gewalttaten sogenannter Hooligans im Zusammenhang mit zeitlich eng definierten Sportereignissen oder Straftaten nach dem Gewaltschutzgesetz, die durch Verbringung der Geschädigten an einen für die betroffene Person unbekannten Ort verhindert werden können. Der den gegenständlichen Anträgen zugrundeliegenden Logik folgend müsste der regelmäßig randalierende Alkoholiker eben nicht nur bis zum Ende der akuten Intoxikation und der prügelnde Ehemann nicht nur bis zum Umzug der Ehegattin bzw. bis zum Austausch der Schlösser, sondern längerfristig in Gewahrsam genommen werden, was bisher zurecht aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht geschieht. Im Fall der Klimaaktivistinnen erledigt sich die Gefahr der weiteren Tatbegehung nicht durch Zeitablauf. Dies zeigt auch der bisherige Verlauf der Proteste in München. Zunächst war von den Aktionsbündnissen eine Aktionswoche um Allerheiligen herum angekündigt worden. Nach Ablauf des genannten Zeitraums wurde durch die Aktionsbündnisse der Zeitraum bis zum 02.12.2022 ausgeweitet. Dies spiegelt auch alle dem Gericht bekannten Aussagen von betroffenen Personen im Rahmen von Anhörungen zu bisher beantragten und verhängten Ingewahrsamnahmen wider. Und auch zum jetzigen Zeitpunkt ist kein Ende der Aktionen in Sicht. In einer Pressekonferenz des Aktionsbündnisses „letzte Generation“ am 02.12.2022 wurden weitere Aktionen angekündigt. Ein begrenzter Zeitraum wurde dabei nicht mehr angegeben. Auch aus der Einlassung d. Betroffenen lässt sich eine klar definierbare Begrenzung des Zeitraums in dem Aktionen zu erwarten sind, nicht ableiten.
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Mangels definierbaren zeitlichen Rahmens können die gegenständlich im Raum stehenden Taten nicht durch Zeitablauf abgewendet werden. Die Verhängung von Gewahrsam nach Art. 17 Abs. 1 BayPAG ist zeitlich begrenzt und der strengen Prüfung der Zweck-Mittel-Relation unterworfen. Die Frage, ob eine dauerhafte Freiheitsentziehung aufgrund der bestehenden Gefahr der zukünftigen Begehung von Straftaten zu verhängen ist, ist keine Frage des Polizeirechts, sondern letztlich eine Frage des Strafrechts, namentlich von § 56 StGB. Der polizeirechtliche Gewahrsam stößt hier an seine Grenzen und ist damit nicht (mehr) geeignetes Mittel zur Verhinderung weiterer Taten. Es ist auch nicht möglich, die erforderliche Dauer den Anforderungen von § 417 Abs. 2 Nr. 4 FamFG iVm Art. 96 Abs. 1 BayPAG entsprechend genau zu bezeichnen. Mangels erkennbaren Endes der Gefahr der Durchführung weiterer Aktionen durch d. Betroffenen ist nicht feststellbar, welche Dauer der Freiheitsentziehung erforderlich ist.
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Gegen die Geeignetheit spricht auch die öffentliche Kommunikation der Ingewahrsamnahmen durch die Klimaaktivistinnen selbst bzw. durch Vertreterinnen ihrer Aktionsbündnisse, namentlich insbesondere das Aktionsbündnis Letzte Generation. Sowohl in der öffentlichen Berichterstattung als auch in der Kommunikation über eigene Kanäle der Demonstrierenden, etwa in den sozialen Medien oder auf Plattformen wie Youtube, wird die Ingewahrsamnahme von blockierenden Personen mit einem erheblichen Maß an Opferbereitschaft der Betroffenen und einer nicht unerheblichen Skandalisierung der Ingewahrsamnahmen selbst verknüpft. Betrachtet man hierzu noch die Aussagen zahlreicher Aktivistinnen im Rahmen von erfolgten Anhörungen zu beantragten Ingewahrsamnahmen in der Vergangenheit, so entsteht nachhaltig der Eindruck, dass die Ingewahrsamnahme als Teil des Protestes bereits von Beginn an eingepreist, wenn nicht sogar beabsichtigt ist, um die Bedeutung der eigenen Botschaft in der öffentlichen Diskussion zu unterstreichen. Daher verhindern Ingewahrsamnahmen nicht die Begehung von zukünftigen Taten, sondern dienen eher als zusätzlicher Anreiz für die Aktivistinnen.
21
Schließlich sind im konkret vorliegenden Fall keine Anzeichen ersichtlich, warum die hier betroffene Person sich individuell durch den beantragten Gewahrsam von der zukünftigen Begehung weiterer Taten abhalten lassen sollte. D. Betroffene bzw. Mitstreiterinnen aus demselben Aktionsbündnis befand sich bereits in der kürzeren Vergangenheit für einen erheblichen Zeitraum im polizeilichen Gewahrsam und hat sich auch bisher dadurch nicht beeindrucken lassen.
22
Mangels Geeignetheit ist der beantragte Gewahrsam auch nicht erforderlich. Hier ist durch das im Gesetzeswortlaut des Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG ausdrücklich normierte Erfordernis der Unerlässlichkeit bei der Prüfung des Übermaßverbots ein besonders strenger Maßstab anzuwenden.
23
Insbesondere angesichts des vorliegend nicht klar zu definierenden Zeitraums einer Gefährdung steht das Übermaßverbot der Verhältnismäßigkeit entgegen.
24
Darüber hinaus fallen in den Zeitraum des beantragten Gewahrsams auch Nachtzeiten, in denen bisher keine Taten begangen wurden und in denen mangels Öffentlichkeitswirkung auch nicht mit Aktionen zu rechnen ist. Warum die Aktivistinnen diese Zeiten im Gewahrsam verbringen sollten ist nicht ersichtlich.
25
Die Angemessenheit, also die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, ist ebenfalls nicht gegeben. Hierbei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen. Der Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 BayPAG ist weit gefasst und die Verhängung eines Gewahrsams von bis zu 30 Tagen ist eine schwerwiegende Rechtsfolge mit hoher Eingriffsintensität. Im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat ist der Freiheitsenzug stets ultima ratio, was der Gesetzeswortlaut auch mit der Formulierung „unerlässlich“ zum Ausdruck bringt. Auch die jüngere Historie in der Gesetzgebung spricht für eine restriktive Auslegung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen nach Art. 17 Abs. 1 BayPAG. Im Zuge der letzten Reform des BayPAG wurde die Möglichkeit des Gewahrsams massiv verschärft. Sowohl in der Gesetzesbegründung als auch in der öffentlichen Darstellung wurde dies in erster Linie mit der möglichen Verhinderung terroristischer Anschläge und schwerster Straftaten begründet. Wenn jetzt eine Anwendung dieser stark ausgeweiteten Befugnisse auf Sachverhalte beabsichtigt ist, die offenkundig weder mit Terrorismus noch mit schweren Straftaten in Zusammenhang stehen, beabsichtigt ist, so ist eine strenge und restriktive Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen. Die Aktivistinnen sind bisher mit zwei Aktionsformen in Erscheinung getreten. Einerseits finden Sitzblockaden auf öffentlichen Straßen statt, die durch Festkleben von Aktivistinnen auf der Fahrbahn verstärkt werden, andererseits werden auf Autobahnen im Münchner Umland Schilderbrücken betreten, um dort Transparente mit Forderungen anzubringen und sich ebenfalls festzukleben. Im ersten Fall steht eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 StGB, im zweiten Fall nach § 123 StGB im Raum.
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Ob das Festkleben auf der Fahrbahn in den vorliegenden Fällen als Nötigung strafbar ist, kann bezweifelt werden.
27
Für die Frage der Strafbarkeit einer Sitzblockade nach § 240 Abs. 1 StGB hat das Bundesverfassungsgericht u.a. in der Entscheidung BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 7. 3. 2011 − 1 BvR 388/05 (NJW 2011, 3020, beck-online, mit Verweis auf BVerfGE 104, 92 [109 ff.] = NJW 2002, 1031) zum Schutz der Versammlungsfreiheit vor übermäßigen Sanktionen für die Anwendung und Auslegung der Verwerflichkeitsklausel nach § 240 Abs. 2 StGB besondere Anforderungen aufgestellt:
„Bei dieser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Zweck-Mittel-Relation sind insbesondere die Art und das Maß der Auswirkungen auf betroffene Dritte und deren Grundrechte zu berücksichtigen. Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand. Das Gewicht solcher demonstrationsspezifischer Umstände ist mit Blick auf das kommunikative Anliegen der Versammlung zu bestimmen, ohne dass dem Strafgericht eine Bewertung zusteht, ob es dieses Anliegen als nützlich und wertvoll einschätzt oder es missbilligt. Stehen die äußere Gestaltung und die durch sie ausgelösten Behinderungen in einem Zusammenhang mit dem Versammlungsthema oder betrifft das Anliegen auch die von der Demonstration nachteilig Betroffenen, kann die Beeinträchtigung ihrer Freiheitsrechte unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände möglicherweise eher sozial erträglich und dann in größerem Maße hinzunehmen sein, als wenn dies nicht der Fall ist. Demgemäß ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, ob und wie weit die Wahl des Versammlungsortes und die konkrete Ausgestaltung der Versammlung sowie die von ihr betroffenen Personen einen auf die Feststellung der Verwerflichkeit einwirkenden Bezug zum Versammlungsthema haben (vgl. BVerfGE 104, 92 [112] = NJW 2002, 1031).“
28
In der Anwendung der nach dem Bundesverfassungsgericht zu prüfenden Abwägungselemente ist vorliegend Folgendes festzustellen:
29
Die Intensität der Sitzblockade ist für die unmittelbar betroffenen blockierten Verkehrsteilnehmer nicht unerheblich, da sie an ihrer Weiterfahrt gehindert werden. Allerdings ist diese Auswirkung ihrer Art nach zu vergleichen mit ähnlichen Hindernissen im Straßenverkehr wie etwa die Blockierung von Straßen durch Baustellen, Unfälle, aber auch Veranstaltungen wie etwa Sportereignisse (in München wären hier konkret Radrennen und Stadtläufe zu nennen), Umzüge (Fasching, Trachtenumzüge) und auch angemeldete Demonstrationen zu nennen. Die Wirkung dieser vergleichbaren Hindernisse ist faktisch identisch. Staus und Verkehrsbehinderungen gehören zum typischen Erscheinungsbild von öffentlichen Veranstaltungen und Versammlungen. Der Unterschied besteht für die betroffenen Dritten nur in der Möglichkeit, sich im Vorfeld über die anderen Ereignisse zu informieren und die Behinderungen zu umgehen. Dieser Unterschied begründet sich indes aus der Nichtanmeldung der Sitzblockaden als Versammlungen im Vorfeld. Hier ist festzustellen, dass die bloße Teilnahme an einer nicht angemeldeten Versammlung nach dem BayVersG gerade nicht strafbar ist und sich der grundrechtliche Schutz der Versammlungsfreiheit auch auf nicht angemeldete Versammlungen erstreckt. In München fanden die Blockaden bisher schwerpunktmäßig im Bereich des Stachus statt. Hier ist eine Umleitung des Verkehrs durch die Polizei möglich, was die Antragstellerin selbst am 05.12.2022 demonstrierte, als angesichts einer angemeldeten Aktion um 08:00 Uhr der Verkehr umgeleitet wurde und es damit nach Aussage des Pressesprechers der Antragstellerin lediglich zu moderaten Verkehrsbehinderungen kam. Weiter ist das Umfeld des Münchner Stachus seit Monaten von erheblichen Umbaumaßnahmen betroffen, sodass eine Autofahrerin in diesem Bereich ohnehin mit erheblichen Verkehrsbehinderungen, Umleitungen und Sperrungen zu rechnen hat. Die Aktionen fanden zumindest teilweise - etwa am 06.12.2022 gegen 19:30 Uhr außerhalb des Berufsverkehrs zu verkehrsarmen Zeiten statt, was für diese Aktionen die Anzahl der betroffenen Verkehrsteilnehmenden und die Dringlichkeit der Fahrten derselben erheblich beschränkt.
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Die Dauer der Sitzblockaden ist begrenzt. Die Demonstrierenden setzen regelmäßig die Polizei mit Beginn der Blockade in Kenntnis derselben, weshalb stets von einer zeitnahen Beendigung der Blockade auszugehen ist. Die Dauer erschöpft sich dabei in Zeiträume von unter einer Stunde bis hin zu wenigen Stunden. Im Großraum München ist für Autofahrende im Berufsverkehr und für Teilnehmende am öffentlichen Personennahverkehr bereits im Regelbetrieb mit teilweise ähnlich langen Verzögerungen zu rechnen.
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Die Aktivistinnen haben in der Vergangenheit zumindest die Aktion am 05.12.2022 um 08:00 Uhr konkret angekündigt. Hier ging bereits die Antragstellerin aufgrund der erfolgten Ankündigung von keiner Strafbarkeit aus. Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die Strafbarkeit künftiger Aktionen nach dieser - folgerichtigen - Rechtsauffassung durch die Aktivistinnen selbst vermieden werden kann, indem sie die Aktionen konkret ankündigen. Weiterhin haben die Aktivistinnen zumindest allgemein weitere Aktionen im Raum München in der unmittelbaren Zukunft angekündigt. Dabei werden zwar keine konkreten Zeitpunkte benannt, angesichts der bisherigen Frequenz der Aktionen ist allerdings sowohl für die Polizei als auch für Verkehrsteilnehmende erkennbar, dass derzeit mit entsprechenden Behinderungen konkret zu rechnen ist.
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Da die Blockaden in der Innenstadt stattfinden und auch nur Straßen und nicht etwa Zufahrten zu individualisierten Grundstücken Ziel der Blockaden sind, ist eine Umgehung der Blockade und eine Umleitung des Verkehrs durch die Polizei möglich. Konkrete Transporte sind nicht Ziel der Blockaden. Die Demonstrierenden haben nach Kenntnis des Gerichts bei allen bisherigen Blockaden zudem stets die Möglichkeit der Durchfahrt für besonders dringliche Transporte im Voraus geplant. In der Regel erfolgt dies dadurch, dass sich eine teilnehmende Person nicht direkt mit der Haut an der Straße festklebt.
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Schließlich ist der Sachbezug zwischen dem Protestgegenstand und den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen zu bejahen.
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Protestgegenstand sind die aus Sicht der Demonstrierenden unzureichenden Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Reduzierung der Emissionen zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels. Dies wird im Grundsatz unterstützt durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20. In der Pressemitteilung Nr. 31/2021 vom 29. April 2021 heißt es hierzu unter anderem:
„Dass Treibhausgasemissionen gemindert werden müssen, folgt auch aus dem Grundgesetz. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten „ParisZiel“ entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um das zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind. Der Gesetzgeber hätte daher zur Wahrung grundrechtlich gesicherter Freiheit Vorkehrungen treffen müssen, um diese hohen Lasten abzumildern. Zu dem danach gebotenen rechtzeitigen Übergang zu Klimaneutralität reichen die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads der Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2031 nicht aus. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Fortschreibung der Minderungsziele der Treibhausgasemissionen für Zeiträume nach 2030 bis zum 31. Dezember 2022 näher zu regeln.“
(https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21 -031.html)
35
Die von den Sitzblockaden betroffenen Autofahrenden dürften in der Regel zum Großteil Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor benutzen. Autofahrende tragen maßgeblich durch den Verbrauch von Benzin zu den Emissionen in Deutschland bei. Gleichzeitig ist der Verkehrssektor einer der Bereiche, in denen die festgesetzten Emissionsziele am deutlichsten verfehlt werden. Das Thema Verkehr und Automobil ist in Deutschland aufgrund des Stellenwerts der Automobilindustrie zudem im öffentlichen Diskurs von überragender Bedeutung. Die Demonstrierenden fordern zudem auch mit der Einführung eines 9 Euro Tickets und der Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf deutschen Autobahnen konkret Maßnahmen im Verkehrssektor. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen der Form des Protestes und dessen Forderungen bzw. Zielen dürfte die Verkehrsbehinderung für die betroffenen Dritten hinzunehmen sein.
36
Ob im Fall der gegenständlichen Sitzblockaden eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1 StGB vorliegt ist noch nicht abschließend obergerichtlich geklärt. Wäre dies nicht der Fall, so wäre bereits der Tatbestand von Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG diesbezüglich nicht erfüllt. Ob dann eventuell verwirklichte Ordnungswidrigkeitstatbestände Ordnungswidrigkeiten von „erheblicher Bedeutung“ im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG darstellen würden darf bezweifelt werden.
37
Für die gegenständliche Frage genügt die Feststellung, dass, wenn eine Strafbarkeit vorliegt, diese sich am unteren Rand der Strafbarkeit bewegt, was im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu berücksichtigen ist.
38
Neben dem Modus des Festklebens ist in München noch das Betreten von Autobahnschilderbrücken und damit verbunden ein Aufhängen von Transparenten und das Festkleben an der Brücke bekannt. Hier liegt lediglich eine Strafbarkeit nach § 123 StGB wegen Hausfriedensbruchs vor. Eine Strafbarkeit nach § 303 StGB ist bisher nicht ersichtlich, da die Aktivistinnen selbst bisher keine Schilder beschädigt haben. Bei der Loslösung der Betroffenen durch Rettungskräfte verursachte Sachschäden sind den Aktivistinnen nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gemäß § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zuzurechnen. In der Vergangenheit konnten die verwendeten Klebemittel mit handelsüblichen Lösungsmitteln wieder entfernt werden. Ein auf die Schadensverursachung durch Rettungskräfte ausgerichteter Vorsatz ist damit nicht nachzuweisen. Weiter ist auch kein die mittelbare Täterschaft begründendes Defizit in der Wissens- oder Willensbildung bei den Rettungskräften erkennbar.
39
Tatsächliche Verkehrsbehinderungen durch die Aktivistinnen selbst wurden beim Betreten der Schilderbrücken nicht verursacht. Körperlicher Zwang im Sinne von § 240 StGB liegt damit ebenso wenig vor wie ein Eingriff im Sinne von § 315 Abs. 1 StGB.
40
Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG spricht im Tatbestand zwar nur von Straftaten, wovon grundsätzlich auch § 123 StGB erfasst ist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist indes zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Hausfriedensbruch um einen der abstrakt am niedrigsten zu gewichtenden Straftatbestände handelt. Straftaten nach § 123 StGB bewegen sich typischerweise - und so auch hier - im untersten Bereich des strafbaren Handelns. Die Strafbarkeit der Handlung erschöpft sich mangels konkret nachweisbarer Gefährdung in dem unberechtigten Betreten der Schilderbrücke. Von den Aktivistinnen ging bisher nicht mehr oder weniger Gefahr für den Straßenverkehr aus, als wenn sie eine reguläre Fußgängerbrücke über die Autobahn betreten und dort ihre Aktion durchgeführt hätten, was im Übrigen überhaupt nicht strafbar gewesen wäre.
41
Freiheitsentzug im Polizeirecht ist dagegen die ultima ratio („unerlässlich“) und im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat einer der tiefsten möglichen Eingriffe in die Grundrechte der Bürgerinnen. Geringfügigen Straftaten mit diesem Mittel zu begegnen ist nicht verhältnismäßig. Dies geschieht im Übrigen auch in anderen Bereichen strafbaren Handelns nicht. Beispielsweise wird Bürgerinnen, die regelmäßig Taten wie Leistungserschleichung, Ladendiebstahl, Verkehrsdelikte, Körperverletzungen (z.B. im häuslichen Bereich), Betrugsdelikte o.ä. begehen auch nicht mit dem Mittel des polizeilichen Gewahrsams begegnet. Das Recht auf Versammlungsfreiheit soll einen größeren Schutz gewährleisten, keinen geringeren. Auf politisch motivierte Aktionen, die von der Versammlungsfreiheit grundsätzlich geschützt sind, härter zu reagieren als auf andere, unpolitische Straftaten von ähnlichem oder deutlich schwereren Gewicht, würde diesen Schutz geradezu ins Gegenteil verkehren. Das Polizeirecht ist im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat kein Mittel, um politisch unliebsamen Meinungen zu begegnen, gerade diese Meinungen stehen unter einem besonderen Schutz. Dies zeigt auch der Umgang des Staats auf andere politisch motivierte Taten, etwa die im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen durch die sogenannte Querdenkerbewegung, bei denen teilweise deutlich schwerere Straftaten (z.B. § 114 und 224 StGB) begangen wurden. Hier sind dem Gericht keine Fälle des Gewahrsams nach Art. 17 Abs. 1 PAG bekannt, obwohl hier auch Demonstrierende regelmäßig in Erscheinung getreten sind und die Teilnahme an weiteren sogenannten Kundgebungen konkret angekündigt hatten. Allein aus dem Grund sich dem Vorwurf einer politischen Ungleichbehandlung gar nicht erst auszusetzen, ist ein Gewahrsam im vorliegenden Fall als unverhältnismäßig abzulehnen.
42
Der Gewahrsam nach Art. 17 Abs. 1 BayPAG hat gerade keinen Sanktionscharakter, sondern dient ausschließlich der Unterbindung von Gefahren für den Zeitraum der Ingewahrsamnahme, soweit dies unerlässlich ist. Vorliegend würde für die immer wieder in Erscheinung tretenden Aktivistinnen, auf die die Ingewahrsamnahme keine Wirkung gezeigt hat, letztlich auf eine Reihung von immer neuen Ingewahrsamnahmen nach immer neuen Aktionen hinauslaufen. Eine derart dauerhafte Einwirkung auf Betroffene durch Freiheitsentziehung ist aber nicht Gegenstand des polizeirechtlichen Präventivgewahrsams, sondern eine Frage des Strafrechts. Das Polizeirecht stößt hier an seine Grenzen, was im freiheitlich demokratischen Rechtsstaat auszuhalten ist. Die gegenständlichen Sachverhalte werden letztlich strafrechtlich aufzuarbeiten sein.
43
Hier ist ergänzend festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a StPO ebenfalls nicht erfüllt sind. § 123 StGB ist - ebenso wenig wie die weiteren im vorliegenden Fall angeprüften Straftatbestände - keine Katalogtat gemäß § 112a Abs. 1 StPO. Hier hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, dass Straftaten wie die gegenständlich diskutierten - keine so schwerwiegende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit darstellen, dass hier die Gefahr der wiederholten Tatbegehung einen eigenständigen Haftgrund darstellt. Bei Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG wurde zwar keine derartige Differenzierung vorgenommen, in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist die Wertung des Gesetzgebers bei § 112a Abs. 1 StPO indes zu berücksichtigen, da dessen Regelung nicht umgangen werden darf. Vorliegend würde die Verhängung eines (wiederholten) Gewahrsams auf eine derartige Umgehung hinauslaufen.
44
Schließlich geht aus den Ausführungen der Antragstellerin nicht hervor, dass die zur Verfügung stehenden milderen polizeilichen Mittel abschließend ausgeschöpft wurden. Die Art. 11 ff BayPAG sehen eine Vielzahl milderer Mittel vor, die nach klarem Gesetzeswortlaut von Art. 17 Abs. 1 BayPAG („unabdingbar“) vorrangig zur Anwendung zu bringen sind. Beispielhaft zu nennen wären hier Platzverweise sowie Aufenthaltsge- und -verbote oder die Beschlagnahme von möglichen Tatmitteln. Die Verhältnismäßigkeit gebietet, dass zuerst alle zur Verfügung stehenden alternativen Mittel zur Anwendung zu bringen ist, bevor ein längerfristiger Arrest verhängt wird, der eigentlich für die Verhinderung anderer, deutlich schwererer Sachverhalte bis an den Rand der Verfassungsmäßigkeit hin verschärft wurde.
45
Aufgrund der Dringlichkeit der Beendigung des Vollzugs der Freiheitsentziehung war die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anzuordnen (Art. 96 Abs. 1 PAG, § 422 Abs. 2 S. 1 FamFG).
IV.
46
Dieser Beschluss ist von der Antragstellerin als der zuständigen Verwaltungsbehörde zu vollziehen (Art. 96 Abs. 1 PAG, § 422 Abs. 3 FamFG).
V.
47
Die Kostenentscheidung beruht auf § 430 FamFG.