AG Landau, Beschluss v. 28.10.2022 – XIV 16/22 L
Titel:
Öffentlich-rechtliche Unterbringung bei paranoider Schizophrenie mit Fremdgefährdung
Normenkette:
BayPsychKHG Art. 5
Leitsatz:
Ein Antrag der zuständigen Behörde auf dauerhafte Unterbringung gem. Art. 5 BayPsychKHG ist begründet, wenn der Betroffene auf Grund einer psychischen Erkrankung erheblich die Rechtsgüter anderer und das Allgemeinwohl gefährdet, die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Betroffenen zumindest erheblich beeinträchtigt ist, die Gefährdung nicht durch weniger einschneidende Mittel abgewendet werden kann und die Unterbringung im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nicht erkennbar außer Verhältnis steht. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
öffentlich-rechtliche Unterbringung, psychiatrisches Krankenhaus, psychische Störung, paranoide Schizophrenie, Fremdgefährdung, Selbstgefährdung, fehlende Krankheitseinsicht, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2022, 39188
Tenor
Die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines Bezirksklinikums wird bis zum Ablauf des 28.10.2023 angeordnet.
Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
Gründe
1
Die zuständige Kreisverwaltungsbehörde hat die dauerhafte Unterbringung des Betroffenen beantragt.
2
Der zulässige Antrag ist begründet, weil die Voraussetzungen des Art. 5 BayPSychKHG vorliegen.
3
Der Betroffene gefährdet auf Grund einer psychischen Erkrankung erheblich die Rechtsgüter anderer und das Allgemeinwohl. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Betroffenen ist zumindest erheblich beeinträchtigt. Die Gefährdung kann auch nicht durch weniger einschneidende Mittel abgewendet werden. Ebenso steht die Unterbringung im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nicht erkennbar außer Verhältnis.
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Nach dem vorliegenden Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. med. S. vom 13.10.2022 leidet der Betroffene an einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayPsychKHG, nämlich an einer paranoiden Schizophrenie.
5
Der Betroffene beging krankheitsbedingt seit ca 2020 Sachbeschädigungen insbesondere durch das Anbringen von corona-kritischen Graffiti-Schriftzügen und auch durch Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (z.B. Heil H…!) in ca. 46 Fällen vorwiegend an sakralen Einrichtungen und verursachte mittlerweile Schäden in Höhe von ca. 85.000 €. Der Betroffene gibt an, dass er weiterhin Sachgüter beschädigen und auffällig sein wird, um Aufmerksamkeit zu erregen bis ihm die Schizophrenie abgesprochen werde. Eine andere Möglichkeit sehe er nicht, außerdem sei es ihm wichtig, seine Botschaften zu verbreiten. Es müsse den Geschädigten weh tun, anderenfalls würden seine Botschaften nicht ankommen und er müsse Druck ausüben. Deshalb dürften die Botschaften nicht leicht zu entfernen ein und müssen so angebracht werden, dass viele Menschen gehen könnten. Mittlerweile machen seine Aggressionen auch nicht mehr vor der körperlichen Unversehrtheit anderer Menschen halt. Weiter richtet sich die Aggression mittlerweile auch gegen die Gesundheit anderer Menschen. Der Betroffene griff im Februar 2022 einen Wachmann des Rathauses D. an, welcher den Betroffenen auf die Maskenpflicht hinwies. Danach randalierte der Betroffene im Rathaus und schlug dem Wachmann mit dem Ellbogen ins Gesicht und brachte diesen zu Boden.
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Auf Grund der Beschädigungen der sensiblen sakralen Einrichtungen durch die Botschaften des Betroffenen, dessen Handeln mittlerweile auch vielen Personen bekannt ist, ist auch zu befürchten und letztlich nicht auszuschließen, dass sich gewaltsame Übergriffe gegen den Betroffenen richten. Im übrigen ist der Betroffene offensichtlich behandlungsbedürftig.
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Die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Abteilung in einem Bezirkskrankenhaus ist erforderlich. Denn nur durch die dort sichergestellte ständige Beaufsichtigung und Betreuung kann die Gefährdung abgewendet werden. Weniger einschneidende Mittel, insbesondere die Hinzuziehung eines Krisendienstes oder des gesetzlichen Vertreters sind zurzeit nicht ausreichend. Abgewendet könnte die Unterbringung nach dem Ergebnis des Gutachtens nur, wenn der Betroffene regelmäßig Medikation, zum Beispiel eine neuroleptisches Depot-Präperat, welches bereits früher von ihm gut vertragen wurde, verabreichen lässt und dies dem Gericht auch regelmäßig nachweist. Hierzu ist der Betroffene allerdings nicht bereit, wie er auch im Rahmen der richterlichen Anhörung nochmals bestätigte. Der Betroffene verweigert mittlerweile sogar im BKH die Einnahme der Medikation (“Das Dreckszeug schlucke er nicht“), obwohl er diese anfangs einnahm. Es besteht keinerlei Krankheitseinsicht und der Betroffene lebt nach dem Motto, dass er keine Medikamente einnimmt, weil er ansonsten eingestehen würde, krank zu sein. Es ist aber gerade der von ihm empfundene Makel der Diagnose Schizophrenie, welchen er los werden möchte. Der Betroffene wolle unbedingt, wie er es selbst nennt, dass der Schuldunfähigkeitsparagragh aufgehoben werde. Solange dies nicht der Fall sei, werde er weiter Sachbeschädigungen begehen. Auf der anderen Seite wäre bei dem psychiatrieerfahrenen Betroffenen selbst bei einer vorübergehenden Medikamenteneinnahme nicht von einer Konstanz auszugehen. Bei ihm besteht eine solche mittlerweile verfestigte Abneigung gegenüber einer Medikation, dass bei dem Betroffenen unter Berücksichtigung einer sogenannten doppelten Buchführung davon ausgegangen werden muss, dass er die Mediaktion nur nimmt, um aus der Psychiatrie entlassen zu werden und danach wieder absetzt, wodurch die Gefährdungen erneut bestehen. So äußerte der Betroffene unter anderem auch, dass er dann bis zum Ablauf der, zunächst am 22.09.2022 bis zum 02.11.2022, angeordneten vorläufigen Unterbringung, den Patienten spielen werde, um schnellst möglichst raus zu kommen, um dann weiterzukämpfen. Er betont immer wieder, dass er voll schuldfähig sei und genau wisse, was er tue. Das sehe man schon daran, dass er ansonsten ja schon tot sein müsse, weil er seit dem 4. Lebensjahr wild Fahrrad fahre und ihm ja ansonsten schon etwas passiert sein müsse, wenn er nicht wisse, was er tue. Beim Betroffenen besteht insweit auch eine Realitätsverkennung und wahnhafte Gedanken. Er fühlt sich vom Staat verfolgt und meint der Staat hätte das Ziel seine Existenz zu vernichten, insbesondere auch weil er mittlweile der Querdenkerszene angehöre. Dort werde seine Kunst geschätzt.
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In Anbetracht der Erheblichkeit der bestehenden Gefährdung ist die angeordnete Unterbringung auch angemessen. Im Falle einer Entlassung drohen erneut Sachbeschädigungen und mittlerweile auch Körperverletzungsdelikte. Bei den Sachbeschädigungsdelikten handelt es sich auch, wie an der Schadenshöhe ersichtlich nicht um Bagatellen. Die verursachten Sachschäden steeigerten sich mit den Taten zunehmend. Anfangs wurde Wegekreuze beschädigt, mittlerweile Kapellen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich diese gegen sakrale Gegenstände richten und die darauf hinterlassenen Botschaften teilweise erheblich verletzend sind und auch das Allgemeinwohl betreffen (z.B. „Heil H…!, Lawrow muss gehört werden…). Hinzu kommt ein wachsendes Unverständnis der Bevölkerung bzgl. der Untätigkeit des Rechtsstaates bzgl. der Beschädigung und Verunstaltung der sensiblen sakralen Einrichtungen, wie z.B. Kapellen, wobei die Täterschaft des Betroffenen mittlerweile nahezu öffentlich bekannt ist, da dieser sich auch offen dazu bekennt. Es können mittlerweile auch gewaltsame Übergriffe nicht mehr ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang erfolgte bereits die anonyme Drohung „Wir kommen und schlagen Dir die Fresse ein, Du kleiner Wichser!“. Der Betroffene meint darauf entsprechend seines fehlenden Realitätsbezuges und seiner Größenideen, dass er Kunstwerke mache und keine Angst habe, da er bei körperlichen Auseinandersetzungen keine Schmerzen spüre. Diese Erkenntnis meint der Betroffene aus einer körperlichen Auseinandersetzung im Jahr 2020 zu ziehen, welche im Zusammenhang mit einer Taxifahrt entstand, bei welcher der Betroffene das Tragen der Maske verweigerte.
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Mittlerweile sind allerdings auch Gewalttätigkeit zu befürchten, die vom Betroffenen ausgehen. Neben dem bereits oben geschilderten Angriff des Betroffenen auf einen Security-Mitarbeiter des D.er Rathauses im Februar 2022, kam es auch am 12.10.2019 vor der …-Kirche in D. zu einem Angriff des Betroffenen auf einen Straßenmusikanten, dem der Betroffenen die Gitarre aus der Hand riss, diese durch das Schlagen auf den Boden zerstörte und schließlich versuchte mit dem noch in seiner Hand befindlichen Gitarrenhals auf diesen einzuschlagen. Die Gewaltbereitschaft des Betroffenen ist insoweit gestiegen, wie diese beiden Fälle zeigen, so dass der Gutachter nachvollziehbar von der weiteren erheblichen Gefahr vergleichbarer Handlungen ausgeht. Weiter zurückliegend war ansonsten im Hinblick auf Körperverletzungen im wesentlichen bisher nur ein Angriff des damals schon psychisch auffälligen Betroffenen vom 01.10.2004 in einem Omnibus in der W-Straße in M. auf ein 11 jähriges Kind aktenkundig, welches er anschrie, packte und gegen die Glasscheibe des Busses schlug, weil sich der Betroffene gestört fühlte.
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Der Betroffene kann aufgrund seiner Erkrankung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen bzw. nicht einsichtsgemäß handeln. Er verfügt zurzeit über keine ausreichende Krankheits- und Steuerungseinsicht und ist zu einer freien Willensbildung zumindest hinsichtlich der Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erkrankung nicht in der Lage.
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Der Betroffene befindet sich bereits auf Grund der einstweiligen Anordnung vom 22.09.2022 seit dem 22.09.2022 im Bezirksklinikum - und musste mit Polizeikräften unter Anwendung von erheblichem körperlichem Zwang eingewiesen und mehrmals fixiert werden.
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Der bisherige Aufenthalt des Betroffenen hat noch nicht zu einer ausreichenden Stabilisierung des Zustandes des Betroffenen geführt. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachters bedarf es einer längerfristigen Unterbringung von zunächst einem Jahr, wobei die vorzeitige Entlassung aus der geschlossenen Einrichtung nicht ausgeschlossen ist, insbesondere, wenn wie oben geschildert eine belastbare dauerhafte medikamentöse Compliance beim Betroffenen besteht.
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Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des ausführlichen und gut begründeten Gutachtens des als ordentlich und sorgfältig arbeitend bekannten Facharztes für Psychiatrie an. Das Ergebnis des Gutachters deckt sich mit dem unmittelbaren Eindruck des Gerichts, welchen dieses in der richterlichen Anhörung am 27.10.2022 vom Betroffenen erlangte. Dem Betroffenen wurde vorher eine vollständige Kopie des Gutachtens übersandt.
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Die Voraussetzungen des Art. 5 BayPsychKHG liegen damit vor.
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Die Beiordnung eines Verfahrenspflegers erfolgte bereits durch den Beschluss vom 06.09.2022.