Inhalt

VG München, Beschluss v. 01.12.2022 – M 32 SN 22.5277
Titel:

Verbraucherinformationsgesetz (VIG), Übersendung von Kontrollberichten über lebensmittelrechtliche Kontrollen eines gastronomischen Betriebs (P. München), Eilrechtsschutz des Betriebs, Fehlende Aktivlegitimation, Sonstige Unbegründetheit (Verweis auf st. Rsp.)

Normenketten:
VIG § 5 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80a Abs. 3 S. 2
Schlagworte:
Verbraucherinformationsgesetz (VIG), Übersendung von Kontrollberichten über lebensmittelrechtliche Kontrollen eines gastronomischen Betriebs (P. München), Eilrechtsschutz des Betriebs, Fehlende Aktivlegitimation, Sonstige Unbegründetheit (Verweis auf st. Rsp.)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 35347

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Eilantrag gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem einem Begehren der Beigeladenen auf Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) stattgegeben wird.
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Am 23. Juli 2022 ging bei der Antragsgegnerin ein Antrag der Beigeladenen auf Informationszugang nach dem VIG ein. Der VIG-Antrag wurde per E-Mail über die Internetplattform „F...“ im Rahmen der Kampagne „T...“ gestellt. Begehrt wurden die Daten über die letzten beiden lebensmittelrechtlichen Kontrollen bei dem gastronomischen Betrieb „P … …“ in M. sowie, im Falle von Beanstandungen, die Herausgabe der entsprechenden Kontrollberichte.
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Die Antragsgegnerin gab mit Schreiben vom 8. September 2022 dem betroffenen Betrieb unter der Adresse „P. … … M. GmbH in Fa. P. … … M. L. … M. GmbH & Co. KG“ Gelegenheit zur Stellungnahme zum Auskunftsbegehren innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens. Das Schreiben wurde gegen Postzustellungsurkunde am 12. September 2022 zugestellt. Eine Äußerung erfolgte nicht.
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Mit Bescheid vom 13. Oktober 2022 wurde dem Informationsbegehren der Beigeladenen stattgegeben und die Übersendung der entsprechenden Informationen innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung des Bescheids in Aussicht gestellt, sofern bis dahin keine gerichtliche Untersagung erfolgen sollte. Dieser Bescheid wurde mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2022, per Postzustellungsurkunde zugestellt am 17. Oktober 2022, dem betroffenen Betrieb unter der oben genannten Adresse mitgeteilt.
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Am 26. Oktober 2022 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München Anfechtungsklage gegen den Bescheid. Unter demselben Datum stellte der Bevollmächtigte bei Gericht auch einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und beantragte
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
hilfsweise
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festzustellen, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat,
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äußerst hilfsweise
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die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beigeladenen die Kontrollberichte bzw. die darin enthaltenen Informationen nicht oder nur verbunden mit der Untersagung der Veröffentlichung unter Zwangsgeldandrohung zu übersenden.
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Zur Begründung führte der Bevollmächtigte aus, dass eine Übersendung der Kontrollberichte die Antragstellerin irreversibel in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG verletzen würde. Der Auskunftsbescheid leide an einer Reihe von Rechtsfehlern. Es lägen nicht „nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG vor, auf welche Vorschrift sich der Bescheid aber stütze. Die Herausgabe der Informationen verletze die Verhältnismäßigkeitsprinzipien. Die Art und Weise der Geltendmachung des individuellen Auskunftsanspruchs sei rechtsmissbräuchlich. Der Auskunftsantrag hätte schon wegen § 4 Abs. 3 Nr. 4 VIG abgelehnt werden müssen, da durch die Bearbeitung des Antrags „die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde“. Die Herausgabe der Daten an Privatpersonen verstoße gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip, da hierin eine unzulässige Übertragung von hoheitlichen Handlungsrechten liege. Die Herausgabe sei nach Unionsrecht unverhältnismäßig. Schließlich bestünden sonstige offene Rechtsfragen zur Auslegung des VIG, etwa im Hinblick auf den nicht mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbaren Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Auskunftsbescheid nach § 5 Abs. 4 Satz 1 VIG, welche Fragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten sein müssten. Auf die näheren Ausführungen zu den geltend gemachten Rügen wird verwiesen.
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Am 8. November 2022 beantragte die Antragsgegnerin,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass es der Antragstellerin bereits an der Antrags- bzw. Klagebefugnis fehle. Nach Prüfung der aktuellen Auszüge aus dem gemeinsamen Registerportal der Länder ergebe sich keine ersichtliche Verbindung der Antragstellerin mit dem von der VIG-Anfrage betroffenen Betrieb. In M. gewerbe- und lebensmittelrechtlich gemeldet seien lediglich die „P. … … M. GmbH“ bzw. die „P. … … L. … M. GmbH & Co. KG“. Die Antragstellerin sei weder als Kommanditistin noch in sonst einer Weise gewerberechtlich in Verbindung mit diesen beiden Firmen registriert. Auch eine Registrierung der Antragstellerin als Lebensmittelunternehmen nach Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene liege bei der Antragsgegnerin nicht vor.
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Im Übrigen sei der angegriffene Auskunftsbescheid rechtmäßig. Die vorgebrachten Rügen der Antragstellerin seien auf der Basis der Rechtsprechung nicht begründet; auf die detaillierten Ausführungen hierzu wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 9. November 2022 bat das Gericht die Antragstellerin um Stellungnahme zur Antragserwiderung, insbesondere zum Gesichtspunkt der Aktivlegitimation.
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Eine Antwort erfolgte bis dato nicht.
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Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Eilantrag bleibt im Hauptantrag und den hilfsweisen Anträgen ohne Erfolg.
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1. Dem Eilantrag mangelt es bereits an der Aktivlegitimation, was zu seiner Unbegründetheit führt. Die Antragstellerin ist nach den zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 8. November 2022 nicht Inhaberin der als verletzt gerügten Rechte des kontrollierten Betriebs (zur Aktivlegitimation siehe etwa Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 74). Davon ist jedenfalls im Eilverfahren zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auszugehen. Die Antragstellerin hatte hinreichend Zeit, auf den entsprechenden substantiierten Vorhalt der Antragsgegnerin Stellung zu nehmen und etwaige abweichende Gesichtspunkte vorzubringen. Das Gericht hat die Antragstellerin sogar ausdrücklich um Stellungnahme zum Vorliegen der Aktivlegitimation gebeten. Obwohl Im Eilverfahren eine erhöhte Darlegungslast der den Eilrechtsschutz betreibenden Partei besteht, erfolgte bis dato, also nach fast einem Monat, keine Antwort.
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2. Der Eilantrag ist auch sonst unbegründet. Das Gericht kann gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die in der Antragserwiderung der Antragsgegnerin vom 8. November 2022 zutreffend und erschöpfend wiedergebende Rechtslage verweisen.
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Alle von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände sind in der Rechtsprechung seit Längerem geklärt. Zu den mit dem Informationszugang nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) aufgeworfenen Rechtsfragen liegen inzwischen 17 Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH), angefangen mit dem Beschluss vom 8. Juli 2019 (Az. 5 CS 19.1511, juris) und aktuell mit dem Beschluss vom 7. August 2020 (Az. 5 CS 20.1302, juris), vor. Das Gericht weist auch auf seine ständige Rechtsprechung hin, die dem Bevollmächtigten der Antragstellerin aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist.
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Alle diese Entscheidungen bestätigen das Recht des Verbrauchers auf Übersendung der über das Internetportal „T...“ angeforderten lebensmittelrechtlichen Kontrollberichte.
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Die Entscheidungen sind im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen. Der BayVGH weist aber in seinem Beschluss vom 13. Mai 2020 (Az. 5 CS 19.2150, juris) ausdrücklich darauf hin, dass er eine über die im Eilverfahren anzuwendende bloß summarische Prüfung hinausgehende Betrachtung angestellt hat. Die Rechtslage kann damit für B. als abschließend geklärt angesehen werden. Bundesrechtlich dürften gegen die Rechtsauffassung des BayVGH keine Bedenken bestehen (siehe dazu BVerwG, U.v. 29.8.2019 - 7 C 29.17 - juris, worin das in einer VIG-Sache ergangene Urteil des BayVGH vom 16.2.2017 - 20 BV 15.2208 -, juris, bestätigt wird). Das Verwaltungsgericht Würzburg hat nunmehr in der ersten bayerischen Hauptsacheentscheidung mit Urteil vom 14.9.2020 (Az. W 8 K 19.1375, juris) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die erwähnte Rechtsprechung des BayVGH und des Bundesverwaltungsgerichts den Anspruch des Verbrauchers nach dem VIG bestätigt.
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Die obergerichtliche Rechtsprechung in den außerbayerischen Bundesländern bejaht einheitlich den Verbraucheranspruch (siehe etwa aktuell OVG Weimar, B.v. 16.2.2022 - 3 EO 305/20 - juris). Lediglich das OVG Rheinland-Pfalz (B.v. 15.1.2020 - 10 B 11634 -, juris) und das OVG Hamburg (B.v. 14.10.2019 - 5 Bs 149/19 -, juris) haben auf der Grundlage einer bloßen eilverfahrensrechtlichen Interessensabwägung zu Lasten des Verbrauchers entschieden. Obergerichtliche Rechtsprechung, die von der Rechtswidrigkeit einer Informationsgewährung im Zusammenhang mit dem Internetportal „T...“ ausgeht, gibt es nicht.
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Die Antragstellerin hatte demgegenüber nichts Neues vorzubringen.
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3. Als Unterlegene hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen eigenen Sachantrag gestellt und sich mithin keinem Prozessrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.