VG München, Urteil v. 21.09.2022 – M 6 K 22.4162
Titel:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Nicht- oder Schlechterfüllung der dem Beklagten als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, Programmkritik, Strukturelle Defizite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Normenketten:
RBStV § 2 Abs. 1
RBStV § 2 Abs. 2
Leitsatz:
Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Beitragserhebung kann nicht zur Sanktionierung von als fehlerhaft empfundener Berichterstattung oder als (Druck-)Mittel zur Einflussnahme auf die Programmgestaltung verwendet werden.
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag im privaten Bereich, Nicht- oder Schlechterfüllung der dem Beklagten als öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt gesetzlich zugewiesenen Aufgaben, Programmkritik, Strukturelle Defizite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34348
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen im privaten Bereich durch den Beklagten.
2
Mit Bescheid vom 1. April 2022 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger als Inhaber einer Wohnung Rundfunkbeiträge für den Zeitraum 1/2022 bis 3/2022 in Höhe von 63,08 EUR inklusive eines Säumniszuschlags von 8,00 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom … April 2022 wies er mit Bescheid vom 25. Juli 2022 zurück. Hiergegen richtet sich die am 22. August 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangene Klage.
3
Zur Klagebegründung wird insbesondere vorgebracht, der öffentlich-rechtliche Rundfunk komme seinen ihm durch Gesetz, insbesondere Art. 5 GG zugewiesenen Aufgaben nicht oder nur mangelhaft nach und weise strukturelle Defizite auf. Den vom Bundesverfassungsgericht in seine Entscheidung vom 18. Juli 2018 (1 BvR 1675/16 u.a.) unter Verweis auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aufgestellten Grundsätzen (insbesondere Rn 140-147) werde seitens der Rundfunkanstalten nicht entsprochen, obwohl diese Grundsätze auch im Medienstaatsvertrag in dessen Präambel und in den §§ 3, 6 und 26 ausdrücklich erwähnt seien. Sodann werden Beispiele benannt, die all das aus Sicht der Klagepartei belegen. Aus alledem folge, ein Leistungsverweigerungsrecht für den Kläger, da er keine Rundfunkbeiträge bezahlen müsse, solange der Rundfunk im Gegenzug seine Aufgaben nicht oder nur schlecht erfülle. Die Möglichkeiten, als Rundfunkbeitragszahler oder Gesellschaft hier Abhilfe zu schaffen, seien entweder begrenzt oder unzureichend. Als Beispiel wird die Programmbeschwerde genannt. Auf das Vorbringen der Klagepartei im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
4
In der mündlichen Verhandlung am 21. September 2022 ließ der Kläger seine zwischenzeitlich bestellte Prozessbevollmächtigte zuletzt beantragen,
5
den Bescheid des Beklagten vom 1. April 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2022 aufzuheben.
6
Der Beklagte übermittelte seine Akte elektronisch und beantragte,
7
die Klage abzuweisen.
8
Er ist der Ansicht, die Klagepartei trage in der Substanz nichts vor, was den Klageanspruch begründen könne. Würde der Fall vor dem Zivilgericht verhandelt, könne nicht einmal ein Versäumnisurteil ergehen und müsste sich der Beklagte nicht verteidigen.
9
Am 21. September 2022 wurde zur Sache mündlich verhandelt. In dieser Sitzung nahm die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Einvernehmen mit diesem die auf die Feststellung gerichtete Klage, dass der Kläger von der Zahlung der Rundfunkbeiträgen für ein Jahr befreit sei, zurück, woraufhin das Verfahren durch Beschluss eingestellt wurde (Az. M 6 K 22.4059).
10
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 21. September 2022 ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Entscheidungsgründe
11
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die von der Klagepartei angeführten Gründe dafür, weshalb sie nicht verpflichtet sei, Rundfunkbeiträge zu zahlen, greifen nicht durch. Der streitgegenständliche Festsetzungsbescheid vom 1. April 2022 sowie der Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2022 sind rechtmäßig und verletzen die Klagepartei nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
12
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden rechtmäßig rückständige Rundfunkbeiträge für eine Wohnung sowie ein Säumniszuschlag festgesetzt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Klagepartei greifen nicht durch.
13
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist seit 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
14
Der Fünfzehnte Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünfzehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag - 15. RÄStV), der in seinem Art. 1 den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag umfasst, wurde im Zeitraum vom 15. bis 21. Dezember 2010 von den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer unterzeichnet. Der Bayerische Landtag hat dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit Beschluss vom 17. Mai 2011 zugestimmt. Mit Bekanntmachung vom 7. Juni 2011 ist der Staatsvertrag im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Juni 2011 (S. 258) veröffentlicht worden und nach Zustimmung aller Landesparlamente und Hinterlegung der Ratifikationsurkunden am 1. Januar 2013 in Kraft getreten (GVBl 2012, S. 18; s. Art. 7 Abs. 2 des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags; s. BayVerfGH, E.v. 14.5.2014 - Vf. 8-VII-12, Vf. 24-VII-12 - juris Rn. 57). Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ist somit aufgrund seiner Ratifizierung durch den Bayerischen Landtag unmittelbar geltendes bayerisches Landesrecht geworden.
15
Im Übrigen sind die Fragen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit, insbesondere der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags inzwischen höchstrichterlich und bindend geklärt (BVerwG, U.v. 18.3.2016 - 6 C 6/15; BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16 u.a.; BGH, B.v. 26.7.2018 - I ZB 78/17; EuGH, U.v. 13.12.2018 - C. 492/17). Dies betrifft auch und gerade die Ausgestaltung als Beitrag und die Anknüpfung der Beitragspflicht an das Innehaben einer Wohnung (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, juris Rn. 59 ff.). Das Gericht sieht keine Veranlassung hiervon abzuweichen.
16
2. Als Inhaberin einer Wohnung hat die Klagepartei für den hier maßgeblichen Zeitraum Rundfunkbeiträge zu zahlen. Im privaten Bereich ist nach § 2 Abs. 1 RBStV i.V.m. § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags grundsätzlich für jede Wohnung von deren Inhaber ein Rundfunkbeitrag in Höhe von 18,36 EUR pro Monat zu entrichten. Inhaber einer Wohnung ist jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt, § 2 Abs. 2 Satz 1 RBStV. Als Inhaber wird jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist, § 2 Abs. 2 Satz 2 RBStV. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Klagepartei wird als Inhaberin ihrer Wohnung zum Rundfunkbeitrag herangezogen.
17
3. Die Klagepartei war zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 30.10.19 - 6 C 10/18, juris Rn. 13) auch nicht von der Beitragspflicht befreit. Vielmehr wurden ihr Antrag auf Befreiung vom … April 2022 bestandskräftig mit Bescheiden vom 22. Juli 2022 abgelehnt, die auf Befreiung vom Rundfunkbeitrag gerichtete Klage zurückgenommen.
18
4. Auch die seitens der Klagepartei erhobenen Einwände gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Rundfunkbeitrags sind nicht durchgreifend. Insbesondere steht dieser kein „Leistungsverweigerungsrecht“ zu.
19
4.1. Ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht etwa aufgrund der Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB analog scheidet bereits deshalb aus, da zwischen den Beteiligten kein Vertrag geschlossen wurde. Anders als etwa der Abschluss eines Abonnements eines Streamingdienstes mit vertraglichen Gegenleistungspflichten ergibt sich die Verpflichtung zur Zahlung der Rundfunkbeiträge aus dem Gesetz (s.o.).
20
4.2. Die Klagepartei kann sich auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB analog berufen. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gegen die Beitragserhebung kann nicht zur Sanktionierung von als fehlerhaft empfundener Berichterstattung oder als (Druck-)Mittel zur Einflussnahme auf die Programmgestaltung verwendet werden.
21
4.2.1. Bereits der Anwendungsbereich des Zurückbehaltungsrechts ist in vorliegender Konstellation nicht eröffnet.
22
Zwar kann grundsätzlich das Rechtsinstitut des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB seinem Rechtsgedanken nach auch im öffentlichen Recht Anwendung finden (vgl. HessVGH, U.v. 7.11.1995 - 11 UE 2669/94 - NJW 1996, 2746). Jedoch kann diese Vorschrift und der ihr zu entnehmende Rechtsgedanke auf öffentlich-rechtliche Beziehungen außerhalb des öffentlichen Vertragsrechts nicht uneingeschränkt übernommen werden (vgl. OVG Hamburg, U.v. 18.1.1977 - Bf III 4/76 - NJW 1977, 1251) und kommt nur mit erheblichen Einschränkungen im öffentlichen Recht zur Anwendung (vgl. Dauner-Lieb/Langen, BGB, § 273 Rn. 6). So ist das Abgabenrecht von dem Rechtsgedanken beherrscht, dass ein Gegenanspruch nur dann Beachtung finden und die Nichterfüllung einer fälligen Beitragsforderung also nur dann rechtfertigen kann, wenn der Abgabepflichtige einen unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Anspruch gegen den Abgabegläubiger hat (vgl. VG Regensburg, GB.v. 12.9.19 - K 19.555, Rn. 32). Damit wird, vergleichbar der Aufrechnung, unter anderem sichergestellt, dass ein Abgabenschuldner sich seiner Zahlungsverpflichtung nicht durch die bloße Behauptung, es gebe noch klärungsbedürftige Gegenansprüche, entziehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2002 - 23 ZS 01.3171 - juris Rn. 8).
23
Vielmehr ist neben dem vorstehenden die gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zu berücksichtigen. Durch § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, der öffentlichen Haushaltssicherheit generell Vorrang gegenüber dem privaten Aufschubinteresse einzuräumen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.90 - 7 CS 90.1090). Es besteht also auch vor diesem Hintergrund ein Interesse daran, dass die Finanzierungssicherheit des öffentlichen Rundfunks gewährleistet bleibt und nicht durch den weiten Anwendungsbereich eines Zurückbehaltungsrechts ausgehebelt wird (vgl. VG Regensburg, GB.v. 12.9.19 - K 19.555, Rn. 32).
24
Bei der gegenüber der Klagepartei erfolgten Festsetzung von Rundfunkbeiträgen handelt es sich um einen gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbaren Abgabenbescheid. Diesem steht bereits kein unbestrittener oder rechtskräftig festgestellter Gegenanspruch (zum Gegenanspruch als solchem sogleich) gegenüber, der hier den Anwendungsbereich des § 273 BGB analog im öffentlichen Abgabenrecht eröffnen könnte. Die Klagepartei behauptet lediglich, der Rundfunk würde seinen Programmauftrag nicht erfüllen.
25
Die hohe Bedeutung der Finanzierungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zeigte sich nicht zuletzt auch darin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zur Rundfunkbeitragspflicht keine rückwirkende Erstattung sogar gleichheitswidriger Beitragsbelastungen von Inhabern mehrerer Wohnungen angeordnet hat, um die nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geforderte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu gefährden (BVerfG, U.v. 18.7.2018 - 1 BvR 1675/16, juris Rn.153).
26
4.2.2. Selbst wenn man von der Anwendbarkeit eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB analog ausgeht, mangelt es jedenfalls an einem sich aus demselben rechtlichen Verhältnis ergebenden Gegenanspruch. Während auf der Seite der Beitragserhebung die gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung der Rundfunkbeiträge steht, besteht auf Seiten der Beitragsverwendung kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine konkrete Programmgestaltung. Das Rundfunkrecht sieht andere Wege der Kontrolle der Beitragsverwendung und damit letztlich auch des Programmauftrages vor.
27
Die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 und 2 GG) gewährleistet die Programmfreiheit (Programmautonomie). Die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms steht den Rundfunkanstalten zu (vgl. BayVGH U.v. 7.7.2015 - 7 B 15.846 - juris Rn. 17). Eingeschlossen ist grundsätzlich auch die Entscheidung über die benötigte Zeit und damit auch über Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme. Der Rundfunk darf dabei weder den Interessen des Staates noch einer gesellschaftlichen Gruppe oder gar dem Einfluss einer einzelnen Person untergeordnet oder ausgeliefert werden. Der Rundfunk muss vielmehr die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnehmen und wiedergeben, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen (vgl. z.B. BVerfG, U. v. 22.2.1994, 1BvL 30/88 - BVerfGE 90, 60).
28
In der Art und Weise, wie die Rundfunkanstalten ihren gesetzlichen Funktionsauftrag erfüllen, sind sie frei (BVerfG B.v. 20.7.2021 -1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 - juris Rn 88). Der Grundsatz der Trennung zwischen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung und der Festsetzung des Rundfunkbeitrags soll Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern. Da Programmentscheidungen finanzielle Voraussetzungen und Finanzentscheidungen programmliche Konsequenzen haben, kann über Entscheidungen zur Finanzausstattung auf indirekte Weise Einfluss auf die Erfüllung des Rundfunkauftrags genommen werden (vgl. BVerfGE 119, 181 [220 f.] = NVwZ 2007, 1287 = NJW 2008, 838 Ls.).
29
Das bedeutet aber weder, dass gesetzliche Programmbegrenzungen von vornherein unzulässig wären, noch, dass jede Programmentscheidung einer Rundfunkanstalt finanziell zu honorieren wäre. In der Bestimmung des Programmumfangs sowie in der damit mittelbar verbundenen Festlegung ihres Geldbedarfs können die Rundfunkanstalten nicht vollständig und grenzenlos frei sein. Denn es ist ihnen verwehrt, ihren Programmumfang und den damit mittelbar verbundenen Geldbedarf über den Rahmen des Funktionsnotwendigen hinaus auszuweiten (BVerfGE 119, 181 [218 f.] = NVwZ 2007, 1287 = NJW 2008, 838 Ls.; stRspr). Es bleibt Sache des Gesetzgebers, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Vielfaltsicherung auszugestalten und die entsprechenden medienpolitischen und programmleitenden Entscheidungen zu treffen; ihm kommt dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu (stRspr vgl. BVerfG B.v.20.7.2021 -1 BvR 2775/20, 1 BvR 2777/20 - juris Rn. 76; BVerfGE 119, 181 [214, 221] = NVwZ 2007, 1287 mwN = NJW 2008, 838 Ls.).
30
Die Überprüfung der Verwendung der Rundfunkbeiträge innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens erfolgt durch eigens hierfür bestimmte Gremien, insbesondere die Programmkommission und die Rundfunkräte. Sollten sie ihren Kontrollpflichten nicht oder nur ungenügend nachkommen, stehen entsprechende rechtliche Möglichkeiten wie die Programmbeschwerde zur Verfügung sowie der Weg zu den Aufsichtsbehörden und Verfassungsgerichten offen (s. z.B. BVerfG, U.v. 25.03.2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 4/11 - DVBl 2014, 649-655; BVerfG, U.v.11.09.2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 - DVBl 2007, 1292-1294). Die Verwaltungsgerichte sind im Rahmen einer Klage gegen die Rundfunkbeitragspflicht zur Prüfung der von der Klagepartei aufgeworfenen Fragen hinsichtlich Programmgestaltung, Programminhalten und möglicher struktureller Defizite bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie der Frage ausreichender Kontrolle all dessen durch Gremien und Aufsichtsbehörden nicht berufen.
31
Die Trennung der Beitragserhebung einerseits und der rundfunkrechtlichen Möglichkeiten auf die Programmgestaltung Einfluss zu nehmen andererseits schließt das für ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB analog notwendige Gegenseitigkeitsverhältnis der Ansprüche aus. Es ist dem Einzelnen deshalb verwehrt, seine Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags davon abhängig zu machen, ob ihm das Programmangebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefällt und er den Funktionssauftrag als erfüllt ansieht oder nicht.
32
5. Auch die Festsetzung des Säumniszuschlags ist rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 der Satzung des Bayerischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - Rundfunkbeitragssatzung - vom 5. Dezember 2016, in Kraft getreten am 1. Januar 2017 (StAnz Nr. 51-52/2016) i.V.m. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 RBStV). Danach wird, wenn Rundfunkbeiträge nicht innerhalb von vier Wochen nach Fälligkeit in voller Höhe entrichtet werden, ein Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber ein Betrag von 8,00 EUR fällig. Der Säumniszuschlag wurde zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV festgesetzt.
33
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
34
Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Frage, inwieweit die Verwaltungsgerichte im Rahmen einer Klage gegen die Rundfunkbeitragspflicht zur Prüfung der Programmgestaltung, Programminhalten und möglicher struktureller Defizite bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten berufen sind, hat über den vorliegenden Fall hinaus existenzielle Bedeutung für den Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.