VGH München, Beschluss v. 09.11.2022 – 15 ZB 22.1489
Titel:

Nutzungsänderung einer Gaststätte in Boardinghouse

Normenketten:
BayBO Art. 47 Abs. 1 S. 2
VwGO § 144 Abs. 4
Leitsätze:
1. Der der Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanke, dass allein die fehlerhafte Begründung einer Entscheidung, welche sich im Ergebnis als richtig erweist, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhilft, ist auch in einem Verfahren auf Zulassung der Berufung zu berücksichtigen. Auch ein solches Antragsverfahren soll aus prozessökonomischen Gründen nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Rechtsstreits bedeutungslos bleiben wird. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff der Nutzungsänderung setzt jedenfalls bei genehmigten bisherigen Nutzungen keine zeitliche Kontinuität zwischen bisheriger und neuer Nutzung in dem Sinn voraus, dass von einer bisher genehmigten und ausgeübten zu einer neuen Nutzung gewechselt wird. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Liegt keine Erledigung der Baugenehmigung durch behördliche Aufhebung oder durch Zeitablauf vor, kommt es für das Erlöschen der Baugenehmigung und den Wegfall eines Bestandsschutzes darauf an, ob sich die Baugenehmigung „auf andere Weise“ erledigt hat. Hierfür ist grundsätzlich zu verlangen, dass der Berechtigte aus objektiver Sicht zumindest konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er von der Baugenehmigung keinen Gebrauch mehr machen will. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsänderung von Gaststätte in Boardinghouse, Stellplatzbedarf, Bestandsschutz, Ergebnisrichtigkeit, Nutzungsunterbrechung, Erlöschen der Baugenehmigung, Zeitablauf, Umstände
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 07.04.2022 – RO 2 K 18.1641
Fundstelle:
BeckRS 2022, 34023

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung zum Umbau einer ehemaligen Gaststätte durch das Landratsamt R. an die Beigeladenen.
2
Mit Unterlagen vom 7. November 2017 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau einer ehemaligen Gaststätte in Wohnungen, Boardinghouse und Fremdenzimmer auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung N. Der Kläger verweigerte hierzu sein gemeindliches Einvernehmen, weil im Umfeld der beabsichtigten Maßnahme sehr beengte Verhältnisse bestünden, die verkehrsrechtlich als enorme Beeinträchtigung zu werten seien. Mit Bescheid vom 11. September 2018 erteilte das Landratsamt R. die beantragte Baugenehmigung. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass das Einvernehmen ersetzt werde und durch die Änderung oder Nutzungsänderung kein zusätzlicher Stellplatzbedarf ausgelöst werde, da rechnerisch weniger Stellplätze benötigt würden als für die ursprünglich bestandsgeschützte Nutzung.
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Gegen die Baugenehmigung vom 11. September 2018 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg, das diese mit Urteil vom 7. April 2022, ebenso wie eine Nachbarklage (Az. RO 2 K 18.1692; vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 5.10.2022 - 15 ZB 22.1487) abwies. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass kein Verstoß gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht im Hinblick darauf vorliege, dass in der angefochtenen Baugenehmigung keine Stellplätze gefordert worden seien. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Unabhängig von den vom Kläger dargelegten Zweifeln stellt sich die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts hier jedenfalls im Ergebnis als richtig dar.
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a) Der Kläger ist der Ansicht, das Landratsamt R. hätte die Baugenehmigung vom 11. September 2018 nicht ohne Stellplatznachweis gem. Art. 47 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 BayBO i.V.m. der Satzung über die Herstellung von Garagen und Stellplätzen und deren Ablösung (GaStS) des Klägers in der Fassung vom 21. September 2016 erteilen dürfen. Dies führt jedoch nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags.
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Nach Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO sind bei Änderungen oder Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können. Das Verwaltungsgericht führt in der Urteilsbegründung aus, dass der Mehrbedarf durch einen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage und dem Stellplatzbedarf des formell und / oder materiell legalen und legal genutzten Altbestandes ermittelt wird (vgl. UA S. 18 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 22.4.2004 - 20 B 03.2351 - juris Rn. 19; B.v. 11.11.2002 - 2 ZB 02.2472 - juris Rn. 3; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die neue BayBO, Stand Oktober 2021, Art. 47 Rn. 63). Es führt weiter aus, dass für die Nutzung als Gaststätte von Bestandsschutz ausgegangen werden könne, auch wenn nur für einen Teilbereich der ehemaligen Gaststätte eine Baugenehmigung nachweisbar sei. Eine Anrechnung komme auch in Betracht, wenn die bisherige Nutzung lediglich materiell legal gewesen sei und die hier maßgebliche Nutzung über einen längeren Zeitraum materiell rechtmäßig ausgeübt worden sei (UA S. 19; vgl. BVerfG, B.v. 29.4.2022 - 1 BvL 2/17 - juris Rn. 17; Papier/Shirvani in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand März 2022, Art. 14 Rn. 190).
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Das Zulassungsvorbringen wendet dagegen ein, dass der bisherigen Nutzung kein Bestandsschutz zukommen könne, da nur eine wirksam erteilte bestandskräftige Baugenehmigung einen solchen vermitteln könne. Dies lässt sich dahingehend verstehen, dass fraglich sei, ob eine lediglich zu irgendeinem Zeitpunkt materiell legale (und nicht verfahrensfreie) Nutzung Bestandsschutz genießen könne. In diesem Fall wäre der Mehrbedarf durch einen rechnerischen Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlage (Sollbedarf) und des g e n e h m i g t e n Altbestandes zu ermitteln (vgl. BayVGH, U.v. 2.5.2018- 2 B 18.458 - juris Rn. 24; U.v. 10.6.2016 - 2 B 16.733 - juris Rn. 17; wohl auch in Richtung formelle Legalität zu verstehen: BayVGH, B.v. 26.3.2008 - 15 ZB 07.1815 - juris Rn. 6 ff.; VGH BW, B.v. 26.6.1998 - 8 S 1661/98 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 16.6.1998 - 14 ZB 98.1235 - juris Rn. 2). Bestandsschutz würde damit voraussetzen, dass die Anlage und die mit ihr verbundene Nutzung seit ihrem Entstehen in irgendeinem - namhaften - Zeitraum dem maßgeblichen materiellen Recht entsprochen hat, sofern in diesem Zeitraum eine förmliche Genehmigung nicht erforderlich war, bzw. dass die Anlage förmlich genehmigt worden ist (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2022, Art. 76 Rn. 117 f.; Weber in Schwarzer/König, BayBO, 5. Auflage 2022, Art. 76 Rn. 13; BVerfG, B.v. 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 23.4.2021 - 9 ZB 19.2273 - juris Rn. 7).
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Es kann hier offenbleiben, ob eine zu irgendeinem Zeitpunkt (nur) materiell rechtmäßige Nutzung Bestandsschutz entfaltet, da - entgegen der Annahme des Klägers, es liege eine ungenehmigte Nutzung vor, und den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, eine Baugenehmigung sei nur für Teilbereiche der ehemaligen Gaststätte nachweisbar (UA S. 19) - von einem Bestandsschutz auf Grund einer früheren Genehmigung der Gaststätte auszugehen ist. Damit erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts jedenfalls als ergebnisrichtig (§ 144 Abs. 4 VwGO), wozu die Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Oktober 2022 angehört wurden. Der der Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanke, dass allein die fehlerhafte Begründung einer Entscheidung, welche sich im Ergebnis als richtig erweist, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhilft, ist auch in einem - hier vorliegenden - Verfahren auf Zulassung der Berufung zu berücksichtigen. Auch ein solches Antragsverfahren soll unabhängig davon, dass insoweit eine dem § 144 Abs. 4 VwGO vergleichbare Vorschrift fehlt, aus prozessökonomischen Gründen nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Rechtsstreits bedeutungslos bleiben wird (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2018 - 15 ZB 17.1003 - juris Rn. 10 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
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Das Verwaltungsgericht führt im Tatbestand seines Urteils aus, dass bereits am 31. Juli 1874 eine Bierwirtschaft in dem Gebäude genehmigt worden sei. Dies ergibt sich aus der vorliegenden Abhandlung von D. S. aus dem Jahr 1989 („Das ehemalige Hofmarkschloss von Undorf - Entwicklung eines oberpfälzischen Landschlosses von der Barockzeit bis in die Gegenwart“ - im Folgenden: Abhandlung), in dem die Geschichte und die Nutzungen des Gebäudes historisch aufgearbeitet, dargestellt und belegt werden. Als Quellenangabe wird vom Autor auf die Genehmigung des Bezirksamts Hemau vom 31. Juli 1874 im Staatsarchiv Amberg verwiesen. Hiervon geht auch der Kläger aus, weshalb der Senat von der Existenz dieser Genehmigung überzeugt ist. Damit ist von einem ausreichenden Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen durch die Beigeladenen und Bauherren für die Existenz einer Baugenehmigung auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2003 - 4 B 55.03 - juris Rn. 5; B.v. 23.12.1994 - 4 B 262.94 - juris Rn. 10; B.v. 27.2.1993 - 4 B 5.93 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 11.10.2022 - 15 ZB 22.867 - juris Rn. 30 m.w.N.), zumal die Genehmigung aus einer Zeit weit vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes und der Bayerischen Bauordnung stammt. Der Einwand des Klägers, die Nutzung sei aufgegeben worden, weil der Antrag auf Genehmigung einer Gastwirtschaft mit Beherbergungsbetrieb im Jahr 1881 abgelehnt worden sei, trägt demgegenüber nicht. Denn der Genehmigungsantrag aus dem Jahr 1881 zielte auf die zusätzliche Aufnahme eines Beherbergungsbetriebes ab (vgl. Abhandlung S. 49). Hieraus lässt sich aber gerade nicht entnehmen, dass bei Nichtgenehmigung dieser Nutzungsänderung in Form einer Ergänzung die (bisherige) Gaststättennutzung aufgegeben werden sollte. Die Abhandlung, die die zeitlichen Abläufe und Nutzungen äußerst sorgfältig und chronologisch umfangreich darstellt, geht trotz Hinweis auf zahlreiche Besitzerwechsel und schwierige wirtschaftliche Bedingungen nicht von einer Stilllegung oder Nutzungsaufgabe der Gastwirtschaft in einem relevanten Zeitraum aus (vgl. Abhandlung S. 51 f., 56). Auch bei Eröffnung der Metzgerei im Jahr 1942 (vgl. Abhandlung S. 52) und einer weiteren Genehmigung für Umbauten in der Metzgerei mit Bescheid vom 13. Mai 1971 wurde vom Bestand der Gaststätte ausgegangen. Darüber hinaus führt das Verwaltungsgericht aus, dass die Gaststättennutzung unstreitig bis 2011 ausgeübt worden sei (UA S. 16, 18). Die bloße Behauptung des Klägers, die Nutzung sei zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben worden, genügt angesichts dessen nicht.
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b) Der Antrag bleibt auch erfolglos, soweit der Kläger geltend macht, dass einer mehr als sieben Jahre eingestellten Nutzung kein Bestandsschutz mehr zukommen könne.
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Der Begriff der Nutzungsänderung setzt jedenfalls bei genehmigten bisherigen Nutzungen keine zeitliche Kontinuität zwischen bisheriger und neuer Nutzung in dem Sinn voraus, dass von einer bisher genehmigten und ausgeübten zu einer neuen Nutzung gewechselt wird (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand April 2022, Art. 47 Rn. 40; BayVGH, U.v. 20.2.2003 - 15 B 00.1363 - juris Rn. 21). Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Gaststättennutzung bis ins Jahr 2011 erfolgte (UA S. 16, 18). Es ist unter Bewertung der beim verwaltungsgerichtlichen Augenschein gewonnenen Eindrücke zu dem Ergebnis gekommen, dass nach der Verkehrsauffassung im Zeitpunkt der Bauantragstellung im Jahr 2017 noch mit einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen war und die (ehemalige) Gaststätte für das Gebiet noch prägend war (UA S. 16). Der vom Kläger hiergegen allein erhobene Einwand eines Zeitablaufs von sieben Jahren führt hier zu keinem anderen Ergebnis.
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Da der durch eine Baugenehmigung vermittelte Bestandsschutz durch Gesetzes- bzw. Landesrecht als Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausgestaltet wird (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 - 4 C 10.97 - juris Rn. 25 f.; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Mai 2022, Art. 76 Rn. 115 ff.), richtet sich die Frage, ob und in welchem Umfang das Vertrauen in den Fortbestand einer durch eine Baugenehmigung vermittelten Rechtsposition unter Berücksichtigung einer längeren Zeit der Nichtnutzung und der damit zusammenhängenden Umstände noch Schutz genießt, nach den einschlägigen landesrechtlichen Rechtsnormen. Das vormals vom Bundesverwaltungsgericht insbesondere zu § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. der Vorgängerregelung im BBauG entwickelte „Zeitmodell“ (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 - 4 C 20.94 - juris Rn. 15; krit. hierzu BVerwG, U.v. 7.11.1997 - 4 C 7.97 - juris Rn. 25; B.v. 5.5.2015 - 4 BN 2.15 - juris Rn. 18 m.w.N.) und die allein hieran anknüpfende Frage, ob nach einem bestimmten Zeitablauf noch mit der Wiederaufnahme einer unterbrochenen Nutzung zu rechnen ist, greift - wovon auch das Verwaltungsgericht richtig ausgegangen ist (UA S. 20 unter Verweis auf S. 16) - zu kurz, weil es das für die Geltung / Wirksamkeit einer Baugenehmigung maßgebliche Landesrecht außer Acht lässt. Art. 69 BayBO betrifft allein die Geltungsdauer einer nicht umgesetzten Baugenehmigung und kann daher auf eine Nutzungsunterbrechung nach kompletter Anlagenerrichtung nicht analog angewendet werden. Da die BayBO keine ausdrückliche Regelung zum Erlöschen des Bestandsschutzes bei Nutzungsunterbrechungen enthält, ist auf Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG abzustellen. Liegt keine Erledigung der Baugenehmigung durch behördliche Aufhebung (Art. 48, Art. 49 BayVwVfG) oder durch Zeitablauf (auflösende Befristung, ggf. auch auflösende Bedingung) vor, kommt es für das Erlöschen der Baugenehmigung und den Wegfall eines über diese vermittelten Bestandsschutzes darauf an, ob sich die Baugenehmigung „auf andere Weise“ erledigt hat. Hierfür ist grundsätzlich zu verlangen, dass der Berechtigte aus objektiver Sicht zumindest konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er von der Baugenehmigung keinen Gebrauch mehr machen will, m.a.W. dass er (ggf. stillschweigend) auf sie verzichtet hat bzw. dass eine (ggf. stillschweigende) Übereinkunft der Beteiligten getroffen wurde, die Baugenehmigung sei obsolet (zusammenfassend, jeweils m.w.N.: BayVGH, U.v. 13.12.2021 - 15 N 20.1649 - juris Rn. 52; B.v. 22.4.2022 - 15 CS 22.872 - juris Rn. 43). In die diesbezügliche Gesamtbetrachtung sind neben dem Zeitablauf alle nach außen getretenen Umstände einzustellen, die Rückschlüsse auf den Willen des Eigentümers zulassen. Zu berücksichtigen sind beispielsweise der Zustand der baulichen Anlage und das gegebenenfalls erforderliche Maß notwendiger Investitionen vor einer Wiederaufnahme der Nutzung, die tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen, und - über das öffentliche Baurecht hinaus - rechtlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen einer erneuten Nutzung, die nach außen getretenen Gründe für die damalige Beendigung der Nutzung, sonstige Veränderungen des Baugrundstücks und der darauf bestehenden baulichen Anlagen, etwaige vertragliche Bindungen, gegebenenfalls auch das Vorliegen eines langfristigen Nutzungskonzepts. Maßgeblich ist, wie ein objektiver Dritter die Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Verkehrsauffassung verstehen muss (BayVGH, B.v. 11.10.2022 - 15 ZB 22.867 - juris Rn. 62 m.w.N.). Insofern stellt das Verwaltungsgericht zutreffend auf die Bedeutung des Gebäudes, dessen Bausubstanz und dessen zentrale Lage in Bezug auf einen Zeitraum von nur wenigen Jahren ab (UA S. 16, 20). Weder aus dem Vortrag des Klägers noch aus der Aktenlage ergeben sich insoweit Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden.
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2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Dem Zulassungsvorbringen lässt sich nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus entnehmen, was sich nicht nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären ließe. Eine lediglich unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten. Die Rechtssache weist auch keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 5.10.2022 - 15 ZB 22.1487 - juris Rn. 15).
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3. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 - 5 B 1.19 D - juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 14.4.2022 - 15 ZB 21.2827 - juris Rn. 25). Dem wird das Zulassungsvorbringen hier nicht gerecht.
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a) Die dem Zulassungsvorbringen im Hinblick auf eine grundsätzliche Bedeutung zu entnehmende Frage, ob einer ungenehmigten Nutzung, wenn diese für einen längeren Zeitraum (hier 7 Jahre) eingestellt worden ist, Bestandsschutz für eine Folgenutzung überhaupt zukommen kann, ist nicht entscheidungserheblich. Denn wie bereits ausgeführt, liegt - entgegen der Annahme des Klägers - keine ungenehmigte Nutzung vor. Im Übrigen ist es eine Frage des Einzelfalls; das alleinige Abstellen auf einen Zeitablauf greift hierfür zu kurz (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2022 - 15 ZB 22.867 - juris Rn. 62).
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b) Die Frage, ob eine ungenehmigte Nutzung, bei der weder von Seiten des Trägers der Planungshoheit noch seitens der Bauaufsichtsbehörde jemals Überlegungen in Bezug auf die materielle Genehmigungsfähigkeit unter Berücksichtigung des dadurch ausgelösten Stellplatzbedarfs angestellt werden, geeignet sein kann, Bestandsschutz im Sinne einer „Weiterreichung“ einer nur fiktiv für die formell illegale Nutzung im Nachhinein zu errechnenden Stellplatzanzahl zu vermitteln, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich, da keine ungenehmigte Nutzung vorliegt. Abgesehen davon ist es gerade Ausfluss des Bestandsschutzes, dass der bisherige Bedarf, ob erfüllt oder nicht, außer Betracht bleibt (vgl. BayVGH, B.v. 22.4.2004 - 20 B 03.2531 - juris Rn. 19). Maßgeblich ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Bauantrag, nicht dagegen die Rechtslage zum Zeitpunkt der Genehmigung der Altanlage (BayVGH, U.v. 10.6.2016 - 2 B 16.733 - juris Rn. 17, 19). Es kommt mithin nicht darauf an, ob im Jahr 1874 ausreichend Stellplätze vorhanden waren oder diese überhaupt Gegenstand der Genehmigung waren. Unerheblich ist deshalb auch, ob in der Vergangenheit rein tatsächlich vorhandene Flächen für Stellplätze möglicherweise durch eine Grundstücksteilung und einen Verkauf an den Kläger entfallen sind. Darüberhinausgehende verallgemeinerungsfähige Fragen wirft das Zulassungsvorbringen nicht auf.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladenen im Zulassungsverfahren nicht beteiligt haben und keinen die Sache förderlichen Beitrag geleistet haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).