VG Ansbach, Urteil v. 09.11.2022 – AN 6 K 22.02010
Titel:
Unwirksame Klageerhebung per Telefax durch Rechtsanwalt
Normenkette:
VwGO § 55d, § 74 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 81 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Die Einhaltung der Vorgaben des § 55d S. 1 VwGO ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Eine herkömmliche Einreichung – etwa auf dem Postweg oder per Fax – ist prozessual unwirksam. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine wirksame Klageerhebung per Telefax, verfristete Klageerhebung, Klageerhebung durch Rechtsanwalt, Klageerhebung per Telefax, elektronisches Dokument, Unwirksamkeit, Beginn der Monatsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2022, 32743
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Mit am 24. Februar 2022 eingegangenem Antrag beantragte die Klägerin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Erstattung von 50 Prozent des von ihr entrichteten Kostenbeitrags für den von ihr besuchten Integrationskurs.
2
Mit Bescheid vom 9. März 2022 lehnte das BAMF den Antrag auf Erstattung vom 24. Februar 2022 ab.
3
Mit Schreiben vom 31. März 2022 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten hiergegen Widerspruch einlegen.
4
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2022, dem Bevollmächtigten zugestellt am 13. August 2022, wies das BAMF den Widerspruch als unbegründet zurück.
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Mit Schriftsatz vom 13. September 2022, bei Gericht eingegangen per Telefax, ließ sie durch ihren Bevollmächtigten Klage einreichen mit dem Antrag:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.03.2022, Aktenzeichen BAMF-Kennziffer … in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.08.2022, zugestellt am 13.08.2022, wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin 50% des für die Teilnahme am Integrationskurs entrichteten Kostenbeitrages zu erstatten.
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Mit Schreiben vom 14. September 2022 wies das Gericht den Klägerbevollmächtigten unter Hinweis auf § 55d VwGO darauf hin, dass erhebliche Bedenken an der Wirksamkeit der nur per Telefax und nicht per beA erfolgten Klageerhebung bestünden. Daraufhin reichte der Klägerbevollmächtigte obigen Klageantrag erneut per beA am 14. September 2022 bei Gericht ein.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 21. September 2022 wurde der Klägerbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Klage bestünden, da die einmonatige Klagefrist aus § 74 Absatz 1 Satz 1 VwGO wohl nicht eingehalten sei. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 nahm die Klägerseite hierzu Stellung. Sie führte aus, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheides am Samstag, den 13. August 2022, erfolgt sei, weshalb die Frist erst am 15. August 2022 zu laufen begonnen habe und daher die Klagefrist gewahrt sei.
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Mit Schriftsatz vom 22. September 2022 erklärten die Beklagte und mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 die Klägerseite ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Absatz 2 VwGO.
9
Mit Schriftsatz vom 3. November 2022 begründete die Klägerseite die Klage. Hierauf wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 6. Oktober 2022 wurde die Streitsache auf die Einzelrichterin übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Das Gericht konnte - nach einem Übertragungsbeschluss gemäß § 6 Absatz 1 VwGO - durch die Einzelrichterin und mit Einverständnis der Beteiligten auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Absatz 2 VwGO).
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II. Die Klage ist bereits unzulässig. Sie wurde ursprünglich nicht in der durch das Gesetz geforderten Form erhoben (1.). Die später formgerecht eingelegte Klage erfolgte nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist gemäß § 74 Absatz 2 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 VwGO (2.).
14
1. Nach § 81 Absatz 1 Satz 1 VwGO ist die Klage bei dem Gericht schriftlich zu erheben. Gemäß § 55d Satz 1 VwGO in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung, eingefügt in das Gesetz durch Artikel 26 Absatz 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786), sind u.a. schriftlich einzureichende Anträge, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 55d Satz 4 VwGO).
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Die Einhaltung der Vorgaben des § 55d Satz 1 VwGO ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten; sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten. Eine herkömmliche Einreichung - etwa auf dem Postweg oder per Fax - ist prozessual unwirksam.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist als Rechtsanwalt A. der Pflicht des § 55d Satz 1 VwGO. Die dortige Pflicht hat er ursprünglich nicht gewahrt, da er die Klage nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax übermittelt hat. Er hat nicht vorgetragen, dass ihm eine formgerechte Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war (§ 55d Sätze 3 und 4 VwGO).
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2. Die Klageerhebung am 14. September 2022 erfolgte als elektronisches Dokument aus einem besonderen Anwaltspostfach und damit formgerecht im Sinne des § 55d Satz 1 VwGO. Allerdings wahrt sie nicht die Monatsfrist gemäß § 74 Absatz 2 i.V.m. Absatz 1 Satz 1 VwGO.
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Der Widerspruchsbescheid wurde dem Klägerbevollmächtigten am 13. August 2022 zugestellt. Die einmonatige Klagefrist begann demnach am 14. August 2022, 0:00 Uhr, zu laufen (§ 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO i.V.m. § 187 Absatz 1 BGB) und endete am 13. September 2022, 24:00 Uhr (§ 57 Absatz 2 VwGO i.V.m. § 222 Absatz 1 ZPO i.V.m. § 188 Absatz 2 BGB). § 57 Absatz 2 VwGO i V. m § 222 Absatz 2 ZPO, wonach die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonnabend fällt, ist hier nicht einschlägig, da das Fristende auf einen Dienstag fiel. Für den Fristbeginn, wie der Klägerbevollmächtigte meint, existiert eine derartige Regelung gerade nicht.
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III. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 161 Absatz1, § 154 Absatz 1 VwGO abzuweisen. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Absatz 2, Absatz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nummer 11, § 711 ZPO.