VG Ansbach, Beschluss v. 07.10.2022 – AN 8 P 21.01160
Titel:

Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung - Änderung von Arbeitszeiten

Normenketten:
BayPVG Art. 75 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2
BayStrWG Art. 51 Abs. 1
ArbZG § 3
Leitsätze:
1. Die von einem städtischen Eigenbetrieb praktizierte einseitige Veränderung von Arbeitszeiten seiner Beschäftigten für den Bereich des Winterdienstes durch von ihm veranlasstes Nachhauseschicken von einzelnen Arbeitnehmern vor dem Ende ihrer regulären Arbeitszeit für eine etwaige Heranziehung im Rufbereitschaftsdienst stellt keine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrats dar. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Beteiligungsrechte des Personalrats können sich jedoch nur auf innerdienstliche Angelegenheiten der Dienststelle beziehen, nicht aber auf darüber hinauswirkende Angelegenheiten wie die Erfüllung der von der Dienststelle zu leistenden hoheitlich übertragenen Aufgaben und bestehenden Pflichten, etwa die Räum- und Streupflicht im Stadtgebiet. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mitbestimmungsrecht des örtlichen Personalrats, einseitige Veränderung von Arbeitszeiten der Beschäftigten zur Sicherstellung des Winterdienstes, maximale tägliche Arbeitszeit, Umsetzung einer mit dem Gesamtpersonalrat geschlossenen Dienstvereinbarung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31810

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Verfahrensbeteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung bei der Änderung von Arbeitszeiten.
2
Der Antragsteller ist der örtliche Personalrat des städtischen Eigenbetriebs „Die Stadtreiniger“, der für Abfalldienste, Straßenreinigung und den Winterdienst in der Stadt … zuständig ist. Der Winterdienst wird ergänzend auch von anderen Bereichen der Stadt, etwa dem Gartenamt, mit abgedeckt.
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Seit dem 1. Dezember 2005 besteht eine zwischen der Stadt und dem Gesamtpersonalrat geschlossene Dienstvereinbarung über die Arbeitszeit bei der Stadt … (DV-AZ), die in der aktuellen Fassung vom 11. Juni 2008 unter anderem unter Ziffer 5 Regelarbeitszeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorsieht und unter Ziffer 6 Präsenzzeiten, Rahmenarbeitszeiten sowie Gleitzeiten festlegt. Unter Ziffer 6.1.2 DV-AZ ist geregelt, dass das Recht des Beschäftigten, die Arbeitszeiten im Rahmen der Gleitzeitregelung selbst zu bestimmen, durch den Vorgesetzten eingeschränkt werden kann, wenn dies aus besonderem dienstlichen Grund in einzelnen Ausnahmefällen erforderlich ist. Geschieht diese Einschränkung gegen den Willen des Beschäftigten, ist der Gesamtpersonalrat bzw. der örtliche Personalrat unverzüglich hiervon in Kenntnis zu setzen. Gemäß Ziffer 20.4 der DV-AZ wurde diese zum 1. Januar 2008 durch eine „Vereinbarung über eine modifizierte Gleitzeitregelung beim Eigenbetrieb Die Stadtreiniger“ zwischen dem Antragsteller und der Dienststelle dahingehend abgeändert, dass unter anderem für die Straßenreinigung, unterschieden nach den verschiedenen Abteilungen, besondere Regelarbeitszeiten (tägliche Sollarbeitszeit), deren jeweiliger Beginn und Ende sowie Rahmenarbeitszeiten und Gleitzeiten festgelegt wurden. Als „Ergänzung zu Ziffer 6 DV-AZ“ wurde unter Ziffer 4 unter anderem vereinbart, dass das Recht des Beschäftigten, die Arbeitszeiten im Rahmen der Gleitzeitregelung selbst zu bestimmen, durch den Vorgesetzten eingeschränkt werden kann, wenn dies aus besonderem dienstlichen Grund in einzelnen Ausnahmefällen erforderlich ist, wobei grundsätzlich hierbei nicht von der täglichen Soll-Arbeitszeit abgewichen werden sollte.
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Zwischen der Stadt und dem Gesamtpersonalrat wurde am 21. Oktober 2011 eine Dienstvereinbarung über die Durchführung des Winterdienstes bei der Stadt … (DV Winterdienst) geschlossen, die unter anderem unter Ziffer 4 Rufbereitschaftszeiten für den Straßenwinterdienst vorsieht. Danach umfasst diese hinsichtlich der Winterdienstgroßfahrzeuge und des Werkstattnotdienstes von Montag bis Freitag die Zeiträume von 3:00 Uhr bis zum Beginn der regelmäßigen Arbeitszeit sowie ab dem Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bis 20:00 Uhr; an Samstagen, Sonn- und Feiertagen beginnt sie um 3:00 Uhr und endet um 20:00 Uhr. Die Fachdienststellen erstellen bis Ende September jeden Jahres einen Rufbereitschaftsplan, der den Beschäftigten nach der Beteiligung des örtlichen Personalrats unverzüglich zur Kenntnis zu geben ist (Ziff. 6.1, 6.4, 6.6 DV Winterdienst). Die Dienstvereinbarung Winterdienst enthält auch Regelungen zur Anordnung zusätzlicher Rufbereitschaften bei Bedarf, wie bei Ersatz wegen Krankheit oder Urlaubs (Ziff. 6.7 DV Winterdienst) und regelt, dass für die im Dispositionsplan vorgemerkten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Rufbereitschaft im Einzelfall und bei Bedarf angeordnet werden kann (Ziff. 7.4 DV Winterdienst). Unter Ziffer 9 sieht die DV-Winterdienst vor, dass für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an Gleitzeitregelungen teilnehmen, Ziffer 6.1.2 DV-AZ gilt. Nach Ziffer 14 wird aus dringenden betrieblichen Gründen für die Beschäftigten im Winterdienst die höchstens zulässige werktägliche Arbeitszeit von 10 Stunden auf 12 Stunden verlängert und die vorgeschriebene Ruhezeit von 11 Stunden auf 7 Stunden verkürzt. Weiter wird ausgeführt, diese Bestimmung sei erforderlich, da trotz zusätzlichen Personals bei extremen winterlichen Bedingungen ein Winterdiensteinsatz unter Einhaltung der einschlägigen Vorschriften nicht ausreichend gewährleistet werden kann. Die Regelung gelte nicht generell für alle Beschäftigten, sondern nur für diejenigen, die mehrfach zu einem Winterdiensteinsatz am selben Tag gerufen werden, welches sich aus der besonderen Eigenart der Winterdiensttätigkeit ergibt (Verkehrssicherheit von den frühen Morgenstunden bis in die späten Abendstunden).
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Mit Email vom 11. Oktober 2018 regte der Werkleiter des Eigenbetriebs erfolglos an, die DV Winterzeit zu ergänzen. Es sei aufgrund der Verkehrssicherungspflicht zwingend erforderlich, das Zeitfenster von 3:00 Uhr bis 20:00 Uhr abzudecken, da in … nicht tagelanger, vorhersehbarer Schneefall die Regel sei, sondern in erster Linie Glättesituationen auftreten würden, für die eine 24-stündige Ankündigungsfrist nicht planbar sei. Daher müsse bei entsprechender Witterung gegenüber Beschäftigten, die bereits im morgendlichen Rufdiensteinsatz gewesen seien, die Anordnung eines vorzeitigen Dienstendes bzw. Freizeitausgleichs möglich sein, damit diese bei Bedarf im Hinblick die tägliche Höchstarbeitszeit nochmals am Abend zur Verfügung stünden. Ohne entsprechende Änderung der Dienstverordnung sei die bisher praktizierte Vorgehensweise, gegenüber Beschäftigten ab Mittag ohne Ankündigungsfrist und ohne Beteiligung der Personalvertretung Freizeitausgleich anzuordnen, nicht zulässig; der Eigenbetrieb könne daher ab 1. November 2018 nicht mehr die Verkehrssicherungspflichten erfüllen und einen rechtskonformen Winterdienst sicherstellen.
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Am 23. Juni 2021 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er trägt vor, es könne im Rahmen des Winterdienstes vorkommen, dass Beschäftigte bereits vor ihrer Regelarbeitszeit in der Rufbereitschaft zum Dienst herangezogen würden und folglich wegen des Überschreitens der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes für abendliche Dienste nicht herangezogen werden könnten. Daher schicke die Stadt seit geraumer Zeit ohne Zustimmung des Personalrats Beschäftigte um 12:30 Uhr bereits vor Ablauf der täglichen Regelarbeitszeit vorzeitig nach Hause, obwohl die Regelarbeitszeit eigentlich bis 14:55 Uhr dauern würde. Die Stadt kündige dies in einer Vorankündigung an und dann werde der Beschäftigte an dem besagten Tag angesprochen und vor seinem regulären Dienstende nach Hause geschickt, damit er die maximale tägliche Arbeitszeit nicht überschreite. Der Personalrat werde insoweit völlig übergangen. Individualrechtlich liege ein Annahmeverzug der Stadt vor, weshalb auch beim Arbeitsgericht Streitigkeiten anhängig seien. Personalvertretungsrechtlich würden die Beteiligungsrechte des Antragstellers übergangen werden. Mehrfache Versuche des Personalrats auf eine gütliche Einigung bzw. auf Erlangung konkreterer Informationen seien gescheitert, obwohl es bereits aufgrund des Schreibens des Werksleiters vom 11. Oktober 2018 der Stadt habe bewusst sein müssen, dass ein rechtskonformer Einsatz des Winterdienstes mit den bisherigen Vereinbarungen nicht sichergestellt werden könne. In der Dienstvereinbarung Winterdienst und in der DV-AZ sei gerade nicht geregelt, dass in die Arbeitszeitfestsetzungen der örtlichen Personalräte eingegriffen werden könne.
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Der Antragsteller beantragt zuletzt,
festzustellen, dass die einseitige Veränderung von Arbeitszeiten von Beschäftigten der „Stadtreiniger“ für den Bereich des Winterdienstes durch einseitiges Nachhauseschicken durch den Beteiligten vor dem Ende der regulären Arbeitszeit der Beschäftigten für eine etwaige Heranziehung im Rufbereitschaftsdienst das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt.
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Der Beteiligte beantragt
die Zurückweisung des Antrags.
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Er macht geltend, die Räum- und Streupflicht obliege der Stadt im Rahmen der ihr übertragenen allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (Art. 51 Abs. 1 BayStrWG). Daher habe die Stadt diese so zu organisieren, dass mit Beginn des Hauptberufsverkehrs zwischen 7:00 und 8:00 Uhr morgens Räum- und Streumaßnahmen bereits getroffen seien, so dass der Winterdienst in … bereits um 3:00 Uhr beginnen müsse. Die Ausführung von Winterdienstmaßnahmen müsse bis 20:00 Uhr sichergestellt sein. Entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung sei von den Gemeinden die Erfüllung der Winterdienstpflichten durch die Aufstellung von Räum- und Streuplänen sicherzustellen.
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Die Stadt müsse berücksichtigen, dass die tägliche Höchstarbeitszeit eingehalten werde. Man habe deshalb in der DV Winterdienst von der Tariföffnungsklausel Gebrauch gemacht und diese aus dringenden betrieblichen Gründen für die von der möglichen Rufbereitschaft Betroffenen auf 12 Stunden verlängert sowie die Ruhezeiten auf 7 Stunden verkürzt. In der Stadt sei das Thema Arbeitszeit für alle Beschäftigten grundlegend in der DV-AZ geregelt. Daneben seien die Rufbereitschaftszeiten zur Sicherstellung der Räum- und Streupflicht in der DV Winterdienst festgelegt, die vorsehe, dass der Winterdienst organisatorisch durch einen 1-Schicht-Betrieb (Rufbereitschaft 3:00 - 5:59 Uhr, regelmäßige tägliche Arbeitszeit 6:00 - 14:55 Uhr, Rufbereitschaft 14:56 - 20:00 Uhr) sichergestellt werde. Wenn ein Mitarbeiter bereits um 3:00 Uhr aufgrund entsprechender Witterungsverhältnisse zur Arbeit herangezogen werde und bis zum eigentlichen Dienstbeginn durchgehend mit Winterbereitschaftsarbeiten in Anspruch genommen werde, würde die nach dem Arbeitszeitgesetz höchstens zulässige Arbeitszeit um 15:00 Uhr erreicht werden, so dass er im Zeitraum von 15:00 bis 20:00 Uhr nicht mehr zur Verfügung stehe, obwohl er nach den Regelungen der DV Winterdienst hierzu eingeteilt sei. Diese Situation sei in den Dienstvereinbarungen und gesetzlichen Vorschriften nicht explizit geregelt. Um die Kollision der ihr obliegenden Pflichten zu lösen, schicke die Stadt in Ausübung ihres arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in diesem Fall Arbeitnehmer nach Erfüllung ihrer regelmäßigen Arbeitszeit vor dem Ende ihrer sonst üblichen Tages-Soll-Arbeitszeit nach Hause, wobei eine 24-stündige Vorankündigung gewahrt werde. Dies erfolge jedoch erst, sobald die Mitarbeiter unter Berücksichtigung der geleisteten Arbeitszeit während der Rufbereitschaftszeit ihre Tages-Soll-Arbeitszeit erfüllt hätten, so dass keine „Minus-Stunden“ entstünden. Hiervon sei lediglich eine wechselnde kleine Gruppe der Beschäftigten (47 - 50 Mitarbeiter) betroffen. Erfahrungsgemäß sei ein Abendeinsatz zwischen 5 bis 8 Tage pro Winterdienstsaison wahrscheinlich, im Durchschnitt sei ein einzelner Mitarbeiter 2-4mal pro Jahr von der angeordneten Arbeitszeitverschiebung betroffen. Drei der vier örtlichen Personalräte seien mit einer vergleichbaren Praxis der Dienststellenleitung einverstanden, auch der Gesamtpersonalrat sehe keinen Handlungsbedarf.
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Aufgrund des Gesetzesvorbehalts des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 BayPVG sei ein etwaiges Mitbestimmungsrecht des Antragstellers von vorneherein ausgeschlossen, weil der Stadt kein Entscheidungsspielraum verbleibe, wie sie die geschilderte Pflichtenkollision auflösen könne. Von der Räum- und Streupflicht könne sie sich nicht exkulpieren, aber auch von den strikten Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes könne sie nicht abweichen. Kraft des ihr zustehenden Weisungsrechts sei sie hingegen befugt, das Ende der Arbeitszeit an einem Arbeitstag nach billigem Ermessen festzusetzen, zumal durch diese Praxis keine Minus-Stunden entstünden. Nur auf diese Weise werde dem Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 BayPVG Genüge getan, weil die Stadt mit dieser Vorgehensweise dem Arbeitnehmerschutz am besten gerecht werde. Der Antragsteller habe auch keinen Vorschlag unterbreitet, wie die Situation aus seiner Sicht besser zu lösen sei. Ein Fall des Annahmeverzugs liege nicht vor, weil es dem Arbeitnehmer wegen der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes objektiv unmöglich sei, die Arbeitsleistung zu erbringen. In diesem Fall könne nach der Rechtsprechung des BAG kein Annahmeverzug des Gläubigers entstehen. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht … die von der Stadt praktizierte Vorgehensweise mit Urteil vom 20. Juni 2022 individualrechtlich für zulässig erachtet.
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Die Verschiebung der Arbeitszeit könne zudem im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung auf die DV Winterdienst gestützt werden. Deren zentrales Element sei die Festlegung der Rufbereitschaftszeiten und die Erhöhung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden, um eine Erfüllung der Räum- und Streupflicht sicherzustellen. Da sie durch Festlegung der Rufbereitschaftszeiten zugleich regele, in welchen Zeiten die betroffenen Mitarbeiter im Bedarfsfall zur Arbeit herangezogen werden dürfen, werde deutlich, dass sie als spezielle arbeitszeitrechtliche Regelung etwaigen örtlichen Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeit vorgehe und zu einer Verschiebung der Arbeitszeiten führen könne. Anderenfalls läge in der Festlegung der Rufbereitschaftszeiten ein Verstoß gegen die tägliche Höchstarbeitszeit, zugleich wäre die Erfüllung der Räum- und Streupflicht nicht sichergestellt, die gerade Zweck der getroffenen DV Winterdienst gewesen sei.
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Das vom Antragsteller behauptete Mitbestimmungsrecht würde sich zudem nicht auf den innerdienstlichen Bereich beschränken, sondern direkte Auswirkungen auf die gegenüber der Allgemeinheit bestehende Räum- und Streupflicht der Stadt haben. Es sei anerkannt, dass in diesen Fällen ein Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen sei. Auch stehe dem geltend gemachten Mitbestimmungsrecht Art. 75 Abs. 4 Satz 2 BayPVG entgegen, da wegen der Unkalkulierbarkeit der Witterungsverhältnisse der konkrete Arbeitseinsatz unregelmäßig, also zu unterschiedlichen Zeitpunkten, kurzfristig erforderlich werde und die Notwendigkeit der Anordnung nicht vorhersehbar sei. Dem entspreche auch die Rechtsprechung des BVerwG und BAG. Das Mitbestimmungsrecht beschränke sich daher auf die Grundsätze, nach denen die Dienstpläne aufgestellt werden, erstrecke sich aber nicht auf die Bestimmung von Anfang und Ende der Arbeitszeit sowie auf die Frage, wie die Dienststellenleitung die Vorgaben der Räum- und Streupflicht, des Arbeitszeitgesetzes und der Gesamt-Dienstvereinbarung sicherstelle. Es sei nicht vorstellbar, wie innerhalb einer Frist von einem Tag oder gar wenigen Stunden der Personalrat beraten und seinen Beschluss dem Dienststellenleiter zustellen könne sowie bei Nichtzustandekommen einer Einigung der Gesamtpersonalrat angerufen und beim Scheitern einer Übereinkunft ein Ermittlungsverfahren durchgeführt werden könne.
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Unabhängig davon sei der Antragsteller auch nicht aktivlegitimiert, weil im Rahmen des Winterdienstes nicht nur Beschäftigte des Eigenbetriebs „Die Stadtreiniger“, sondern auch Mitarbeiter anderer Dienststellenteilen tätig seien. Folgerichtig sei das Thema Winterdienst in einer Gesamtdienstvereinbarung Winterdienst geregelt. Da über deren Anwendung gestritten werde, sei nicht der Antragsteller, sondern der Gesamtpersonalrat zuständig.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
17
Die vom Beteiligten praktizierte einseitige Veränderung von Arbeitszeiten von Beschäftigten des Eigenbetriebs „Die Stadtreiniger“ für den Bereich des Winterdienstes durch von ihm veranlasstes Nachhauseschicken von einzelnen Arbeitnehmern vor dem Ende ihrer regulären Arbeitszeit für eine etwaige Heranziehung im Rufbereitschaftsdienst stellt keine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers dar.
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1. Gegenstand des hier im Raum stehenden personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmungsrechts des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG sind nicht Individualmaßnahmen gegenüber einzelnen Beschäftigten, sondern ausschließlich generelle Regelungen, die die Belange aller oder zumindest eines Teils der Bediensteten betreffen (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand Juni 2022, § 75 BayPVG Rn. 366). Die Fachkammer geht daher im Interesse des Antragstellers davon aus, dass dessen Antrag nicht auf die Einzelanordnungen des Nachhauseschickens gerichtet ist, sondern sich vielmehr auf die generelle Handhabung der Situation bezieht, dass bei Extremwetterlagen Beschäftigte des Winterdienstes, die bereits im Rahmen der Rufbereitschaft am Morgen zur Arbeit herangezogen worden waren, aufgrund der Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes vor Ablauf ihrer regelmäßigen Arbeitszeit nach Hause geschickt werden, weil sie ansonsten nicht mehr im Rahmen der abendlichen Rufbereitschaft eingesetzt werden könnten.
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2. Nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG hat der Personalrat über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Dabei hat der Personalrat darauf zu achten, dass die arbeits-zeitrechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Er hat dafür Sorge zu tragen, dass berechtigte Wünsche der Beschäftigten mit der Aufgabenerfüllung der Dienststelle in Einklang gebracht werden (vgl. schon BayVGH, B.v. 31.1.1996 - 17 P 96.1404 - juris; BVerwG, B.v. 4.9.2012 - 6 P 10.11 - juris Rn.10 m.w.N.). Dem liegt zugrunde, dass die Lage der Arbeitszeit die Interessen der Beschäftigten in erheblicher Weise berührt, da hierdurch zugleich deren Freizeit zeitlich fixiert, d.h. festgelegt wird, welche Zeiten ihnen für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Verfügung stehen (BVerwG a.a.O. m.w.N.). Vorliegend kann der Antragsteller aus dieser Bestimmung jedoch im Hinblick auf die bei der Stadt … praktizierte Handhabung hinsichtlich des Winterdiensts keine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts ableiten.
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2.1 Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur geklärt, dass den Personalvertretungen bei der Dienstplanerstellung in gewissem Umfang ein Mitbestimmungsrecht aus Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayPVG zusteht, soweit es insbesondere um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und Pausen geht (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber, § 75 BayPVG Rn. 388 m.w.N.). Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum vergleichbaren Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nach ist auch der Schicht- und Dienstplan selbst vom Mitbestimmungsrecht umfasst und erstreckt sich die Mitbestimmung auch darauf, welche Arbeitnehmer vom Arbeitgeber einem einzelnen Dienstplan zugeordnet werden (BAG, B.v. 22.8.2017 - 1 ABR 4/16 -juris Rn. 19). Auch bei der Einrichtung einer Rufbereitschaft außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit für Gruppen von Beschäftigten einer Dienststelle unterliegt grundsätzlich dem Mitbestimmungsrecht nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 BayPVG (vgl. zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 74 Abs. 1 Nr. 9 HePersVG BVerwG, B.v. 4.9.2012 - 6 P 10.11 - juris Rn. 8; zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 75 Abs. 4 BPersVG a.F. BAG, B.v. 23.1.2001 - 1 ABR 36/00 - juris Rn. 21 ff.).
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Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Regelung zur Rufbereitschaft beim Winterdienst der Stadt … aus der DV Winterdienst ergibt, die die Stadt mit dem Gesamtpersonalrat geschlossen hat. Dessen Zuständigkeit wird auch vom Antragsteller, der nach eigener Einlassung in der öffentlichen Anhörung die Dienstvereinbarung maßgeblich gestaltet hat, auch nicht infrage gestellt, da der Winterdienst nicht in die alleinige Zuständigkeit des Eigenbetriebs „Die Stadtreiniger“ fällt, sondern auch andere Dienststellen der Stadt hierin eingebunden sind. Diese Dienstvereinbarung sieht für die Rufbereitschaft einen Einschichtbetrieb vor. Die hier im Raum stehende Praxis der Stadt, nötigenfalls mit einer 24-stündigen Vorankündigung von der morgendlichen Rufbereitschaft betroffene Arbeitnehmer des Winterdienstes vor Ende der vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit (allerdings unter strikter Vermeidung von Minus-Arbeitsstunden) nach Hause zu schicken, um diese gegebenenfalls im Zeitraum der abendlichen Rufbereitschaft noch einmal einsetzen zu können, ohne gegen die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu verstoßen, ist eine Folge des in der DV Winterdienst vereinbarten Einschichtbetriebs In der öffentlichen Anhörung ist deutlich geworden, dass dem hier angestrengten Beschlussverfahren nicht Differenzen zwischen dem Antragsteller und dem Beteiligte zugrunde liegen. Vielmehr will der Antragsteller erreichen, dass der von der Stadt mit dem Gesamtpersonalrat beschlossene DV Winterdienst insoweit geändert wird, als darin ein Einschichtbetrieb vorgesehen ist. Insoweit fehlt es aber, wie ausgeführt, an seiner Zuständigkeit. Da er sich mit diesem Ansinnen beim Gesamtpersonalrat nicht durchsetzen kann, hat er das hiesige Verfahren angestrengt, um die Stadt zu veranlassen, von ihrer Seite aus die Dienstvereinbarung zu kündigen. Denn die Stadt ist zum einen an die zwingenden Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gebunden, muss aber auch ihre Räum- und Streupflicht gemäß Art. 51 BayStrWG erfüllen. Würde dem Antragsteller das Mitbestimmungsrecht zugesprochen werden, könnte die Stadt für den Fall, dass dieser der Praxis des vorzeitigen Nachhauseschickens nicht zustimmt, bei Extremwetterlagen die bereits in der Rufbereitschaft am Morgen eingesetzten Mitarbeiter nicht mehr für einen am Abend gegebenenfalls erneut notwendigen Einsatz mehr beschäftigen, da die nach § 3 ArbZG verpflichtend vorgeschriebene tägliche Höchstarbeitszeit bei ihnen bereits im Laufe des Nachmittags erreicht wäre. Der Vortrag des Antragstellers, man müsste dann eben andere Dienststellen einschalten, greift insoweit nicht durch. Unabhängig davon, dass der Beteiligte darauf hingewiesen hat, dass ein solcher Einsatz in Hinblick auf die maximal zulässige tägliche Arbeitszeit der Beschäftigten andere Dienststellen ebenfalls mit Problemen verhaftet wäre, steht eine solche Handhabung im Widerspruch zu dem mit dem Gesamtpersonalrat in der DV Winterdienst vereinbarten Einschichtbetrieb. Da ein Einigungsstellenverfahren und gegebenenfalls eine gerichtliche Klärung zur Rechtmäßigkeit der verweigerten Zustimmung geraume Zeit beanspruchen kann, könnte die Stadt solange ihre Räum- und Streupflicht in einem Einschichtbetrieb nicht erfüllen und wäre daher von sich zu einer Kündigung der DV Winterdienst gezwungen.
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Es erscheint fraglich, ob diese Zielsetzung des Antragstellers dem Sinn und Zweck des Beschlussverfahrens gerecht wird, da damit die hier gegebene Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats letztlich unterlaufen würde. Ungeachtet dessen ergibt sich aus Art. 75 Abs. 4 Satz 2 BayPVG, dass dem Antragsteller hinsichtlich der von ihm gerügten Praxis kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Danach beschränkt sich die Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 PVG in Fällen, in denen für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit nach Erfordernissen, die die Dienststelle nicht voraussehen kann, unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden muss, auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne beschränkt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Bei Extremwetterlagen ist der Einsatz des Winterdienstes in den Zeiten der Rufbereitschaft unregelmäßig und kurzfristig erforderlich, da dieser wegen der topographischen Lage der Stadt nur selten erforderlich und trotz der mittlerweile vorliegenden Erkenntnissquellen letztlich nicht vorhersehbar ist, wann, wo und in welchem Umfang ein solcher notwendig wird. Die Sondervorschrift des Art. 75 Satz 2 BayPVG wird zwar nicht bei der Anordnung von Rufbereitschaft als solcher angewandt, welche vorliegend unter Einhaltung des Mitbestimmungsverfahrens mit dem Gesamtpersonalrat vereinbart wurde. Sie kommt jedoch zum Zug bei der Festsetzung der nicht im vornherein planbaren Arbeitsansätze im Rahmen angeordneter Rufbereitschaft (BVerwG, B.v.4.9.2012 - 6 P 10.11 - juris Rn. 13 m.w.N.).
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Der Antragsteller ist unstreitig bei der Erstellung der Dienstpläne beteiligt. Darüber hinaus wird er, wie die öffentliche Anhörung ergeben hat, auch darüber informiert, wenn mit einem 24-stündigen Vorlauf die Möglichkeit eines Heimschickens angekündigt wird. Dass er hierauf bereits in der Vergangenheit erfolglos Widerspruch eingelegt hat, stellt keine Verletzung des Mitbestimmungsrechts dar, sondern entspricht vielmehr der Vorgabe des Art. 75 Abs. 4 Satz 2 BayPVG.
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2.3 Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ist hier zudem auch deswegen ausgeschlossen, weil es sich nicht auf den innerdienstlichen Bereich beschränken würde, sondern direkte Auswirkungen auf die der Stadt gemäß Art. 51 Abs. 1 BayStrWG obliegenden Räum- und Streupflicht hätte. Beteiligungsrechte des Personalrats können sich jedoch nur auf innerdienstliche Angelegenheiten der Dienststelle beziehen, nicht aber auf darüber hinauswirkende Angelegenheiten wie die Erfüllung der von der Dienststelle zu leistenden hoheitlich übertragenen Aufgaben und bestehenden Pflichten (Ballerstedt/Schleicher/Faber, Vorbem. zu Art. 75 bis 79 BayPVG Rn. 19a und Art. 75 BayPVG Rn. 365a, jeweils m.w.N.). Zwar geht die Rechtsprechung davon aus, dass das Mitbestimmungsrecht nicht unter dem Aspekt einer möglich erscheinenden nach außen gerichteten organisatorischen Auswirkung entfallen darf, soweit dem Arbeitgeber bei der Ausgestaltung der Arbeitszeitregelung für den innerdienstlichen Bereich noch ein sinnvoller, von der Zielsetzung der Mitbestimmung ausgehende Spielraum verbleibt (BayVGH, B.v. 31.1.1996 - 17 P 96.1404 - juris). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Wie oben ausgeführt obliegt der Stadt zum einen die Einhaltung der in § 3 ArbZG vorgesehenen maximalen täglichen Arbeitszeiten ihre Beschäftigten. Zum anderen hat sie aber auch ihre Räum- und Streupflicht zu erfüllen. Bestünde das vom Antragsteller behauptete Mitbestimmungsrecht, müsste die Stadt in dem Fall, dass keine Einigung mit dem Antragsteller über die von ihr gibt geübte Praxis erzielt werden kann und sich zugleich der Gesamtpersonalrat einer Kündigung und Änderung der DV Winterdienst widersetzt, bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zu diesen Fragen einen Einsatz der für die morgendliche Rufbereitschaft eingeteilten Beschäftigung in der Abendschicht unterlassen, ohne auf andere Kräfte zurückgreifen zu können. Damit könnte die Stadt die ihr obliegende hoheitlich übertragene Aufgabe der Räum- und Streupflicht nicht umsetzen. Die Einflussnahme der Personalvertretung würde daher zu einer unzulässigen Einwirkung auf die Aufgabenerfüllung selbst führen und ist daher nicht statthaft.
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3. Eine Kostenentscheidung kommt nicht in Betracht (Art. 81 Abs. 2 BayPVG; § 80 Abs. 1 ArbGG und § 2 Absatz 2 GKG).