VG Bayreuth, Beschluss v. 02.09.2022 – B 1 S 22.792
Titel:
Warn- und Erziehungsfunktion im Fahreignungs-Bewertungssystem
Normenkette:
StVG § 4 Abs. 5, Abs. 6
Leitsätze:
1. Trotz Erreichens der Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StVG muss die Behörde den Betroffenen zunächst gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 StVG verwarnen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus § 4 Abs. 6 S. 4 StVG folgt, dass auch im Falle einer Verringerung der Punktezahl nach Satz 3 der Vorschrift Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenen Punktestand erhöhen (so auch BayVGH BeckRS 2015, 51328). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dies steht im Gegensatz zum alten Mehrfachtäter-Punktsystem, in welchem das BVerwG der Stufung der Maßnahmen eine „Warnfunktion“ beigemessen und daraus hergeleitet hat, dass die Maßnahmen den Fahrerlaubnisinhaber „möglichst frühzeitig und insbesondere noch vor Eintritt in die nächste Stufe erreichen“ sollten, damit ihm die „Möglichkeit der Verhaltensänderung“ effektiv eröffnet werde (vgl. hierzu u.a. BayVGH BeckRS 2015, 51328). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entzug der Fahrerlaubnis, Ermahnung, Verwarnung, wiederholter Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften, Punktereduktion, nachträgliche Kenntnis der Behörde, Erreichen von acht Punkten, Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems, Verringerung der Punktezahl, Mehrfachtäter-Punktsystem, Warnfunktion, Tilgung einer Eintragung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.12.2022 – 11 CS 22.2074
Fundstelle:
BeckRS 2022, 31663
Tenor
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheids in Ziffer 4 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
2
Dem Antragsteller, geb. … 1994, wohnhaft …, …, wurde am 31. August 2018 die Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1 (mit Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), A (mit Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), B, BE, C1 (mit Schlüsselzahl 95), C1E (mit Schlüsselzahl 95), C (mit Schlüsselzahl 95), CE (mit Schlüsselzahl 95), L und T erteilt. Die Klassen C und CE wurden bis zum 23. Januar 2023 und die Klassen C1 und C1E bis zum 6. Februar 2044 befristet.
3
Nach vorangegangener Unterrichtung durch das Kraftfahr-Bundesamt (im Folgenden: KBA) am 10. März 2020 wurde der Antragsteller mit Schreiben des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 27. März 2020, zugestellt am 31. März 2020, gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG wegen Erreichens von 4 Punkten ermahnt (Stufe 1).
4
Mit Mitteilung des KBAs vom 9. März 2022 wurde das Landratsamt darüber informiert, dass der Antragsteller inzwischen 6.241 Punkte nach dem Fahreignungsbewertungssystem erreicht hat. Folgende Einträge wurden mitgeteilt:
- Fahrlässiges Anordnung oder Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (2.757 identische Taten) am 17. August 2018, rechtskräftig seit 31. Dezember 2021, Punktebewertung: 5.514.
- Vorsätzliches Anordnen oder Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (362 identische Taten) am 17. August 2018, rechtskräftig seit 31. Dezember 2021, Punktebewertung: 724.
- Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h am 1. November 2018, rechtskräftig seit 5. Februar 2019, Punktebewertung: 1.
- Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h am 27. Oktober 2019, rechtskräftig seit 19. Februar 2020, Punktebewertung: 1.
- Anordnen bzw. Zulassen der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges/einer Fahrzeugkombination, obwohl die zugelassene Länge über alles um 0,21 m überschritten war, am 14. Dezember 2020, rechtskräftig seit 4. November 2021, Punktebewertung: 1.
5
Das Landratsamt hat den Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 21. März 2022 verwarnt und gemäß § 4 Abs. 6 StVG eine Punktereduzierung auf 7 Punkte vorgenommen. Weiterhin wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass ein Erreichen von 8 Punkten die Behörde kraft Gesetzes zur Entziehung der Fahrerlaubnis verpflichtet.
6
Am 8. April 2022 informierte das KBA das Landratsamt über einen weiteren Verkehrsverstoß des Antragstellers:
- Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h am 26. Mai 2021, rechtskräftig seit 4. März 2022, Punktebewertung: 1.
7
Diese Zuwiderhandlung wurde am 8. April 2022 in das Fahreignungsregister eingetragen.
8
Mit Schreiben des Landratsamts vom 28. April 2022 wurde der Antragsteller aufgrund des Erreichens von 8 Punkten zur beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung angehört.
9
Am 16. Mai 2022 wurde das Landratsamt vom KBA darüber informiert, dass die Tat vom 14. Dezember 2020 aus dem Fahreignungsregister entfernt wurde, da sie nicht registerpflichtig ist. Durch Beschluss des Amtsgerichts … wurde am 26. Oktober 2021 der Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 3. Februar 2021 wegen fahrlässigen Zulassens der Inbetriebnahme einer Fahrzeugkombination, obwohl die zugelassene Länge überschritten war, dahingehend abgeändert, dass die verhängte Geldbuße nur noch 50,00 EUR beträgt.
10
Mit Bescheid vom 27. Juli 2022 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1 (mit Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), A (mit Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04), B, BE, C1 (mit Schlüsselzahl 95), C1E (mit Schlüsselzahl 95), C (mit Schlüsselzahl 95), CE (mit Schlüsselzahl 95), L und T entzogen (Ziffer 1). Der vom Landratsamt am 31.01.2018 ausgehändigte Führerschein, Führerschein-Nr. …, sei innerhalb von einer Kalenderwoche nach Zustellung dieses Bescheids beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Anordnung in Ziffer 2 werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 3). Der Bescheid werde in Ziffer 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4). Der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es werde eine Gebühr in Höhe von 250,00 EUR festgesetzt (Ziffer 5).
11
Zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifen der Maßnahme führenden Ordnungswidrigkeit am 25. Mai 2021 habe der Antragsteller 8 Punkte erreicht, weshalb ihm die Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG habe entzogen werden müssen (Ziffer 1). Die vorangegangene Ermahnung und Verwarnung seien rechtmäßig erfolgt. Die Vorschrift sei auch auf Vielfahrer wie Lastkraftwagenfahrer anzuwenden.
12
Die Abgabeverpflichtung des Führerscheins (Ziffer 2) ergebe sich aus § 47 Abs. 1 FeV. Die gesetzte Frist von einer Woche sei verhältnismäßig.
13
Die Androhung des Zwangsgeldes (Ziffer 3) stütze sich auf Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 36 BayVwZVG. Das Zwangsgeld in der angedrohten Höhe von 500,00 EUR erscheine dabei einerseits geboten und erforderlich und andererseits angemessen, um den Pflichtigen mit Nachdruck zur Erfüllung der Verpflichtung anzuhalten.
14
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 4) erfolge im überwiegenden öffentlichen Interesse an der Entziehung der Fahrerlaubnis. Die schützenswerten Belange des Betroffenen, etwa sein privates Interesse, weiterhin am Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, sei trotz beruflicher Betroffenheit geringer zu gewichten und müsse deshalb zurücktreten. Dies spreche für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses am Fahrerlaubnisentzug.
15
Mit dem beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 24. August 2022 eingegangenen Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Beklagten vom 27.07.2022, zugegangen am 29.07.2022, Az: … kostenpflichtig aufzuheben und dem Beklagten aufzugeben, die vom Kläger abgegebene Fahrerlaubnis unverzüglich wieder an den Kläger zurückzugeben oder ihm für den Fall der Unbrauchbarmachung eine neue Ausfertigung kostenfrei auszustellen.
16
Weiterhin beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und die sofortige Vollziehung der Verfügung der Beklagten aus dem Bescheid vom 27.07.2022 aufzuheben.
17
Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletzte den Kläger in seinen Rechten. Deshalb sei auch die Vollziehung auszusetzen und die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Der Kläger sei am 21. März 2022 verwarnt worden. Hierbei sei der Punktestand auf 7 Punkte verringert worden. Die Tat vom 14. Dezember 2020 sei nachträglich aus dem Fahreignungsregister entfernt worden, nachdem die Staatsanwaltschaft die Entscheidung mit dem Az. … vom 26. Oktober 2021 korrigiert und festgestellt habe, dass die Registerpflicht entfalle. In dem Verwarnungsschreiben vom 21. März 2022 sei diese Eintragung jedoch noch enthalten gewesen. Im Bereich der notwendigen Stufen bis zur Entziehung der Fahrerlaubnis gelte ein besonderer Vertrauensschutz. Die Mitteilung über die Reduzierung auf 7 Punkte sei fehlerhaft gewesen, weshalb sie diesen Vertrauensschutz verletze. Hierdurch könne die ordnungsgemäße und erforderliche Warnfunktion der Verwarnung nicht erreicht werden. Insgesamt sei die Punktereduzierung im Rahmen der Verwarnung verzögert erfolgt und hätte nach Rechtskraft des Verfahrens wegen fahrlässigen Anordnens oder Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (5514 Punkte) und vorsätzlichen Anordnens oder Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (724 Punkte) am 31. Dezember 2021 bereits zum Jahresbeginn 2022 erfolgen müssen. Zu diesem Zeitpunkt sei die Zuwiderhandlung vom 26. Mai 2021 und der in diesem Verfahren einzutragende Punkt längst rechtskräftig gewesen. Diese behördliche Verzögerung sei dem Kläger nicht zuzurechnen. Im gesetzlichen Regelfall wäre dieser Punkt bei der Reduzierung auf 7 Punkte bereits berücksichtigt worden.
18
Mit Schriftsatz vom 31. August 2021 beantragt der Beklagte, den Antrag abzuweisen.
19
Es werde auf den Entziehungsbescheid vom 27. Juli 2022 verwiesen.
20
Der Beklagte habe erst mit Mitteilung des KBA vom 16. Mai 2022, eingegangen am 25. Mai 2022, erfahren, dass die Tat vom 14. Dezember 2020 im Fahreignungsregister gelöscht worden sei. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass der Punktestand auch dann auf 7 Punkte reduziert worden wäre, wenn die Mitteilung des KBA vom 9. März 2022, in der die Tat vom 14. Dezember 2020 enthalten gewesen sei, von Anfang an richtig gewesen wäre. Deshalb ergebe sich für den Antragsteller aus dem (nachträglich korrigierten) Fehler kein Nachteil.
21
Der Vorwurf der verzögerten Bearbeitungsweise werde zurückgewiesen. Erst am 9. März 2022 habe der Beklagte von den Zuwiderhandlungen vom 17. August 2018, rechtskräftig seit 31. Dezember 2021, erfahren. Am 21. März 2021 sei sodann die Verwarnung ausgesprochen worden. Auch die Meldung der Tat vom 26. Mai 2021 sei ohne Verzögerung bearbeitet worden. Der Bußgeldbescheid zu dieser Tat sei erst am 4. März 2022 in Rechtskraft erwachsen. Hiervon habe der Beklagte erst am 8. April 2022 Kenntnis erlangt, sodass dieser Punkt bei der Verwarnung und damit bei der Punktereduktion nicht mehr habe berücksichtigt werden können.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
23
Der zulässige Antrag ist nur zu einem geringen Teil begründet.
24
1. Der Antrag ist im wohlverstandenen Sinne des anwaltlich vertretenen Antragstellers dahingehend auszulegen, dass dieser hinsichtlich der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids des Landratsamts vom 27. Juli 2022 die Anordnung und hinsichtlich der Ziffer 2 dieses Bescheids die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt. Eine Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) ist gemäß § 4 Abs. 9 StVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids ist daher gegenstandslos.
25
Unter Auslegung des Antrags wird nicht davon ausgegangen, dass sich dieser auch auf die Ziffer 3 des Bescheides bezieht. Einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung würde entgegenstehen, dass der Führerschein bereits rechtzeitig beim Landratsamt abgegeben wurde und nicht anzunehmen ist, dass das Landratsamt die Erfüllung dieser Verpflichtung weiterhin durch Zwangsmittel durchsetzen wird. Einer Durchsetzung steht auch Art. 37 Abs. 4 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) entgegen. Für einen solchen Antrag fehlt folglich das Rechtsschutzbedürfnis (VG Bayreuth, B.v. 12.7.2018 - B 1 S 18.564 - juris Rn. 21).
26
2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
27
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag überwiegend abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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a. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nur teilweise rechtmäßig erfolgt. Nach § 80 Abs. 3 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt hinsichtlich Ziffer 2 den formellen Anforderungen nicht. Die im Bescheid enthaltene Begründung der sofortigen Vollziehung bezieht sich lediglich auf die Fahrerlaubnisentziehung, nicht jedoch auch auf die Abgabeverpflichtung des Führerscheins.
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Es entspricht der neueren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Abgabeverpflichtung des Führerscheins nicht kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung - FeV) entfällt, sondern von der Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2015 - 11 CS 15.1447 - LS). Dementsprechend sind gemäß § 80 Abs. 3 VwGO zwei Begründungen - hinsichtlich der Entziehung und hinsichtlich der Abgabeverpflichtung - erforderlich (Will in BeckOK, Straßenverkehrsrecht, Stand 15.7.2022, § 47 FeV Rn. 52).
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An den Inhalt der Begründung sind im Fahrerlaubnisrecht zwar keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Dies muss erst recht gelten, wenn - wie hier mit der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins - lediglich ein Vollzugsakt bzw. eine Nebenverfügung zu einem sofort vollziehbaren Verwaltungsakt inmitten steht. Vorliegend hat der Antragsgegner aber zur sofortigen Vollziehung der Abgabeverpflichtung keine Ausführungen gemacht. Er beschränkt sich auf die Ausführungen, dass der sofortige Vollzug im öffentlichen Interesse angeordnet werde. Das Interesse am Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer überwiege das Interesse des Antragstellers bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Entzugsverfahrens vorläufig weiter von der entzogenen Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können. Damit wird deutlich, dass sich diese Begründung allein auf die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids bezieht, da ausschließlich die Gefahr des Führens eines Kraftfahrzeugs trotz fehlender Eignung thematisiert wurde. Die Fahrerlaubnis erlischt aber mit der Entziehung unabhängig vom weiteren Besitz des Führerscheins. Warum der Antragsteller also seinen Führerschein bis zum rechtskräftigen Abschluss der Hauptsache nicht behalten darf, wurde mit keinem Wort angesprochen. Insbesondere wurde die sofortige Vollziehung nicht etwa damit begründet, dass im Fall der sofort vollziehbaren Entziehung der Fahrerlaubnis ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Beseitigung des durch den Führerschein vermittelten Rechtsscheins besteht, wobei es nicht einmal einzelfallbezogener Erwägungen dergestalt bedurft hätte, dass in der Person des Antragstellers konkrete Anhaltspunkte für das Vortäuschen des Innehabens einer Fahrerlaubnis bestehen (vgl. VG München, B.v. 8.7.2020 - 6 S 20.2061 - BeckRS 2020, 20547 Rn. 22, 23).
31
Eine fehlende oder im Sinne von Abs. 3 unzureichende Begründung kann nicht durch eine Nachholung oder Nachbesserung geheilt werden. Vielmehr bleibt der Verwaltungsbehörde lediglich, die Vollziehbarkeitsanordnung erneut, mit gesetzeskonformer Begründung zu erlassen (vgl. Eyermann/Hoppe, 15. Aufl. 2019, VwGO § 80 Rn. 56).
32
b. Ziffer 1 des Bescheides erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
33
Ihre Rechtsgrundlage findet die Fahrerlaubnisentziehung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG. Danach gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ihm ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, sobald sich in der Summe 8 oder mehr Punkte ergeben. Der Antragsteller hat 8 Punkte erreicht, sodass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen war.
34
aa. Nach § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG hat die nach Landesrecht zuständige Behörde für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Punkte ergeben sich gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird.
35
Die letzte vom Antragsteller zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt begangene rechtskräftig geahndete Zuwiderhandlung, die die Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung über die Entziehung seiner Fahrerlaubnis zu berücksichtigen hatte, war die Geschwindigkeitsüberschreitung am 26. Mai 2021. Diese Verkehrszuwiderhandlung hat den Punktestand des Antragstellers im Fahreignungsregister um einen weiteren Punkt auf 8 Punkte erhöht.
36
Dies gilt auch unabhängig davon, ob eine Tilgung einer Eintragung vor oder nach dem Erlass des Entziehungsbescheides eingetreten ist, da für den Umfang des Punktestandes stets der Tattag maßgeblich ist, § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG. Insofern dürfen Eintragungen nur dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie am Tattag entweder bereits getilgt oder jedenfalls tilgungsreif sind, § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG. Dies gilt insbesondere für die Zuwiderhandlung vom 1. November 2018, rechtskräftig seit 5. Februar 2019. Diese Eintragung war gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b StVG erst am 5. August 2021 tilgungsreif. Maßgeblicher Tattag der letzten rechtskräftigen Verurteilung war der 26. Mai 2021, der vor der Tilgungsreife der Geschwindigkeitsübertretung vom 1. November 2018 lag.
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bb. § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG bestimmt, dass die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis die in den Nummern 1 bis 3 aufgeführten Maßnahmen stufenweise zu ergreifen hat. Dieses Stufensystem wird im Hinblick auf seine Rechtsfolgen in § 4 Abs. 6 StVG näher präzisiert. Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die nach Landesrecht zuständige Behörde eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 (Verwarnung) oder Nr. 3 (Entziehung der Fahrerlaubnis) nur ergreifen, wenn die Maßnahme der davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist.
38
Hier hatte die Fahrerlaubnisbehörde die beiden nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG vor der Entziehung der Fahrerlaubnis liegenden Stufen des Maßnahmensystems rechtsfehlerfrei gegen den Kläger ergriffen.
39
1) Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Landratsamts vom 27. März 2020, zugestellt am 31. März 2020, gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG wegen Erreichens von 4 Punkten ordnungsgemäß ermahnt (Stufe 1).
40
2) Auch gegen die Verwarnung des Antragstellers gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG mit Schreiben des Landratsamts vom 21. März 2022 wegen des Erreichens von 6.241 Punkten (Stufe 2) sowie gegen die Punktereduktion auf 7 Punkte bestehen keine rechtlichen Bedenken.
41
a) Trotz Erreichens der Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG musste der Antragsgegner den Antragsteller zunächst gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG verwarnen. Gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG darf die nach Landesrecht zuständige Behörde eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 2 (Verwarnung) oder Nr. 3 (Entziehung der Fahrerlaubnis) nur ergreifen, wenn die Maßnahme der vorherigen Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen (§ 4 Abs. 6 Satz 2 StVG). Nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG verringert sich der Punktestand im Falle des Satzes 2 mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen Ermahnung auf fünf Punkte (Nr. 1) und der Verwarnung auf sieben Punkte (Nr. 2), wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. Insofern war der Antragsteller unter Vornahme einer Punktereduktion auf 7 Punkte zunächst zu verwarnen.
42
b) Dem rechtmäßigen Durchlaufen der Verwarnungsstufe steht insbesondere nicht entgegen, dass die Eintragung der Zuwiderhandlung vom 14. Dezember 2020 nach Vornahme der Verwarnung aus dem Register entfernt wurde. Denn selbst wenn die Zuwiderhandlung im Rahmen der Verwarnung nicht berücksichtigt worden wäre, hätte sich infolge der Punktereduktion gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 i. V. m. § 4 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 StVG ein Punktestand von 7 Punkten ergeben. Der Punktestand wäre in diesem Fall nicht von 6.241, sondern von 6.240 auf 7 Punkte reduziert worden.
43
c) Nach summarischer Prüfung ergibt sich, dass es auch keinen rechtlichen Bedenken begegnet, dass die Zuwiderhandlung vom 26. Mai 2021, rechtskräftig festgestellt seit dem 4. März 2022, nicht im Rahmen der Punktereduktion auf 7 Punkte gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG berücksichtigt wurde, da der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Verwarnung am 21. März 2022 hiervon noch keine Kenntnis erlangt hatte. Erst am 8. April 2022 wurde das Landratsamt vom KBA über die Zuwiderhandlung vom 26. Mai 2021 in Kenntnis gesetzt. Zwar war die weitere Tat vom 26. Mai 2021 beim Ausstellen der Verwarnung bereits rechtskräftig geahndet, der Fahrerlaubnisbehörde war diese Tat aber nicht bekannt, sodass dieser Verkehrsverstoß bei der Verwarnung noch keine Berücksichtigung finden konnte. Dem Antragsgegner konnte dieser Verkehrsverstoß auch gar nicht bekannt sein, da die Zuwiderhandlung vom 26. Mai 2021 erst am 8. April 2022 in das Fahreignungsregister eingetragen wurde.
44
Dies folgt aus § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG und § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG. § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG besagt, dass auch im Falle einer Verringerung der Punktezahl nach Satz 3 der Vorschrift Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, den sich nach Satz 3 ergebenen Punktestand erhöhen (vgl. so auch BayVGH, U.v. 11.8.2015 - 11 BV 15.909 - juris Rn. 24). § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG stellt ausdrücklich auf den Kenntnisstand der Fahrerlaubnisbehörde ab. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 StVG werden bei der Berechnung des Punktestandes Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind. Diese Vorschrift soll die Punktebewertung eines Verkehrsverstoßes auch dann ermöglichen, wenn er vor dem Ergreifen einer Maßnahme begangen wurde, bei dieser Maßnahme aber noch nicht verwertet werden konnte, etwa weil deren Ahndung erst später Rechtskraft erlangt hat oder sie erst später im Fahreignungsregister eingetragen oder der Behörde zur Kenntnis gelangt ist (vgl. BT-Drs. 18/2775 S. 10).
45
Dies steht im Gegensatz zum alten Mehrfachtäter-Punktsystem, in welchem das BVerwG der Stufung der Maßnahmen eine „Warnfunktion“ beigemessen und daraus hergeleitet hat, dass die Maßnahmen den Fahrerlaubnisinhaber „möglichst frühzeitig und insbesondere noch vor Eintritt in die nächste Stufe erreichen“ sollten, damit ihm die „Möglichkeit der Verhaltensänderung“ effektiv eröffnet werde (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 - 3 C.07 - juris Rn. 33). Die Fahrerlaubnis konnte nach altem Recht nur entzogen werden, wenn deren Inhaber nach seiner Verwarnung eine weitere zur Überschreitung der Schwelle von § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG a.F. führende Zuwiderhandlung begangen hatte. Weitere vor der Verwarnung begangene, der Fahrerlaubnisbehörde im Zeitpunkt der Verwarnung aber noch nicht bekannte Zuwiderhandlungen konnten auf der Grundlage des Mehrfachtäter-Punktsystems nicht unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen (§ 4 Abs. 5 Satz 2 StVG a.F.). Nach den Rechtsänderungen zum 1. Mai 2014 und 5. Dezember 2014 soll es nach der Gesetzesbegründung nicht mehr darauf ankommen, dass eine Maßnahme den Betroffenen vor der Begehung weiterer Verstöße erreicht und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung einräumt, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden dürfen. Hiermit hat sich der Gesetzgeber bewusst von dem früheren Fahreignungs-Bewertungssystem abgesetzt. Der Effektivität des Fahreignungs-Bewertungssystems wird gegenüber einer etwaigen Erziehungsfunktion in solchen Fällen Vorrang eingeräumt, in denen sich Fahrerlaubnisinhaber aufgrund einer Anhäufung von innerhalb kurzer Zeit begangenen Verkehrsverstößen als ungeeignet erwiesen haben, da die Allgemeinheit vor solchen Gefahren zu schützen ist (BT-Drs. 18/2775, S. 9 f.). Nach der Gesetzesbegründung soll verdeutlicht werden, dass Verkehrsverstöße auch dann mit Punkten zu bewerten sind, wenn sie vor der Einleitung einer Maßnahme des Fahreignungs-Bewertungssystems begangen worden sind, bei dieser Maßnahme aber mangels Kenntnis noch nicht verwertet werden konnten. (BT-Drs. 18/2775 S.10; vgl. so auch BVerwG, U.v. 26.1.2017 - 3 C 21/15 - juris Rn. 23 f.; BayVGH, U.v. 11.8.2015 - 11 BV 15.909 - juris Rn. 25).
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Das Landratsamt muss sich eine etwaige Kenntnis anderer Behörden (z.B. KBA oder Staatsanwaltschaft) auch nicht zurechnen lassen. Es entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Zurechnung im Rahmen des § 4 Abs. 5 Satz 6, Abs. 6 Satz 4 StVG nur dann in Betracht kommt, wenn ein Berufen auf die Unkenntnis als rechtsmissbräuchlich einzustufen wäre. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Verzögerung der Mitteilung nicht nur auf einem bloßen Versehen beruht, sondern willkürlich, insbesondere mit dem Ziel, eine Punktereduzierung zu verhindern, hervorgerufen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2016 - 11 CS 16.537 - LS). Für ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist festzuhalten, dass zwischen der Rechtskraft der Ahndung am 4. März 2022 und der Mitteilung der Zuwiderhandlung vom 8. April 2022 nur ein Monat liegt. Insofern ist bereits nicht von einer vorwerfbaren wesentlichen behördlichen Verzögerung bei der Mitteilung der Zuwiderhandlung auszugehen.
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3) Das Landratsamt hat somit zutreffend - entsprechend seines jeweiligen Kenntnisstands durch die jeweilige Mitteilung des KBA - den Antragsteller gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 StVG zunächst ermahnt, dann verwarnt und schließlich die Fahrerlaubnis entzogen. Die Ermahnung und Verwarnung sind rechtmäßig ergangen; insbesondere sind die nach § 4 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 StVG erforderlichen Hinweise vorhanden. Konkret vorliegende Fehler wurden seitens des Antragstellers auch nicht aufgezeigt.
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cc. Der Fahrerlaubnisbehörde steht bei der Entscheidung über den Fahrerlaubnisentzug beim Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister kein Ermessen zu, da die Regelungen in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG und § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG als gebundene Entscheidungen ausgestaltet sind. Die berufliche und private Situation des Antragstellers muss daher bei der Entscheidung über den Fahrerlaubnisentzug außer Betracht bleiben.
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c. Auch die Ziffer 2 des Bescheides erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig.
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Die Abgabeverpflichtung beruht auf der Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 FeV. Danach sind nach der Entziehung die von einer deutschen Behörde ausgestellten Führerschein unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern. Die Anordnung zur Abgabe des Führerscheins hat sich nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Abgabe an das Landratsamt erledigt, sondern stellt eine Rechtsgrundlage für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 - 11 CS 17.953 - juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 - 11 CS 13.2281 - juris Rn. 22). Nachdem dem Kläger die Fahrerlaubnis zu Recht entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung als begleitende Anordnung geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen. Deshalb ist die aufschiebende Wirkung gegen Ziffer 2 nicht aus diesem Grund wiederherzustellen, sondern lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 2 in Ziffer 4 mangels ordnungsgemäßer Begründung aufzuheben. Für den Antragsgegner bleibt die Möglichkeit, die Sofortvollzugsanordnung erneut zu erlassen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsgegner unterliegt nur zu einem geringen Teil, da lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Ziffer 2 und damit allein ein Teil eines Vollzugsaktes zur Hauptverfügung rechtswidrig war.
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4. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 46.3 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).