VGH München, Beschluss v. 20.10.2022 – 19 ZB 22.1359
Titel:

kein Anspruch auf Rückgängigmachung der Abschiebung

Normenketten:
AufenthG § 60a Abs. 2
PStG § 13
Leitsatz:
Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen der bevorstehenden Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen und eine daraus resultierende Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG wegen der aus Art. 6 GG geschützten Eheschließungsfreiheit setzt voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht, was regelmäßig nur dann anzunehmen ist, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung, Begehrte Verpflichtung auf Rückholung der abgeschobenen Kläger, Unmittelbar bevorstehende Eheschließung, Aussetzung der Abschiebung, Ehefähigkeit, Ehefähigkeitszeugnis, Abschiebung, inlandsbezogenes Abschiebungsverbot, Belarus
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 30.03.2022 – AN 5 K 21.2039
Fundstelle:
BeckRS 2022, 29792

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungszulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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Die am ...1978 geborene und am 14. April 2015 in das Bundesgebiet eingereiste Klägerin zu 1 und ihre am ... 2015 im Bundesgebiet geborene Tochter, die Klägerin zu 2, jeweils belarussische Staatsangehörige, wenden sich gegen das (aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangene) Urteil des Verwaltungsgerichts vom 30. März 2022, durch das ihre Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer am 23. November 2021 erfolgten Abschiebung, auf deren Rückgängigmachung sowie auf Ermöglichung der Wiedereinreise zum Zweck der Eheschließung der Klägerin zu 1 mit einem deutschen Staatsangehörigen abgewiesen worden ist.
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Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), dessen Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 - 1 C 10.12 - juris Rn. 12), sodass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 - 10 ZB 15.1804 - juris Rn. 7), liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen der Klägerinnen auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung nicht.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9).
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Die im Asylverfahren erfolglosen Klägerinnen lassen zur Begründung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ausführen, ihre Abschiebung sei rechtswidrig gewesen und verletze sie in ihren Rechten. Zunächst werde auf die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten in der Antragsschrift vom 23. November 2021 (AN 5 K 21.02039) verwiesen. Bereits aufgrund des dortigen Vortrags hätte die Abschiebung verhindert werden müssen. Es habe ein Anspruch auf Erteilung von Duldungen nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG bestanden. Am 13. September 2021 sei die Eheschließung angemeldet und der Antrag auf Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses für die Klägerin zu 1 gestellt worden. Mit Schreiben vom 28. September 2021 habe das OLG N. dem Standesamt S. mitgeteilt, betreffend die zweite und dritte Vorehe der Klägerin zu 1 sei die Anerkennung der Ehescheidungen durch das OLG M. notwendig. Mit der Entscheidung des OLG M. vom 19. Oktober 2021 sei die Anerkennung der beiden Scheidungen ausgesprochen worden. Nach Mitteilung des für den Fall der Klägerin zu 1 zuständigen Sachgebietsleiters des Standesamtes S. seien die Anerkennungen dem OLG N. am 11. November 2021 zugegangen. Am 22. November 2021 sei die Klägerin zu 1 durch das OLG N. von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses befreit worden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätten alle Voraussetzungen für die beabsichtigte Eheschließung vorgelegen bzw. liegen diese vor. Aufgrund der vorausgehenden Prüfung durch das OLG N. sei bereits davor davon auszugehen, dass eine entsprechende Befreiung erteilt werde, da die Anerkennung der beiden Vorehen das Wesentliche gewesen sei, was hierfür noch gefehlt habe. Die erfolgte Anmeldung der Eheschließung sei bis zum 22. Mai 2022 gültig gewesen. Auch der Standesbeamte sei davon ausgegangen, dass man in der 47. Kalenderwoche einen Eheschließungstermin bestimmen könnte, was er auch am 18. November 2021 dem Verlobten der Klägerin zu 1 mitgeteilt habe. Der Beklagte sei von der Anmeldung der Eheschließung mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 14. September 2021 informiert worden. Es sei auffällig, dass bei der Akteneinsicht dieses Schreiben nicht gefunden worden sei. Am 21. September 2021 habe ein Telefonat zwischen der Prozessbevollmächtigten und dem zuständigen Mitarbeiter der ZAB M. stattgefunden. Darin habe dieser in Aussicht gestellt, auf die Mitteilung des Eheschließungstermins zu warten. Zum Beweis des erfolgten Telefonats werde auf die E-Mail des zuständigen Mitarbeiters vom 21. September 2021 verwiesen. Der zuständige Mitarbeiter habe jedoch Abschiebemaßnahmen eingeleitet und den Bewegungsradius der Klägerinnen begrenzt. Obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass sich die Verlobten bemüht hätten, die notwendigen Formalitäten einzuhalten, habe er sich im November 2021 keine Mühe gemacht, zu überprüfen, wie weit die Vorbereitungen zur Eheschließung seien. Weder sei eine Anfrage gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen erfolgt noch sei der zuständige Standesbeamte befragt worden. Auch der schlechte Gesundheitszustand des deutschen Verlobten und seine Gefühle seien nicht von Bedeutung gewesen. Es sei zu unterstreichen, dass seit September 2021 keine Unterlagen aus dem Ausland mehr beschafft hätten werden müssen. Alles Notwendige sei bereits hier gewesen. Folglich hätten da bereits die Voraussetzungen für eine entsprechende Duldung vorgelegen. Zudem sei eine Kontaktaufnahme mit den Klägerinnen in der Rückführungseinrichtung vereitelt worden. Selbst eine Rückmeldung, ob die Polizeibeamtin der Rückführungsabteilung die Klägerin zu 1 erreicht habe und ihr den Wunsch der Prozessbevollmächtigten nach Kontaktaufnahme mitgeteilt habe, sei nicht erfolgt. Da eine Besprechung der aktuellen Situation mit den Klägerinnen im Laufe der Woche habe erfolgen sollen, habe der Eilantrag im „Blindflug“ erfolgen müssen. Hätte die Prozessbevollmächtigte die Möglichkeit zur Rücksprache gehabt, hätten noch weitere Nachweise für das Vorliegen der Duldungsvoraussetzungen vorgelegt werden können. Die Leiterin der Rückführungsabteilung habe an einem der folgenden Tage telefonisch auf eine Nachfrage der Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, man habe mehr für die Klägerin zu 1 gemacht als man hätte tun müssen. Man habe versucht, das Handy der Klägerin zu 1 aufzuladen. Sie habe die Möglichkeit gehabt, die Prozessbevollmächtigte anzurufen. Im Übrigen habe es am Tag der Abschiebung eine derart gravierende Serverstörung gegeben, die die Beamtin noch nicht erlebt habe. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, wie bei einer derart gravierenden Störung Flugzeuge ohne Probleme gestartet und gelandet seien. Die angebliche Störung habe sich auch sonst in keiner Weise auf die Arbeit der Polizei ausgewirkt. Die Polizeibeamten hätten keine organisatorischen Probleme damit gehabt, die Klägerin zu 1 nackt auszuziehen und ihre Genitalien zu begutachten. Den gesetzlichen Anforderungen zu genügen, habe eine nicht unüberwindbare Hürde dargestellt. Nach Mitteilung der Klägerin zu 1 sei ihr zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass die Prozessbevollmächtigte mit ihr habe sprechen wollen. Unabhängig davon, ob der Handyakku der Klägerin zu 1 geladen gewesen sei, habe man ihr keine Möglichkeit gegeben, über ein anderes Telefon mit der Prozessbevollmächtigten Kontakt aufzunehmen. Daher sei die Abschiebung rechtswidrig gewesen und rückgängig zu machen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung nicht.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Januar 2022 (19 CE 21.3017) die Beschwerde der Klägerinnen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung der Klägerinnen vom 23. November 2021 und auf Verpflichtung des Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, die Abschiebung rückgängig zu machen, den Klägerinnen unter sofortiger Aufhebung der Sperrwirkung der Abschiebung/des Wiedereinreiseverbots die unverzügliche Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen und ihnen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens hilfsweise bis zur Eheschließung der Klägerin zu 1 Bescheinigungen über die Aussetzung der Abschiebung auszustellen, zurückgewiesen und insbesondere ausgeführt:
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Vorliegend ist eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache nicht ersichtlich. Weder erweist sich die vollzogene Abschiebung als offensichtlich rechtswidrig noch haben die Antragstellerinnen ein (vorläufiges) Bleiberecht.
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Eine Zusicherung, die Mitteilung eines Termins zur Eheschließung abzuwarten und Abschiebemaßnahmen bis dahin zu unterlassen, hat der Antragsgegner nicht abgegeben, insbesondere nicht in der E-Mail an die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen vom 21. September 2021. Darin wird vielmehr erklärt, eine Duldung zur Eheschließung könne erst erteilt werden, wenn ein Termin zur Eheschließung feststehe, und die Anträge auf Erteilung von Duldungen würden bis zur Mitteilung eines Termins zur Eheschließung zurückgestellt.
10
Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen hat zum Zeitpunkt der Abschiebung ein inlandsbezogenes Abschiebungsverbot für die Antragstellerin zu 1 nicht wegen einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung mit ihrem deutschen Verlobten bestanden (und folglich auch nicht für die Antragstellerin zu 2).
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Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen der bevorstehenden Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen und eine daraus resultierende Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG wegen der aus Art. 6 GG geschützten Eheschließungsfreiheit setzt voraus, dass die Eheschließung im Bundesgebiet unmittelbar bevorsteht. Letzteres ist regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn der Eheschließungstermin feststeht oder jedenfalls verbindlich bestimmbar ist (BayVGH, B.v. 27.2.2008 - 19 CS 08.216 - juris Rn. 13), etwa weil das zuständige Standesamt den Eheschließungstermin als unmittelbar bevorstehend bezeichnet hat (NdsOVG, B.v. 1.8.2017 - 13 ME 189.17 - juris Rn. 7 m.w.N.).
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Die Eheschließung steht auch dann unmittelbar bevor, wenn das - durch die Anmeldung der Eheschließung beim zuständigen Standesamt eingeleitete - Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehefähigkeit nachweislich abgeschlossen ist und seitdem nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der Abschluss des Anmeldeverfahrens kann durch eine vom zuständigen Standesamt ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen werden (vgl. Nr. 60a.2.1.1.2.1 i.V.m. Nr. 30.0.6 VwV-AufenhG). Die ab dem 31. Oktober 2009 geltende Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG (in der Folge insoweit nicht verändert) dürfte an die seit dem 1. Januar 2009 geltende Fassung des Personenstandsgesetzes (BGBl. I 2007 S. 122) anknüpfen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 9.02.2010 - 3 Bs 238/09 - juris 11). Darin ist in § 13 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 PStG ausdrücklich bestimmt, dass das Standesamt, bei dem die Eheschließung angemeldet ist, den Eheschließenden mitteilt, dass die Eheschließung vorgenommen werden kann, wenn es bei der Prüfung der Ehevoraussetzungen ein Ehehindernis nicht feststellt. Liegt ein Ehehindernis nicht vor, sendet das Standesamt, das die Anmeldung entgegengenommen hat, die vollständigen Antragsunterlagen mit einem Vermerk über das Ergebnis der Prüfung an das Standesamt, bei dem die Ehe geschlossen werden soll (§ 28 Abs. 3 Satz 2 PStV). Die Mitteilung nach § 13 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 PStG, die das durch die Anmeldung eingeleitete Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehefähigkeit beendet (Lammers in Gaaz/Bornhofen/Lammers, Personenstandsgesetz, Handkommentar, 5. Aufl. 2020, § 13 Rn. 38), ist für das Standesamt, das die Eheschließung vornimmt, verbindlich (§ 13 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 PStG). Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 3 PStG bedarf die Eheschließung (erst dann) erneut der Anmeldung und Prüfung der Voraussetzungen für die Eheschließung, wenn seit der vorstehend genannten Mitteilung des Standesamts an die Eheschließenden mehr als sechs Monate vergangen sind, ohne dass die Ehe geschlossen wurde.
13
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Antragstellerin zu 1, die erst am 22. Juli 2021 beim Standesamt S. im Zuge der Beantragung der Eheschließung einen bereits vor der Einreise nach Deutschland am 10. März 2015 ausgestellten gültigen Reisepass vorgelegt hat, zum Zeitpunkt ihrer Abschiebung am 23. November 2021 die Voraussetzungen für eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung nicht glaubhaft gemacht. Ein Eheschließungstermin war weder bestimmt noch zum damaligen Zeitpunkt bestimmbar. Das - durch die Anmeldung der Eheschließung beim zuständigen Standesamt eingeleitete - Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehefähigkeit - also der Ehevoraussetzungen nach §§ 11 ff. PStG - war noch nicht nachweislich abgeschlossen. Das zuständige Standesamt S. hat bereits mit Schreiben vom 13. September 2021 an den Verlobten der Antragstellerin zu 1 erklärt, ein verbindlicher Termin für die standesamtliche Hochzeit könne frühestens nach Eingang der erteilten Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses für die Antragstellerin zu 1 vereinbart werden. Zwar hat der Präsident des OLG N. die Antragstellerin zu 1 mit Urkunde vom 22. November 2021 von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses befreit (§ 1309 Abs. 2 BGB). Da die Befreiungsurkunde aber erst am 26. November 2021 beim zuständigen Standesamt in S. eingegangen ist, hatten weder das zuständige Standesamt noch die Antragstellerinnen noch der Antragsgegner am Tag der Abschiebung (23.11.2021) Kenntnis von der Ausstellung der Befreiungsurkunde. Folglich war zum Zeitpunkt der Abschiebung der Antragstellerinnen eine Mitteilung gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 PStG, die das durch die Anmeldung der Eheschließung eingeleitete Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehefähigkeit beendet (Lammers in Gaaz/Bornhofen/Lammers, Personenstandsgesetz, Handkommentar, 5. Aufl. 2020, § 13 Rn. 38), noch nicht ergangen. Auf einen anderen Umstand als die (rechtmäßige) Mitteilung durch das Standesamt, kann im Hinblick auf die Änderung des Personenstandsgesetzes und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift nach Auffassung des Senats in aller Regel nicht abgestellt werden.
14
Eine Pflicht des Antragsgegners, sich unmittelbar vor der Abschiebung hinsichtlich des Fortgangs des Anmeldeverfahrens zu erkundigen, besteht im Hinblick auf die verpflichtende Mitteilung des Standesamtes nach § 13 Abs. 4 Satz 1 PStG gegenüber den Eheschließenden und der Mitwirkungspflicht der Ausländer nach § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht.
15
Soweit die Antragstellerinnen rügen, die Rechtswidrigkeit der Abschiebung ergebe sich auch aus einer vermeintlich vereitelten Kontaktaufnahme in der Rückführungseinrichtung am Flughafen, greift diese Rüge - unabhängig davon, dass diese Umstände nicht glaubhaft gemacht worden sind - schon deshalb nicht durch, weil sie nichts an den fehlenden Duldungsansprüchen der Antragstellerinnen zum Zeitpunkt der Abschiebung ändern.“
16
Da die Zulassungsbegründung (bis auf sprachliche Anpassung wegen der unterschiedlichen Verfahren) wortgleich mit der Beschwerdebegründung im Verfahren 19 CE 21.3017 ist (im Übrigen auch mit dem Schriftsatz vom 11.1.2022 im Klageverfahren), hält der Senat an seiner im Senatsbeschluss vom 27. Januar 2022 geäußerten Auffassung fest. Da die Abschiebung der Klägerinnen nicht rechtswidrig war, besteht auch kein Anspruch auf Rückgängigmachung der Abschiebung. Die Befristung der Wirkungen der Abschiebung bis zum 15. Mai 2022 ist antragsgemäß mit Bescheid vom 8. April 2022 erfolgt, damit eine Einreise zum Zweck der Eheschließung vor Ablauf der Gültigkeit der Anmeldung zur Eheschließung am 22. Mai 2022 möglich gewesen wäre (eine Einreise ist aber nicht erfolgt).
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Soweit die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 17. August 2022 (nach Ablauf der Begründungsfrist) auf das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 11. Juli 2022 insbesondere erwidern lassen, es wäre möglich gewesen, den „Beschluss des OLG“ N. am Tage der Abschiebung zumindest per Fax vorzulegen, wenn die Bundespolizei nicht auf rechtswidrige Weise die Kontaktaufnahme zwischen der Bevollmächtigten und der Klägerin zu 1 vereitelt hätte, dringen sie mit dem Vorbringen - unabhängig davon, dass die vorgebrachten Umstände der Abschiebung (weiterhin) nicht glaubhaft gemacht worden sind - schon deshalb nicht durch, weil weder die Klägerinnen noch deren Bevollmächtigte (noch das zuständige Standesamt <weshalb eine vorherige Nachfrage durch den Beklagten, zu der er nicht verpflichtet war, ins Leere gelaufen wäre> noch der Beklagten) am Tag der Abschiebung (23.11.2021) Kenntnis von der Ausstellung der Befreiungsurkunde hatten, geschweige denn im Besitz der Befreiungsurkunde waren. Anders wäre es nämlich nicht zu erklären, dass sich die Bevollmächtigte der Klägerinnen am Tag nach der Abschiebung per E-Mail an den Standesbeamten gewandt und erklärt hat, „zum Zwecke der Prüfung des weiteren Vorgehens“ würden die Entscheidungen des OLG M. über die Anerkennung von zwei Scheidungen der Klägerin zu 1, ein Nachweis darüber, dass bzw. wann die entsprechenden Gebühren von den Klägerinnen gezahlt wurden, ein Schreiben des OLG N. darüber, welche Unterlagen für die Erteilung der Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses fehlten und ein Nachweis darüber, wann dem OLG N. die fehlenden Unterlagen zugeschickt worden sind, benötigt. Hätte die Bevollmächtigte Kenntnis von der Befreiungsurkunde gehabt, hätte sie allein diese vom zuständigen Standesamt (dort ist sie allerdings erst am 26.11.2021 eingegangen) bzw. beim OLG N. angefordert.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
19
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).