VG Augsburg, Beschluss v. 18.01.2022 – Au 8 K 21.26
Titel:

Rechtsweg bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei

Normenketten:
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
EGGVG § 23 Abs. 1 S. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1
StPO § 98 Abs. 2 S. 3, § 162
Leitsatz:
Bei doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei ist der Rechtsweg danach zu bestimmen, ob das Ziel des polizeilichen Einschreitens und dessen Schwerpunkt der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienen. Maßgeblich ist, wie sich der Sachverhalt einem verständigen Bürger bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt, wobei der Sachverhalt einheitlich zu betrachten ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsweg, doppelfunktionale Maßnahmen, Gefahrenabwehr, Strafverfolgung, Durchsuchung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 29.09.2022 – 10 C 22.556
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27360

Tenor

I. Der beschrittene Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Amtsgericht verwiesen.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich gegen polizeiliche Maßnahmen vom 13. November 2020.
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Die Klägerin hat bei der Stadt * mit Schreiben vom 28. Oktober 2020 ihre Unterbringung als Obdachlose in einem Einzelzimmer beantragt. Mit Schreiben vom 2. November 2020 wies die Stadt * die Klägerin zum einen darauf hin, dass ihr die Unterbringung im städtischen Gemeinschaftswohnheim in einem Doppelzimmer mit Einzelbett angeboten worden sei, die Klägerin dies indes abgelehnt habe. Zum anderen werde darauf hingewiesen, dass das *Hostel grundsätzlich Einzelzimmer auch für längere Zeiträume vermiete; es werde der Klägerin nahegelegt, dort eine entsprechende Anfrage zu tätigen.
3
Die Klägerin stellte sich daraufhin am 8. November 2020 bei der Managerin des *Hostels vor und bezog dort noch am selben Abend ein Einzelzimmer. Am 11. November 2020 wurde der Klägerin eine Rechnung für den Aufenthalt im Hostel für die Zeit vom 8. November 2020 bis 15. November 2020 in Höhe von 144,69 EUR ausgestellt. Am 13. November 2020 kam die Klägerin auf Bitte der Hostelmanagerin zur Rezeption, welche diese zur Begleichung der Rechnung aufforderte. Die Klägerin verweigerte die Zahlung unter Verweis auf die Kostentragung durch die Stadt * Daraufhin forderte die Hostelmanagerin bei der zuständigen Polizeiinspektion per Telefon zwei Polizeibeamte dergestalt an, ein Hostelgast wolle sich ohne Bezahlung aus dem *Hostel entfernen. Die am *Hostel eingetroffenen Polizeibeamten suchten - nach kurzer Rücksprache mit der Hostelmanagerin - die Klägerin in deren Hostelzimmer auf und stellten zunächst die Identität der Klägerin fest. Im weiteren Verlauf wurden der Schrank, der Rucksack und das Portmonee der Klägerin polizeilich durchsucht. Anschließend ging die Klägerin in Begleitung der beiden Polizeibeamten zur Hostelrezeption, bezahlte die Rechnung und verließ das Hostel.
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Am 7. Januar 2021 erhob die Klägerin - zunächst unter der Bedingung der Gewährung von Prozesskostenhilfe, welche ihr mit Beschluss vom 9. März 2021 mit Ratenzahlung respektive auf Antrag vom 10. November 2021 (samt geänderter Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) hin mit Beschluss vom 6. Dezember 2021 letztlich ohne Ratenzahlung bewilligt wurde - Klage und beantragt festzustellen,
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1. dass das Betreten und Durchsuchen des von der Klägerin be wohnten Zimmers Nr. 14 im *Hostel * am 13. November 2020 durch die Beklagte rechtswidrig war,
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2. dass die von der Beklagten am 13. November 2020 durchge führte Identitätsfeststellung bei der Klägerin auf deren Zimmer Nr. 14 im *Hostel * rechtswidrig war,
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3. dass die Durchsuchung des Rucksacks der Klägerin auf deren Zimmer Nr. 14 im *Hostel * durch die Beklagte rechtswidrig war,
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4. dass die Durchsuchung des Portmonees der Klägerin auf deren Zimmer Nr. 14 im *Hostel * durch die Beklagte rechtswidrig war,
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5. dass die Ausforschung der Höhe des vorhandenen Bargeldbe stands im Portmonee der Klägerin durch die Beklagte rechtswidrig war,
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6. dass die Datenerhebung über die Höhe des vorhandenen Bar geldbestands im Portmonee der Klägerin in Form einer schriftlichen Aufzeichnung durch die Beklagte rechtswidrig war,
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7. dass die Weitergabe der Datenerhebung über die Höhe des vor handenen Bargeldbestands der Klägerin durch die Beklagte an die Obdachlosenbehörde der Stadt * rechtswidrig war,
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8. dass die Weitergabe des Personalausweises der Klägerin durch die Beklagte an die Hostelmanagerin Frau * zum Fotokopieren des Personalausweises rechtswidrig war.
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Die Klägerin sei davon ausgegangen, bei dem Schreiben der Stadt * vom 28. Oktober 2020 habe es sich um eine Art Unterbringungsverfügung gehandelt. Eine Mitarbeiterin des Hostels, Frau, habe sie davon unterrichtet, dass das Amt die Kosten für das Hostelzimmer übernehme. Nach Eintreffen der Polizeibeamten seien diese unaufgefordert in das Zimmer der Klägerin eingetreten. Sie hätten die Klägerin aufgefordert, die Hostelrechnung zu begleichen. Der Durchsuchung ihres Schrankes und Rucksacks habe die Klägerin widersprochen. Eine Polizeibeamtin habe das Portmonee der Klägerin geöffnet, den Bargeldbestand gezählt und handschriftlich notiert. Der Klägerin sei ihr Personalausweis nicht zurückgegeben worden, sie habe ihn später auf dem Tisch zwischen Schreiben der Stadt * wiedergefunden. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Polizeibeamte diesen der Hostelmanagerin zum Fotokopieren übergeben habe. Die Klägerin habe die Begleichung der Rechnung abgelehnt und das Hostel verlassen wollen. Daran hätten sie die Polizeibeamten gehindert.
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Auf die Klagebegründung wird im Einzelnen verwiesen.
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Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
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die Klage abzuweisen, soweit sie nicht anerkannt wird.
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Die Klage sei lediglich insoweit begründet, als der Schrank der Klägerin durchsucht worden sei. Die weiteren Maßnahmen seien jedoch rechtmäßig gewesen. Entgegen des Vortrags der Klägerin sei der Hostelleitung nicht von vornherein bekannt gewesen, dass die Stadt * die Kosten für das Zimmer übernehme. Die Hostelmanagerin habe den eingetroffenen Polizeibeamten mitgeteilt, dass die Klägerin die Bezahlung der Rechnung verweigere. Daraufhin seien diese zum Zimmer der Klägerin geführt worden. Nach der Aushändigung des Personalausweises seien bei den Beamten aufgrund des gepflegten Erscheinungsbilds der Klägerin Zweifel an deren Obdachlosigkeit aufgekommen. Ab diesem Zeitpunkt habe der Anfangsverdacht einer Straftat („Einmietbetrug“) vorgelegen, weshalb die Klägerin als Beschuldigte belehrt worden sei. Im weiteren Verlauf sei festgestellt worden, dass der Personalausweis der Klägerin am 14. Oktober 2020 ungültig geworden sei. Mit dem Ziel, weitere Ausweispapiere oder Hinweise auf eine andere Wohnanschrift aufzufinden, sei der offenstehende Schrank und der Rucksack der Klägerin durchsucht worden. Das darin aufgefundene Portmonee sei geöffnet und der enthaltene Geldbetrag laut vorgezählt worden. Der Betrag sei weder auf einer schriftlichen Notiz festgehalten noch der Stadt * mitgeteilt worden. Der Personalausweis der Klägerin sei nicht der Hostelmanagerin (zum Fotokopieren) übergeben worden. Die erfolgte Identitätsfeststellung lasse sich sowohl auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) PAG - zur Unterbindung einer etwaigen strafbedrohten Handlung in Form eines „Einmietbetruges“ - als auch auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 6 PAG - zum Schutz privater Rechte - stützen. Die Durchsuchung des Rucksacks sei von § 163b Abs. 1 Satz 3, 2 StPO gedeckt. Die Polizeibeamten seien hier/ von nun an schwerpunktmäßig strafverfolgend tätig geworden. Die Durchsuchung des Geldbeutels ließe sich ebenfalls auf § 163b Abs. 1 Satz 3, 2 StPO stützen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Februar 2021 wurden die Beteiligten auf eine in Betracht kommende Verweisung des Rechtsstreits an das für den Rechtsweg sachlich und örtlich zuständige Gericht hingewiesen sowie den Beteiligten insoweit die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben; mit gerichtlichem Schreiben vom 13. Dezember 2021 wurden die Beteiligten schließlich nochmals angehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Für das geltend gemachte Rechtsschutzbegehren der Klägerin ist der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG. Ausweislich § 17a Abs. 2 und 4 GVG ist der Rechtsstreit an das zur Entscheidung sachlich und örtlich zuständige Gericht des einschlägigen Rechtswegs zu verweisen, in casu das Amtsgericht, §§ 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG, 98 Abs. 2 Satz 3 (analog), 162 StPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Nr. 43 GerOrgG.
21
Für das vorliegende klägerische Feststellungsbegehren ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG nicht eröffnet. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Dabei ist im Rahmen polizeilichen Handelns zwischen sog. präventiven Maßnahmen einerseits und repressiven Maßnahmen andererseits zu unterscheiden: Wird die Polizei zur Gefahrenabwehr (präventiv) tätig, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Demgegenüber sind die ordentlichen Gerichte/ Strafgerichte für die Kontrolle von Strafverfolgungsmaßnahmen (repressiv), welche sich als Justizverwaltungsakte darstellen, nach § 23 Abs. 1 EGGVG respektive § 98 Abs. 2 StPO analog zuständig. Das von der Klägerin verfolgte Rechtsschutzziel betrifft die Frage des zulässigen Rechtsweges bei sog. doppelfunktionalen Maßnahmen der Polizei. Darunter werden grundsätzlich solche polizeiliche Anordnungen und Maßnahmen verstanden, die sich nicht ohne Weiteres als Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung einordnen lassen, weil sie nach Maßgabe entsprechender Befugnisnormen sowohl nach dem Polizeirecht (Polizeiaufgabengesetz - PAG) als auch nach der Strafprozessordnung (StPO) vorgenommen worden sein könnten, d. h. für die es sowohl in der StPO als auch im PAG eine Rechtsgrundlage gibt (BayVGH, B.v. 5.11.2009 - 10 C 09.2122 - juris Rn. 9 m.w.N.). Der zulässige Rechtsweg ist in diesen Fällen nach der überwiegenden Rechtsprechung danach zu bestimmen, ob der Grund oder das Ziel des polizeilichen Einschreitens und gegebenenfalls dessen Schwerpunkt der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung dienten. Für die Abgrenzung der beiden Aufgabengebiete ist maßgebend, wie sich der konkrete Sachverhalt einem verständigen Bürger in der Lage des Betroffenen bei natürlicher Betrachtungsweise darstellt (BVerwG, U.v. 3.12.1974 - I C 11.73 - juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 5.11.2009 - 10 C 09.2122 - juris Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, U.v. 14.12.2010 - 1 S 338/10 - juris Rn. 16; OVG Lüneburg, B.v. 8.11.2013 - 11 OB 263/13 - juris Rn. 4). Hierbei muss der Sachverhalt im Allgemeinen einheitlich betrachtet werden, es sei denn, dass einzelne Teile des Geschehensablaufs objektiv abtrennbar sind. Hat die Polizei die Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht weitergeleitet oder auf Weisung der Staatsanwaltschaft gehandelt, so kann an der strafprozessualen Natur ihres Einschreitens kein vernünftiger Zweifel bestehen. Eine Maßnahme, die nach dem Gesamteindruck darauf gerichtet ist, eine strafbare Handlung zu erforschen oder sonst zu verfolgen, ist der Kontrolle der ordentlichen Gerichte nach §§ 23 ff. EGGVG nicht etwa deshalb entzogen, weil durch die polizeilichen Ermittlungen möglicherweise zugleich auch künftigen Verletzungen der öffentlichen Sicherheit vorgebeugt wurde (BVerwG, U.v. 3.12.1974 - I C 11.73 - a.a.O.).
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Polizeiliche Maßnahmen, wie sie von der Klägerin beanstandet werden - namentlich die Feststellung ihrer Identität und die Durchsuchung ihrer Sachen - können im Grunde der Gefahrenabwehr (vgl. Art. 13 PAG) oder aber als Strafermittlungshandlungen auch der Strafverfolgung dienen (vgl. § 163b StPO). Damit stellt sich vorliegend die Frage nach dem zulässigen Rechtsweg, nämlich entweder dem Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei präventiven oder dem ordentlichen Rechtsweg nach § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG bei repressiven polizeilichen Handeln.
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Nach vorstehenden Maßgaben war die Durchsuchung des Schrankes, des Rucksacks und des Portmonees der Klägerin sowie - vom Beklagten bestritten - eine etwaige Nachsuche unter dem Bett der Klägerin repressiver Natur. Schon aufgrund der zuvor erfolgten Belehrung der Klägerin als Beschuldigte dienten diese Maßnahmen aus Sicht eines verständigen Bürgers in der Lage der Betroffenen schwerpunktmäßig der Strafverfolgung.
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Gleiches gilt für die - vom Beklagten bestrittene - „Datenerhebung bzw. -weitergabe“, jedenfalls in Form einer schriftlichen Aufzeichnung des Bargeldbestands und der Weitergabe des Personalausweises der Klägerin an die Hostelmanagerin zum Fotokopieren, wenn und weil sich bei lebensnaher Würdigung des Sachverhalts solche polizeilichen Maßnahmen einem verständigen Bürger in der Lage der Betroffenen als schwerpunktmäßig einer Strafverfolgung dienend darstellten - so bei natürlicher Betrachtung des Sachverhaltes etwa zur Vorbereitung/ Durchführung einer etwaigen Strafanzeige und damit als Strafermittlungshandlungen eine Strafverfolgung bezweckend.
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Die gegenüber der Klägerin vorgenommene Identitätsfeststellung sei dagegen laut den Ausführungen des Beklagten zur Unterbindung eines etwaigen „Einmietbetruges“ sowie zum Schutz des Vermögens des Hostelinhabers erfolgt und lasse sich auf Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) bzw. Nr. 6 PAG stützen. Bei natürlicher Betrachtungsweise musste sich die Identitätsfeststellung einem verständigen Bürger in der Lage der Betroffenen nach Auffassung der Kammer indessen ebenfalls als Strafverfolgungsmaßnahme darstellen. Anlass des Polizeieinsatzes war vorliegend die telefonische Verständigung der Polizei durch die Hostelmanagerin dergestalt, die Klägerin wolle sich ohne Bezahlung aus dem Hostel entfernen. Die Identitätsfeststellung der Klägerin durch die auf diese Verständigung hin herbeigekommenen Polizeibeamten diente demgemäß ebenso wie die (nach-)folgenden polizeilichen Maßnahmen aus Sicht eines verständigen Bürgers in der Lage der Betroffenen im Schwerpunkt einer Strafverfolgung. Die Ausführungen des Beklagten, der Verdacht eines „Einmietbetruges“ habe sich erst nach der Identitätsfeststellung aufgrund des gepflegten Auftretens der Klägerin erhärtet, ändert daran nichts, wenn und weil dies aus der Sicht eines verständigen Bürgers in der Lage der Betroffenen nicht erkennbar war. Gegenteilig hat sich die Klägerin - ihren eigenen und vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben gemäß - nach erfolgter telefonischer Verständigung der Polizei durch die Hostelmanagerin ob eines etwaigen „Einmietbetruges“ auf ihr Hostelzimmer begeben, um dort das Eintreffen der Polizeibeamten abzuwarten. Bei einer lebensnahen Würdigung der Gesamtumstände des konkreten Sachverhaltes liegt es nahe, dass es sich einem verständigen Bürger in der Lage der Betroffenen geradezu aufdrängt, dass (auch) bereits die Feststellung der Identität durch auf einen solchen „Notruf“ hin herbeigeeilte Polizeibeamte gerade dem Zwecke einer (etwaigen) Strafverfolgung schwerpunktmäßig diente/ dienen musste.
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Ob gegenüber der Klägerin im vorliegenden Falle eine Beschuldigtenbelehrung unter Umständen schon zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen müssen, oder inwieweit die Identitätsfeststellung aus anderen Gründen materiell rechtswidrig war, bleibt indes der Begründetheitsprüfung des Klagebegehrens vorbehalten.
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Selbst wenn man der Identitätsfeststellung eine (primär) präventivpolizeiliche Natur zuschreiben wollte, wäre der Verwaltungsrechtsweg vorliegend insoweit nicht eröffnet. Denn es handelt sich bei der Identitätsfeststellung sowie den sich daran unmittelbar anschließenden Maßnahmen der Polizei um einen (namentlich räumlich, zeitlich und gegenständlich) einheitlichen Lebenssachverhalt. Es entspricht dabei einer sinnvollen Ordnung der Rechtswege, über einen solchen - bei gebotener natürlicher Betrachtung - einheitlichen Lebenssachverhalt möglichst in einem Rechtsweg zu entscheiden (BayVGH, B.v. 5.11.2009 - 10 C 09.2122 - juris Rn. 17 m.w.N.). Eine Aufspaltung und isolierte Beurteilung der Identitätsfeststellung hinsichtlich des Rechtswegs verbietet sich daher.
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Gleiches gilt nach Ansicht der Kammer für die - vom Beklagten bestrittene - „Datenerhebung bzw. -weitergabe“ über die Höhe des vorhandenen Bargeldbestands der Klägerin an die Stadt * als eine bloße etwaige Annexmaßnahme innerhalb eines räumlich, zeitlich und gegenständlich (Frage der Kostentragung durch die Stadt * respektive etwaiger „Einmietbetrug“) einheitlichen Lebenssachverhalts zu vorgenanntem repressivpolizeilichen Handeln. Eine Aufspaltung und isolierte Beurteilung dieser vom Beklagten bestrittenen Maßnahme verbietet sich damit gleichsam.
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Es kommt damit nicht darauf an, ob man diesem vom Beklagten bestrittenen Handeln als etwaige Annexmaßnahme nicht auch schon aus Sicht eines verständigen Bürgers in der Lage der Betroffenen selbst eine im Schwerpunkt repressivpolizeiliche „Stoßrichtung“ zuschreiben wollte, wenn und weil sich das bestrittene Verhalten aus maßgeblicher Sicht etwa als eine sachverhaltsaufklärende Strafermittlungshandlung dem Zwecke der Strafverfolgung dienend darstellte.
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Das Verfahren war nach alldem an das zuständige Amtsgericht * zu verweisen, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG, 98 Abs. 2 Satz 3 (analog), 162 StPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Nr. 43 GerOrgG i.V.m. § 17a Abs. 2 und 4 GVG.