VGH München, Beschluss v. 23.09.2022 – 10 C 22.1131
Titel:
kein Verbot der reformatio in peius im Streitwertbeschwerdeverfahren
Normenkette:
GKG § 52 Abs. 1, § 66 Abs. 6 S. 1, § 68 Abs. 1
Leitsatz:
Im Beschwerdeverfahren über die Streitwertfestsetzung gilt das Verbot der reformatio in peius nicht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde, Duldung, Beschäftigungserlaubnis, Reformatio in peius, Streitwertkatalog, reformatio in peius
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 17.03.2022 – M 10 K 21.3767
Fundstelle:
BeckRS 2022, 27348
Tenor
I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Festsetzung des Streitwerts in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 17. März 2022 wird zurückgewiesen.
II. In Abänderung der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 17. März 2022 wird der Streitwert auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt die Herabsetzung der Streitwertfestsetzung für eine Klage, die auf die Erteilung einer Duldung sowie einer Beschäftigungserlaubnis gerichtet ist.
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1. Die gemäß § 68 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GKG zulässige Streitwertbeschwerde des Klägers, die nach § 88 VwGO auf die Herabsetzung des Streitwerts abzielt und über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Senat entscheidet, ist unbegründet. Es besteht kein Anspruch auf die begehrte Herabsetzung des Streitwerts, mit der Folge, dass die Streitwertbeschwerde zurückzuweisen ist. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert nicht, wie die Klägerseite vertritt, zu hoch, sondern zu niedrig angesetzt, mit der Folge, dass er von Amts wegen auf den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag festzusetzen ist.
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a) Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in verwaltungsgerichtlichen Streitsachen, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,- Euro anzunehmen (Auffangwert).
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b) Die von dem Kläger vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage, auf die sich die angegriffene Streitwertfestsetzung bezieht, war zuletzt auf die Erteilung einer Duldung samt Beschäftigungserlaubnis gerichtet (vgl. UA S. 2). Die Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sehen für den Fall der Abschiebung in Nr. 8.3 einen halben Auffangwert pro Person vor. Für die begehrte Duldung, mithin die Aussetzung der Abschiebung, ist daher ein Streitwert in Höhe von 2.500,- Euro zu veranschlagen. Für die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nach der Rechtsprechung des Senats aufgrund des wirtschaftlichen Interesses hieran im Hauptsacheverfahren ein Streitwert in Höhe von 5.000,- Euro anzusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2022 - 10 ZB 22.1187 - juris Rn. 12 m.w.N.). Die Werte beider Streitgegenstände werden grundsätzlich nach § 39 Abs. 1 GKG zusammengerechnet. Gründe hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Daraus ergibt sich addiert ein Betrag in Höhe von 7.500,- Euro, mithin ein Streitwert, der den von dem Verwaltungsgericht festgesetzten übersteigt.
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c) Der Streitwert ist im Beschwerdeverfahren von Amts wegen nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auf 7.500,- Euro zu Lasten des Klägers zu ändern. Im Beschwerdeverfahren über die Streitwertfestsetzung gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl. BayVGH, B.v. 30.12.2020 - 15 C 20.2150 - juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 3.8.2012 - 10 C 12.208 - juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 12.2.2020 - 1 OA 18/20 - juris Rn. 5). Die für die Änderung erforderliche Anhörung wurde durchgeführt (vgl. Senatsakte, Bl. 19). Die Klägerseite hat von der Gelegenheit, zu der angekündigten Änderung der Streitwertfestsetzung des Senats Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht. Auch ist die sechsmonatige Frist für die Änderungsbefugnis nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingehalten.
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d) Die im Übrigen von der Klägerseite erwähnten Anträge bezüglich einer Stundung und einer Ratenzahlung verhelfen der Streitwertbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. § 19 Abs. 1 Nr. 1 GKG bestimmt, dass die Kosten des ersten Rechtszugs bei dem Gericht anzusetzen sind, bei dem das Verfahren im ersten Rechtszug zuletzt anhängig war. Nach § 68 Abs. 3 GKG ist das Rechtsmittelverfahren gerichtsgebührenfrei, und Kosten werden nicht erstattet. Derartige Anträge ebenso wie Anträge auf Kostenabstand beziehungsweise Kostenerlass sind folglich nicht an den Senat, sondern an die für den Kostenansatz zuständige Stelle, mithin das Verwaltungsgericht, zu richten.
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2. Eine Kostenentscheidung ist aufgrund von § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.
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3. Dieser Beschluss ist nach § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG sowie § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.