VGH München, Beschluss v. 15.09.2022 – 6 CE 22.1803 , 6 CE 22.1337
Titel:
Zusicherung der Einstellung im Polizeidienst
Normenketten:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 6, § 152a
VwVfG § 37 Abs. 1, § 38, § 48
BPolLV § 12
BLV § 7, § 19
Leitsätze:
1. Das Glückwunschschreiben der Auswahlkommission ist nicht als Einstellungszusicherung zu verstehen, da der Wortlaut „Einstellungsangebot“ klarstellt, dass es sich nicht schon um eine rechtsverbindliche Zusage handelt, sondern diese lediglich in Abhängigkeit der weiteren erfolgreichen Verfahrensweise unverbindlich in Aussicht gestellt wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst wenn man von einer verbindlichen (bedingten) Einstellungszusage ausgehen wollte, so würde sie keine Rechtswirkungen mehr entfalten, denn im nachfolgenden Schreiben des Bundespolizeipräsidiums ist dann zumindest eine sinngemäße rechtmäßige Rücknahmeerklärung zu sehen, da hier deutlich der Wille zum Ausdruck kommt, dass der Antragsteller das Auswahlverfahren für den Polizeivollzugsdienst nicht bestanden hat und deshalb die Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Erfolgreiche Anhörungsrüge, Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens, Einstweilige Anordnung, Vorläufige Ernennung zum Beamten auf Widerruf, Bundespolizei, Einstellung ins Beamtenverhältnis auf Probe, EU-Polizist, Zusicherung (bedingte) Einstellungszusage, zuständige Einstellungsbehörde, Entfallen der Bindungswirkung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 02.05.2022 – AN 16 E 22.633
Fundstelle:
BeckRS 2022, 25942
Tenor
I. Auf die Anhörungsrüge des Antragstellers wird das Beschwerdeverfahren 6 CE 22.1337 fortgesetzt.
II. Der Beschluss des Senats vom 2. August 2022 - 6 CE 22.1337 - wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. Mai 2022 - AN 16 E 22.00633 - nicht verworfen, sondern zurückgewiesen wird.
Gründe
I.
1
Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 10. August 2022 erhobene Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 2. August 2022 - 6 CE 22.1337 - ist zulässig und begründet, so dass das Beschwerdeverfahren fortzuführen ist (§ 152a Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Beschluss beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil der Senat den Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigen vom 7. Juni 2022 nicht zur Kenntnis genommen und deshalb die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Mai 2022 in der fälschlichen Annahme als unzulässig verworfen hat, diese sei entgegen § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht rechtzeitig begründet worden. Der Antragsteller hat durch Vorlage der entsprechenden Prüfprotokolle hinreichend nachgewiesen, dass er die Beschwerdebegründung mit dem - im gerichtsinternen Geschäftsgang „hängen gebliebenen“ - Schriftsatz vom 7. Juni 2022 fristgerecht an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof übermittelt hatte. Im Gegensatz zu der Annahme im Beschluss vom 2. August 2022 erweist sich die Beschwerde, über die erneut zu entscheiden ist, daher als zulässig.
II.
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Die Beschwerde, mit der der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weiterverfolgt, ist zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen. Die rechtzeitig dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, den Antragsteller vorläufig unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den mittleren Polizeivollzugsdienst einzustellen, zu Recht abgelehnt.
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1. Der Antragsteller ist kroatischer Staatsbürger. Er war bis zu seinem Umzug nach Deutschland im Jahr 2018 im kroatischen Polizeidienst tätig. Mit Schreiben vom 28. Februar 2021 bewarb er sich um eine Direkteinstellung als sog. „EU-Polizist“ im Beamtenverhältnis auf Probe im mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei. Den am 21. Juni 2021 abgelegten schriftlichen Teil des Auswahlverfahrens hat der Antragsteller nicht bestanden. Das Prüfungsergebnis teilte die Bundespolizeiakademie dem Bundespolizeipräsidium mit Schreiben vom 2. Juli 2021 mit. Der Antragsteller selbst hatte allerdings noch am Tag der schriftlichen Prüfung einen von drei Mitgliedern der Auswahlkommission unterschriebenen Vordruck („Herzlichen Glückwunsch!“) erhalten, wonach er das Eignungsauswahlverfahren für den mittleren Polizeivollzugsdienst mit dem Ergebnis „geeignet“ beim Auswahldienst Bamberg bestanden habe. Unter dem Vorbehalt der Ergebnisse der polizeiärztlichen Auswahluntersuchung und der Einholung der Polizeiauskunft erhalte der Antragsteller ein Einstellungsangebot. Der Einstellungstermin orientiere sich an dem im Auswahlverfahren erzielten Ergebnis. Die Polizeiauskunft und die ärztliche Auswahluntersuchung verliefen für den Antragsteller positiv. Mit Schreiben vom 2. September 2021 teilte das Bundespolizeipräsidium dem Antragsteller schließlich mit, dass er das Auswahlverfahren für den Polizeivollzugsdienst nicht bestanden habe und eine Einstellung bei der Bundespolizei daher nicht möglich sei.
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Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht mit dem Begehren, den Ablehnungsbescheid vom 2. September 2021 und den Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2021 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in den mittleren Polizeivollzugsdienst einzustellen (AN 16 K 22.00058).
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Zugleich beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO mit dem Inhalt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf in den mittleren Polizeivollzugsdienst einzustellen. Die Antragsgegnerin habe ihm im Schreiben vom 21. Juni 2021 eine Einstellung in das Beamtenverhältnis verbindlich zugesagt.
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Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Mai 2022 abgelehnt. Dem Antragsteller fehle für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht, so dass der Antrag bereits unzulässig sei. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch ebenfalls nicht glaubhaft gemacht habe. Ein Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe/Widerruf im mittleren Polizeidienst ergebe sich nicht aus den maßgeblichen Vorschriften, nachdem der Antragsteller den schriftlichen Teil des erforderlichen Auswahlverfahrens unstreitig nicht bestanden habe. Die vom Antragsteller behauptete Zusicherung im Sinn von § 38 VwVfG auf Einstellung liege nicht vor. Das Schreiben vom 21. Juni 2021 stamme bereits nicht von der für Einstellungen zuständigen Stelle (Bundespolizeipräsidium); darüber hinaus könne ihm auch der erforderliche objektive Rechtsbindungswille der Behörde nicht entnommen werden.
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2. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände rechtfertigen es nicht, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern. Mit seinem Beschwerdevorbringen hat der Antragsteller weiterhin nicht glaubhaft gemacht, dass ihm der behauptete Anspruch auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-) Anordnung des begehrten Inhalts zusteht.
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a) Es kann dahinstehen, ob der Eilantrag - wie das Verwaltungsgericht meint - bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, weil der Antragsteller die angestrebte vorläufige Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf nicht zuvor bei der Antragsgegnerin beantragt hat, oder ob dies - wie der Antragsteller entgegenhält - lediglich ein „Minus“ im Verhältnis zu der mit der Klage verfolgten Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe darstellt. Ebenso kann dahinstehen, inwieweit mit der begehrten Regelungsanordnung die Hauptsache in einer dem Sinn und Zweck einer einstweiligen Anordnung nicht entsprechenden Weise vorweggenommen würde (so etwa BayVGH, B.v. 17.9.2009 - 3 CE 09.1383 - juris Rn. 43; verneinend: OVG SH, B.v. 5.11.2018 - 2 MB 17/18 - juris Rn. 7). Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antragsteller jedenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.
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b) Der Antragsteller leitet den mit der Klage verfolgten Anspruch auf Ernennung zum Beamten auf Probe allein aus dem von Mitgliedern der Auswahlkommission unterschriebenen Vordruck vom 21. Juni 2021 her, dem er eine entsprechende Einstellungszusicherung entnimmt. Damit kann er - aus mehreren Gründen - nicht durchdringen.
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aa) Das Schreiben vom 21. Juni 2021 enthält keine Zusicherung im Sinn von § 38 VwVfG, mit dem sich die Antragsgegnerin zur Berufung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Probe verpflichtet haben könnte.
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§ 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG definiert die Zusicherung als eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Die Zusicherung stellt eine verbindliche Selbstverpflichtung der Behörde dar, unter den angegebenen Voraussetzungen einen im Sinn des § 37 Abs. 1 VwVfG hinreichend bestimmten künftigen Verwaltungsakt (nicht) zu erlassen. Ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung die Voraussetzungen einer Zusicherung erfüllt, ist durch Auslegung nach dem objektiven Sinngehalt, wie er für den Adressaten unter Berücksichtigung aller Umstände erkennbar ist (objektiver Empfängerhorizont), zu ermitteln. Von einer Zusicherung abzugrenzen sind Auskünfte, Hinweise und informelle Absprachen, die für das künftige Verhalten der Behörde von Bedeutung sind oder sein können (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 38 Rn. 7 ff. m.w.N.).
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Gemessen daran ist das Schreiben vom 21. Juni 2021, das die Mitglieder der Auswahlkommission unterschrieben haben, nicht als Einstellungszusicherung einzustufen. Das ergibt sich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, schon daraus, dass es nicht von der für die Einstellung des Klägers in den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei zuständigen Behörde stammt.
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Der Antragsteller, der in Kroatien bereits die Ausbildung zum Polizisten erfolgreich absolviert und auch in diesem Beruf gearbeitet hatte, bewarb sich um eine - direkte - Übernahme in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei. Über einen solchen Einstellungsantrag entscheidet gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BPolLV das Bundespolizeipräsidium, das zugleich für die Anerkennung der Laufbahnbefähigung (§ 11 Abs. 1 BPolLV, §§ 19 und 7 BLV) zuständig ist. Die Richtlinie für die Auswahl und Einstellung von Bewerbern nach § 12 BPolLV für den mittleren Polizeivollzugsdienst in der Bundespolizei (EinstRL mPVD BPol) in der Fassung von Oktober 2007 konkretisiert das Verfahren und regelt neben Mindestvoraussetzungen und der näheren Ausgestaltung des Einstellungsauswahlverfahrens auch die jeweiligen Zuständigkeiten. Nach § 7 Abs. 2 EinstRL mPVD BPol schlägt die Auswahlkommission dem Bundespolizeipräsidium die als geeignet anzusehenden Bewerber lediglich vor. Dieses entscheidet abschließend über die Einstellung auf der Grundlage der Rangfolgeliste, die von der Auswahlkommission zur Wahrung des Grundsatzes der Bestenauslese erstellt wird. Nur wenn alle Voraussetzungen vorliegen, erhalten die Bewerber von dem dafür allein zuständigen Bundespolizeipräsidium eine - verbindliche - schriftliche Einstellungszusage (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 3 EinstRL mPVD BPol). Da das Schriftstück vom 21. Juni 2021 nicht vom danach zuständigen Bundespolizeipräsidium, sondern von der Auswahlkommission stammt, liegen die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Einstellungszusage nicht vor.
15
Soweit der Antragsteller dem entgegenhält, auf der Webseite der Bundespolizeiakademie sei diese ausdrücklich u.a. als „Einstellungsbehörde der Bundespolizei“ bezeichnet, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Bundespolizeiakademie entscheidet lediglich über die Einstellung von Bewerbern in den Vorbereitungsdienst (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 BPolLV). Für die Einstellung von Bewerbern nach § 12 BPolLV, die - wie der Antragsteller - dagegen direkt eine Einstellung als Beamter auf Probe anstreben, besteht keine Zuständigkeit der Bundespolizeiakademie. Ob für den Antragsteller erkennbar war, dass die Auswahlkommission nicht die zuständige Behörde im Sinn von § 38 VwVfG war, ist unerheblich. Der Einwand des Antragstellers, das Bundespolizeipräsidium müsse sich jedenfalls die in dem Schreiben vom 21. Juni 2021 „eindeutig enthaltene Zusage der Bundespolizeiakademie“ zurechnen lassen, geht fehl. Eine rechtliche Grundlage für eine solche Zurechenbarkeit ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht benannt.
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Im Übrigen kann das Schreiben vom 21. Juni 2021 inhaltlich - aus dem Blickwinkel eines objektiven Empfängers - nicht als verbindliche Selbstverpflichtung zur Berufung in das Beamtenverhältnis verstanden werden. Dem Wortlaut nach handelt es sich - eindeutig - nur um ein Glückwunschschreiben zur - vermeintlich - bestandenen Eignungsprüfung („Sie haben … mit dem Ergebnis: geeignet … bestanden“) mit Hinweisen zur weiteren Verfahrensweise („Unter dem Vorbehalt der Ergebnisse der polizeiärztlichen Auswahluntersuchung und der Einholung einer Polizeiauskunft erhalten Sie ein Einstellungsangebot“). Gerade die Wortwahl „Einstellungsangebot“ stellt klar, dass eine Einstellung nicht etwa schon rechtsverbindlich zugesagt, sondern lediglich unverbindlich in Aussicht gestellt werden soll. Dass die - unglückliche - Falschauskunft über die „bestandene“ Prüfung beim Antragsteller Hoffnungen auf eine Berufung in das Beamtenverhältnis verstärkt hat, ist verständlich; rechtlich geschützt sind diese Erwartungen jedoch nicht.
17
bb) Aber selbst wenn man ungeachtet dessen von einer verbindlichen (bedingten) Einstellungszusage ausgehen wollte, so würde eine solche keine Rechtswirkungen zugunsten des Antragstellers mehr entfalten. Denn für diesen Fall läge im Schreiben des Bundespolizeipräsidiums vom 2. September 2021 eine - zumindest sinngemäße - rechtmäßige Rücknahmeerklärung (§ 38 Abs. 2 i.V.m. § 48 VwVfG). In diesem Absageschreiben käme hinreichend deutlich der Wille zum Ausdruck, die (unterstellte) Einstellungszusage zurückzunehmen, weil der Antragsteller das Auswahlverfahren für den Polizeivollzugsdienst nicht bestanden hat und deshalb die Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
18
Damit fehlt es jedenfalls an der für den Erfolg des vorliegenden Rechtsschutzbegehrens erforderlichen Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches. Auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes kommt es daher nicht mehr an.
19
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).