VGH München, Beschluss v. 21.09.2022 – 15 ZB 22.1621
Titel:

Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung

Normenkette:
VwGO § 124 Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsatz:
Im Fall eines unterlassenen bzw. erfolglosen Angriffs des Rechtsmittelführers auf die von der Vorinstanz angenommene Unzulässigkeit einer Klage vermögen Angriffe gegen die im angegriffenen erstinstanzlichen Urteil ebenso tragend angenommene Unbegründetheit der Klage eine Zulassung der Berufung von vornherein nicht zu begründen. (Rn. 24)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Klageabweisung als unzulässig und unbegründet, Zulassung der Berufung, Darlegung, Antragsbegründung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 05.05.2022 – Au 5 K 21.1523
Fundstellen:
BayVBl 2023, 337
BeckRS 2022, 25921
DÖV 2023, 224
LSK 2022, 25921

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger und die Beigeladenen sind jeweils Eigentümer von benachbarten Doppelhaushälften, die teils über eine gemeinsame Kommunwand miteinander verbunden sind. Die Kläger sehen ihre Doppelhaushälfte auf ihrem Grundstück FlNr. …9 der Gemarkung O. (im Folgenden angegebene FlNrn. betreffen jeweils dieselbe Gemarkung) sowie Leben und Gesundheit aufgrund behaupteter brandschutzrechtlicher und standsicherheitsrechtlicher Defizite der errichteten Doppelhaushälfte auf dem Grundstück der Beigeladenen (FlNr. …10) als gefährdet an. Die Kläger haben mit ihrer beim Verwaltungsgericht Augsburg erhobenen Klage Ansprüche auf Akteneinsichtnahme und auf bauordnungsrechtliches Eingreifen zulasten der Beigeladenen geltend gemacht. Mit Klageschriftsatz vom 15. Juli 2021 hatten sie über ihren vormaligen Bevollmächtigten beantragen lassen,
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- die Beklagte zu verpflichten, ihnen Einsicht in näher bestimmte Unterlagen aus den Bauakten Az. 630/BA-1015-44-1 und BA-2013-495-1 zu gewähren (Klageantrag zu I.),
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- die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bauaufsichtlichem Einschreiten hinsichtlich bestimmter brand- und standsicherheitsbezogener Umstände zu verpflichten resp. „die Beklagte anzuhalten, durch eine Ergänzung des Inhalts der bestandskräftig erteilten Baugenehmigung durch die Anordnung geeigneter (…) Auflagen sicherzustellen, dass der erforderliche Brandschutz und die Standsicherheit in Bezug auf das in Holzständerbauweise errichtete Nachbargebäude der Kläger gewährleistet ist, die Kläger im Rahmen dieses Verfahrens zu beteiligen und vor Erlass einer Entscheidung anzuhören“ (Klageantrag zu II.),
4
- die Beklagte zu verpflichten, den Beigeladenen „aufzugeben, bis zur Entscheidung des Gerichts in diesem Verfahren weitere Bauarbeiten, die brandschutztechnische Nachrüstung des Gebäudes im Anschluss an die grenzständige Außenwand des Gebäudes der Kläger, zu unterlassen und insoweit die Einstellung solcher Bauarbeiten anzuordnen, soweit die Nachertüchtigung nicht bereits abgeschlossen ist“ (Klageantrag zu III.) sowie
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- die Beklagte zu verpflichten, den Beigeladenen die Vorlage „eines unter Berücksichtigung der anerkannten Grundlagen der Statik rechnerisch nachprüfbaren Standsicherheitsnachweises“ aufzugeben (Klageantrag zu IV.).
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 5. Mai 2022 erklärten die Beteiligten die Hauptsache hinsichtlich der Klageanträge I. und III. übereinstimmend für erledigt. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurden laut Protokoll nur noch die Klageanträge II. und IV. zur streitigen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht gestellt.
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Mit Urteil vom 5. Mai 2022 stellte das Verwaltungsgericht das gerichtliche Verfahren hinsichtlich der für erledigt erklärten Klageanträge zu I. und III. ein, wies die Klage im Übrigen - mithin hinsichtlich der anhängig gebliebenen Klageanträge zu II. und IV. - ab und entschied, dass die Kläger insgesamt als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen haben (hinsichtlich der übereinstimmend erledigten Klageanträge in Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO, UA S. 36 ff.). Laut den Entscheidungsgründen stufte das Verwaltungsgericht die Klage sowohl in den anhängig gebliebenen Klageanträgen zu II. und IV. als auch hinsichtlich der erledigten Klageanträge zu I. und III. (letztere in Anwendung von § 161 Abs. 2 VwGO bis zum Zeitpunkt der Erledigung) jeweils tragend als unzulässig und unbegründet ein.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Antragsbegehren weiter. Die Beklagte und die Beigeladenen verteidigen die angegriffene erstinstanzliche Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
9
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügen.
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1. Soweit die Kläger am Ende ihrer Antragsbegründung (Seite 7 des Begründungsschriftsatzes vom 29. Juli 2022) „die Gründe des Erstgerichts zur Unzulässigkeit der Klage auf Akteneinsicht“ mit weiteren Erwägungen unter der Überschrift „3. Ernstliche Zweifel“ als „nicht überzeugend“ einstufen, ist die Berufung diesbezüglich nicht gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen.
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Insofern ist bereits die Statthaftigkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung fraglich, weil die Antragsbegründung insofern ausschließlich den Klageantrag zu I. betrifft und sich insoweit nicht gegen die streitige Entscheidung, sondern in der Sache gegen die im Urteil miterledigte, auf § 161 Abs. 2 VwGO fußende Kostenentscheidung bezüglich des schon erstinstanzlich erledigten Teils des Klageverfahrens richtet. Ob und unter welchen Voraussetzungen die in § 158 Abs. 1 und 2 VwGO normierten Rechtsmittelausschlüsse greifen oder nicht, wenn sich ein Rechtsstreit teilweise erledigt und die Kostenentscheidung auch für den erledigten Teil in dem die Instanz abschließenden Urteil ausgesprochen wird, ist - grundsätzlich und in Einzelfragen - umstritten (zum Streitstand vgl. z.B. BVerwG, B.v. 3.11.1981 - 4 B 140/81 - DÖV 1982, 161 = juris Rn. 3; U.v. 3.11.2011 - 7 C 3.11 - BVerwGE 141, 122 = juris Rn. 32; U.v. 8.9.2005 - 3 C 50.04 - NJW 2006, 536 = juris Rn. 3 ff.; BayVGH, B.v. 13.2.2012 - 15 ZB 10.131 - BayVBl 2012, 539 = juris Rn. 20 ff.; SächsOVG, B.v. 17.7.2020 - 5 A 501/18 - NVwZ-RR 2020, 1044 = juris Rn. 2; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 4; Wöckel in ebenda § 158 Rn. 6; Olbertz in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Februar 2022, § 158 Rn. 13; Zimmermann-Kreher in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: Juli 2022, § 158 Rn. 6; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 158 Rn. 34 f.; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 158 Rn. 8).
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Dies kann - allgemein und fallbezogen - vorliegend allerdings offenbleiben, weil es insofern jedenfalls an der gem. § 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erforderlichen Darlegung des Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fehlt. Die nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO geforderte Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Erstgerichts erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte - und auch in sich schlüssige - Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 1.2.2021 - 15 ZB 20.747 - juris Rn. 32; B.v. 19.8.2022 - 15 ZB 22.1400 - juris Rn. 16).
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Diesen Voraussetzungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht, soweit sie sich gegen die erstinstanzlich vertretene Einstufung der „Klage auf Akteneinsicht“ (d.h. den Klageantrag zu I.) als unzulässig wendet. Das Verwaltungsgericht hat den auf die Verpflichtung bzw. Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Einsicht in bestimmte Aktenbestandteile gerichteten Klageantrag zu I. laut den Entscheidungsgründen (UA S. 37) deshalb als unzulässig angesehen, weil zum einen ein dem genauen Wortlaut dieses Klageantrags entsprechender vorheriger Antrag auf Akteneinsicht bei der Beklagten zuvor nicht gestellt wurde und weil zum andern einer isolierten Klage auf Akteneinsicht § 44a Satz 1 VwGO entgegenstehe. Dem setzt die Antragsbegründung nichts entgegen. Die Kläger gehen in ihrer Antragsbegründung nicht auf die o.g. vom Verwaltungsgericht für die Verneinung der Zulässigkeit einer Klage auf Verpflichtung / Verurteilung zur Gewährung von Akteneinsicht entscheidungstragenden Detailerwägungen ein, um diese im Einzelnen zu entkräften. Vielmehr sehen sie die Gründe des Erstgerichts zur Unzulässigkeit der Klage auf Akteneinsicht deshalb als „nicht überzeugend“ an, weil Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens nicht die den Beigeladenen erteilte „zweite Baugenehmigung aus dem Jahr 2015“ gewesen sei, sondern die „Ergänzung dieser Baugenehmigung hinsichtlich geeigneter, dem Schutz der Kläger als Baunachbarn dienender Auflagen zur Gewährleistung des Brandschutzes und im Hinblick auf die erforderliche Standsicherheit des Gebäudes der Beigeladenen“ und weil „die Klärung des Themas Brandschutz am Gebäude der Beigeladenen erst mit Vorlage des dritten Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen B. im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt“ sei „und erst danach wegen Untätigkeit der Beklagten eine Klage“ habe erhoben werden können, „nachdem die Bauaufsichtsbehörde zum einen die Akteneinsicht“ verweigert habe „und zum anderen darauf“ hingewiesen habe, „dass es bei dem von der Stadt gebilligten Nachbesserungskonzept zum Brandschutz bleiben würde.“ Mit den relevanten, tragenden Passagen in der angegriffenen Entscheidung des Erstgerichts zum fehlenden vorherigen behördlichen Antrag und zu § 44a VwGO erfolgt in der Antragsbegründung hingegen keine Auseinandersetzung.
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2. Angesichts der eindeutigen - zumal anwaltlichen - Formulierung können die Ausführungen auf Seite 7 der Antragsbegründung vom 29. Juli 2022 über ihren Wortlaut nicht dahingehend verstanden werden, dass sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung und den insofern geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht nur gegen die Annahme der Unzulässigkeit der im Klageantrag zu I. thematisierten „Klage auf Akteneinsicht“ sondern in einem allgemeineren Sinn gegen die Einstufung sämtlicher Klageanträge als unzulässig richten. Im Übrigen wären allerdings, sollte man den Vortrag dennoch in einem weiteren Sinn als Einwendung gegen die angenommene Unzulässigkeit auch der Klageanträge zu II. bis IV. ansehen, auch insofern den Darlegungs- und Substantiierungsanforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinsichtlich § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht genügt:
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a) Das Verwaltungsgericht nahm die Unzulässigkeit der Klage hinsichtlich des (anhängig gebliebenen) Klageantragsantrags Nr. II. unabhängig davon an, ob man diesen Klageantrag als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO) oder als Untätigkeitsklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 2 i.V. mit § 75 VwGO) auffasse. Sehe man in einem eher formlos verfassten Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 16. Dezember 2016 (abgeheftet im Verfahrensakt der Beklagten Az. 630-BA-2015-44-1) einen Verwaltungsakt, sei die dann anzunehmende, erst am 15. Juli 2021 erhobene Verpflichtungsklage wegen Ablaufs der Jahresfrist gem. § 58 Abs. 2 VwGO verfristet erhoben worden. Gehe man bei Verneinung der Verwaltungsaktsqualität des Schreibens vom 16. Dezember 2016 von einer Untätigkeitsklage aus, sei diese nicht gem. § 75 VwGO statthaft, weil in diesem Fall ein dem Klageantrag zu II. entsprechender und der Klageerhebung vorangegangener Antrag an die Behörde auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht gestellt worden sei. In den Akten befindliche Schreiben des vormaligen Klägerbevollmächtigten an die Beklagte vom 18. Januar 2021, 15. Februar 2021 und 20. April 2021 (abgeheftet in den zu den Gerichtsakten zum Verfahren 5 K 21.1523 gehörenden „Anlagen zum Klageschriftsatz der Klagepartei vom 15.07.2021“) seien nicht als ein dem Klageantrag zu II. entsprechendes Antragsbegehren gegenüber der Baubehörde der Beklagten zu verstehen gewesen. Auch fehle den Klägern für den von ihnen ergänzend geltend gemachten Anspruch auf vorherige Beteiligung bzw. Anhörung vor Erlass von nachträglichen Nebenbestimmungen jedenfalls auch die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Denn baurechtliche Nachbarn hätten nach Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBO vor Erlass einer Baugenehmigung keinen Anspruch auf Anhörung gem. Art. 28 BayVwVfG. Damit sei ebenfalls ein Anspruch auf Anhörung vor Erlass von (nachträglichen) Nebenbestimmungen zu einer Baugenehmigung ausgeschlossen. Schließlich hätten die Kläger die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 18. Mai 2015 (vgl. hierzu die Genehmigungsakte der Beklagten Az. 630-BA-2015-44-1), die ihnen zugestellt worden sei, mangels Klageerhebung hiergegen bestandskräftig werden lassen (vgl. UA S. 17 - 20).
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b) Das Verwaltungsgericht ging auch hinsichtlich des ebenso anhängig gebliebenen Klageantrags zu IV. unter Bezugnahme auf die Erwägungen zum Klageantrag zu II. davon aus, dass diesem sowohl als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage als auch als Untätigkeitsklage die Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlten (UA S. 35 f.) Insbesondere werde auch mit diesem Klageantrag ein Begehren geäußert, dass nicht ansatzweise Gegenstand von klägerischen Eingaben an die Beklagte gewesen sei.
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c) Hinsichtlich des - bereits erstinstanzlich erledigten, im Urteil nur noch hinsichtlich der Einstellung (analog § 92 Abs. 3 VwGO) sowie der Kostentragung nach § 161 Abs. 2 VwGO rechtlich erörterten - Klageantrags zu III. stützt das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen die Annahme einer diesbezüglichen Unzulässigkeit auf Folgendes: Soweit in dem Schriftsatz vom 15. Juli 2021 der Antrag unter III. nach Auslegung gem. §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO als Eilantrag nach § 123 VwGO hätte verstanden werden können, sei dieser unzulässig, da bereits kein Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) geltend bzw. glaubhaft gemacht worden sei. Zudem spreche einiges dafür, dass der Antrag als Prozesshandlung unzulässigerweise unter eine Bedingung (die nicht schon erfolgte brandschutztechnische Nachrüstung) gestellt worden sei. Bei einer Auslegung des Antrags als Verpflichtungsbegehren im Wege der Untätigkeitsklage folge die Unzulässigkeit aus einem fehlenden vorherigen (identischen) Ersuchen der Behörde. Ein dem genauen Wortlaut des Klageantrags zu III. aus dem Schriftsatz vom 15. Juli 2021 entsprechender vorheriger Antrag sei bei der Beklagten nicht eingegangen.
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d) Wie beim Klageantrag zu I. (s.o. 1.) setzt sich die Antragsbegründung auf Seite 7 im Zusammenhang mit Fragen der Zulässigkeit der Klage nicht umfassend mit den für das Verwaltungsgericht entscheidungstragenden Erwägungen zur Begründung der Unzulässigkeit der Klageanträge [s.o. a) - c) ] auseinander. Thematisch zielen die Einwendungen auf Seite 7 der Antragsbegründung allenfalls auf die Erwägung des Verwaltungsgerichts zu Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBO und dem hieraus abgeleiteten Gedanken, dass dann auch vor Erlass von (nachträglichen) Nebenbestimmungen zu einer Baugenehmigung kein Anspruch auf Anhörung des Nachbarn bestehe; dies betrifft aber nur den Teilaspekt der vom Erstgericht insofern auch verneinten Klagebefugnis (vgl. UA S. 20), nicht hingegen die weiteren Erwägungen zur Begründung der Antragsunzulässigkeit [vgl. oben a) sowie UA S. 17 - 19]. Ist das angefochtene Urteil aber entscheidungstragend auf mehrere selbständige Begründungen gestützt, kann die Berufung nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt, da anderenfalls das Urteil mit der nicht in zulassungsbegründender Weise angefochtenen Begründung Bestand haben könnte (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2018 - 7 B 15.17 - juris Rn. 11; B.v. 3.12.2018 - 7 BN 4.18 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 24.2.2020 - 15 ZB 19.1505 - juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 17.4.2020 - 15 ZB 19.2388 - juris Rn. 16; B.v. 1.7.2020 - 22 ZB 19.299 - juris Rn. 13; B.v. 10.11.2020 - 15 ZB 20.2323 - juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 61).
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3. Die Einwendungen auf Seiten 2 bis 6 (einschließlich des ersten Absatzes auf Seite 7) der Antragsbegründung vom 29. Juli 2022, mit denen die Kläger mit diversen Erwägungen
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- Verfahrensmängel gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Seiten 2 f., insbesondere wegen Nichteinholung eines gerichtlichen „Obergutachtens“ mit Blick auf § 86 VwGO),
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- besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Seiten 3 - 6) sowie
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- ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils vom 5. Mai 2022 gem. § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO hinsichtlich Brandschutz- und Standsicherheitsfragen sowie hinsichtlich Fragen zum Akteneinsichtsrecht (Seite 6)
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geltend machen, führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Auch insofern genügt die Antragsbegründung nicht den Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinsichtlich aller drei geltend gemachten Zulassungsgründe. Es bedarf dabei keiner Beurteilung, ob die Einwendungen der Sache nach zu Recht erhoben worden sind oder nicht. Denn diese Einwendungen gehen im Ergebnis ins Leere, weil sie ausschließlich Fragen zum Bestehen oder Nichtbestehen der im Klagewege geltend gemachten materiellen Ansprüche und damit zur Begründetheit der Klageanträge beinhalten. Hinsichtlich der - primär - tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit der Klageanträge hat sich die Antragsbegründung aber nicht bzw. nicht hinreichend auseinandergesetzt (s.o. 1. und 2.), sodass diese ihren Bestand behalten und die Klageabweisung weiterhin tragen, selbst wenn die voranstehend aufgezählten Einwendungen zur Begründetheit inhaltlich zuträfen.
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Eine gleichzeitige Abweisung einer Klage als unzulässig und als unbegründet ist wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung (jedenfalls grundsätzlich) ausgeschlossen und für den Fall, dass dies - wie im angegriffenen Urteil vom 5. Mai 2022 - dennoch geschieht, (grundsätzlich) als verfahrensfehlerhaft anzusehen (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2022 - 2 B 49.21 u.a. - juris Rn. 4). Das kann etwa dazu führen, dass vom Berufungsgericht eine Berufung gegen ein Urteil eines Verwaltungsgerichts - ohne dass der Gedanke der kumulativen Mehrfachbegründung (s.o. 2.) greift - schon dann zugelassen werden muss oder vom Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattzugeben ist, wenn sich der Rechtsmittelführer im Zulassungs- bzw. Nichtzulassungsverfahren ausschließlich gegen die Ausführungen der Vorinstanz zur Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs bzw. der Klage richtet (BVerwG, B.v. 17.5.2022 a.a.O. Rn. 2 ff.). Im - wie hier (s.o. 1. und 2.) - umgekehrten Fall eines unterlassenen bzw. erfolglosen Angriffs des Rechtsmittelführers auf die von der Vorinstanz angenommene Unzulässigkeit einer Klage vermögen Angriffe gegen die im angegriffenen erstinstanzlichen Urteil ebenso tragend angenommene Unbegründetheit der Klage eine Zulassung der Berufung von vornherein nicht zu begründen, weil dann die - verfahrensfehlerhaft erfolgten - zusätzlichen Erwägungen des Erstgerichts zur Unbegründetheit als nicht geschrieben gelten und deswegen nicht in Rechtskraft erwachsen können (zur Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 - 6 B 133/18 - NVwZ 2019, 649 = juris Rn. 22; B.v. 17.5.2022 a.a.O. juris Rn. 4). In diesem Fall beruht das angegriffene Urteil auch nicht auf dem Verfahrensfehler, dass die Klageabweisung gleichrangig entscheidungstragend sowohl auf die Unzulässigkeit als auch auf die Unbegründetheit des Klageantrags gestützt wurde (BVerwG, B.v. 14.12.2018 a.a.O.), sodass dann aus Rechtsgründen nur die von der Vorinstanz angenommene Unzulässigkeit des Klageantrags die klageabweisende Entscheidung letztlich alleine trägt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da die Beigeladenen im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet haben, entspricht es der Billigkeit, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, zur entsprechenden Anwendung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs bei einer Verpflichtungsklage auf bauordnungsrechtliches Eingreifen vgl. BayVGH, U.v. 18.11.2020 - 15 B 20.679 - juris Rn. 44 m.w.N.) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
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5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).